Einblicke in den neuen Entwurf des § 14a EnWG

§ 14a EnWG – Das neue Werkzeug für den Netzbetreiber

Wie sollen in Zukunft unsere Niederspannungsnetze fit für die Energiewende gemacht werden? Eine spannende Frage, welche die Branche seit Jahren diskutiert, wenn es um den Ausbau von Erneuerbaren Energien, neuen Verbrauchern (Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen etc.) geht. Da die Netze in der Vergangenheit überdimensioniert wurden, stellte sich diese Frage eigentlich nie, weswegen auch auf Mess- und Steuerungstechnik auf den unteren Netzebenen verzichtet werden konnte, da nur wenige Kraftwerke den Strom bereitstellten und dieser top-down transformiert wurde.

Mittlerweile ist jedoch ein Wendepunkt im Stromnetz in Sicht. Zwar haben wir nicht mehr die wenigen hundert konventionellen Anlagen, sondern bereits mehr als 2. Mio. Erzeugungsanlagen im Netz und ebenfalls eine große Anzahl neuer Verbraucher, trotzdem konnte das Netz diese meistens noch mit wenig Aufwand integrieren aufgrund der Überdimensionierung.

Durch das zunehmende Tempo der Regierung, die hohen Ausbauzahlen seit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie der hohen Nachfrage der Kunden, ist eine Grenze der Stromnetzbelastung in einigen Bereichen schon heute absehbar. Aufgrund der knappen Zeitspanne wird es vermutlich nicht möglich sein, physikalisch das Netz schnell genug zu ertüchtigen, womit neue Lösungsansätze erforderlich sind, damit kein Netzbetreiber seinen Kunden den Anschluss an das Stromnetz verweigern muss. 

Aus diesem Grund erfolgt aktuell eine Evaluation der Bundesnetzagentur (BNetzA), wie mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen im Niederspannungsnetz zu verfahren ist, da dort die größte Anzahl von neuen Verbrauchern installiert wird. Hierzu hat die BNetzA im Juni 2023 nun den neuen, zweiten Entwurf vorgestellt, welche sich aktuell in der Diskussion befindet und endgültig zum 01.01.2024 inkrafttreten soll (Verschiebung nach hinten auf Grund der knappen Fristen ggf. Nicht ausgeschlossen). Da die Neuregelung der BNetzA größere Auswirkungen auf den Netzbetrieb haben dürfte, möchten wir mit diesem Blogbeitrag noch einmal einen Blick auf die neue Konsultationsfassung werfen.

Der Geltungsbereich und das grundlegende Funktionsprinzip

Alle Betriebsmittel eines Netzstrangs des Niederspannungsnetzes unter Einschluss der den Netzstrang versorgenden und unmittelbar mit diesen verbundenen Transformatoren. Die Verordnung gilt für Neuanlagen ab dem 01.01.24,, für ältere Anlagen gelten Übergangsbestimmungen. Anwendung findet die Verordnung nicht für Betreiber von geschlossenen Verteilnetzen nach § 110 EnWG und für Ladepunkte für Elektromobile von Institutionen mit Sonderrechten § 35 Abs.1 / 5a StVO. Höhere gelagerte Netzebenen sind also nicht von der Verordnung betroffen.

Allgemein sind von der Definition steuerbaren Verbrauchseinrichtung (SteuVE) folgende Verbraucher erfasst:

  • Ladepunkt für Elektromobile, der kein öffentlich zugänglicher Ladepunkt im Sinne des § 2 Nr. 5 LSV ist,
  • eine Wärmepumpenheizung unter Einbeziehung von Zusatz- oder Notheizvorrichtungen (z. B. Heizstäbe),
  • Anlage zur Raumkühlung oder
  • Anlage zur Speicherung elektrischer Energie (Stromspeicher) hinsichtlich Einspeicherung

Grundlegendes Funktionsprinzip

Der Grundgedanke des § 14a EnWG ist, dass dieser zur Anwendung kommt, wenn es zu kritischen Netzsituationen im Niederspannungsnetz kommt oder diese erwartbar sind. In diesem Fall hat der Netzbetreiber das Recht, eine sog. netzorientierte Steuerung durchzuführen. Die Ermittlung eines netzkritischen Zustands erfolgt mittels einer Netzzustandsermittlung. Die Netzzustandsermittlung besteht aus „aktuellen Messungen des jeweiligen Netzbereichs unter Berücksichtigung von Netzmodellen und -berechnungen abgeleitete Auslastung eines Netzbereichs. Für die Ermittlung der objektiven Erforderlichkeit einer Maßnahme hat dies nach aktuellem Stand der Technik zu erfolgen. Die Einhaltung des aktuellen Standes der Technik wird vermutet, wenn in die Netzzustandsermittlung eines Netzbereichs Netzzustandsdaten von mindestens 20 Prozent aller Anschlussnehmer des Netzbereiches oder Netzzustandsdaten der Trafoabgänge in Kombination mit Messungen bei mindestens 10 Prozent aller Anschlussnehmer, jeweils in minütlicher Auflösung, einfließen.“

Erst wenn die Netzzustandsermittlung eine kritische Netzsituation ergibt, darf eine netzorientierte Steuerung durchgeführt werden. Allgemein gilt, dass es sich bei der netzorientierten Steuerung um eine ultima ratio Maßnahme handelt. Die Reduzierung der Leistung des Anschlussnehmers muss geeignet, objektiv und erforderlich sein.

Der Netzeingriff muss sich nach den Vorgaben der BNetzA auf den notwendigen Umfang beschränken. Aus diesem Grund muss die Intensität und Dauer verhältnismäßig sein und darf sich nur über den Zeitraum des kritischen Netzzustandes erstrecken. Das Heranziehen der SteuVE hat diskriminierungsfrei zu erfolgen (gleiche Wirkung aller SteuVE auf Entlastung wird angenommen). Es erfolgt aber keine zahlenmäßige oder zeitbezogene Limitierung der netzorientierten Steuerung. Eine Mindestbezugsleistung der SteuVE von 4,2 kW wird immer sichergestellt. Sind mehrere SteuVE hinter einem Netzanschlusspunkt installiert, ist die Anzahl der SteuVE mit der Leistung von 4,2 kW zu multiplizieren sowie einem vorgegebenen Gleichzeitigkeitsfaktor. Das Ergebnis ist die Mindestleistung, welche dem Anschlussnehmer zu garantieren ist.

Die Zuständigkeit des Netzbetreibers endet somit am Netzanschlusspunkt. Durch ein Steuerungssignal wird dem Anschlussnehmer signalisiert, dass er seine Leistung zu reduzieren hat. Die konkrete Reduktion der Leistung kann dann entweder über ein internes Energiemanagement erfolgen, welches selbst die Abregelung der Verbraucher hinter dem Netzanschlusspunkt koordiniert oder durch einen Direktanschluss der SteuVE, dessen Leistung direkt gedrosselt wird.

Wichtig hervorzuheben ist, dass eine Drosselung der Leistung durch den Netzbetreiber ausschließlich bei kritischen Netzsituationen zulässig ist und nicht um Flexibilitätspotentiale des Kunden zu erhaben. Durch die Teilnahme am § 14a EnWG sollen Betreiber von SteuVE aber eine Entlastung über die Netznutzungsentgelte (NNE) erhalten. Da zum 01.01.2024 vermutlich alle Netzbetreiber aber noch nicht in der Lage sein werden, das Niederspannungsnetz ertüchtigt zu haben, um die Vorgaben der BNetzA umzusetzen, ist zwischen zwei Modellen zu differenzieren, wie eine Umsetzung zu erfolgen hat:

Das Übergangsmodell und das Regelmodell des § 14a

Um zeitnah mit der Umsetzung des § 14a EnWG starten zu können in 2024, hat die BNetzA die Möglichkeit eines Übergangsmodells zugelassen, welches bis maximal zum 31.12.2028 gilt. Anwendung findet das Übergangsmodell immer dann, wenn es zu einem Eintritt einer Grenzwertverletzung und die technischen Gegebenheiten zur Steuerung von Verbrauchsanlagen nicht gegeben sind. Einbezogen werden dürfen in diesem Fall alle Anlage, welche zur Behebung des netzkritischen Zustands nötig sind. Als konkrete Maßnahme erfolgt eine präventive Abregelung der Anlagen, wenn der Netzbetreiber den Eintritt einer netzkritischen Situation mit einer hohen Wahrscheinlichkeit als gegeben erachtet. Ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Durchführung der präventiven Steuerung im betreffenden Netzbereich darf der Netzbetreiber maximal 24 Monate das Instrument des präventiven Steuerns anwenden. Auch in diesem Fall ist zugunsten des Betreibers einer steuerbaren Verbrauchseinrichtung die Gewährung einer jederzeitigen netzwirksamen Leistungsbezuges von mindestens 4,2 kW sicherzustellen. Das präventive Steuern ist auf zwei Stunden täglich beschränkt.

Nach Ablauf der 24 Monate bzw. spätestens zum 01.01.2029 ist das Regelmodell anzuwenden. Hierbei handelt es sich um ein allgemeines Monitoring, welches den Eintritt von Grenzwertverletzungen überwacht. Die Ermittlung der Grenzwertverletzung erfolgt über die Netzzustandsermittlung. Die Drosselung der Leistung ist erst zulässig, wenn eine Grenzwertverletzung vorliegt. Somit handelt es sich um ein reaktives Steuern bzw. von der BNetzA netzorientiertes Steuern bezeichnet.

Zur Umsetzung des netzorientierten Steuerns, ist eine permanente Durchführung einer Netzzustandsermittlung erforderlich. Bei Eintritt von Grenzwertverletzungen erfolgt die Verringerung der Leistung am Hausanschluss innerhalb von 3 Minuten gleichmäßig auf alle Verbraucher im selben Netzbereich (alle Betriebsmittel hinter dem Netzstrang inkl. ONT). Die Gewährleistung einer Mindestleistung von 4,2 kW – bei mehreren Verbrauchern wird die Leistung addiert und mit einem Gleichzeitigkeitsfaktor multipliziert – ist ebenfalls sicherzustellen. Auf Wunsch des Betreibers können auch einzelne Verbraucher direkt gesteuert werden. Alternativ ist ein Energiemanagementsystem einzusetzen. Es erfolgt kein bilanzieller Ausgleich beim Lieferanten durch den Eingriff des Netzbetreibers. Außerdem gilt, dass der Steuerungsbefehl des Netzbetreibers Vorrang vor anderen Marktsignalen (Bsp. Preissignale in Form von dynamischen Tarifen) hat. 

Umsetzung des netzorientierten Steuerns durch unmittelbare Weitergabe der Reduzierung an die SteuVE
Umsetzung des netzorientierten Steuerns mittels Reduzierung durch EMS

Dokumentations- und Mitteilungspflichten

Allgemein gilt, dass der Netzbetreiber nicht berechtigt ist, willkürlich die Leistung von SteuVE zu drosseln. Um eine diskriminierungsfreie Behandlung sicherzustellen, haben die Netzbetreiber bestimmte Informationspflichten zu erfüllen. Hierzu gehört u. a. die „Anzahl der jeweiligen pro Netzbereich vorhandenen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, die Netzzustandsermittlungen, die zu einer netzorientieren Steuerung geführt haben sowie die Adressaten, Intensität und Dauer der Maßnahme; im Fall der präventiven Steuerung nach Ziffer 11.5 sind die zugrunde gelegten Berechnungen und durchgeführten Maßnahmen zu dokumentieren, alle Maßnahmen, die zur Vermeidung der Reduzierung des netzwirksamen Leistungsbezugs unternommen werden. Dies beinhaltet insbesondere Maßnahmen zur Optimierung, Verstärkung oder Ausbau des betroffenen Netzbereichs.“  Die Informationen sollen die Netzbetreiber auf einer zentralen Plattform veröffentlichen müssen, sodass eine transparente Kontrolle und Übersicht der Netzeingriffe möglich sind.

Ebenso haben die Betreiber bestimmte Auflagen zu erfüllen. Hierzu gehört u. a. eine Mitteilungspflicht zur Anmeldung der Anlage, aber auch zur dauerhaften Außerbetriebnahme. Im Gegenzug muss der Netzbetreiber den Betreiber der SteuVE eine bereitstellen, dass aktuell eine Steuerung stattfindet oder über den Zeitpunkt der präventiven Steuerung, wenn das Übergangsmodell zur Anwendung kommt. Ebenso besteht eine Informationspflicht an den Lieferanten, wie gesteuert wird (präventiv, netzorientiert) und wann. Der Anschlussnehmer wiederum hat dafür Sorge zu tragen, dass der Steuerungsbefehl des Netzbetreibers am Netzanschlusspunkt weiterverarbeitet wird.

Konzeptionspflichten gegenüber der BNetzA

Damit die Umsetzung des § 14a EnWG auch auf der technologischen Ebene funktioniert, haben die Netzbetreiber bis zum 01.10.2024 der BNetzA einigen Informationen und Konzepte vorzulegen, wie diese sich die Umsetzung der Verordnung vorstellen. Dazu zählen laut dem Entwurf folgende Punkte: 

  1. zu den Anforderungen an die technische Ausgestaltung der physischen und logischen Schnittstellen der Steuerbox zum Anschluss und zur Übermittlung des Steuerbefehls an eine steuerbare Verbrauchseinrichtung oder an ein Energiemanagementsystem,
  2. zu standardisierten technischen Möglichkeiten des Betreibers einer steuerbaren Verbrauchseinrichtung, den jeweils zulässigen netzwirksamen Leistungsbezug unter gleichzeitiger Gewährleistung der Flexibilität nach Ziffer 4 einzuhalten,
  3. zum einheitlichen Vorgehen für die Durchführung von Netzzustandsermittlungen auf Basis von Messwerten in der Niederspannung unter Berücksichtigung des Standes der Technik. Dies beinhaltet auch Mindestanforderungen an die Qualität der Netzzustandsermittlungen, den Eingangsgrößen, dem Verhältnis von Plan- zu Messwerten sowie Vorgaben zur Rücknahme der Maßnahmen,
  4. zu den Mindestanforderungen der technischen Umsetzung und der Dokumentation eines Befehls durch die steuerbare Verbrauchseinrichtung oder dem Energie-Management-System des Anschlussnehmers im Sinne von Ziffer 4.5 und 4.6,
  5. zur Definition der technischen Parameter zur Annahme einer Gefährdung oder Störung im Netzbereich,
  6. zu einem bundeseinheitlichen Format für die Umsetzung der Veröffentlichungspflichten nach Ziffer 8.4.,
  7. zu dem anzuwendenden Gleichzeitigkeitsfaktor nach Ziffer 4.4.
  8. zum Entwurf eines Mustervertrags zwischen dem Betreiber und dem Netzbetreiber, der mindestens die in dieser Festlegung enthaltenen Vorgaben abdeckt.

Auf Basis der eingereichten Konzepte wird dann die BNetzA entscheiden, wie der technische Branchenstandard zum § 14a aussehen soll.

Fazit

Der Neubeschluss der Verordnung zum § 14a EnWG ist durchaus positiv zu werten. Die Netzbetreiber bekommen nun ein Werkzeug an die Hand, mit höheren Lasten im Niederspannungsnetz umzugehen, auch wenn das Netz noch nicht ertüchtigt wurde. Es wird weiterhin das Prinzip verfolgt, Kupfer statt die Digitalisierung voranzubringen, sodass das netzorientierte Steuern nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen soll und bei Auftreten regelmäßiger Grenzwertverletzungen verpflichtet sind zu ertüchtigen, sollte sich der Rahmen der Anreizregulierung nicht ändern. Durch die Einführung einer verpflichtenden Netzzustandsermittlung und der Vorgabe einer Quote fernauszulesender Assets im Niederspannungsnetz in Minutenauslösung wird wiederum eine erste Grundlage für ein digitales Verteilnetz geschaffen.

Die Einführung einer Quote ist auch als richtig zu erachten, da eine flächendeckende Überwachung alle Betriebsmittel nicht notwendig ist, um eine Netzzustandsermittlung durchführen zu können.  Spannend dürfte jedoch sein, in welchen IT-Systemen die Netzzustandsberechnung erfolgt, da perspektivisch größere Datenmengen verarbeitet werden müssten und heutige Netzleitstellen, GIS-Systeme etc. entweder nicht für die Aufgabe geeignet oder vorbereitet sind. Auch das Thema des Datenmodells des Netzbetriebs, welches die Daten speichert und später verarbeitet, dürfte in der Diskussion wieder an Bedeutung gewinnen.

Außerdem sollte die Frage aufgeworfen werden, warum SteuVE nur gedrosselt, aber nicht hochgefahren werden dürfen. Zumindest bei Ladeinfrastruktur wäre dies sehr interessant. Nach ersten Gesprächen mit einigen Netzbetreibern sind kritische Netzsituationen vor allem durch den Zubau von PV-Anlagen im Niederspannungsnetz zu erwarten. Zur Entlastung des Netzes wäre es hilfreich, zusätzliche Verbrauchslasten im Netz hochfahren zu können. Dies sieht der § 14a EnWG in seinem zweiten Entwurf allerdings nicht vor. Auch der Umgang mit EE-Erzeugungsanlagen im Stromnetz wird im § 14a EnWG nicht geregelt. Allerdings finden sich hierzu zumindest einige Punkte im EnWG und EEG, wobei eine einheitliche Regelung für Verbraucher und Erzeuger in einem Konzept hilfreich gewesen wäre.

Daneben ist es schwer verständlich, warum die Verordnung zum 01.01.24 in Kraft treten soll, aber die Netzbetreiber erst 10 Monate später wissen, wie das technische Konzept aussehen soll. Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass die zeitlichen Fristen noch einmal überarbeitet werden.  

Alles in allem handelt es sich somit um einen spannenden Entwurf mit guten Ansatzpunkten, bei dem sicherlich noch nicht alle Punkte beantwortet sind und auch noch in der Praxis weitere hinzukommen werden. Weitere Informationen zu diesem Thema befinden sich auf der Seite der BNetzA, Beschlusskammer 6. Wenn ihr ansonsten noch Fragen oder Anregungen zu dem Beitrag habt, meldet euch gerne.

European Data Act: Auswirkungen auf die europäische Datenwirtschaft und die Kommunalwirtschaft

Wir produzieren und verwenden immer größere Datenmengen, weshalb der Bedarf an Regularien und Mechanismen für einen sicheren und zugleich innovationsfördernden Umgang wächst. Mit einem Bündel neuer Rechtsnormen möchte die Europäische Union die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen europäischen Datenwirtschaft beschleunigen. Um den Zugang zu Daten und deren gemeinsame Nutzung zu erleichtern sowie die Vorschriften über den rechtlichen Schutz von Datenbanken auf den neusten Stand zu bringen, hat die EU-Kommission einen Vorschlag für ein neues Datengesetz (den sog. Data Act) vorgestellt. Dieser nimmt insbesondere Industriedaten und Daten aus vernetzten Produkten sowie Cloud- und Edge-Diensten in den Fokus und könnte damit auch für die deutsche Kommunalwirtschaft einige wichtige Veränderungen mit sich bringen. 

Die Bedeutung der europäischen Datenwirtschaft 

Daten stehen heute im Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn es um die Erreichung umweltbezogener, wirtschaftlicher und sozialer Ziele einer nachhaltigen Entwicklung geht. Anders als andere Ressourcen, sind Daten eine schier endlose Quelle des Wissens und bilden die Grundlage für Prognosen und Entscheidungen, die zur Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen beitragen. 

Angesichts eines rasanten Anstiegs des weltweit produzierten Datenvolumens und den damit verbundenen Chancen für neue, datengetriebene Geschäftsmodelle rückt die volkswirtschaftliche Bedeutung von Daten immer stärker ins Blickfeld. Auch auf europapolitischer Ebene wird der zielgerichtete Einsatz von Daten als Grundvoraussetzung für die zukunftsfähige Entwicklung der EU und seiner Mitgliedsstaaten aufgefasst. Bis 2025 rechnet die EU-Kommission mit einer Verfünffachung des weltweiten Datenvolumens. Der Wert der Datenwirtschaft wird sich Schätzungen zufolge für die 27 EU-Staaten im selben Zeitraum auf etwa 829 Milliarden Euro verdreifachen. Gleichzeitig rechnet die Kommission mit einer Verdopplung der EU-Datenfachkräfte auf ca. 10,9 Millionen Menschen.1 

Die Verfügbarkeit großer Datenmengen ist für den Einsatz zahlreicher Zukunftstechnologien unabdingbar. So sind bspw. statistische Modelle des maschinellen Lernens zur Erkennung von Mustern und Gesetzmäßigkeiten auf eine große Zahl von repräsentativen Trainingsdaten angewiesen. Im Zusammenhang mit den wandelnden Marktanforderungen haben viele Unternehmen erkannt, dass es zunehmend wichtiger wird, nicht nur selbst erzeugten Daten zu nutzen, sondern ein Austausch von Daten im Branchenkontext neue Potenziale für datengetriebene Innovationen eröffnet. Oftmals kollidieren diese Potenziale jedoch mit Problemen bei der Verfügbarkeit, Qualität, Organisation, Zugänglichkeit und gemeinsamen Nutzung der generierten Daten.  

Als unerschöpfliche Ressource lassen sich Daten im Grunde beliebig oft und ohne Qualitätsverluste verwerten und über große Distanzen teilen. Weil Daten für die meisten Marktakteure strategische Produktions- und Wettbewerbsfaktoren sind, stehen viele einem freien Datenverkehr jedoch kritisch gegenüber. Sie befürchten Wettbewerbsnachteile oder Sicherheitsrisiken, wenn sie ihre Daten Mitbewerbern preisgeben. Wie in Wirtschaftsbereichen entstehen in der Datenökonomie mitunter Marktasymmetrien, die dazu führen, dass einzelne Datenmärkte von einer kleinen Zahl großer, überwiegend nicht-europäischer Technologiekonzerne beherrscht werden.  

Trotz der Unmengen an produzierten Daten, wird bislang nur ein Bruchteil des eigentlichen Potenzials ausgeschöpft. Laut Angaben der EU-Kommission würden rund 80 % aller anfallenden Industriedaten niemals genutzt, weshalb eine Förderung von Datennutzung und den Datenaustausch und damit eine Belebung der europäischen Datenwirtschaft hoch oben auf der politischen Agenda steht. In den nächsten Jahren soll der europäische Rechtsrahmen angepasst werden, um einen freien und fairen Datenverkehr über die Sektoren hinweg zu ermöglichen. 2 

Die europäische Datenstrategie

Im Februar 2020 veröffentlichte die EU-Kommission die europäische Datenstrategie – einen Rahmenplan für den digitalen Wandel der EU, welcher den Austausch und die Nutzung von Daten erleichtern sowie die Entwicklung eines EU-Binnenmarkts für Daten fördern soll. Hierin enthalten sind vier strategischen Säule: 

  1. Schaffung eines sektorübergreifenden Governance-Rahmens für den Zugang zu und die Nutzung von Daten. 
  1. Förderung von Investitionen in Daten, Dateninfrastrukturen 
  1. Stärkung der Kontrolle des Einzelnen über seine Daten und digitaler Kompetenzen 
  1. Schaffung von gemeinsamen, sektorspezifischen europäischen Datenräumen (Data Spaces) in verschiedenen strategischen Sektoren und Gesellschaftsbereichen von öffentlichem Interesse. 

Mit der Datenstrategie wird eine enge Verzahnung der Digitalpolitik mit der Umsetzung des europäischen Grünen Deals betont. Die Dekarbonisierung und der Übergang zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft stehen somit im Fokus einer innovativen Datennutzung. Die Strategie selbst enthält noch keine verbindlichen Verordnungen oder Richtlinien, sondern bildet die strategische Grundlage für folgende Gesetzgebungen und flankierende Maßnahmen. 

Der europäische Data Act

Am 22.02.2022 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für ein europäisches Datengesetz, den sogenannten „Data Act“ (Datengesetz) vorgelegt. Die Gesetzgebungsinitiative zum Datengesetz ist zentraler Baustein der europäischen Datenstrategie und ergänzt den am 23. Juni 2022 in Kraft getretenen Data Governance Act. Flankiert wird der Data Act zudem vom Digital Services Act (dt. Gesetz über digitale Dienste) und dem Digital Market Act (dt. Gesetz über digitale Märkte), zwei Gesetzesvorhaben über digitale Dienste beziehungsweise digitale Märkte vom November 2022, die insbesondere große marktbeherrschenden Digitalkonzerne (insb. Online-Plattformen und Suchmaschinen) regulieren sollen. 

Während der Data Governance Act Verfahren, Strukturen und Systeme für die grenzüberschreitende, gemeinsame Datennutzung von Unternehmen, Einzelpersonen und der öffentlichen Hand schafft, soll der Data Act die Bedingungen, unter denen Datenwertschöpfung erfolgen kann, definieren und die Regelungen zur Nutzung und zum Teilen von Daten über Branchengrenzen hinweg harmonisieren. Ziel des Data Acts ist es, Rechtssicherheit für gemeinsame Datennutzung im B2B- (Business-to-Business), B2C- (Business-to-Consumer) und B2G-Bereich (Business-to-Government) zu schaffen, datenbezogene Rechte von Nutzern vernetzter Dienste und von Clouddiensten zu stärken sowie Marktungleichgewichte zuungunsten kleinerer Unternehmen zu verringern.  

Der Entwurf der EU-Kommission für den Data Act wurde bereits vom EU-Parlament mit großer Mehrheit beschlossen und wird im nächsten Schritt innerhalb von Trilog Verhandlungen weiterverhandelt. Sobald eine Einigung erzielt ist, kann das Gesetz verabschiedet werden und in Kraft treten. Dies könnte bereits Ende 2023 der Fall sein, wodurch mit einem Inkrafttreten bereits Ende 2024 zu rechnen wäre. 

Der Data Act wird im Wege einer Verordnung erlassen. Europäische Verordnungen entfalten – im Gegensatz zu Richtlinien – unmittelbare Wirkung in den EU-Mitgliedstaaten, ohne dass es einer nationalen Umsetzung bedarf. 

Zentrale Regelungen des Vorschlags zum Data Act in Kürze: 

  • Bereitstellungspflichten für IoT-Daten: Hersteller vernetzter Produkte bzw. faktische Datenhalter sollen künftig zur kostenlosen Herausgabe der durch die Nutzung entstandenen Daten gegenüber Nutzern verpflichtet werden. Nutzer sollen auch Dritte (z. B. Dienstleister) zum Datenzugang ermächtigen dürfen. Mit dem Data Act würde die EU-Kommission zudem zur Erarbeitung von weiteren technischen Interoperabilitätsstandards ermächtigt. 
  • Datenbereitstellungspflicht gegenüber öffentlichen Stellen: Behörden und öffentliche Stellen sollen künftig gesonderte Zugangsrechte zu Daten erhalten, die zur Bewältigung besonderer Umstände (z. B. Naturkatastrophen) erforderlich sind, sofern diese nicht anderweitig, bspw. durch Kauf, erhältlich sind. 
  • Regulierung unternehmerischer Vertragsgestaltung: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen künftig besser vor unfairen Wettbewerbspraktiken und geschützt werden. Verträge über Datenzugang und Datennutzung sollen dem Grundsatz nach fair ausgestaltet werden. 
  • Datenübertragbarkeit: Anbieter von zwischen Datenverarbeitungsdiensten (z. B. Cloud- und Edge-Dienste) sollen künftig Nutzern einen einfachen Wechsel zwischen Anbietern ermöglichen und entsprechende technische Kompatibilitäten sicherstellen von Datenverarbeitungsdiensten und damit den reibungslosen Wechsel zu gewährleisten. 
  • Einschränkung Datenbankherstellerrecht: Im Vorschlag zum Datengesetz werden zudem bestimmte Aspekte der EU-Datenbank-Richtlinie aus dem Jahre 1998 zum rechtlichen Schutz von Datenbanken überarbeitet. . Um Investitionen in die strukturierte Darstellung von Daten zu schützen, sieht diese bislang ein spezifisches Schutzrecht (auch sui-generis-Recht) für Strukturen (nicht aber die enthaltenen Daten) von Datenbankwerken vor. Im Vorschlag zum Data Act wird dieses Schutzrecht spezifiziert und eingeschränkt. So sollen Datenbanken, die Daten von Geräten und Objekten des Internets der Dinge enthalten, künftig keinem gesonderten Rechtsschutz unterliegen. Dies soll die vom Gesetz angestrebte Erleichterung des Datenzugangs und der Datennutzung garantieren. 

Bedeutung des Data Acts für die Kommunalwirtschaft 

Kommunale Unternehmen sollten beim Data Act hellhörig werden, denn der Gesetzesentwurf bringt weitreichende Änderungen für datengenerierende Dienste und Produkte mit sich, die schon in der Produktentwicklung Berücksichtigung finden müssten.  

Besonders relevant für kommunale Unternehmen: Vernetzte Produkte und Dienste müssten dem Entwurf entsprechend künftig so konzipiert und hergestellt werden, dass sie Nutzenden die bei der Nutzung generierten Daten standardmäßig und kostenfrei zugänglich machen. Diese Herausgabepflichten beträfen insbesondere IoT-Daten aus Sensoren und Messsystemen, bei denen kommunale Unternehmen selbst als Datenhalter gelten.  

Für kommunale Unternehmen verbessert sich voraussichtlich die Datenverfügbarkeit, wenn Herausgabe bzw. das Teilen von Daten im B2B Kontext gefördert wird. Zudem schafft die Kommission mehr Rechtssicherheit im digitalen Raum. Gleichzeitig könnten aber auch wirtschaftliche Anreize zum Erheben von Daten sinken, wenn künftig geschäftskritische Daten geteilt werden müssten, wodurch Zielsetzungen der europäischen Datenstrategie konterkariert werden könnten. 

Das Datengesetz statuiert neben der Herausgabepflicht für Unternehmen gegenüber Nutzern eine gesetzliche Datenbereitstellungspflicht gegenüber öffentlichen Stellen: In außergewöhnlichen Situationen und Notlagen soll es öffentlichen Stellen zur Wahrung von Aufgaben im öffentlichen Interesse möglich sein, auf Daten, die sich im Besitz von Unternehmen befinden, zuzugreifen.  

Von dem im Vorschlag angekündigten vereinfachten Anbieterwechsel zwischen Datenverarbeitungsdiensten profitieren auch kommunale Unternehmen und Kommunen, die in Vergangenheit mitunter der Marktmacht großer Technologiekonzerne und Lock-In-Effekten ausgesetzt waren. 

Offene Fragen

Der Vorschlag zum Data Act lässt noch einige Fragen offen, die z. T. bereits im Rahmen eines öffentlichen Konsultationsprozesses von Verbänden und Interessensvertretungen thematisiert wurden:  

Eindeutige begriffliche Definitionen 

Der aktuell im Entwurf verwendete Begriffe wie Daten, Datenhalter, Produkt sehr weit und unpräzise, wodurch der Anwendungsbereich der Verordnung und die betroffenen Stellen nicht klar umrissen werden können. Hier sind noch einige begriffliche Klarstellungen erforderlich. 

Haftungsansprüche und Schutz sensibler Daten 

Wenn Unternehmen zur Herausgabe von Daten gegenüber Nutzern ihrer Produkte und Services verpflichtet werden, stellt sich die Frage, inwieweit hiermit eine Haftung für Korrektheit und Vollständigkeit einhergeht. Gerade weil mit der Bereinigung und Validierung von Datenbeständen häufig ein zusätzlicher Aufwand beim Dateninhaber entsteht, könnte durch etwaige Haftungsansprüche der wirtschaftliche Anreiz zum Datensammeln eingeschränkt werden. 

Der Data Act enthält zum Zweck des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen bislang noch eher uneindeutige Regelungen, die Daten von Betreibern kritischer Infrastrukturen noch nicht erfassen. In dieser Hinsicht ist eine Erweiterung der Ausnahmen von Datenbereitstellungspflichten sinnvoll. 

Verhältnis zu Open-Data-Regeln und Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) 

Wenn es um das Teilen von Daten geht, sind die Bestimmungen der Open Data Richtlinie (ehm. PSI-Richtlinie) als weiteres wichtiges Element der europäischen Datenpolitik sowie daran anschließende Regelungen relevant. So wurde bspw. mit der Durchführungsverordnung (EU) 2023/138 zur Bestimmung hochwertiger Datensätze, sog. „High Value Datasets“ (HVD) vom Januar 2023 der Druck auf alle öffentlichen Stellen erhöht, einen offenen Zugang zu hochwertigen Datenbeständen zu schaffen. In bestimmten Fällen sind hiervon auch Daten kommunaler Unternehmen betroffen. 

Gemäß Art. 17 Abs. 3 des Data Act-Entwurfs (bzw. Erwägungsgrund 62) sind jedoch Daten, die unter den Data Act fallen von den Bestimmungen der Open Data-Richtlinie ausgenommen. Hier ist eine Klarstellung erforderlich, was das Verhältnis des Data Acts zu Regelungen der Open-Data-Richtlinie sowie der HDV-Verordnung betrifft. Da gerade Unternehmen der Kommunalwirtschaft häufig über personenbezogene Endkundendaten verfügen, ist zudem eine eindeutige Klärung des Verhältnisses zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erforderlich. 

Verhältnis zum Smart-Metering 

Der Bundestag hat das Gesetz am 20. April 2023 das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende beschlossen, das in Verbindung dem Messstellenbetriebsgesetz den Smart-Meter-Rollout beschleunigen soll. Spätestens ab 2025 sollen hierdurch alle Verbraucher intelligente Zähler nutzen können; bis 2032 sollen sie Pflicht werden. Im Interesse von Datenschutz und IT-Sicherheit unterliegen die Daten zu Erzeugung, Verbrauch und Netz-zustand besonderen Schutzstandards. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, das Verhältnis des Data Acts zu nationalen Bestimmungen für das Smart Metering und den Messtellenbetrieb zu klären, um etwaige Konflikte zu vermeiden. 

Fazit 

Der Data Act kann als Paradigmenwechsels im Bereich des Datenteilens aufgefasst werden. Sollte der Gesetzesvorschlag erwartungsgemäß den Gesetzgebungsprozess erfolgreich passieren, wären Unternehmen im privaten und öffentlichen Sektor unmittelbar im Zugzwang. Einerseits sind durch die breitere Datennutzung Potenziale für Effizienzsteigerungen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle möglich, andererseits entstünden konkrete systemische und organisatorische Anforderungen an die Bereitstellung eigener und die Nutzung externer Daten. Gerade bei Produkten mit langen Entwicklungszyklen sollten entsprechende Anpassungen bereits frühzeitig mitgedacht werden. 

Das Energieeffizienzgesetz: Neue Anforderungen für Rechenzentren

Energieeinsparpotential für Rechenzentren

Zur Erreichung der deutschen Klimaziele bis 2045 hin zur Klimaneutralität bedarf es nicht nur einer Kraftanstrengung im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien, sondern es gilt auch Energie einzusparen oder effizienter einzusetzen. Aus diesem Grund hat die EU beschlossen, das Energieeffizienzziel bis 2030 noch einmal anzuheben und den Endenergieverbrauch in der EU um 11,7 % zu senken im Vergleich zu 2020. Auch aus diesem Grund, aber auch zur Erreichung der eigenen nationalen Klimaziele, hat der Gesetzgeber ein neues Effizienzgesetz auf den Weg gebracht, welches die deutschen Effizienzbemühungen steigern soll. Ein wesentlicher Fokus des neuen Energieeffizienzgesetzes ist dem Thema Rechenzentren gewidmet, da mit zunehmender Digitalisierung der Energieverbrauch zunimmt. Schon heute benötigen Rechenzentren so viel Energie wie der gesamte Flugverkehr, weswegen Energieeinsparpotentiale im Rechenzentrumsbetrieb sich auf den Gesamtenergieverbrauch Deutschlands auswirken können.

Auch wir als items und Nutzer von Rechenzentrumsinfrastruktur beschäftigen uns daher, wie wir den Rechenzentrumsbetrieb effizienter gestalten können, um den eigenen CO₂-Fußabdruck minimieren zu können. Aus diesem Grund schauen wir in diesem Blogbeitrag einmal gemeinsam mit euch, welche Anforderungen für neue Rechenzentren vorgesehen sind. Warum ist das Thema spannend für euch und euer Unternehmen? Nun ja, in Zukunft werden die meisten Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen. In diesem Zuge spielt auch der CO₂-Fußabdruck eures Dienstleisters in euren Nachhaltigkeitsbericht, wovon wiederum die Bewertung eures Unternehmens abhängen kann. Somit lohnt es sich einmal zu schauen, welche Regeln für alte und neue Rechenzentren in Deutschland zukünftig gelten sollen.

Pflicht zur Abwärmenutzung und des effizienten Energieeinsatzes für Rechenzentren

Um in Zukunft ein Rechenzentrum in Deutschland errichten zu können, sind Rechenzentrumsbetreiber verpflichtet, Rechenzentren mit einem besonders guten Effizienzfaktor zu errichten. Maßgeblich ist hier der sog. PuE-Faktor, welcher die zusätzliche Energie für die Kühlung der Server angibt. Ein PuE-Faktor von 1,2 bedeutet somit, dass neben dem reinen Strombedarf für den Betrieb der Server 20 % zusätzliche Energie zur Kühlung bereitgestellt werden müssen.

Wer ab 2026 in Deutschland ein neues Rechenzentrum betreiben möchte, muss mindestens einen PuE-Faktor von 1,3 einhalten. Bestehende Rechenzentrum gilt es hingegen noch zu ertüchtigen, sodass ab 2027 ein PuE-Faktor von maximal 1,5 und ab 2030 von 1,3 einzuhalten sind.

Daneben besteht zukünftig eine Pflicht zur Nutzung der Abwärme für Rechenzentren. Für Neubauten ist eine verpflichtende Nutzung von 15 % ab 2027 und von 20 % ab 2028 vorgesehen. Daneben ist festgeschrieben, dass Rechenzentren ab 2024 eine maximale Eintrittstemperatur vorgesehen, welche einzuhalten ist. Auch für jetzige Rechenzentren ist eine verpflichtende Abwärmenutzung von 10 % in den nächsten Jahren vorgesehen.

Nutzung von Erneuerbaren Energien wird Pflicht

Neben der Nutzung von Abwärme, werden Betreiber von Rechenzentren ab dem kommenden Jahr (2024) verpflichtet, Strom aus ungeförderten EE-Anlagen zu nutzen. Hierfür ist ab 2024 eine verpflichtende Quote von 50 % vorgesehen, welche ab 2027 100 % betragen muss. Die Beschaffung darf aber rein bilanziell erfolgen. Somit ist keine direkte physische Lieferung aus EE-Anlagen zum Betrieb des Rechenzentrums verknüpft. Trotzdem könnte die Regelung gerade auf dem PPA-Markt dazu führen, dass der Handel mit Grünstromzertifikaten oder nicht geförderten EE-Anlagen bzw. ausgeförderten Anlagen an Attraktivität gewinnen könnte.

Die Pflicht zur Einführung eines Energiemanagements kommt

Ab 2025 werden Rechenzentrumsbetreiber ab einer gewissen Größe verpflichtet, ein zertifiziertes Energiemanagementsystem (EnMS) einzuführen. Das EnMS muss allerdings nicht nur bis 2025 eingeführt sein, sondern es muss auch ein zertifizierter Nachweis vorliegen. Für das EnMS ist eine kontinuierliche Messung der elektrischen Leistung und des Energiebedarfs der wesentlichen Komponenten erforderlich. Eine Maßnahmenergreifung zur Steigerung der Energieeffizienz ist nötig.

Die Einführung eines zertifizierten EnMS ist erforderlich, wenn die Nennanschlussleistung > 1000 kW beträgt oder es sich um ein RZ im öffentlichen Auftrag ab einer Leistung von 200 kW handelt.

Eine Pflicht zur Validierung oder Zertifizierung eines EnMS ist erforderlich, wenn der Nennanschlussleistung der Informationstechnik > 500 kW beträgt.  Kein EnMS ist hingegen nötig, wenn die Abwärme in ein Wärmenetz vollständig eingespeist wird und der Gesamtendenergie-verbrauch < 25 GWh ist. Wichtig an dieser Stelle als Alternative zu einem zertifizierten EnMS kann auch ein Umweltmanagementsystem eingeführt werden.  

Allgemeine Informationspflichten nehmen zu

Mit dem neuen Energieeffizienzgesetz steigen nicht nur die Anforderungen an die Technik zur Einsparung von Energie, sondern auch die Informationspflichten des Rechenzentrumsbetreibers nehmen zu. So ist eine jährliche Informationsübermittlung nach Anlage 3 an die zuständige Behörde erforderlich. Diese umfasst u. a.:

  • Allgemeine Daten zum RZ (Bsp. Größe, Standort etc.)
  • Allgemeine Daten zum Betrieb des RZ (Bsp. Gesamtenergieverbrauch, Energieträgereinsatz etc.)
  • Allgemeine Angaben zur Berechnung der abgeleiteten Kenngrößen zur Einsichtnahme der Behörden (Bsp. Nennanschlussleistung, Angaben zur Kälteanlage etc.)
  • Allgemeine Betriebsangaben zur Berechnung der abgeleiteten Kenngrößen zur Einsichtnahme der Behörden (Bsp. Brennstoffverbrauch)

Außerdem ist eine Informationsübermittlung nach Anlage 4, wenn die Leistung der Informationstechnik > 50 kW ist:

  • Allgemeine Angaben zur Informationstechnik (Bsp. Standort, Größe)
  • Angaben zur Informationstechnik zur Berechnung ableitbarer Kenngrößen und zur Einsichtnahme durch Behörden (Bsp. Anschlussleistung)

Des Weiteren ist die ungenutzte Abwärmeleistung auf einer neuen Plattform des Bundes zu veröffentlichen. Zusätzlich haben die Rechenzentrumsbetreiber nicht nur die Behörden, sondern auch ihre Kunden zu informieren. Hierzu gehören u. a. Informationen über direkt zurechenbare Energieverbräuche p.a. sowie Ausweisung der Verbrauchsanteile je technischer Infrastruktur. Handelt es sich um einen Betreiber von Co-Location, so muss der Betreiber den Kunden den Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten separat auszuweisen, seiner Unterstützungspflicht des Kunden einer Co-Location Energieverbräuche zu erfassen / zu reduzieren (Monitoringinformationen) nachkommen sowie dem Kunden seine Registernummer des RZs mitteilen. Unter einer Co-Location wird eine Dienstleistung an einem Ort eines Rechenzentrumsbetreibers, die darin besteht, technische Infrastruktur bereitzustellen, innerhalb derer Kunden ihre eigene Informationstechnik betreiben können, verstanden.

Fazit

Das neue Energieeffizienzgesetz bedeutet für neue Rechenzentren sowie solche im Bestand neue Anforderungen. Sowohl was den Einsatz der notwendigen Energie angeht, als auch der Umsetzung neuer Informationspflichten. Insgesamt ist der Beschluss des Energieeffizienzgesetzes deutlich milder als der erste Entwurf, welcher deutlich schärfere Vorgaben vorsah. Trotzdem ist z. B. die Festlegung eines maximalen PuE-Faktors von 1,3 ein Schritt in die richtige Richtung.

Insgesamt ist es auch als richtig zu bewerten, dass Rechenzentren einen Beitrag leisten müssen auf dem Weg, die Klimaziele einzuhalten, als auch zur Steigerung der Energieeffizienz beizutragen. Der Markt für Rechenkapazitäten wird bedingt durch den Trend der Digitalisierung sicherlich zunehmen, weswegen die Pflicht zum Einsatz effizienter Technologie positiv zu werten ist.

Auch die Informationspflichten stellen eine sinnvolle Ergänzung dar, wenn sie sowieso nicht zur Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte notwendig sind. Insgesamt dürfte der Markt und die Nachfrage nach einer nachhaltigen IT-Infrastruktur in der Wirtschaft tendenziell zunehmen, um die eigene Klimabilanz und damit den eigenen Nachhaltigkeitsbericht aufzuwerten, von dem in Zukunft auf Finanzierungsfragen abhängig sein könnten. Somit dürfte die Thematik einer grünen IT nicht nur die IT-Unternehmen oder Rechenzentrumsbetreiber beschäftigen, sondern eine Vielzahl von Unternehmen.

Wasserstoffeinspeisung ins Gasnetz: Was ist zu beachten?

Gastransformationspläne als Treiber der Wasserstoffeinspeisung

Die Planungen für einen Wasserstoffhochlauf in Deutschland sind im vollen Gange. Viele Gasnetzbetreiber sind dabei, ihre Gasnetztransformationspläne zu grünen Gasen zu erstellen und führen erste Analysen für die Transporttauglichkeit ihrer Netze durch. Welche Rolle Wasserstoff in unserem Energiesystem spielen wird, ist sicherlich noch offen, da ein Blick in die Zukunft über mehrere Jahrzehnte notwendig ist. Klar dürfte jedoch sein, dass der Wasserstoff als Energieträger für bestimmte Sektoren benötigt werden dürfte, da eine vollständige Elektrifizierung nicht in allen Sektoren möglich ist. Klar ist jedoch, für den Transport und die Bereitstellung von (grünem) Wasserstoff durch unsere Gasnetze muss die Verfügbarkeit des Energieträgers gewährleistet sein.

Zwar wird der Großteil des Wasserstoffs importiert werden müssen, doch ist bereits jetzt klar, dass wir in Deutschland auch über eigene Elektrolysekapazitäten verfügen werden. So setzt sich die nationale Wasserstoffstrategie u. a. zum Ziel, mindestens Elektrolyseanlagen mit einer Kapazität von 10 GW zu errichten. Daneben existieren noch zahlreiche Biomethan- und Biogasanlagen in Deutschland, deren Gas auch in das Gasnetz eingespeist werden könnte. Die Einspeisung von Wasserstoff oder Biogas dürfte also für einige Gasnetzbetreiber ein Thema werden.

Aus diesem Grund stellt sich die Frage, was bei einem Anschlussbegehren einer Wasserstofferzeugungsanlage zu beachten ist. Welche rechtlichen und technischen Fragestellungen sind zu beantworten und vor allem welche Auswirkungen hat die Wasserstoff-Netzeinspeisung auf die Gasqualität? In diesem Blogbeitrag beschäftigen wir uns daher ausführlich mit der Thematik der Wasserstoff-Netzeinspeisung.

Die rechtliche Grundlage der Wasserstoffeinspeisung

Die rechtliche Grundlage für das Thema Wasserstoff findet sich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Nach § 1 sind Zweck und Ziele des Gesetzes, die Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff sicherzustellen. Nach der Biogasdefinition des EnWG sind dies Biomethan, Gas aus Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Grubengas sowie Wasserstoff, der durch Wasserelektrolyse erzeugt worden ist. Soll das Biogas oder der Wasserstoff in das Wasserstoffnetz eingespeist werden, findet sich der Anwendungsbereich zur Regulierung von Wasserstoffnetzen in § 28j. Netzbetreiber erklären sich (unwiderruflich) bereit, dass ihr Netz der Regulierung unterliegen soll. Zur Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs sind die Entflechtungsvorschriften nach § 28m einzuhalten. Die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von der Wasserstofferzeugung, -speicherung und -vertrieb soll hierdurch sichergestellt werden.

Der Anschluss und der Zugang zu den Wasserstoffnetzen ist in § 28n geregelt. Demnach haben Netzbetreiber Dritten den Anschluss und den Zugang zu ihren Wasserstoffnetzen zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen zu gewähren. Es besteht somit eine Anspruchsgrundlage für Wasserstofferzeuger, ihren Wasserstoff in das reine Wasserstoffnetz einzuspeisen, sofern sich der Netzbetreiber der Regulierung des EnWG unterworfen hat.

Neben dem EnWG ist auch die GasNZV zu beachten. Wirft man jedoch einen Blick in die Verordnung, ist der Begriff Wasserstoff nicht enthalten. Eine eigene WasserstoffNZV existiert jedoch auch nicht. Somit muss Wasserstoff derzeit unter dem Begriff Biogas in der GasNZV betrachtet werden. Der § 33 GasNZV regelt die Netzanschlusspflicht für Biogasanlagen, die auch auf grünen Wasserstoff übertragen werden können. Nach § 19 GasNZV ist allerdings die Gasbeschaffenheit im Rahmen Einspeisung zu beachten. Maßgeblich ist hier das Arbeitsblatt G260 des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Ist eine ausreichende Gasqualität nicht gegeben, muss der Netzbetreiber ein Angebot zur Herstellung der Kompatibilität unterbreiten. Ansonsten ist eine Ablehnung durch ihn zu begründen.

Wichtige Punkte des Anschlussbegehrens

Damit eine Wasserstoffnetzanlage in ein Gasnetz einspeisen kann, muss ein Antrag auf ein Netzanschlussbegehren gestellt werden. Die Prüfung des Netzanschlussbegehrens hat binnen 3 Monaten mit einem Entscheid des Netzbetreibers zu erfolgen.

Aus technischer Sicht ist zu differenzieren, ob der Anlagenbetreiber Biomethan oder Wasserstoff in das Gasnetz einspeisen möchte. Hier sind u. a. unterschiedliche Qualitätsanforderungen am Einspeisepunkt zu beachten: eine notfalls erforderliche Mengenregelung, bestimmte Anforderungen zur Kontrolle der Gasqualität, der Odierung etc. Eine gute Übersicht über die zu beachtenden Regelungen gibt ein Bericht des DBI – Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg:

Tabellarische Auflistung der Unterschiede zwischen Wasserstoff und Biomethan bei der Wasserstoffeinspeisung

Unterschiede der Wasserstoffeinspeisung aus regulatorischer Sicht

Aus Sicht des Netzbetreibers kann es unterschiedliche Möglichkeiten bzw. Herausforderungen geben, wenn Wasserstoff in ein Gasnetz eingespeist werden soll. Maßgeblich ist hier neben der Art des Gases auch der regulatorische Rechtsrahmen. Handelt es sich um ein bestehendes Erdgasnetz, gilt als rechtliche Basis die GasNZV. Zur Sicherstellung der Gasqualität und einer ordnungsgemäßen Abrechnung sind die Arbeitsblätter G260 und G685 zu berücksichtigen. Hierdurch ist eine Wasserstoffeinspeisung nur in einem begrenzten Umfang möglich. Größere Volumenströme können somit nicht eingespeist werden.

Handelt es sich hingegen um ein reines Wasserstoffnetz, welches der Regulierung des EnWG unterliegt, besteht noch keine eigene rechtliche Basis in Form einer WasserstoffNZV, wie die Einspeisung zu erfolgen hat. Einen Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Netzzugang gibt es durch das EnWG aber bereits. Komplizierter wird es, wenn das Wasserstoffnetz nicht der Regulierung des EnWG unterliegt. In diesem Fall muss der Anlagenbetreiber in bilaterale Verhandlungen mit dem Netzbetreiber gehen.

Auswirkungen der Wasserstoffeinspeisung aus technischer Sicht

Die Einspeisung von Wasserstoff führt zu einer Änderung der Gasqualität, wobei der Anteil des Wasserstoffs maßgeblich ist. Aktuell transportieren die Gasnetze i. d. R. Erdgas, welches der 2. Gasfamilie (methanreiche Gase) zuzuordnen ist. Wasserstoff wird hier als Zusatzgas gesehen, welches dem Erdgas beigemischt werden kann. Hierbei sind die Veränderungen der brenntechnischen Kenndaten (Wobbeindex, Dichteverhältnis etc.) zu berücksichtigen und einhalten. Eine strikte Wasserstoff-Obergrenze ist somit nicht definiert. Es geht lediglich darum, die Gasqualität einzuhalten. Somit muss der Netzbetreiber bei einer Wasserstoff-Beimischung sicherstellen, dass eine Eignung der Netze, Messgeräte, Verbrauchseinrichtungen etc. vorliegt.

Exkurs: Analogiebetrachtung Gasumstellung Wasserstoff und die L-/H-Gas-Umstellung

Der Wechsel von Erdgas auf Wasserstoff ist jedoch kein Schalter, der einfach über Nacht umgelegt werden kann. Vielmehr sind die Gasnetzbetreiber gefragt, ihre Netze wasserstofftauglich zu machen. Zwar ist schon heute eine Wasserstoff-Beimischung von bis zu 10 Vol.-% technisch möglich und soll demnächst auf 20 Vol-% angehoben werden, jedoch sind die Netze aktuell nicht in der Lage reinen Wasserstoff zu transportieren, da sich die physikalischen Eigenschaften und Verhaltensweisen dessen im Vergleich zum konventionellen Erdgas unterscheiden. Was es für eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur bedarf, ist u. a. eine Marktraumumstellung von Erdgas auf Wasserstoff.

Mehr dazu im eigenen Blogbeitrag.

Erreicht der Wasserstoffanteil einen signifikanten Anteil, erfolgt nach G260 ein Wechsel auf die 5. Gasfamilie. Hier bildet Wasserstoff und nicht mehr Erdgas das Grundgas. Der Wasserstoff lässt sich in zwei Kategorien unterteilen. Die erste Kategorie hat einen Anteil von mind. 98mol% und die zweite von mind. 99,97mol%. Letzteres ist speziell für den Verkehrssektor erforderlich.

Eine Beimischung von Wasserstoff kann im Netz zur Unterschreitung der unteren Grenze der relativen Dichte führen. Ein Unterschreiten ist nur zulässig nach G260, wenn vorab eine Prüfung der Kompatibilität und Interoperabilität mit der Gasinfrastruktur und den Gasanwendungen erfolgt ist. Bei Einspeisung >10mol% ist eine Herstellerbescheinigung nötig.

Ebenso ist eine Brennwertnachverfolgung erforderlich, da der Brennwert von Wasserstoff deutlich unter dem von Erdgas bzw. Methan liegt und nur so eine ordnungsgemäße Abrechnung möglich ist. Hier ist zu differenzieren zwischen einer 1-Seitigen- und 2-Seitigen-Einspeisung. Bei ersterem erhält der betroffene Netzabschnitt den gleichen Abrechnungsbrennwert, wenn der Wasserstoff direkt am Einspeisepunkt erfolgt. Bei einer 2-Seitigen-Einspeisung ist die 2%-Grenze nach dem Verfahren von G685 einhalten. Ist der Brennwert von H2 kleiner als 3,54 kWh/Nm3 ist keine 2-Seiten-Einspeisung größer 3 % H2 möglich. Dies ist nur relevant bei H2 als Zusatzgas, sonst ist ein fester Brennwert von 3,543 kWh/m3 (Anteil mind. 99,9 % H2) anzuwenden.

Fazit

Die Wasserstoffeinspeisung ist somit kein einfaches, sondern ein durchaus komplexeres Thema. Zum einen ist zu klären, in welche Art von Gasnetz aus technischer, aber auch regulatorischer Sicht der Wasserstoff eingespeist werden soll. Zum Teil fehlt aktuell auch noch die rechtliche Grundlage bzw. die Vereinfachung. Eine eigene Wasserstoffnetzzugangsverordnung wäre hier sicherlich wünschenswert. Aus technischer Sicht sind vor allem die Auswirkungen auf die Gasqualität zu beachten sowie die Auswirkungen auf die Veränderung des Brennwertes für die spätere Abrechnung. Die beiden Arbeitsblätter G260 und G685 sind somit für das Thema Wasserstoffeinspeisung eine wesentliche Grundlage.

Da in den Anfangszeiten vermutlich noch wenig reine Wasserstoffnetze vorhanden sein werden, in welche die Anlagenbetreiber ihren Wasserstoff einspeisen können, dürfte der Blick sich vermutlich erst einmal auf die Erdgasnetze und erste Mischgasnetze (Erdgas, Biomethan, Biogas, Wasserstoff) richten. Mit Spannung dürfte auch die Entwicklung zu beobachten sein, ob Versorgungsgebiete entstehen, bei der der Gasnetzbetreiber sein bestehendes Gasnetz zurückbauen möchte, sich aber Wasserstofferzeuger ansiedeln möchten. Da insgesamt die Ausgestaltung des Regulierungsrahmens für das Thema Wasserstoff nicht am Ende sein wird, ist weiterhin zu beobachten, welche Änderungen von rechtlicher Seite noch erfolgen werden. Es bleibt also spannend beim Thema Wasserstoff.

  • Wasserstoffnetzfinanzierung: Das Amortisationsmodell als Starthilfe

    Wasserstoffnetzfinanzierung: Das Amortisationsmodell als Starthilfe

    Wasserstoffnetzfinanzierung: Das Problem der hohen Netznutzungsentgelte Zuerst der Wasserstoff oder zuerst die Wasserstoff-Infrastruktur? Oder besser beides gleichzeitig? Es ist ein bisschen wie bei der Elektromobilität und dem Henne-Ei-Problem: Was kommt zuerst, das Elektroauto oder die Ladeinfrastruktur? Ähnlich dürfte die Diskussion beim Wasserstoff verlaufen, da eine ganze Wertschöpfungskette parallel aufgebaut werden muss, da eine einzelne Wertschöpfungsstufe…

    »Weiterlesen

  • Wie H2-ready sind unsere LNG-Terminals?

    Wie H2-ready sind unsere LNG-Terminals?

    Streitfrage LNG-Terminals: Wie viele brauchen wir wirklich? Zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland bedingt durch den Ausfall von russischem Pipelinegas werden seit dem vergangenen Jahr LNG-Terminals in Deutschland errichtet. Aktuell handelt es sich meist um schwimmende Terminals, die ab 2025 durch drei feste in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade ergänzt werden sollen. Insgesamt sind 7 Standorte als…

    »Weiterlesen

  • Wasserstoffeinspeisung ins Gasnetz: Was ist zu beachten?

    Wasserstoffeinspeisung ins Gasnetz: Was ist zu beachten?

    Gastransformationspläne als Treiber der Wasserstoffeinspeisung Die Planungen für einen Wasserstoffhochlauf in Deutschland sind im vollen Gange. Viele Gasnetzbetreiber sind dabei, ihre Gasnetztransformationspläne zu grünen Gasen zu erstellen und führen erste Analysen für die Transporttauglichkeit ihrer Netze durch. Welche Rolle Wasserstoff in unserem Energiesystem spielen wird, ist sicherlich noch offen, da ein Blick in die Zukunft…

    »Weiterlesen

EEG 2023: Was ändert sich für die Photovoltaik?

Das EEG 2023 und die vielen Änderungen der Photovoltaik

Nachdem die EU im letzten Jahr ihre beihilferechtliche Genehmigung zum EEG 2023 ausgesprochen hat, sind zum 1. Januar 2023 eine Reihe von Änderungen im EEG in Kraft getreten.  Ein Schwerpunkt der Reformierung des EEG sind Änderungen im Bereich der Photovoltaik. Um das Klimaziel von 80 % EE-Strom im Jahr 2030 zu erreichen, hat der Gesetzgeber die Änderungen aus seiner Sicht genutzt, den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland durch die gesetzlichen Anpassungen schneller vorantreiben zu können.

Aus diesem Grund wollen wir uns im Rahmen dieses Blogbeitrags einmal anschauen, welche Änderungen im EEG 2023 zu finden sind. Welche Änderungen hinsichtlich der Vergütung sind zu erwarten? Welche neuen Arten von Photovoltaik sind nun erlaubt? Welche Änderungen im Ausschreibungsdesign sind zu erwarten? Das alles und noch weitere Punkte schauen wir uns in diesem Beitrag näher an.

EEG 2023: Was ändert sich an der Anlagenvergütung?

Die Höhe der Vergütungssätze wird für alle Photovoltaikanlagen nach oben angepasst. Das EEG differenziert hierbei bei kleineren PV-Anlagen zwischen Volleinspeisern und PV-Anlagen mit einer Eigenversorgung. So soll für Volleinspeiser bis 10 kW die feste Vergütung auf 13 ct/kWh ansteigen und bis 40 kW 10,90 ct/kWh betragen. Liegt hingegen auch eine Eigenversorgung vor, beträgt die Förderhöhe bis 10 kW 8,2 ct/kWh, bis 40 kW 7,10 ct/kWh und bis 100 kW 5,80 ct/kWh.

Neu geschaffen wurden die Kategorien der Garten-PV-Anlage bis zu einer Grenze von 20 kW. Dieser Anlagentyp ist für alle Hausbesitzer interessant, welche nicht über die nötige Dachfläche verfügen, eine Photovoltaikanlage zu installieren. Für alle Anlagen bis 20 kW in der festen Einspeisevergütung beträgt die Vergütung zukünftig 6,6 ct/kWh. Geht die Anlage in die Direktvermarktung, steigt die Vergütung auf 7,0 ct/kWh. Ebenso neu sind die Parkplatz-PV-Anlagen. Hier gelten die gleichen Fördergrenzen wie bei PV-Garten-Anlagen. Allerdings liegt der Schwellwert nicht bei 20 kW, sondern 100 kW.

Für ausgeförderte Anlagen bis 100 kW, die im Netzbetreibermodell nach § 23 EEG vergütet werden, wird der maximale Jahresmarktwert auf 10 ct/kWh gedeckelt.  Außerdem erhält die BNetzA die Möglichkeit, die Höchstsätze im Ausschreibungsverfahren für PV-Anlagen des ersten und zweiten Segments um bis zu 25 % anzupassen. Hiervon hat die BNetzA bereits Gebrauch gemacht und für Freiflächenanlagen eine Vergütung von 7,37 ct/kWh festgelegt. Für PV-Dachanlagen soll die Höchstgrenze auf 11,25 ct/kWh ansteigen. 

Um der Problematik der Lieferengpässe zu begegnen, wurde auch im neuen EEG 2023 beschlossen, dass es zu keiner Verringerung der festen Einspeisevergütung mehr kommen soll, wenn die PV-Anlage nicht mehr rechtzeitig realisiert werden kann. Konkret wird die monatliche Absenkung der Vergütungshöhe, also die Degression der Vergütungssätze, bevor die Anlage in Betrieb genommen ist, bis Anfang 2024 ausgesetzt. Die oben genannten Vergütungssätze bleiben also auch 2023 konstant.

EEG 2023: Gilt die 70 %-Begrenzung weiterhin?

Mit der Novellierung des EEG 2023 fällt für alle Neuanlagen ab dem 01. Januar 2023 die technische Vorgabe zur Begrenzung der PV-Nennleistung von 70 % zur Netzeinspeisung weg bis maximal 25 kW. Weiterhin fällt auch die Pflicht zur Steuerung bis 25 kW weg. Bereits im Oktober 2022 wurde durch weitere EEG-Änderung beschlossen, dass auch die Bestandsanlagen bis 7 kW diese Regelung künftig nicht mehr einhalten müssen. Ältere Anlagen zwischen 7 und 25 kW müssen dagegen auch über den Jahreswechsel hinaus die entsprechende Programmierung beibehalten.

Für Netzbetreiber bedeutet die Regelung, dass ein Instrument zur Integration von PV-Anlagen nicht mehr zur Verfügung steht und maximal das Instrument der Spitzenlastkappung angewandt werden kann.

EEG 2023: Welche Kompetenzen zur Mengensteuerung der Ausschreibungsvolumen erhält die BNetzA?

Mit dem EEG 2023 erhält die BNetzA das neue Instrument der endogenen Mengensteuerung im Zuge der Festlegung der Ausschreibungsvolumen. Die endogene Mengensteuerung ist vor allem dafür gedacht, wenn eine drohende Unterschreitung der Gebote in einer Gebotsrunde droht. In diesem Fall hat die BNetzA die Möglichkeit, das Ausschreibungsvolumen nach unten zu senken (§ 28a EEG).

Um einer kommenden Unterzeichnung entgegenzuwirken, kann die BNetzA parallel dazu vor einer Ausschreibungsrunde die Höchstgrenzen für Wind an Land, Solarstrom des ersten und zweiten Segments bis max. 25 % und Biomethan max. 10 % (bereits erfolgt) erhöhen. Die neuen Höchstgrenzen gelten für mindestens 12 Monate.

Neben dem Instrument der endogenen Mengensteuerung gelten mit dem neuen EEG 2023 vereinfachte Auflagen für Bürgerenergiegesellschaften bei Wind- und Solarprojekte, die von der Ausschreibung ausgenommen werden. Bürgerenergieprojekte erhalten auch ohne Ausschreibung eine Vergütung.

EEG 2023: Was ändert sich im Zuge des Netzanschlusses für PV-Anlagen?

Mit der Novellierung des EEG 2023 ist neu, dass man mehrere PV-Anlagen am Netzanschluss gleichzeitig bauen darf, dass auch ein Teil der PV-Anlagen als Volleinspeiseanlage betrieben werden und die andere Anlage im Eigenversorgungsbetrieb, ohne dass die Anlagen zusammengefasst werden. Jede Anlage muss aber über einen eigenen Zähler verfügen.

Außerdem erfolgt eine Klarstellung in der Zusammenfassung von PV-Anlagen, die sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befinden (z. B. auf demselben Dach installiert sind). Sind diese mit einem Abstand von mehr als zwölf Kalendermonaten in Betrieb genommen worden, werden sie nicht leistungsseitig addiert. Übersteigt der Wert in Summe 100 kW, muss eine Direktvermarktung erfolgen.

Neu ist auch, dass Netzbetreiber ab 2025 ein Portal zur Verfügung stellen müssen, über die eine Netzanfrage für eine geplante Photovoltaikanlage, Hausanschlüssen etc. möglich ist. Zudem werden Fristen vorgegeben, wie schnell Netzbetreiber diese Anfragen bearbeiten müssen. Obendrein sollen Netzanfragen digitalisiert und bundesweit vereinheitlicht werden.

EEG 2023: Fällt durch die Abschaffung EEG-Umlage der zusätzliche Einspeisezähler weg?

Mit der Abschaffung der EEG-Umlage im Jahr 2022 sind auch Anlagenbetreiber oberhalb von 30 kW nicht mehr gezwungen eine anteilige EEG-Umlage zu zahlen. Durch die vollständige Streichung der EEG-Umlage kann ein zusätzlicher Erzeugungszähler bei einigen bestehenden PV-Anlagen ab 2023 entfallen. Erzeugungszähler, die vom Netzbetreiber angemietet wurden, können voraussichtlich ausgebaut werden.

Allerdings sollte darauf geachtet werden, ob wirklich auf den Zähler verzichtet werden kann. Der zusätzliche Einspeisezähler kann evtl. noch erforderlich sein, wenn die Anlage von anderen Vergünstigungen profitieren sollte. Daher sollte der Sachverhalt vor dem Ausbau des zusätzlichen Einspeisezählers geprüft werden.

Fazit

Insgesamt hält das EEG 2023 eine Vielzahl von Änderungen bereit, wobei wir hier nur auf einige Änderungen im Bereich der Photovoltaik eingegangen sind. Positiv zu werten sind die neuen Möglichkeiten der BNetzA, die Höchstsätze anzupassen, um ein breiteres Angebot in den Ausschreibungsrunden zu erhalten. Die Vereinfachungen für Bürgerenergiegesellschaften sind ebenfalls positiv zu werten, da die hohen Anforderungen der Ausschreibungen teilweise den Ausbau von EE-Anlagen durch Bürgerenergiegesellschaften verhindert haben.  

Die Anhebung der Vergütungssätze parallel mit der Mehrwertsteuerbefreiung für kleinere PV-Anlagen durch das Bundesfinanzministerium für einen begrenzten Zeitraum, können ebenfalls dazu beitragen, im Privatbereich den Ausbau von PV-Anlagen zu fördern. Den Anmeldeprozess ab 2025 durch ein Netzbetreiberportal zu digitalisieren, kann ebenfalls dazu beitragen, dass der Ausbau von PV-Anlagen vereinfacht wird.

Ob die Maßnahmen jedoch ausreichen, um die Klimaziele 2030 mit einem EE-Anteil von 80 % zu erreichen, bleibt abzuwarten. Aktuell sind in den Ausschreibungsrunden der BNetzA massive Unterzeichnungen im Jahr 2022 zu verzeichnen, sodass das Ziel der Verdopplung der bisherigen PV-Anlagenleistung bis 2030 in weitere Ferne rückt. Aus diesem Grund wird interessant zu beobachten sein, welche Auswirkungen die neuen Höchstgrenzen in 2023 auf das Angebot in den Ausschreibungen hat.

Wie sehen die neuen Vorschriften für grünen Wasserstoff aus?

Hintergrund zu den delegierten Rechtsakten

Mitte Februar hat die Europäische Kommission gemäß den Vorgaben der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zwei Rechtsakte erlassen, welche sich mit der Herstellung von grünen Gasen im Verkehrssektor beschäftigen sowie mit der Bilanzierung der Treibhausgasmengen bei der Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs). Die beiden Rechtsakte sind auch für Deutschland maßgeblich, unter welchen Bedingungen Kraftstoffe als erneuerbar gelten.

Der erste delegierte Rechtsakt legt fest, unter welchen Bedingungen Wasserstoff, wasserstoffbasierte Kraftstoffe oder andere Energieträger als RFNBO betrachtet werden können. Das Gesetz präzisiert den Grundsatz der “Zusätzlichkeit” für Wasserstoff, der in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU verankert ist. Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff müssen an neue erneuerbare Stromerzeugung angeschlossen werden. Mit diesem Grundsatz soll sichergestellt werden, dass die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff Anreize für eine Erhöhung des Volumens erneuerbarer Energie schafft, das im Netz verfügbar ist, verglichen mit dem, was bereits vorhanden ist. Auf diese Weise wird die Wasserstoffproduktion die Dekarbonisierung unterstützen und die Elektrifizierungsbemühungen ergänzen, während gleichzeitig Druck auf die Stromerzeugung vermieden werden soll.

Der zweite delegierte Rechtsakt enthält eine Methode zur Berechnung der Lebenszyklustreibhausgasemissionen für RFNBO. Die Methode berücksichtigt Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus der Brennstoffe, einschließlich vorgelagerter Emissionen, Emissionen im Zusammenhang mit der Entnahme von Strom aus dem Netz, aus der Verarbeitung und solchen, die mit dem Transport dieser Kraftstoffe zum Endverbraucher verbunden sind. Die Methodik klärt auch, wie die Treibhausgasemissionen von erneuerbarem Wasserstoff oder seinen Derivaten berechnet werden können, wenn er in einer Anlage zur Herstellung fossiler Brennstoffe koproduziert wird.

In unserem Blogbeitrag wollen wir uns einmal die Regelungen des ersten Rechtsaktes zur Erzeugung von erneuerbaren Kraftstoffen näher anschauen, um zu verstehen, wie und in welchen Umfang erneuerbarer Kraftstoff mithilfe von Strom aus EE-Anlagen hergestellt werden kann.

Herstellung von erneuerbarem Kraftstoff über eine direkt angeschlossene Erzeugungsanlage

Der erste delegierte Rechtsakt präzisiert zwei Möglichkeiten, wie erneuerbare, strombasierte Kraftstoffe erzeugt werden können. Möglichkeit 1 ist der Bezug von elektrischer Energie aus dem öffentlichen Stromnetz unter bestimmten regulatorischen Auflagen. Die andere Möglichkeit ist die direkte Produktion der Kraftstoffe vor Ort über den gleichen Anschluss. Die EE-Stromerzeugungsanlage und die Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe stehen somit in räumlicher Nähe und verfügen über eine direkte Leitung, ohne dass das öffentliche Stromnetz der allgemeinen Versorgung genutzt werden muss. 

Hierfür muss der Betreiber nach Artikel 3 einen Nachweis erbringen, dass die Elektrolyseanlage und die EE-Stromerzeugungsanlage über einen direkten Anschluss verfügen. Außerdem darf die EE-Stromerzeugungsanlage maximal 36 Monate vor der Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe installiert worden sein. Die EE-Stromerzeugungsanlage darf nicht an das allgemeine Versorgungsnetz angeschlossen sein oder, mithilfe des Messkonzeptes ist nachzuweisen, dass keine Einspeisung in das öffentliche Stromnetz erfolgt, wenn die Produktionsanlage den Kraftstoff produziert.

Herstellung von Kraftstoff mit bezogenem Strom aus dem Netz der allgemeinen Versorgung

Nicht immer besteht die Möglichkeit, dass der Strom direkt vor Ort neben der Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe produziert werden kann. In diesem Fall muss die Produktionsanlage Strom aus dem öffentlichen Stromnetz beziehen. Damit dieser Strom als erneuerbar gilt und damit der produzierte Kraftstoff, hat der Betreiber der Produktionsanlage zwei Möglichkeiten.

Möglichkeit 1 setzt voraus, dass der EE-Anteil in der Gebotszone, in der sich die Produktionsanlage befindet, einen Anteil regenerativer Energien am Strommix von über 90 % beträgt. In diesem Fall gilt der Strom grundsätzlich ohne Nachweisverpflichtungen als erneuerbar und somit auch der produzierte Kraftstoff. Wird der Schwellwert erstmalig von 90 % EE-Anteil am Strommix in der Gebotszone überschritten, wird pauschal für die nächsten 5 Jahre vorausgesetzt, dass der Wert immer über 90 % liegt.

Daneben ist das Kriterium der Zusätzlichkeit zu beachten, welches vorsieht, dass die Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe den Strom dann zu nutzen hat, wenn die EE-Stromerzeugungsanlage diese auch produziert. Es ist ein maximaler zeitlicher Unterschied von 1h erlaubt (Es existieren bestimmte Ausnahmen und Übergangsfristen, auf die noch eingegangen wird). Außerdem darf eine maximale Stundenzahl überschritten werden. Diese wird berechnet, indem die Gesamtstundenzahl in jedem Kalenderjahr mit dem Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen multipliziert wird.

Die Möglichkeit 2 findet hingegen dann Anwendung, wenn der Gesamtstrommix in der Gebotszone noch nicht den Schwellwert von 90 % überschritten hat. In diesem Fall ist die Emissionsintensität in der jeweiligen Gebotszone zu beachten. Diese darf nach Artikel 4 bei Strom bei maximal 18 gCO2eq/MJ liegen. Wird der Wert erstmalig erreicht, wird pauschal angenommen, dass der Grenzwert für die nächsten 5 Jahre eingehalten wird. Daneben sind folgende Kriterien aus Sicht des Betreibers der Produktionsanlage zu beachten:

  • Die Berechnung der Emissionsintensität erfolgt auf Basis des zweiten delegierten Rechtsaktes zur Berechnung der Treibhausgasemissionseinsparungen aus flüssigen und gasförmigen erneuerbaren Kraftstoffen nicht biologischen Ursprungs und aus recycelten Kohlenstoffkraftstoffen bestimmt der gemäß Artikel 28 Absatz 5 der Richtlinie (EU) 2018/2001
  • Der Betreiber der Produktionsanlage muss einen oder mehrere Stromlieferverträge mit Anlagen geschlossen haben, welche erneuerbaren Strom produzieren

Sollte die EE-Stromerzeugungsanlage aufgrund einer Anweisung des Netzbetreibers abgeriegelt werden (bspw. Redispatchmaßnahme), darf der Betreiber der Produktionsanlage auch Graustrom verwenden. In diesem Fall gilt sein Kraftstoff weiterhin als erneuerbar.

Unabhängig von den beiden Herstellungsmöglichkeiten haben die Betreiber (gewisse Ausnahmen ausgeklammert) bestimmte, weitere Kriterien zu erfüllen. Hierzu gehören primär die Kriterien der Zusätzlichkeit, des zeitlichen Zusammenhangs und der geografischen Korrelation, auf welche im nächsten Kapitel eingegangen werden soll.

Das Kriterium der Zusätzlichkeit 

Damit eine EE-Stromerzeugungsanlage für die Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen eingesetzt werden kann, ist das Kriterium der Zusätzlichkeit zu beachten. Das Kriterium bedeutet, dass der Strom aus einer EE-Stromerzeugungsanlage nur genutzt werden kann, wenn die Anlage maximal 36 Monate vor der Kraftstoffproduktionsanlage in Betrieb genommen ist. Ausnahmen gelten, wenn die EE-Stromerzeugungsanlage bereits eine andere Kraftstoffproduktionsanlage mit elektrischer Energie versorgt hat und das bestehende Stromlieferverhältnis endet.   

Daneben ist zu berücksichtigen, dass bei einer Erweiterung der Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe gilt, dass die Erweiterung gleichgesetzt wird mit dem Zeitpunkt der in Betrieb genommen Erstanlage, sofern die Erweiterung in den nächsten 36 Monaten stattfindet. 

Außerdem ist zu beachten, dass die EE-Stromerzeugungsanlage keine finanzielle Unterstützung in Form von Beihilfen/ Investitionshilfen erhalten darf. Eine EEG-Förderung wäre somit nicht zulässig! Ausnahmen für staatliche Beihilfen und Investitionszuschüsse gelten für das Repowering, finanzielle Unterstützung für Grundstücke oder Netzanschlüsse.  

Nach Artikel 11 gibt es zudem noch einen Bestandsschutz für Elektrolyseanlage, die vor dem 1.1.2028 in Betrieb gegangen sind. Für diese Anlagen gilt das Kriterium der Zusätzlichkeit erst ab dem 1.1.2038.  

Das Kriterium des zeitlichen Zusammenhanges 

Neben dem Kriterium der Zusätzlichkeit ist das Kriterium des zeitlichen Zusammenhangs zu beachten. Demnach muss ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Stromerzeugung und der Kraftstoffproduktion bestehen. Als Zeitfenster sieht der delegierte Rechtsakt eine 1h vor, in der der erzeugte Strom verwendet werden muss.  

Allerdings gilt eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2029. Bis zu diesem Zeitpunkt reicht es aus, wenn die Produktion des erneuerbaren Kraftstoffs und der Strommenge im selben Monat stattfindet. Die Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, die Übergangsfrist zu verkürzen auf den 1. Juli 2027. Ab dem 1. Januar 2030 ist dann der zeitliche Abstand von 1h anzusetzen. Ausnahmen dann nur möglich, wenn der EE-Strom zwischengespeichert wird und direkt hinter dem gleichen Netzanschlusspunkt zu einem späteren Zeitpunkt umgewandelt wird.  

Das Kriterium der geografischen Korrelation 

Als drittes und letztes Kriterium ist die geografische Korrelation zu beachten. Diese gilt nach Artikel 7 als erfüllt, wenn einer der drei Punkte erfüllt ist: 

  1. Die EE-Stromerzeugungsanlage und die Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe befinden sich in der gleichen Gebotszone 
  2. Die EE-Stromerzeugungsanlage und die Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe sind in einer gleichen Verbundangebotszone (heißt die Anlagen stehen in unterschiedlichen Mitgliedsländern) und der Strompreis in der Gebotszone der EE-Stromerzeugungsanlage muss am day-ahead-Markt höher oder gleich hoch sein wie in der Gebotszone der Kraftstoffproduktionsanlage 
  3. Der Stromabnahmevertrag für erneuerbare Energien und die zugehörige EE-Stromerzeugungsanlage befindet sich in einer Offshore-Gebotszone, die mit der Gebotszone verbunden ist, in der sich der Kraftstoffproduktionsanlage befindet 

Informationspflichten für (erneuerbare) Kraftstoffhersteller 

Im Rahmen der Produktion von erneuerbarem Kraftstoff haben die Kraftstoffhersteller nach Artikel 8 zuverlässige Informationen vorlegen, welche den Anforderungen der Artikel 3 bis 7 (im Kern die dargestellten Kriterien), einschließlich für jede Stunde soweit relevant vorzulegen: 

  • die aus dem Netz bezogene Strommenge, die nicht als vollständig erneuerbar gilt, sowie der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen; 
  • die Strommenge, die als vollständig erneuerbar gilt, weil sie aus einem direkten Anschluss an eine Anlage bezogen wurde, die Strom aus erneuerbaren Quellen gemäß Artikel 3 erzeugt; 
  • der Anteil der Strommengen gemäß der unterschiedlichen Möglichkeiten nach § 4 getrennt ausgewiesen 
  • die Menge an erneuerbarem Strom, die von den Anlagen erzeugt wird, die erneuerbaren Strom erzeugen, unabhängig davon, ob sie direkt an einen Elektrolyseur angeschlossen sind und unabhängig davon, ob der erneuerbare Strom für die Herstellung des erneuerbaren flüssigen und gasförmigen Verkehrskraftstoffs, nicht biologischen Ursprungs oder für andere Zwecke 
  • die vom Kraftstoffhersteller produzierten Mengen an erneuerbaren und nicht erneuerbaren, flüssigen und gasförmigen Verkehrskraftstoffen nicht biologischen Ursprungs. 

Nach Artikel 9 können Kraftstoffhersteller ihren Kraftstoff als nachhaltig klassifizieren, wenn sie nachweisen, dass ihr erneuerbarer Kraftstoff nach den Vorgaben des Rechtsaktes auch im europäischen Ausland produziert worden ist.  

Fazit 

Wie evtl. schon beim Lesen des Blogbeitrags ersichtlich geworden ist, dürfte die Produktion von erneuerbarem Kraftstoff mit einigen rechtlichen Hürden verknüpft sein. Da die EU unbedingt ausschließen will, dass es einen Verteilungskampf um die EE-Erzeugungsanlagen gibt, führen die eingeführten Kriterien zu einem höheren Nachweisaufwand. Positiv zu sehen ist, dass ein Übergangszeitraum gewährt, wird gerade im Hinblick auf die Kriterien der Zusätzlichkeit und des zeitlichen Zusammenhanges. Falls es einzelnen Mitgliedsstaaten auch gelingen sollte, bis 2030 einen EE-Anteil im Strommix von mindestens 90 % vorzuweisen, könnte die Produktion von erneuerbarem Kraftstoff deutlich leichter werden, da dann jeder bezogene Strom aus dem öffentlichen Netz der allgemeinen Versorgung als erneuerbarer Strom gilt. Setzt man die deutschen Klimaziele als Maßstab voraus, ist dieser Zeitpunkt mit einem 90 % EE-Anteil noch nicht definiert. Lediglich für 2030 wurde die Zielmarke mit 80 % festgelegt.  

Kritisch ist jedoch zu setzen, dass ausgeförderte EE-Anlagen eine geringe Chance haben von den Neuregelungen zu akzeptieren, wenn das Kriterium der Zusätzlichkeit greift, da die Inbetriebnahme deutlich vor den festgelegten 36 Monaten erfolgt ist. Somit hätten diese Anlagen nur eine Chance, wenn ein Repowering durchgeführt werden würde.  

Interessant könnte es auch werden, die Gebotszonen neu zu bewerten, da lokale Gebiete mit einem hohen EE-Anteil einen Wettbewerbsvorteil generieren könnten, wenn für diese Gebiete die Auflagen sinken, da ein 90 % EE-Anteil vorliegt. Vielleicht könnte dies die Debatte noch einmal verschärfen, ob es in Deutschland nicht mehrere Gebotszonen – Bsp. Nord-/Südgebotszonen – geben sollte. Insgesamt positiv zu werten ist, dass der Rechtsakt endlich erschienen ist und nun wenigstens Planungssicherheit für die Unternehmen besteht. Ob die delegierten Rechtsakte am Ende wirklich eine Hilfe sind, das Thema erneuerbare Kraftstoffe und speziell Wasserstoff zu pushen, bleibt sicherlich in der Praxis noch abzuwarten.   

Steuerungszeitpunkte und -ansätze in der Energiewirtschaft

Wofür braucht man Steuerungszeitpunkte und -ansätze in der Politik?

Habt ihr euch auch schon gefragt, warum die Politik gewisse Entscheidungen in der Energiewirtschaft trifft oder warum genau dieses eine Instrument der Politik zur Beeinflussung des Marktes genutzt wird? Warum werden gerade riesige Förderprogramme für Wasserstoffproduktionsanlagen auf den Weg gebracht und wieso gibt es gerade Standardisierungsprozesse an Stromtankstellen für E-Autos? Aufbauend auf den beiden vorangegangenen Blogbeiträgen zum Energiepolitikbegriff und dem Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik soll in diesem Beitrag dargestellt werden, wie energiewirtschaftliche Entscheidungen anhand ihres Steuerungszeitpunktes eingeordnet und mittels unterschiedlicher Steuerungsansatzpunkte gesteuert werden. Hierbei stehen Steuerungszeitpunkt und Steuerungsansatzpunkt in einem direkten Zusammenhang, weswegen sich die politischen Maßnahmen stark an dem jeweiligen Zeitpunkt und dem angestrebten Ziel orientieren.

Um Entscheidungen auf politischer Ebene zukünftig (noch) besser verstehen zu können, wollen wir in diesem Blogbeitrag die unterschiedlichen Entwicklungsphasen betrachten, die z. B. eine Technologie durchlaufen muss, um letztendlich am Markt erfolgreich zu sein. Außerdem gehen wir auf die unterschiedlichen Steuerungsansätze ein und welche Auswirkungen diese auf den Steuerungszeitpunkt haben können.

Welche Steuerungszeitpunkte in der Energiepolitik gibt es?

Bei der Ausgestaltung eines energiepolitischen Handlungsrahmens ist stets ausschlaggebend, in welcher Phase sich ein Thema befindet. Das Thema kann z. B. eine Technologie sein, die der Gesetzgeber fördern möchte (Wasserstoff), oder aber auch politische Ziele innerhalb einzelner Märkte, wie z. B. das einheitliche Bezahlen an der Ladesäule.

Im Allgemeinen können die Steuerungszeitpunkte in alle drei Entwicklungsphasen einer Technologie oder eines Produktes fallen: die Früh-, Aufbruch- oder Expansionsphase.

Innerhalb der Frühphase geht es aus politischer Sicht vor allem darum, den Innovationsprozess zu stärken und zu beschleunigen. Demgegenüber geht es während der Aufbruchsphase vor allem darum, ein Marktumfeld zu schaffen, das einen Markthochlauf ermöglicht, damit sich die Technologie/das Produkt am Markt etablieren kann. In der letzten Phase, der sog. Expansionsphase, geht es wiederum darum, eine Systemintegration zu erreichen.

Beispielhaft kann dies aktuell gut am angestrebten Ziel der Politik eines Wasserstoffhochlaufs beobachtet werden. So befindet sich die Produktion von Wasserstoff zum aktuellen Zeitpunkt noch in der Frühphase. Es geht vor allem darum, die Forschung zu günstigen und langlebigen Elektrolyseanlagen zu unterstützen und den regulatorischen Handlungsrahmen für eine funktionierende Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln. Perspektivisch wird bereits auf unterschiedlichen politischen Ebenen mit Wasserstoffstrategien eine mögliche Ausbruchsphase von Wasserstoff vorbereitet.

Bei den Phasen ist zu beachten, dass der Gesetzgeber jederzeit die Möglichkeit hat, nachzusteuern und es nicht ausgeschlossen ist, dass sich ein Thema eine Phase zurückentwickeln kann. Daher sind Steuerungsimpulse mit den jeweiligen Marktentwicklungen zu kombinieren. Prominentestes Beispiel ist hier vermutlich die EEG-Vergütung für EE-Anlagen, die in den ersten Jahren des EEG jeweils vom Gesetzgeber in Abhängigkeit von Stromgestehungskosten gesetzt wurde.

Wie wirken sich direkte und indirekte Steuerungsansatzpunkte auf den Steuerungszeitpunkt aus?

Der Gesetzgeber kann je nach Steuerungszeitpunkt mit unterschiedlichen Ansätzen die jeweilige Phase steuern. Hierbei kann zwischen drei Ebenen von Ansätzen differenziert werden: der direkten und der indirekten Steuerungsebene sowie dem Nudging.

Bei den direkten Steuerungsinstrumenten handelt es sich um direkte Eingriffe des Staates in den Markt. Das können intervenistische Regelungen sein, bei denen der Gesetzgeber den Marktteilnehmer klare und fest definierte Regeln auferlegt. Hierbei kann es sich z. B. um einen festen Emissionswert handeln, den jeder Kraftwerksbetreiber einzuhalten hat. Weniger strikt ist die regulierte Selbstregulierung. Hierbei schafft der Staat einen gesetzlichen Handlungsrahmen, innerhalb dessen sich jeder Akteur frei bewegen kann. Dies ist z. B. bei der Anreizregulierung der Fall, bei der Netzbetreiber Spielräume bei dem Ansetzen von Kosten zur Finanzierung des Netzes nutzen können. Anders sieht dies hingegen bei der Ko-Regulierung aus. Hier vereinbaren der Gesetzgeber und die Marktteilnehmer gemeinsam einen Standard, der dann verbindlich umzusetzen ist. Dieses Vorgehen ist u. a. bei der Weiterentwicklung der Marktkommunikation zu beobachten.

Indirekte Steuerungsansätze zielen hingegen nicht auf einen direkten Staatseingriff ab, sondern werden meist von der Industrie selbst angestoßen, um direkte Eingriffe des Gesetzgebers zu vermeiden. Hierbei setzen die Marktteilnehmer auf gemeinsame freiwillige Selbstverpflichtungen, die allerdings keinen rechtlich bindenden Charakter haben. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber über indirekte Steuerungsansätze die Möglichkeit, durch Politikbeschleunigung Entscheidungen der Markteilnehmer zu beeinflussen. Dies war z. B. durch den Erlass von Richtlinien wie im Jahr 2001 oder durch die neue EE-Richtlinie im Jahr 2008 der Fall sein.

Welche Bedeutung haben die neuen Steuerungsansätze des Nudgings?

Neben den direkten und indirekten Steuerungsansätzen hat sich in den letzten Jahren vor allem der Instrumentenkasten des Nudgings etabliert. Beim Nudging (engl. „nudging“ für „Anstoßen“, „Schubsen“ oder „Stupsen“) bewegt man jemanden auf mehr oder weniger subtile Weise dazu, etwas Bestimmtes einmalig oder dauerhaft zu tun oder zu lassen. Ein Beispiel wäre das Behavioral Economics. Hierunter wird die Etablierung neuer Entscheidungsstrukturen verstanden, um ein Individuum zielgerichteter in eine gewünschte Richtung zu lenken. Ansatzpunkte können z. B. Verlustaversionen sein; dem Individuum wird ein potenzieller Verlust in Aussicht gestellt wird, wenn er sich gegen etwas entscheidet. Da der Mensch in der Regel Verlust höher bewertet als Gewinne, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich das Individuum für z. B. den Vorschlag des Gesetzgebers entscheidet.

Auch kann das zeitkonsistente Verhalten genutzt werden. Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass ein Individuum schnellere Gewinne favorisiert, als langfristig auf größere Gewinne zu hoffen. So kann das Individuum ggf. über kurzfristige Prämienzahlung dazu bewegt werden, gewisse Handlungen kurzfristig zu unterlassen oder gar vollständig aufzugeben. Auch kann die Änderung von Entscheidungen von Opt-in zu Opt-out-Klauseln oder umgekehrt zum Nudging gezählt werden. Eine Opt-in-Klausel kann als Aufforderung zur Teilnahme verstanden werden, setzt aber die Handlung des Individuums voraus. Dies ist z. B. bei der Organspende der Fall, die prinzipiell ausgeschlossen ist, sofern sich eine Person nicht aktiv dafür entscheidet. Durch eine Opt-out-Klausel könnte dies komplett umgedreht werden. Dann müsste eine Person aktiv widersprechen, z. B. am System der Organspende teilzunehmen.

Fazit

Nahezu alle energiepolitischen Themen lassen sich unter Betrachtung der Steuerungszeitpunkte und -ansätze einordnen. Die Steuerungszeitpunkte helfen, zu verstehen, in welchem Stadium sich Themen befinden und lassen einen Rückschluss auf die Art und Intention der Steuerungsinstrumente des Gesetzgebers zu. Dabei hilft die Phase auch, für den praktischen Betrieb einzuschätzen, welche Ansätze und Maßnahmen vom Gesetzgeber geplant sein könnten.

Fassen wir den Dreiteiler noch einmal zusammen: Im ersten Teil haben wir beschrieben, wie Energiepolitik nach Dimension (Policy, Politics, Polity), Adressatenkreis, Umfang und Motivation unterteilt werden kann. Im zweiten Teil haben wir gezeigt, auf welchen Ebenen (bspw. International: EU oder Land: Klimagesetz des Landes NRW) Energiepolitik angesetzt werden kann. Mit dem letzten Beitrag kam der Zeitpunkt hinzu, zu welchem energiepolitische Maßnahmen wirken und welche Steuerungsansätze gewählt werden können.

Wie schon zu Anfang angekündigt, handelt es sich um ein theoretisches Modell. Es hilft in allen Fällen dabei, politische Entscheidungen besser zu verstehen und vor allem zu antizipieren, welche weiteren Entscheidungen noch folgen können.

Wenn ihr Fragen zu diesem Beitrag oder der Beitragsreihe habt, meldet euch gerne, ansonsten abonniert gerne unseren Blog.

Der Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik

Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik: Wo findet Energiepolitik statt?

Im ersten Beitrag dieser Reihe haben wir damit begonnen, uns die Dimensionen der Energiepolitik zur Steuerung der Energiewirtschaft näher anzuschauen. Wir haben dargestellt, wie der Anfang einer Analyse energiewirtschaftlicher Sachverhalte aussehen kann. Kurz zusammengefasst: Steuerungsausgangspunkte können anhand der drei Dimensionen des Energiepolitik-Begriffs betrachtet werden, Steuerungsverlustpotenziale sind oft als Ursache einzuordnen und eine Unterscheidung zwischen Steuerungsadressat und Steuerungsumfang ist bei der Betrachtung zu berücksichtigen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wollen wir nun den nächsten Schritt machen und uns der Frage widmen, auf welcher Ebene Steuerungsinstrumente der Energiewirtschaft durch die Politik angesetzt werden können. In diesem Zusammenhang wollen wir uns mit dem Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik beschäftigen:

Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik: Eine Einordnung

Grundgedanke des Mehrebenen-Ansatzes der Energiepolitik ist, auf welcher Ebene Energiepolitik gemacht wird und wie sich diese auf den Gesamtprozess auswirkt. Wichtig ist dabei das Verständnis, dass Energiepolitik nicht auf einer einzelnen Ebene gemacht wird, sondern auf mehreren unterschiedlichen Ebenen. Energiepolitik wird oft mit Klimaschutz synonym verwendet, Klimaschutz stellt aber nur das zentrale Ziel der Energiepolitik dar.

Die erste Differenzierung der unterschiedlichen Ebenen der Energiepolitik kann zwischen der nationalen und internationalen Ebene gemacht werden. Die internationale Ebene bezieht sich – aus deutscher Sicht – zum einen auf Beschlüsse auf Weltebene und zum anderen auf europäische Beschlüsse. Diese beeinflussen die Ziele und Handlungsmöglichkeiten der nationalen Gesetzgebung. Auf der Weltebene bildet das Pariser Klimaabkommen das Kernstück, welches das Ziel der globalen Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad verfolgt. Darauf aufbauend hat die EU ihre Klimaziele für 2030 und 2050 definiert und ein Monitoring-System mit der Governance-Verordnung geschaffen, gestützt von etlichen weiteren Richtlinien und Verordnungen, wie z. B. dem Klimapaket saubere Energien.

Die Ziele der EU dienen wiederum als Vorgabe bzw. Richtlinie für den Bund, die deutschen Klimaziele mindestens auf dem Niveau der EU-Standards zur Einhaltung der Pariser Klimaziele umsetzen. Ein eigeninitiatives, höheres Klimaziel ist natürlich möglich. Maßnahmen des Bundes stellen u. a. das Klimapaket und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie weitere Gesetze dar. Die Länder und Kommunen beschließen wiederum eigene Gesetze und Verordnung, die im jeweiligen Bundesland bzw. der eigenen Kommune umzusetzen sind.

Was auf den ersten Blick nach einem Top-Down-Ansatz aussieht, entpuppt sich in der Praxis als Mischverfahren, bei dem sich unterschiedliche Ebenen sich gegenseitig beeinflussen. So können Initiativen auf kommunaler Ebene dazu genutzt werden, neue, schärfere Ziele auf einer höheren Ebene, wie der europäischen, zu bewirken. Beispielsweise gibt es einen Zusammenschluss einzelner europäischer Städte, die deutlich schärfere Klimaziele als die der Europäischen Union verfolgen, um so schneller die Pariser Klimaziele einzuhalten.

Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik: Nutzen in der Praxis

Bei der Analyse energiewirtschaftlicher Sachverhalte auf der energiepolitischen Ebene hilft das Modell des Mehrebenen-Ansatzes bei der Einordnung, welche Auswirkung ein politischer Beschluss haben kann. 

Bottom-Up

Die Initiative von deutschen Städten innerhalb eines Bundeslandes kann dazu beitragen, dass es auf Landesebene zu einer besseren Förderung der Ladeinfrastruktur für Elektromobile kommt. Falls diese aktiv vor Ort gefördert wird, erhöht sich der politische Druck im entsprechenden Landtag aufgrund des Akzeptanzverlusts von Verbrennungsmotoren. So kann dieses neue Steuerungsverlustpotenzial dazu führen, dass es auf Landesebene unter Umständen zu Änderungen in der Energiepolitik kommt.

Middle-Out

Genauso wie beim Bottom-Up können Initiativen von Nationalstaaten dazu genutzt werden, einheitliche Standards auf europäischer Ebene zu erreichen oder Subventionen für bestimmte Bereiche zu erwirken. Gleiches gilt für Bundesländer, die einheitliche Standards implementieren, um Änderungen auf nationaler Ebene durchzubringen.  

Top-Down

Gleichzeitig können Beschlüsse der EU zu massiven Änderungen des heimischen Energiemarktes führen, in dem z. B. Kunden der eigenständige Handel mit Energie ermöglicht wird, welcher bislang vielleicht im jeweiligen Mitgliedsstaat nicht erlaubt war. 

Fazit

Der Mehrebenen-Ansatz hilft dabei, ein besseres Verständnis zu erlangen, welcher Akteur auf energiepolitischer Ebene gerade handelt und ob bzw. welche Auswirkungen dies auf einzelne Ebenen haben kann. Die Erkenntnisse sollten genutzt werden, das eigene Unternehmen bzw. Geschäftsmodell darauf auszurichten. Allerdings setzt dies das Verständnis darüber voraus, in welcher Phase sich die Maßnahme der Politik befindet und welche Art von Steuerungsinstrument zur Weiterentwicklung des Energiemarktes genutzt wird. Die Steuerungszeitpunkte und -ansätze schauen wir uns im nächsten, finalen Blogbeitrag dieser Reihe an.

Anmerkung: Wer sich gerne mehr mit dem Thema Grundlagen der Energiewirtschaft beschäftigen möchte, dem empfehle ich mein Buch – Energiewirtschaft für (Quer-)Einsteiger – das 1 × 1 der Stromwirtschaft.

Der Begriff der Energiepolitik und ihre Steuerungsansätze

Energiepolitik als Treiber der Energiewirtschaft

Die Energiewirtschaft ist wie kaum ein anderer Markt staatlichen Regelungen und Vorschriften unterworfen. Als Schlagader der Gesellschaft trägt sie wesentlich zu ihrem Erhalt und als kritische Infrastruktur zu unseren gewohnten Lebensbedingungen bei. Daher sind politische Entscheidungen, welche die Entwicklung der Branche maßgeblich beeinflussen, oft mit gesellschaftlichen Fragen verbunden und. Die Energiepolitik ist also ein bedeutsamer Einflussfaktor, den es bei energiewirtschaftlichen Entscheidungen zu berücksichtigen gilt.

Mit diesem und in Folge zwei weiteren Blogartikeln wollen wir einmal verschiedene Aspekte rund um das Thema Energiepolitik unter die Lupe nehmen, mit dem Ziel, energiepolitische Entscheidungen besser verstehen und einordnen zu können. Mit der gewonnenen Erkenntnis kann es leichter werden, zukünftige politische Entscheidungen zu antizipieren. Den Auftakt macht dieser Beitrag, in dem die verschiedenen Dimensionen der Energiepolitik betrachtet werden, welche Adressaten Ziel der Politik sind und welche Motivationen hinter der Politik stecken. Im zweiten Beitrag werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Ebenen, auf denen Energiepolitik gemacht werden kann. Im finalen Teil gehen wir auf die Zeitpunkte und Ansätze ein, zu denen und mit denen die Energiepolitik gestaltet werden kann.

Am Ende der Reihe haben wir euch hoffentlich in die Lage versetzt, Entscheidungen der Energiepolitik einzuordnen und deren Motivation und Ausgestaltung genauer zu verstehen. Wir haben uns dabei bewusst auf die Theorie konzentriert. Somit lässt sich das Modell auf verschiedenste energiepolitische Entwicklungen anwenden.

Steuerungsansätze der Energiewirtschaft: Der (Energie-)Politikbegriff als Steuerungsausgangspunkt

Am Anfang neuer Entwicklungen in der Energiewirtschaft stehen oft politische Entscheidungen. Diese lassen sich aus den drei Dimensionen des (Energie-) Politikbegriffs, Policy, Politics und Polity, ableiten. Je nach Dimension unterscheiden sich die Diskussionen und Entscheidungen der politischen Akteure.

Die erste Dimension des Energiepolitikbegriffs ist die normative Dimension, auch Policy genannt. Bei dieser Dimension dominieren die Grundsatzfragen und Wertevorstellungen der politischen Entscheidungsträger. Oft kommen diese durch normative Aussagen bei der Festlegung eines Zielbildes zur zukünftigen Entwicklung der Energiewirtschaft zustande. Eine einfache Aussage, wie z. B. die Energiewirtschaft müsse grün und frei von Atomkraft werden, ist eine solche Aussage.

Bei der zweiten, der prozessualen, handelt es sich um die Dimension der Staatskunst – Politics. Hier erfolgt die Erarbeitung eines Konsenses bzw. der Durchsetzung einer einzelnen Position einer Interessengemeinschaft. Die Konsensbildung kann dabei in unterschiedlichen Formaten stattfinden. Als Beispiele können hierbei u. a. das Atommoratorium oder die große Verhandlungsrunde zur Vereinbarung des Atomausstiegs aufgeführt werden.

Erst auf der dritten Dimension des Energiepolitikbegriffs, der institutionellen Dimension, auch Polity genannt, erfolgt der Beschluss der konkreten Gesetze, der Verordnungen etc.

Schematische Darstellung der Steuerungsverlustpotenziale in der Energiepolitik: Triggerereignisse, Akzeptanzverlust und Distributed Technologies

Steuerungsansätze der Energiewirtschaft: Treiber Steuerungsverlustpotenziale

Damit es auf einer der Dimensionen der Energiepolitik zur Bewegung kommt, bedarf es einer Ursache, welche die Verantwortlichen auf der politischen Ebene zur Handlung zwingt. Ursachen hierfür sind oft Ereignisse und Entwicklungen, die das Potenzial zum Steuerungsverlust haben. Es können in der Regel drei Arten von Steuerungsverlustpotenzialen unterschieden werden.

Als Erstes sind Trigger-Ereignisse zu nennen, welche die Politik überraschend treffen und zu einem plötzlichen Kurswechsel zwingen. Die zwei bekanntesten Ereignisse der Vergangenheit dürften zum einen die Katastrophe von Fukushima sein, die zu einem abrupten Ausstieg aus der Atomkraft führte, und zum anderen der Russland-Ukraine-Konflikt, der die Thematik der Versorgungssicherheit in den Vordergrund rückte.

Neben Trigger-Ereignissen können aber auch Akzeptanzverluste in der Bevölkerung zu politischen, energiewirtschaftlichen Veränderungen führen. So hat sich die Einstellung der Deutschen zu Technologien wie der Atomkraft oder zum Braunkohletagebau in den vergangenen Jahrzehnten deutlich geändert, weswegen die Politik über die Jahre einen Kurswechsel hin zu regenerativen Energien eingeleitet hat.

Als dritter Verursacher für Steuerungsverlustpotenziale können Distributed Technologies angesehen werden, die den Markt durch ihre Innovationskraft maßgeblich beeinflussen. In der Informationstechnologie ist das z. B. das Smartphone, das die Entwicklung von Apps und die Nutzung des mobilen Internets massiv beschleunigt hat. In der Energiewirtschaft ist es z. B. die Elektromobilität, die schrittweise konventionelle Antriebe vom Markt verdrängt.

Steuerungsadressaten und Steuerungsumfang der Energiepolitik

Wenn der Staat die Notwendigkeit zu handeln aufgrund von Steuerungsverlustpotenzialen sieht und sich auf der prozessualen Ebene mit der Konsensbildung beschäftigt, ist dabei zu klären, wen und wie die Maßnahme der energiepolitischen Entscheidung beeinflussen soll; es sind Steuerungsadressat und Steuerungsumfang zu betrachten. 

Der Begriff Steuerungsadressat bezieht sich auf die Frage, wer von der politischen Entscheidung betroffen sein soll. Hierbei kann es sich einerseits um einen generellen Adressatenkreis handeln, dabei können alle Marktteilnehmer von einer Regelung betroffen sein, wie z. B. der Pflicht für alle Lieferanten, einen eigenen Bilanzkreis zu führen (generell). Andererseits können auch Entscheidungen getroffen werden, die individuell auf einzelne Unternehmen abzielen. Hierzu zählt beispielsweise die Entscheidung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), die deutsche Gasprom-Tochter unter staatliche Verwaltung zu stellen (individuell).

Der Steuerungsumfang kann dann für die Steuerungsadressaten entweder abstrakt oder konkret ausfallen. Bei einer konkreten Regelung handelt es sich, wie schon der Name sagt, um eine konkrete Vorgabe des Staates. Hierzu könnten verbindliche CO₂-Quoten für die Stahlindustrie zählen, bei der alle Stahlproduzenten eine verbindliche Menge CO₂ sparen müssen (generell, konkret). Die Gesetze können aber auch abstrakt gehalten werden. Beispielsweise sollen sich Unternehmen bemühen, ein Energiemanagement (EnMS) einzuführen, wobei die Umsetzung der Maßnahmen aus dem EnMS dem Unternehmen überlassen wird (generell, abstrakt).

Zusammenhänge zwischen Steuerungsadressaten und Steuerungsumfang

Zwischenfazit

Fassen wir einmal zusammen: Für die Beurteilung eines politischen energiewirtschaftlichen Sachverhalts als Steuerungsausgangspunkt können die drei Dimensionen des Energiepolitikbegriffs – Policy, Politics, Polity – betrachtet werden. Handlungen auf politischer Ebene beruhen meist auf Steuerungsverlustpotenzialen, die sich in die drei Kategorien Trigger-Ereignis, Akzeptanzverlust oder Distributed Technologies einteilen lassen. Bei der Umsetzung eines energiepolitischen Vorhabens ist immer darauf zu achten, dass zwischen dem Steuerungsadressaten (generell oder individuell) und dem Steuerungsumfang (abstrakt oder konkret) zu differenzieren ist.

Mit den Erkenntnissen über die verschiedenen Dimensionen, potenzielle Adressaten und Motivationen schauen wir uns im nächsten Beitrag an, auf welchen (Steuerungs-)Ebenen energiepolitische Entscheidungen getroffen werden können.

Wenn ihr Fragen zu diesem Beitrag habt, meldet euch gerne. Wenn euch der Beitrag gefallen hat und ihr den nächsten Beitrag nicht verpassen wollt, dann abonniert gerne diesen Blog.


Anmerkung: Wer sich gerne ausführlicher mit dem Thema Grundlagen der Energiewirtschaft beschäftigen möchte, empfehle ich das Buch Energiewirtschaft für (Quer-)Einsteiger – das 1 × 1 der Stromwirtschaft.

Wie wird die Gaspreisbremse kalkuliert? Eine Beispielrechnung

Die Gaspreisbremse naht, doch wie wird sie kalkuliert?

Wie haben Gaslieferanten ab dem ersten März 2023 den Abschlag von SLP-Kunden zu berechnen? Wie erfolgt die rückwirkende Verrechnung für die Monate Januar und Februar? Was passiert, wenn der SLP-Kunde unterhalb des Jahres abgerechnet wird oder wenn er zum Zeitpunkt der Abrechnung weniger als das Entlastungskontingent verbraucht hat? Diese Fragen und viele weitere stellen sich aktuell vermutlich alle Gaslieferanten, welche mit der Umsetzung der Gaspreisbremse beschäftigt sind. Was auf den ersten Blick einfach klang, dass jeder SLP-Kunde einen gedeckelten Preis für ein bestimmtes Mengenkontingent erhält, ist in der Praxis doch viel komplexer. Denn es existieren eine Vielzahl von Tarifstrukturen und zusätzlich sind einige Ausnahmen und Besonderheiten im Gesetz zu beachten.

Dennoch haben wir uns die Mühe gemacht, verschiedene Kalkulationsbeispiele zu erstellen, wie die Berechnung der Gaspreisbremse für einzelne Abrechnungsvarianten für SLP-Gaskunden aussehen könnte. An dieser Stelle sei eindeutig darauf hingewiesen, dass es sich um Rechenbeispiele handelt, für die wir keine Gewähr auf Richtigkeit gewähren! Betrachtet unsere Rechenbeispiele als Hilfestellung, wie wir als items die Gaspreisbremse verstehen. Hierbei betrachten wir nur drei Standardfälle für einzelne Tarifstrukturen. In der Praxis sollte daher immer eine eigene Prüfung der eigenen Tarifstrukturen und Berücksichtigung gesetzlicher Ausnahmen, Höchstgrenzen etc. vorausgehen.

Insgesamt stellen wir drei unterschiedliche Rechenbeispiele vor, welcher im SLP-Bereich unserer Auffassung nach den Großteil der Tarifanwendungsfälle abdecken sollten. Die Auswirkungen eines Lieferantenwechsels greifen wir in diesem Beitrag jedoch nicht auf. Bevor wir aber in die Beispielkalkulation einsteigen, werfen wir erst noch einen Blick auf die theoretischen Rechengrundlagen der Gaspreisbremse.

Die theoretische Grundlage zur Ermittlung der Gaspreisbremse

Ausgangspunkt für die Gaspreisbremse ist die Bestimmung eines sog. Entlastungskontingents. Dieses errechnet sich bei SLP-Kunden bis zu einem jährlichen Verbrauch von max. 1,5 Mio. kWh i. d. R. über den Vorjahresverbrauch und ist auf 80 % gedeckelt. Der Vorjahresverbrauch wird zu Beginn der Gaspreisbremse einmalig bestimmt und kann nicht wieder geändert werden. Bei dem Entlastungskontingent handelt es sich somit um eine festgelegte subventionierte Menge, die mit einem staatlich festgesetzten Referenzpreis gedeckelt wird. Für SLP-Gaskunden beträgt dieser 12 ct/kWh. Liegt der vereinbarte Preis (realer Gaspreis) mit dem Letztverbraucher oberhalb von 12 ct/kWh greift die Gaspreisbremse.

Aus Sicht des Letztverbrauchers handelt es sich bei der Entlastung über die Gaspreisbremse somit um einen staatlichen Zuschuss, der mit der monatlichen Abschlagszahlung vorläufig und erst mit der Rechnungsstellung endgültig gewährt wird. Der staatliche Zuschuss berechnet sich über den sog. Differenzbetrag. Der Differenzbetrag errechnet sich aus der Differenz des eigentlich vereinbarten Gaspreises minus dem Referenzpreis. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der staatliche Zuschuss nur für die Gasmenge des Entlastungskontingents, also 80 % des Vorjahresverbrauchs, vorgesehen ist. Für alle Gasmengen, welche oberhalb des gewährten Entlastungskontingents liegen, muss der Letztverbraucher den vollen Gaspreis zahlen. Ausnahmen bestehen evtl. für Letztverbraucher, welche bestimmte Höchstgrenzen der staatlichen Förderung überschreiten, sollen aber an dieser Stelle vernachlässigt werden, da dies hauptsächlich RLM-Kunden betreffen dürfte.

Da ein SLP-Kunde nicht jeden Monat abgerechnet wird, sondern normalerweise alle 12 Monate, müssen Gaslieferanten ab dem 01.03.23 ihre Abschläge neu kalkulieren und ihre Kunden über die Höhe der neuen Abschläge bis Mitte Februar informieren. Gleichzeitig sind die Kunden im Monat März rückwirkend für die Monate Januar und Februar zu entlasten. Das Entlastungskontingent selbst wird als vorläufige Entlastung in Form der Abschläge gleichmäßig über das Jahr verteilt. Kommt es zu Preisanpassungen im Jahr 2023, sind mengengewichtete Preiseffekte zu berücksichtigen. Das grobe Berechnungsschema ist der folgenden Abbildung zu entnehmen.

Welche Varianten müssen je Tarif berücksichtigt werden?

Die gesamte Anzahl möglicher Tarifstrukturen im Bereich Gas zu betrachten, ist im Rahmen dieses Blogbeitrags nicht möglich. Deshalb werden wir uns auf drei verschiedene Rechenbeispiele konzentrieren. Bei dem ersten Beispiel handelt es sich vermutlich um das Best-Case-Szenario, bei der ein SLP-Kunde über das gesamte Jahr zu den gleichen Preiskonditionen von einem Gaslieferanten versorgt wird. Die Abrechnungsperiode liegt genau bei Januar bis Dezember, wodurch die nächste Jahresabrechnung genau den Zeitraum der Gaspreisbremse umfasst. Hierbei werden wir die drei Varianten betrachten, wenn der Letztverbraucher mehr Gas als im Vorjahreszeitraum verbraucht, wenn er weniger Gas verbraucht, aber mehr, als ihm nach dem Entlastungskontingent zusteht und wenn er weniger verbraucht, als das Entlastungskontingent vorsieht.

Im zweiten Rechenbeispiel wird die erste Variante verändert, dass der Gaslieferant eine unterjährige Preisanpassung zur Mitte des Jahres vornimmt, wodurch der Differenzbetrag neu kalkuliert werden muss und somit die Höhe des neuen Abschlags nach Durchführung der Preisanpassung. Im dritten Rechenbeispiel wiederum betrachten wir den Fall einer unterjährigen Abrechnung des Kunden in Mitte 2023, was dazu führt, dass ein Teil des staatlichen Zuschusses mit in die Abrechnung 2024 genommen werden muss. Alle Beispiele gehen von der Kalkulation eines SLP-Kunden mit einer Vorjahresprognose von 10.000 kWh aus. Bei allen Rechenbeispielen wird der Arbeitspreis vernachlässigt, da dieser durch die staatlichen Vorgaben nicht mehr angepasst werden kann, sofern sich keine staatlichen Preisbestandteile mehr verändern. Bei allen Rechenbeispielen geht es also um die Kalkulation der Höhe des Abschlags auf Basis des Verbrauchs. Die monatlichen Kosten für den Arbeitspreis müssten noch hinzugerechnet werden.

Rechenbeispiel 1 Gaspreisbremse: – SLP-Belieferung Jan. – Feb. ohne Preisanpassung

In unserem Rechenbeispiel 1 haben wir einen SLP-Kunden mit einem prognostizierten Jahresverbrauch von 10.000 kWh. Die Belieferung erfolgt über das gesamte Jahr zu einem konstanten Preis von 16 ct/kWh. Die Jahresabrechnung erfolgt zum Dezember 2023. Das Entlastungskontingent beträgt 8.000 kWh (80 %) und der Referenzpreis liegt bei 12 ct/kWh (brutto). Das Entlastungskontingent wird gleichmäßig auf alle 12 Monate verteilt. Der neue Abschlag ab dem ersten März 2023 berechnet sich insgesamt aus drei Bestandteilen:

  1. Der subventionierten Menge des Entlastungskontingents (8.000 kWh) * dem Referenzpreis (12 ct/kWh) verteilt auf 12 Monate: 80,00 € p.m.
  2. Dem Abschlag, für die nicht subventionierte Menge (2.000 kWh) * dem realen Gaspreis (16 ct/kWh) verteilt auf 12 Monate: 26,67 € p.m.
  3. Dem staatlichen Zuschuss als vorläufige Entlastung auf Basis des Differenzpreises errechnet aus der Differenz des: realen Gaspreises (16 ct/kWh) minus dem Referenzpreis (12 ct/kWh) mal die subventionierte Menge (8.000 kWh) verteilt auf 12 Monate: 26,67 € p.m.

Der staatliche Zuschuss ist nicht vom Letztverbraucher zu tragen. Stattdessen erhält das EVU das Geld bereits über eine beantragte Vorauszahlung vom Staat über eine Prüfbehörde. So muss der Letztverbraucher lediglich einen Abschlag von 106,67 € zahlen anstatt einem Abschlag von 133,33 € pro Monat.

Da die Gaspreisbremse jedoch im Januar und Februar noch nicht greift, muss der Letztverbraucher für diese beiden Monate den vollen Abschlag von 133,33 € p.m. zahlen. Eine Anpassung des Abschlages auf 106,67 € p.m. erfolgt erst ab März 2023. Lediglich im Monat März besteht die Besonderheit, dass der Letztverbraucher rückwirkend für die Monate Januar und Februar zu entlasten ist. In diesem Fall reduziert sich der Abschlag im Monat März zusätzlich um den staatlichen Zuschuss von jeweils 26,67 €. Somit erhält der Letztverbraucher eine zusätzliche Entlastung im Monat März von 53,33 €. Der Märzabschlag sinkt auf 53,34 €. Für die Monate April bis einschließlich Dezember verbleibt der Abschlag bei 106,67 €. Insgesamt zahlt der Letztverbraucher in Summe 1.280,00 € für das gesamte Jahr.

Im Monat Dezember kommt es zur Jahresabrechnung zwischen dem Lieferanten und Letztverbraucher, bei der die endgültige Entlastung des Letztverbrauchers erfolgt auf Basis seines realen Verbrauchs nach der Jahresendablesung. Hier kann es zu drei unterschiedlichen Konstellationen kommen:

  1. Der Jahresverbrauch liegt unterhalb der Verbrauchsprognose, aber oberhalb des Entlastungskontingents
  2. Der Jahresverbrauch liegt unterhalb des Entlastungskontingents
  3. Der Jahresverbrauch liegt oberhalb der Jahresverbrauchsprognose

Im Szenario der Beispielrechnung wird ein Jahresverbrauch von 9.000 kWh angenommen. Der Preis hat sich über das gesamte Jahr nicht geändert und beträgt 16 ct/kWh. Ohne Strompreisbremse liegen die Kosten bei 1440 € (der Arbeitspreis ist noch zu ergänzen). Der staatliche Zuschuss ergibt sich aus dem Differenzbetrag von 4 ct/kWh mal dem Entlastungskontingent und beträgt 320 €, welcher von den ursprünglichen Kosten von 1440 € abzuziehen ist. Es ergibt sich ein fälliger Endbetrag von 1.120 € bei einer geleisteten Abschlagszahlung von 1.280,00 €. Der Kunde hat somit ein Guthaben von minus 160,00 €.

Liegt der Jahresverbrauch unterhalb des Entlastungskontingents z. B. bei 7.000 kWh, erfolgt die Berechnung nach dem gleichen Schema. Ohne Gaspreisbremse ergeben sich bei 7.000 kWh mal den Arbeitspreis von 16 ct/kWh Kosten von 1120 €. Da sich der Arbeitspreis nicht geändert hat, verbleibt der staatliche Zuschuss bei 320 €. Es ergibt sich ein geringer Endbetrag von 800 €. Da die Abschlagszahlung unverändert geblieben ist, ergibt sich ein Saldo von minus 480,00 €.

Liegt der Jahresverbrauch hingegen oberhalb der Verbrauchsprognose z. B. bei 12.000 kWh steigen die Kosten ohne Gaspreisbremse auf 1920 € an. Der Zuschuss verbleibt weiterhin bei 320 €, da das Entlastungskontingent bei 8.000 kWh gedeckelt bleibt. Es ergibt sich ein Endbetrag von 1.600 €, sodass der Kunde nach Abzug der geleisteten Abschlagszahlung 320,00 € nachzahlen muss.

Würde der Jahresverbrauchswert genau bei der Jahresprognose von 10.000 kWh liegen, ergäbe sich ein Guthaben was genau einem Monatsabschlag entspricht. Der Wert liegt nicht bei null, weil in dem Kalkulationsbeispiel im Monat der Jahresendabrechnung noch ein Abschlag eingezogen wurde. In der Praxis wird dies von Lieferanten unterschiedlich gehandhabt und im Monat der Jahresendabrechnung manchmal der zusätzliche Abschlag erhoben und manchmal nicht. Würde der zusätzliche Abschlag entfallen in dem Monat der Jahresendabrechnung würde die Rechnung genau aufgehen.

Rechenbeispiel 2 Gaspreisbremse: SLP-Belieferung Jan. – Feb. mit unterjähriger Preisanpassung

Im zweiten Rechenbeispiel bleibt die Konstellation unverändert, mit der Ausnahme, dass der Lieferant zum Monat Juli eine unterjährige Preisanpassung durchführt und den Arbeitspreis auf 20 ct/kWh anhebt. Die Preisanhebung ist dem Versorger zum Jahresanfang noch nicht bekannt, weswegen die erste Kalkulation der Abschläge wie in Beispiel 1 erfolgt. Auf Basis des Vorjahresverbrauchs von 10.000 kWh und einem Arbeitspreis von 16 ct/kWh ergibt sich weiterhin ein Abschlag ohne Gaspreisbremse von 133,33 €. Mit Berücksichtigung der Gaspreisbremse ergibt sich weiterhin ein Abschlag von 106,67 €, da der staatliche Zuschuss 26,67 € beträgt. Die Letztverbraucher zahlen in den Monaten Januar und Februar weiterhin die vollen Abschläge von 133,33 € und es findet eine zusätzliche Entlastung im Monat März von 53,33 € statt. Ab dem Monat April verbleibt bis zur Preiserhöhung der Abschlag bei 106,67 €.

Mit der Preisanpassung zum Juli 2023 auf 20 ct/kWh ist eine Neuberechnung des Abschlages erforderlich. Da der Lieferant keine unterjährige Ablesung durchgeführt hat, wird die Annahme getroffen, dass dem Letztverbraucher zur Hälfte des Jahres noch 5.000 kWh für das laufende Jahr verbraucht (natürlich können hier auch andere Mengen angesetzt werden). Auf Basis der angenommenen 5.000 kWh erfolgt eine Neukalkulation des Abschlages mit dem neuen Arbeitspreis. Da für das Entlastungskontingent weiterhin der Referenzpreis von 12 ct/kWh für die Menge von 80 % gilt, verbleibt dieser Bestandteil des Abschlages bei 80 € pro Monat. Der Abschlag für die restlichen 20 % steigt jedoch auf 33,33 € durch den höheren Arbeitspreis an. Da durch die Preiserhöhung der Differenzbetrag (20 ct/kWh minus 12 ct/kWh) ansteigt, ergibt sich nun ein höherer staatlicher Zuschuss von 53,33 €. Der neue Abschlag beträgt ab Juli somit 113,33 € für die Monate Juli bis Dezember bis zur Jahresendabrechnung. Ohne Gaspreisbremse würde der neue Abschlag 166,67 € betragen. Insgesamt leistet der Letztverbraucher Abschläge über das Jahr in Höhe von 1.320,00 €. 

Kommt es zur Jahresendabrechnung im Dezember bei einem beispielhaften Jahresverbrauch von 9.000 kWh (unterhalb der Vorjahresprognose) ergeben sich ohne die Gaspreisbremse Kosten von 1620 €. Der Betrag ergibt sich aus einem mengengewichteten Verbrauch mal dem jeweiligen Arbeitspreis. Da zum Juni keine unterjährige Ablesung erfolgt ist, wurde in der Rechnung zur Vereinfachung ein gleichmäßiger Verbrauch von 4.500 kWh je Preisperiode unterstellt. Welche Methodik hier anzusetzen ist, sollte jeder Lieferant auf Basis der Anforderungen der Gaspreisbremse für sich selbst klären.

Durch die Preiserhöhung steigt auch der staatliche Zuschuss auf 480 € an, welcher sich ebenfalls aus einem mengengewichteten Entlastungskontingent ergibt. In unserem Beispiel durch 6*26,67 € für die Monate Januar bis Juni und 6*53,33 € für die Monate Juli bis Dezember. Es ergibt sich somit ein Endbetrag von 1.140,00 € nach Abzug des staatlichen Zuschusses. Unter Berücksichtigung der Summe der Abschlagszahlung von 1.320,00 € ergibt sich ein Guthaben von 180,00 €. 

Rechenbeispiel 3 Gaspreisbremse: SLP-Belieferung unterjährige Abrechnung des Kunden im Juni 2023

Im dritten Rechenbeispiel steigt die Komplexität der Abrechnung, da die Jahresendabrechnung nicht mehr zum Monat Dezember erfolgt, sondern unterjährig im Jahr 2023. Es werden die gleichen Werte wie in Rechenbeispiel 1 angenommen. Eine Preiserhöhung für das Jahr 2023 erfolgt wie in Rechenbeispiel 2 auf 20 ct/kWh zum Monat Juli im Zuge der Jahresendabrechnung. Bis zum Monat Juni ändert sich im Beispiel 3 relativ wenig. Der Abschlag für die Monate Januar und Februar beträgt weiterhin 133,33 €, zum Monat März erfolgt die rückwirkende Entlastung mit 53,33 €. Der neue Abschlag ab März reduziert sich durch die vorläufige Entlastung durch den staatlichen Zuschuss auf 106,67 €. Bis zum Monat Juni leistet der Letztverbraucher eine Abschlagszahlung von 640,00 €.

Damit im Monat Juli mit einer neuen Abrechnungsperiode begonnen werden kann, kommt es im Juni zur Endabrechnung für das Lieferjahr 2022/23. In unserem Beispiel betrachten wir jedoch nur den Anteil des Lieferjahres von 2023. Auf der realen Endabrechnung wären die Kosten und Mengen für das Jahr 2022 zusätzlich zu berücksichtigen. Im Zuge der Jahresendabrechnung wurde für 2023 für die Monate Januar bis Juli ein Verbrauch von 4.000 kWh ermittelt. Der Arbeitspreis war für diese Abrechnungsperiode konstant bei 16 ct/kWh. Es ergeben sich Kosten ohne die Gaspreisbremse von 640,00 €. Der staatliche Zuschuss beträgt insgesamt 160 €. Aus dem Endbetrag von 480 € gegenüber geleisteten Abschlagszahlungen von 640,00 € ergibt sich ein Guthaben-Saldo von minus 160 €. Das Guthaben wird in unserem Beispiel ausbezahlt und nicht mit der nächsten Abrechnungsperiode verrechnet. Ob dieses Vorgehen zulässig ist, sollte jeder Lieferant noch einmal juristisch prüfen lassen oder ob eine Überführung des Guthabens in die nächste Abrechnungsperiode zwingend erforderlich ist.

Für die nächste Abrechnungsperiode 2023/24 muss der Lieferant den Abschlag neu kalkulieren, durch die Preisanpassung zum Juli auf 20 ct/kWh. Obwohl der Kunde weniger Gas in der letzten Abrechnungsperiode benötigt hat, verbleibt in unserem Beispiel die neue Verbrauchsprognose bei 10.000 kWh. Es ergibt sich ein neuer Abschlag von 113,33 € wie im Rechenbeispiel 2 nach der Preiserhöhung. Ohne Gaspreisbremse würde der Abschlag 166,67 € betragen. Für die Monate Januar bis Dezember verbleibt der Abschlag bei 113,33 €. Da ab Januar 2024 die Gaspreisbremse endet, steigt der Abschlag auf 166,67 € an. Würde die Abrechnung bis zum Ende der normalen Abrechnungsperiode durchlaufen, ergeben sich Abschlagszahlungen des Letztverbrauchers in Höhe von insgesamt 1.680,00 €.

Für die Rechnung 2023/24 bedeutet dies, dass ein Teil der staatlichen Zuschüsse in zwei Jahresendabrechnungen erfolgt. In unserem Rechenbeispiel würde dies bedeuten, dass bei einem Verbrauch von 11.000 kWh am Ende der Abrechnungsperiode Kosten von 2.200,00 € anfallen und ein Anteil des staatlichen Zuschusses von 320,00 € zusteht. Es ergibt sich ein Endbetrag von 1.880,00 € gegenüber geleisteten Abschlagszahlungen von 1.680,00 €, wodurch sich ein Saldo von 200 € ergibt, die der Kunde als Nachzahlung leisten muss.

Allerdings besteht nach der Gaspreisbremse nach § 20 die Besonderheit, dass alle Gaslieferanten allen ihren Kunden binnen einer bestimmten Frist bereits eine Jahresendabrechnung über die Höhe aller gewährten Entlastungsbeträge ausweisen muss. Somit muss auf der Endabrechnung 2023/24 auch der Anteil des staatlichen Zuschusses mitberücksichtigt werden, welcher in der Rechnung 2022/23 ausgewiesen wurde, damit der Kunde die Information über die Höhe der insgesamt gewährten Entlastung erhält. In der Praxis muss die Rechnung ggf. frühzeitiger erfolgen muss. in unserem Beispiel passt es gerade noch, da die Endabrechnung spätestens bis zum 30. Juni 2024 erstellt sein muss. Der Abrechnungszeitraum verkürzt sich somit im Beispiel nicht. Anders wäre es gewesen, wenn die Abrechnung erst im September gewesen wäre.

Fazit

Wie vermutlich an den Rechenbeispielen ersichtlich wurde, handelt es sich bei der Gaspreisbremse um ein komplexeres Konstrukt, welches durch die IT-Systeme abgebildet werden muss. Neben den drei Rechenbeispielen existieren allerdings noch eine Vielzahl von Sonderkonstruktionen, die wir in unserem Beitrag nicht beachtet haben. So sind weitere Kalkulationen bei SLP-Kunden notwendig, deren Preise vom Spotmarkt abhängen und das ganze Kundenfeld der RLM-Kunden wurde vernachlässigt. Da allerdings die Tarifvielfalt bei Lieferanten sehr unterschiedlich sein kann, sollte jeder Lieferant für sich prüfen, wie die Rechenlogik der Gaspreisbremse auszugestalten ist.

Die Abrechnungskomplexität steigt auf jeden Fall, wenn der Lieferant keine klassische Endabrechnung vornimmt, sondern eine rollierende unterjährige Abrechnung. Sollte der Lieferant ggf. eine gemeinsame Spartenabrechnung im Zuge der Jahresendabrechnung durchführen und werden die Guthaben je Sparte miteinander verrechnet, kann es auch hier zu Abrechnungsproblemen kommen. Die Guthaben je Sparte müssen teilweise nach den Energiepreisbremsen je Konstellation anders verwendet werden.

Hinzu kommt, dass die Abrechnung für das Lieferjahr 2023/24 vermutlich bei vielen Kunden in der rollierenden Abrechnung verkürzt werden muss, um die Fristen der Energiepreisbremsen einhalten zu können. Mit Blick auf den März und bereits anstehenden Entlastungen im Februar für RLM-Kunden wird das Energiepreisbremsen-Projekt vermutlich ein Marathon im Dauersprintmodus, um die Abrechnungsfähigkeit des Lieferanten und damit seine Liquidität sicherzustellen. Verändern würde sich die Konstellation auch noch einmal, wenn die Strompreisbremse bis Mai 2024 verlängert werden sollte. Die in diesem Blogbeitrag verdeutlichten Rechenbeispiele liefern zumindest vielleicht einen Eindruck, wie die Gaspreisbremse für SLP-Kunden zu kalkulieren ist. An dieser Stelle sei noch einmal hervorgehoben, dass es sich nur um exemplarische Rechenbeispiele handelt, wie wir auf Basis der Gesetzeslage die Gaspreisbremse kalkulieren. Ein Anspruch auf Richtigkeit unserer Rechnung erheben wir explizit nicht. Wer jedoch Interesse an der Excel zur Kalkulation der Rechenbeispiele hat, kann sich gerne bei uns melden. 

Weitere Beiträge zu den Energiepreisbremsen

Abschöpfungsmechanismus – Wie erfolgt die Abführung der Übergewinne?

Es vergeht wohl kaum ein Tag in Deutschland, bei dem auf politischer Ebene nicht über die Weiterentwicklung des deutschen Energiemarktes diskutiert wird. Die aktuell bekanntesten Themen sind vermutlich die Strompreisbremse, die Gaspreisbremse und Wärmepreisbremse sowie der Mechanismus zur Abführung von sog. „Übergewinnen“ oder „Zufallsgewinnen“ von Stromerzeugungsanlagen. In diesem Blogbeitrag legen wir den Fokus auf die Funktionsweise und die Regelungen des Abschöpfungsmechanismus von Stromerzeugungsanlagen, die unter die Regelungen des Strompreisbremsengesetzes fallen. Nach Willen des Gesetzgebers haben diese Anlage ab einem bestimmten Börsenpreis ihre zusätzlichen Einnahmen zu einem fest definierten Prozentsatz abzuführen.

Auslöser für die Einführung des Ausgleichsmechanismus ist die politische Debatte, dass durch den Anstieg der Energiepreise Kraftwerke mit niedrigen Grenzkosten (Energieträger + CO₂-Zertifikate) von hohen Mitnahmeeffekten profitieren würden. Grund hierfür ist das Merit-Order-Prinzip, nachdem das höchste Kraftwerk den Marktpreis für alle Kraftwerke setzen würde. Wie wir bereits in einem separaten Blogbeitrag zum Merit-Order-Modell geschrieben haben, ist diese Argumentation nur halb richtig und spiegelt nur bedingt die Preisentwicklung wider. 

Der Ausgleichsmechanismus selbst ist Teil des Instrumentenkastens, welcher den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU zur Verfügung steht und wurde ebenfalls in einem separaten Blogbeitrag detailliert erläutert. Somit ist der Ausgleichsmechanismus nur ein kleines Puzzleteil, welches sich in die staatlichen Maßnahmen zur Begrenzung der Energiepreise eingliedert und soll einen Teil der Maßnahmen wie die Strompreisbremse quer finanzieren. Zum aktuellen Zeitpunkt befindet sich der Abschöpfungsmechanismus noch im Gesetzgebungsverfahren. Mit einem offiziellen Gesetzesbeschluss wird aktuell zum 16. Dezember 2022 gerechnet. Der Mechanismus soll bereits zum 01. Januar 2023, also 14 Tage später, in Kraft treten. Deshalb ist noch mit Änderungen, sicherlich im Bereich der Erlösobergrenzen von Stromerzeugungsanlagen zu rechnen.

Wen betrifft der Abschöpfungsmechanismus?

Vom Abschöpfungsmechanismus für Stromerzeugungsanlagen sollen nicht alle Anlagen betroffen sein. Nicht betroffen sind Stromerzeugungsanlagen, welche Strommengen (bzw. Absicherungsgeschäfte) aus Basis der folgenden Energieträger erzeugen:

  • leichtem Heizöl
  • Flüssiggas
  • Erdgas
  • Biomethan
  • Steinkohle
  • Gichtgas
  • Hochofengas
  • Kokereigas
  • Sondergasen aus Produktionsprozessen der Chemie- und Rußindustrie
  • Strom aus EE- & KWK-Anlagen < 1MW
  • Sonstige Stromerzeugungsanlagen < 1MW
  • Zwischengespeicherter Strom (Bsp. Pumpkraftwerk)
  • Strom, der ohne Nutzung des öffentlichen Netzes verbraucht wird

Alle anderen Stromerzeugungsanlagen sind vom Abschöpfungsmechanismus betroffen. Mit den Ausschlusskriterien liegt der Fokus insgesamt auf erneuerbare Energien-Anlagen, denen aufgrund der geringen Grenzkosten eine hohe Gewinnmarge unterstellt wird. Kleinstanlagen sind jedoch aufgrund der Mindestanschlussleistung von 1 MW nicht betroffen.

Der Abschöpfungsmechanismus – Wie sieht das grundlegende Funktionsprinzip aus?

Mit Inkrafttreten der Strompreisbremse zum 01. Januar 2023 startet auch der Abschöpfungsmechanismus. Ausgangspunkt ist die Höhe des Spotmarktpreises. Liegt der Spotmarktpreis oberhalb der energieträgerspezifischen bzw. anlagenspezifischen Referenzkosten nach § 16 StromPBG, wird der Abschöpfungsmechanismus aktiviert. Hierzu wird im ersten Schritt ein fiktiver Stromerlös berechnet, den die Anlage mit dem Spotmarktpreis erzielt hätte. Durch die Multiplikation der Strommenge mit dem Spotmarktpreis ergeben sich die fiktiven Stromerlöse. Im nächsten Schritt erfolgt die Berechnung der zulässigen Stromerlöse. Hierzu wird dieselbe Strommenge mit dem Referenzpreis aus § 16 StromPBG multipliziert, sofern keine besonderen Ausnahmen bestehen. Durch die Bildung der Differenz aus dem fiktiven Stromerlös und den zulässigen Stromerlösen ergibt sich die Höhe des Übergewinns für den Anlagenbetreiber.  Von diesem Übergewinn hat der Betreiber der Stromerzeugungsanlage 90 % der Übergewinne an den zuständigen Netzbetreiber anzuführen, welcher die Erlöse an den Übertragungsnetzbetreiber der jeweiligen Regelzone weiterleitet. Der grundlegende Berechnungsmechanismus ist noch einmal auf der folgenden Abbildung dargestellt:

Grundprinzip der Strompreisbremse

Der Abschöpfungsmechanismus – Welche Referenzpreise sind anzusetzen?

Für die Höhe der Referenzpreise hat der Gesetzgeber ein umfangreiches Regelwerk vorgesehen, welches die einzelnen Erzeugungstechnologien und Vermarktungsstrategien berücksichtigen soll. Der Referenzpreis bildet sich hauptsächlich aus einem festgelegten staatlichen Wert, bei dem unterstellt wird, dass jede Erzeugungsanlage wirtschaftlich am Markt betrieben werden kann. Zusätzlich erfolgt ein Sicherheitsaufschlag. Die Summe der beiden Kostenbestandteile bildet den Referenzpreis.

Bei EE-Anlagen differenziert der Gesetzgeber zwischen Anlagen im Marktprämienmodell und der sonstigen Direktvermarktung. Befindet sich die Anlage im Marktprämienmodell, bilden sich die zulässigen Stromerlöse aus der erzeugten Strommenge, den energieträgerspezifischen Monatsmarktwerten am Spotmarkt zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 3 ct/kWh. EE-Anlagen in der sonstigen Direktvermarktung haben hingegen die Option, dass deren Referenzkosten nach dem gleichen Prinzip wie für EE-Anlagen im Marktprämienmodell festgelegt wird. Alternativ wird ein fester Wert von 10 ct/kWh zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 3 ct/kWh festgesetzt. Der Sicherheitszuschlag wird allerdings nicht gewährt, wenn es sich um eine ausgeförderte Anlage im Sinne des EEG handelt.

Bei Biogasanlagen wird mit 7,5 ct/kWh hingegen ein größerer Sicherheitsaufschlag gewährt, unabhängig vom Vermarktungsmodell. Zusätzliche Einnahmen, die sich z. B. aus dem Flexibilitätszuschlag ergeben, dürfen nicht in den Referenzpreis einbezogen werden. 

Bei Wind- und Solaranlagen in der Direktvermarktung liegt der Sicherheitsaufschlag um 6 % höher, da der Gesetzgeber den Betreibern mit dem Anstieg der Strompreise höhere Direktvermarkterkosten unterstellt, weil in der Praxis die Direktvermarkterkosten mit der Höhe des Börsenpreises gekoppelt sind. 

Für Off-Shore-Anlagen wird außerdem ein Mindestwert von 10 ct/kWh zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 3 ct/kWh festgesetzt. Ansonsten gelten die gleichen Regelungen für Off-Shore-Anlagen wie bei allen anderen EE-Anlagen im Marktprämienmodell oder der sonstigen Direktvermarktung.

Für Kernkraftwerke wurde der Wert für das Jahr 2022 auf 4 ct/kWh und ab 2023 bis zur Abschaltung der Kernkraftwerke auf 10 ct/kWh festgelegt. Hinzu kommt ein Sicherheitsaufschlag von 3 ct/kWh. Zusätzlich können bei Erfüllung bestimmter technischer Voraussetzungen weitere 2 ct/kWh als Aufschlag hinzukommen.

Komplizierter ist die Berechnung des Referenzpreises für Braunkohlekraftwerke. Hier setzt der Gesetzgeber einen Fixkostendeckungsbeitrag an. Dieser setzt sich im ersten Schritt aus einem Pauschalbetrag von 5,2 ct/kWh zusammen, wenn die Anlage nach dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz nach Anlage 2 bis 2030 vom Markt genommen wird. Hinzu kommt ein Aufschlag für die Kosten, welche sich aus den CO₂-Zertifikaten ergeben. Die genaue Höhe der Kosten errechnet sich aus einer Anlage, die Teil des Strompreisgesetzes ist. Außerdem ist noch ein Sicherheitsaufschlag von 3 ct/kWh hinzuzurechnen.

Für Ölkraftwerke sind die Referenzpreise deutlich niedriger. Hier setzt der Gesetzgeber Kosten von 0,25 ct/kWh an sowie einen Sicherheitsaufschlag von 3 ct/kWh. Es sind jedoch Ausnahmen nach § 13 Abs.3 Nr. StromPBG zu beachten. Alle weiteren sonstigen Stromerzeugungsanlagen (Bsp. Wasserkraft > 1MW) wurde ein Pauschalwert von 10 ct/kWh zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 3 ct/kWh zugewiesen. Handelt es sich hingegen um eine Anlage, die im Rahmen einer Innovationsausschreibung errichtet wurde, gilt nur ein Sicherheitsaufschlag von 1 ct/kWh.

Welche Möglichkeiten der Korrektur der Referenzpreise gibt es?

Betreiber von Stromerzeugungsanlagen haben die Möglichkeit, von den gerade dargestellten Werten der einzelnen Referenzpreise abzuweichen, primär, wenn die Anlage nicht auf dem Spotmarkt, sondern z. B. über den Terminmarkt vermarktet wird. Handelt es sich um eine anlagenbezogene Vermarktung, bei der ein fester Preis zwischen dem Betreiber der Anlage und dem Letztverbraucher geschlossen wurde, kann vom Referenzpreis nach § 16 StromPBG abgewichen werden.

Hierbei ist zwischen zwei unterschiedlichen Szenarien zu differenzieren. Handelt es sich um eine anlagenbezogene Vermarktung, dessen Vertrag vor dem 01.12.22 geschlossen wurde, können bis zum Ende der Laufzeit des bestehenden Vertrages als neue Referenzkosten die vertraglich vereinbarten Stromkosten zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 1 ct/kWh festgesetzt werden. Nach Ablauf des Vertrages sind die Referenzpreise nach § 16 StromPBG anzuwenden, auch wenn wieder eine anlagenbezogene Vermarktung erfolgt. Anderes gilt für Neuanlagen, welche nach dem 01.12.22 in Betrieb genommen wurden. Der Betreiber der Stromerzeugungsanlage hat bei dem Abschluss des ersten Vertrages zur anlagenbezogenen Vermarktung die Möglichkeit, als Referenzkosten die Kosten aus dem Vertrag mit dem Letztverbraucher anzusetzen. Nach Ablauf des Vertrages sind dann die Referenzkosten nach § 16 StromPBG anzusetzen, sofern das Gesetz noch Anwendung findet.

Auch bei Absicherungsgeschäften besteht die Möglichkeit, von den Referenzpreisen nach § 16 StromPBG abzuweichen. Hier wird zwischen Kontrakten nach und vor dem 01.12.22 differenziert. Die genaue Höhe zur Bestimmung des neuen Referenzpreises ergeben sich aus den Anlagen 4 und 5 des StromPBG.

Übersicht der Gewinnabschöpfung nach Erzeugungsanlagen

Wie sehen die Anspruchs- und Ausgleichsmechanismen aus?

Die zusätzlichen Einnahmen, welche sich aus dem Abschöpfungsmechanismus ergeben, sind von den Betreibern der Stromerzeugungsanlagen an die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) abzuführen. Der Verteilnetzbetreiber (VNB) agiert als Vermittler, bei dem die überschüssigen Erlöse vom Stromerzeuger zuerst an den Verteilnetzbetreiber überwiesen werden müssen. Die Überweisungen der Stromerzeuger sind vom VNB an den ÜNB weiterzuleiten. Dieser hat nach § 22 einen Anspruch auf die abgeschöpften Überschusserlöse innerhalb seiner eigenen Regelzone, die an den VNB überwiesen wurden.

Den ÜNBs fällt somit die Aufgabe zu, alle Erlöse aus dem Abschöpfungsmechanismus zu verwalten. Die zusätzlichen finanziellen Mittel können zur Querfinanzierung der Entlastung der Stromverbraucher genommen werden oder als Teil des einmaligen Bundeszuschusses zur Stabilisierung der Netznutzungsentgelte sein, wodurch sich der staatliche Zuschuss verringert. Ein mögliches Delta, welches sich aus den Einnahmen aus dem Abschöpfungsmechanismus und der Finanzierung der Entlastungen der Letztverbraucher ergibt, ist durch Steuergelder vom Bund auszugleichen. Nach § 20 hat der ÜNB einen finanziellen Erstattungsanspruch. Um nicht in finanzielle Engpässe zu geraten, haben die ÜNBs einen Anspruch auf Zwischenfinanzierung der Kosten durch den Bund nach § 25.

Auch der VNB hat einen finanziellen Erstattungsanspruch, die im Zusammenhang der Abwicklung des Abschöpfungsmechanismus entstehen. Im Fokus stehen hierbei Personalkosten, IT-Dienstleistungen oder Kapitalkosten, welche gegenüber dem ÜNB der eigenen Regelzone geltend gemacht werden können.   

Um die Einnahmen aus dem Abschöpfungsmechanismus von den gewöhnlichen Geschäftstätigkeiten abzugrenzen, sind die Netzbetreiber verpflichtet, ein eigenes Konto einzurichten, welches die Einnahmen verwaltet (§ 26). Hierfür muss eine Abgrenzung der Finanzströme aus der Strompreisbremse als sonstiger Tätigkeitsbericht erfolgen.

Fazit

Mit dem Abschöpfungsmechanismus hat der Gesetzgeber im Rahmen der Strompreisbremse einen komplizierten Mechanismus geschaffen, wie Gewinne oberhalb eines fest definierten Referenzwert aus Stromerzeugungsanlagen abgeschöpft werden können. Inwieweit das Konstrukt aus rechtlicher Sicht standhalten wird, bleibt abzuwarten, da bereits die ersten juristischen Gutachten veröffentlicht wurden, welche die Rechtmäßigkeit des Mechanismus bezweifeln. Da sicherlich vonseiten der Stromerzeuger mit Einsprüchen und Klagen zu rechnen ist, darf am Ende davon ausgegangen werden, dass die Zulässigkeit im Gerichtssaal entschieden wird.

Unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit sollte jedoch hinterfragt werden, ob es nicht alternative Instrumente zu dem vorgestellten Abschöpfungsmechanismus gegeben hätte, was im Gesetzentwurf zur Strompreisbremse als alternativlos verneint wurde. Mit der Festlegung eines festen Referenzwertes, bei dem die zusätzlichen Gewinne fast vollständig abgeschöpft werden müssen, macht der Gesetzgeber aus historischer Sicht eine Rolle rückwärts. Denn das Ergebnis ist, dass Stromerzeuger nur noch einen festen Preis (nach oben) für ihren Strom an der Börse erzielen können. Somit entspricht der Finanzierungsmechanismus für EE-Anlagen in der Direktvermarktung eigentlich wieder einer festen Einspeisevergütung wie in der Vergangenheit.

An dieser Stelle sollte hinterfragt werden, welchen Sinn das Marktprämienmodell eigentlich noch erfüllt, wenn die Anreize zur Erzielung zusätzlicher Gewinne an der Börse fallen. Hinzu kommt, dass viele Direktvermarkter aufgrund des Anreizsystems des Marktprämienmodells, zusätzliche Überschüsse in die Finanzierung der Anlage einkalkuliert haben und deswegen mit niedrigeren Geboten in der Ausschreibung gestartet sind. Jetzt bestünde zumindest eine Gefahr, dass genau diese Anlagen nicht mehr die zusätzlich einkalkulierten Einnahmen erzielen und in ihrer Wirtschaftlichkeit gefährdet sind.

Daher sollte aus Marktsicht die Frage gestellt werden, ob es nicht einfacher gewesen wäre, die Gewinne der Stromerzeuger nach dem Jahresabschluss zusätzlich zu besteuern, wie es auch bei Öl- und Gaskonzernen erfolgen soll. So hätte man sich das aufwendige Abschöpfungssystem und die hohen Verwaltungsaufwände gespart und gleichzeitig einen Anreiz gesetzt, Geld in neue Erzeugungskapazitäten zu investieren, statt zusätzliche Gewinne an den Staat abzuführen. Statt auf die Abschöpfung eines Umsatzteiles zu setzen, hätten auch Contracts-for-Difference (Differenzverträge) als neues Förderinstrument in Betracht gezogen werden sollen. Diese hätten ggf. sogar einen Teil der Anlagen im Marktprämienmodell zum Umstieg zwingen können. Beim Wechsel auf das Marktprämienmodell wurde dies teilweise gemacht. Denn: wären Differenzverträge bereits am Markt etabliert, hätten wir heute vermutlich nicht die Debatte über zu hohe Einnahmen bei Stromerzeugern von EE-Anlagen. 

Smart Grid wird bis 2029 Pflicht – Die Konsultationsfassung zum § 14a EnWG

Lange ist es her, dass von der Novellierung des § 14a EnWG (steuerbare Lasten) zu hören war. Nachdem die Novellierung eigentlich noch durch den letzten Wirtschaftsminister Peter Altmaier erst veröffentlicht und wenige Tage später zurückgezogen wurde, hat die Branche lange darauf gewartet, wie es mit der Steuerung größerer Verbraucher im Nieder- und Mittelspannungsnetz weitergehen soll.  Hierzu hatte die BNetzA dieses Jahr den Auftrag des Gesetzgebers erhalten, sich um die neue Ausgestaltung des § 14a EnWG zu kümmern. Diesbezüglich hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) in der vergangenen Woche ein Konsultationspapier für das Festlegungsverfahren „zur Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz“ veröffentlicht. Da die Thematik sowohl Netzbetreiber als auch Lieferantenprozesse betreffen, arbeiten die Beschlusskammern 6 und 8 bei der Ausarbeitung des Themas zusammen.

Das Konsultationspapier ist ein Eckpunktepapier, in dem die Grundideen zur Umsetzung der BNetzA umrissen sind. Der Markt hat bis Mitte Januar Zeit, seine Stellungnahme abzugeben. Das Eckpunktepapier fokussiert sich dabei stark auf die Frage, wie und in welcher Form Steuerungsprozesse von größeren Lasten im Verteilnetz ablaufen sollen. Es gliedert sich in eine Vielzahl von Aktivitäten der Behörde und des Gesetzgebers ein, welche den Ausbau eines Smart Grids begünstigen wollen. So ist beim Lesen des Eckpunktepapiers klar zu erkennen, dass das grundlegende Zielbild klar in die anstehende Marktkommunikation 2023 / 2024 eingliedert ist und die Prozesse zur Umsetzung z. T. bereits beschlossen wurden.

In Rahmen unseres Blogbeitrags schauen wir uns die Kerninhalte des Eckpunktepapiers an und ordnen diese aus energiewirtschaftlicher Sicht ein. Zwar handelt es sich noch um eine Konsultationsfassung, beim Lesen wird jedoch deutlich, dass es eine zukünftige, fundamentale Grundlage für den Aufbau eines Smart Grids liefern wird. Bevor wir jedoch auf die Inhalte eingehen, erklären wir, warum es eigentlich einer Regelung in Form des § 14a EnWG bedarf.

§ 14a EnWG – Wofür benötigen wir abschaltbare Lasten?

Bedingt durch die Energiewende und den stetigen Zubau von erneuerbaren Energien (EE) im Strom sowie dem Trend der Elektrifizierung wird das Management und die Steuerung unserer Netze immer komplizierter. Früher konnte das Stromnetz mit mehreren hundert konventionellen Kraftwerken, die hauptsächlich auf der Hoch- und Höchstspannungsebene angeschlossen waren, noch top-down gesteuert werden. Heute haben jedoch wir mittlerweile mehr als 2 Mio. Anlagen im deutschen Stromnetz. Den Großteil bilden EE-Anlagen, welche zu über 95 % im Nieder- und Mittelspannungsnetz angeschlossen sind. Durch das volatile Einspeiseverhalten wird es für Netzbetreiber zunehmend schwieriger, ein permanentes Gleichgewicht aus Erzeugung und Verbrauch zu gewährleisten, da die Erzeugung nicht immer der Nachfrage angepasst werden kann.

Gerade in sonnen- oder windarmen Stunden kann dies bedeuten, dass eine zu hohe Nachfrage auf ein zu geringes Angebot trifft. Zur Netzstabilisierung ist es folglich erforderlich, einzelne Verbraucher vom Netz zu nehmen, um die Nachfrage zu senken. Weil durch die Elektrifizierungsstrategie des Gesetzgebers immer mehr Ladepunkte für Elektromobile und Wärmepumpen angeschlossen werden, steigt der Leistungsbedarf gerade der Haushalte auf der Niederspannungsebene an.

Damit der Netzbetreiber weiterhin die Funktionsfähigkeit seines Stromnetzes gewährleisten kann, benötigt er einen entsprechenden Werkzeugkasten. Hierzu gehört im ersten Schritt die Implementierung geeigneter Monitoring-Lösungen, welche ihm die Strom- und Spannungsflüsse anzeigen. Denn das Niederspannungsnetz wird bis heute zum Großteil blind gefahren. Auf Basis der Informationen kann der Netzbetreiber kritische Netzzustände identifizieren und Gegenmaßnahmen wie die Abschaltung von größeren Lasten nach dem § 14a EnWG einleiten.

In der Vergangenheit war dies im Niederspannungsnetz nicht nötig, da die Betriebsmittel mit ausreichenden Sicherheitsaufschlägen so groß dimensioniert wurden, dass eine Überlastung der Betriebsmittel nur von geringerer Bedeutung war. Außerdem erfolgten Energieflüsse stets top-down. Mit dem Voranschreiten der Energiewende ändert sich dies jedoch zunehmend, bei der z. T. Energieflüsse aus der Niederspannung in die Mittelspannung hochtransformiert werden müssen. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, dient der Entwurf zur Ausgestaltung des § 14a EnWG steuerbare Lasten als eine wesentliche Grundlage, wie in Zukunft der Aufbau des Smart Grids auf den unteren Netzebenen aussehen soll.  Die BNetzA hat die folgenden Vorschläge gemacht:

§ 14a EnWG – Welche abschaltbare Lasten nehmen an dem Modell teil?

Am System der abschaltbaren Lasten müssen nach dem ersten Vorschlag der BNetzA nicht alle Verbraucher teilnehmen. Vielmehr handelt es sich um größere Verbraucher, welche eine maximale Leistung größer 3,7 kW haben. Zum Vergleich: Eine übliche Schukosteckdose liegt unterhalb des Schwellwerts. Konkret nennt die Bundesnetzagentur folgende Verbraucher (die im Gesetz als Steuerbareverbrauchseinrichtung (SteuVE) bezeichnet werden), welche an dem System der abschaltbaren Lasten teilnehmen sollen:

  • Nicht-öffentlich zugängliche Ladepunkte für Elektromobile
  • Wärmepumpenheizungen unter Einbeziehung etwaiger Zusatzheizvorrichtungen (Elektroheizstab)
  • Anlagen zur Erzeugung von Kälte
  • Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie (Stromspeicher) hinsichtlich der Strombezugsrichtung

Voraussetzung ist, dass die Verbrauchseinrichtungen einen unmittelbaren oder mittelbaren Anschluss am Niederspannungsnetz besitzen. Nicht alle Verbraucher müssen sofort am neuen System teilnehmen. Vielmehr gilt eine Verpflichtung nur für die Verbrauchseinrichtungen, deren Inbetriebnahme ab dem 01.01.2024 erfolgt. Somit haben Verbrauchseinrichtungen, welche vor dem 01.01.2024 angeschlossen wurden, einen Bestandsschutz. Diesen steht es jedoch frei, an dem System teilzunehmen. Ein Rückkehrrecht besteht jedoch nicht.  Gleiches gilt für Nachtspeicherheizungen, die vor dem 01.01.24 in Betrieb genommen wurden. Sie müssen dauerhaft bis zur Außerbetriebnahme nicht am Modell des § 14a teilnehmen. Haben diese Verbrauchseinrichtungen bereits einen Vertrag mit dem Netzbetreiber zur Steuerung im Niederspannungsnetz, fallen auch diese unter den Bestandsschutz. Ab 2029 müssen diese Anlagen jedoch in das Zielmodell überführt werden.  Somit haben Netzbetreiber die Möglichkeit, alle neuen SteuVE statisch und dynamisch zu steuern. Was hierunter zu verstehen ist, schauen wir uns im folgenden Kapitel an.

§ 14a EnWG – statisches und dynamisches Steuern

Um kritische Situationen im Niederspannungsnetz zu vermeiden, sollen Netzbetreiber zwei Möglichkeiten erhalten, SteuVE im Netz zu steuern. Hierzu gehören die statische und dynamische Steuerung. Erstes findet hauptsächlich dann Anwendung, wenn dem Netzbetreiber aufgrund fehlender Messtechnik (noch) keine Informationen aus seinem Niederspannungsnetz vorliegen. Ausgangspunkt für das statische Steuern ist die Identifikation kritischer Netzzustände mithilfe rechnerischer Ermittlungsprogramme (Bsp. Lastflussrechnung mit einem Simulationstool). Auf Basis der Simulationsergebnisse kann der Netzbetreiber präventiv Abschaltungen an der SteuVE festlegen. Hierzu können z. B. feste Abschaltzeiten für einzelne SteuVE zählen. Liegen bereits erste Messwerte vor, z. B. auf Basis intelligenter Messsysteme oder durch die Ermittlung von Leistungsflüssen an den Trafoabgängen, sind diese in der Simulation zu berücksichtigen. Der Ansatz des statischen Steuerns ähnelt dem Vorgehen der Übertragungsnetzbetreiber auf der Höchstspannungsebene. Bei diesem wird im Rahmen der Ermittlung von Redispatchmaßnahmen, bei der mithilfe einer Lastflussrechnung durch die Anmeldung aller Fahrpläne der Bilanzkreisverantwortlichen eine Lastflussrechnung zur Erkennung von Transportkapazitäten durchgeführt.

Einen anderen Ansatz verfolgt hingegen die dynamische Steuerung. Sie ist erst dann möglich, wenn der Netzbetreiber eine vollständige messtechnische Überwachung des jeweiligen Netzabschnittes durchführen kann, um die Auslastungssituation zu ermitteln. Eine Abschaltung der SteuVE ist erst dann zulässig, wenn aufgrund der Messergebnisse kritische Netzzustände erkannt werden. Ein präventives Vorgehen wie beim statischen Steuern ist hingegen bei diesem Ansatz nicht zulässig. Beim dynamischen Steuern darf die Abschaltung auch nur so lange aufrechterhalten werden, wie der kritische Netzzustand besteht. Zwischen der Feststellung eines kritischen Netzzustands und der Durchführung der Schalthandlung dürfen maximal 3 Minuten vergehen. Somit hat der Verteilnetzbetreiber (VNB) zwei Minuten mehr Zeit als beim Redispatch 2.0 bei dem eine Schaltung binnen einer Minute erfolgen muss.

§ 14a EnWG – Wie sieht das Modell abschaltbare Lasten im Kern aus?

Bei der Ausgestaltung des Modells zur Steuerung größerer Verbrauchseinrichtungen setzt die BNetzA auf ein Zielmodell. Alle neuen größeren Verbraucher oberhalb von 3,7 kW im Niederspannungsnetz, die ab dem 1. Januar 2024 in Betrieb gehen, werden in den Steuerungsprozess einbezogen. Im ersten Schritt soll die Steuerung mithilfe der statischen Steuerung durchgeführt werden. Messtechnik ist im ersten Schritt somit noch nicht zwingend erforderlich, da nicht mit der dynamischen Steuerung gestartet werden muss. Für Netzbetreiber bedeutet dies jedoch, dass ab 2024 ein Simulationsmodell der Niederspannungsnetze zur Verfügung stehen muss, um Grenzwertverletzungen (Betriebsmittelüberlastung, Spannungsbandverletzungen etc.) erkennen zu können. Wie oft diese Simulation durchgeführt werden muss, wurde im Konsultationspapier noch nicht definiert. In der Praxis sollte jedoch von einer täglichen Simulation für den nächsten Tag ausgegangen werden.

Im Zielmodell stehen dem Letztverbraucher zwei Optionen zur Auswahl, wie die Steuerung durch den Netzbetreiber erfolgen kann. Bei der ersten Option handelt es sich um eine Einzelsteuerung der SteuVE. Der Steuerbefehl kommt in diesem Fall vom VNB. Allerdings darf die SteuVE nicht vollständig abgeregelt werden. Eine Mindestleistung von 3,7 kW muss weiterhin garantiert werden. Sollte die SteuVE nicht in der Lage sein, die Wirkleistung auf 3,7 kW zu reduzieren, dann darf die SteuVE durch den Netzbetreiber vollständig abgeregelt werden.

Als zweite Option steht dem Verbraucher eine sogenannte Prosumersteuerung über eine steuerbare Netzlokation (SteuNA) zur Auswahl. Hierbei richtet sich der Steuerungsbefehl des Netzbetreibers nicht an eine einzelne SteuVE, sondern direkt an einen „intelligenten Hausanschluss“. Hinter dem Hausanschluss besitzt der Anschlussnehmer ein eigenes Energiemanagementsystem, welches den Steuerungsbefehl des Netzbetreibers entgegennimmt und die Reduktion der Wirkleistung selbst auf die SteuVE verteilt. Hierbei soll gegenüber dem Netzbetreiber nachgewiesen werden, dass die vorgegebene Leistungsobergrenze eingehalten wird. Auch hier gilt, dass eine vollständige Abregelung des SteuNA nicht zulässig ist. Zu jedem Zeitpunkt muss eine Mindestverfügbarkeit von 5 kW, bezogen auf eine Viertelstunde, garantiert werden. Grundsätzlich soll der Letztverbraucher zwischen beiden Steuerungsoptionen wählen können, sofern die notwendigen technischen Voraussetzungen erfüllt sind. Eine spätere Änderung soll ebenfalls möglich sein.

Bis 2029 soll der Netzbetreiber die Möglichkeit haben, die statische Steuerung zu nutzen. Ab 2029 ist nur noch die dynamische Steuerung zulässig. Für den Netzbetreiber heißt das, dass ab 2029  für kritische Netzabschnitte der Aufbau eines Smart Grids zur Steuerung seines Netzes mithilfe von realen Netzzustandsinformationen abgeschlossen sein muss! Sind die Voraussetzungen für das dynamische Steuern bereits früher vorhanden, ist zu diesem Zeitpunkt das statische Steuern nicht mehr zulässig.

Welche Rechte und Pflichten hat der Netzbetreiber?

Nach Ansicht der BNetzA im Rahmen des Konsultationspapiers sind alle Verteilnetzbetreiber auf der Niederspannungsebene und z. T. der Mittelspannungsebene verpflichtet, die Vorgaben des § 14a EnWG umzusetzen. Ein Ausnahmetatbestand ist nicht vorgesehen. Die Kernaufgabe des Netzbetreibers ist die Identifikation kritischer Netzzustände und die Einleitung von Gegenmaßnahmen. Hierzu zählt nach § 14a EnWG die Reduktion der Wirkleistung von SteuVE oder SteuNA im eigenen Netz. Ab 2029 hat die Steuerung ausschließlich dynamisch zu erfolgen.

Der zulässige Anwendungsbereich für die Steuerung ist ausschließlich in drei Szenarien anzuwenden: Zur Beseitigung von strom- und spannungsbedingten Gefährdungen, bei Störungen durch Betriebsmittelüberlastungen im NS-Leitungsstrang, an den die SteuVE (bzw. der SteuNA) angeschlossen ist, oder im Trafo Mittelspannung/Niederspannung, der unmittelbar mit dem NS-Abgang verbunden ist. Die Steuerung hat nach einer diskriminierungsfreien Auswahl zu erfolgen, soweit die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Hierzu zählt u. a. eine gleichmäßige Reduktion der Wirkleistung, verteilt auf die einzelnen SteuVE / SteuNA. Eine Entlastung durch Steuerungsmaßnahmen vorgelagerter Netzbetreiber soll und darf nicht erfolgen. Vielmehr hat der Verteilnetzbetreiber für sein Netz allein Sorge zu tragen, kritische Netzzustände zu vermeiden.

Alle Steuerungsmaßnahmen sind hinsichtlich ihrer Dauer und Intensität vom Netzbetreiber zu dokumentieren und gelten als Nachweis gegenüber der BNetzA. Im Falle des dynamischen Steuerns, sind die Messwerte strangscharf zu archivieren. Ebenso dienen die Daten als Begründung, um Netzausbaumaßnahmen gegenüber der Regulierungsbehörde zu rechtfertigen. Auf Verlangen der Behörde sind die Daten vorzulegen. Darüber hinaus soll die gesamte Anzahl an Steuerungsmaßnahmen und deren Hintergründe als neue Kategorie im Monitoringbericht aufgenommen werden.

Welche Rechte und Pflichten hat der Letztverbraucher?

Sofern Letztverbraucher unter den Geltungsbereich des § 14a fallen, sind sie verpflichtet, am Modell teilzunehmen. Ausnahmebestimmungen existieren keine, bis auf die oben genannten (Bsp. Nachtspeicherheizungen vor 01.01.24). Es ergeben sich jedoch auch Vorteile für den Letztverbraucher. So hat dieser durch die Teilnahme das Recht, unverzüglich an das Niederspannungsnetz angeschlossen zu werden. Der Netzbetreiber darf ab 2024 damit dem Kunden nicht mehr den Anschluss aufgrund kritischer Netzzustände, wie der Gefahr der Überlastung der Betriebsmittel aufgrund einer zu geringen Dimensionierung, zu verweigern. Vielmehr weist die BNetzA darauf hin, dass der Netzbetreiber nach den Pflichten des EnWG das Stromnetz für jeden Anschluss zu ertüchtigen habe.

In der Praxis könnte ein schneller Anschluss von SteuVE und eine gleichzeitig zu geringer Dimensionierung der Netzbetriebsmittel zu einer verstärkten Abregelung der SteuVE oder SteuNA zur Folge haben. Solange, bis der Netzbetreiber es geschafft hat, sein Netz weiter auszubauen. Werden hinter einem Trafo oder in einem Strang bereits Steuerungsmaßnahmen nach § 14a EnWG durchgeführt und ist mit weiteren Maßnahmen zu rechnen, so muss der Netzbetreiber spätestens dann seine Netzausbauplanung für diesen Netzbereich anpassen.

Soweit der Letztverbraucher noch nicht über ein intelligentes Messsystem verfügt, hat er die technischen Vorgaben des Netzbetreibers in Bezug auf die Einrichtung einer Steuerung der SteuVE einzuhalten. Ist hingegen ein intelligentes Messsystem eingebaut, hat die Bereitstellung der erforderlichen Technik zur Anbindung der SteuVE an das iMS durch den Messstellenbetreiber zu erfolgen.

§ 14a EnWG – Wie erfolgt die Vergütung der Teilnehmer?

Durch die Abschaltung kann Letztverbrauchern ein finanzieller Schaden entstehen. Vor allem dann, wenn sein Stromtarif zeitvariabel ist und unterschiedliche Preise zu unterschiedlichen Zeitpunkten gelten. In der Vergangenheit war es deswegen meist so, dass Verbraucher auf höheren Spannungsebenen für potenzielle Abschaltmaßnahmen entschädigt wurden. Dies ist jedoch bei Maßnahmen im Rahmen des § 14a EnWG im Verteilnetz nicht der Fall.

Aus Steuerungsbefehlen von Netzbetreibern sollen keine Rechtsfolgen entstehen, die einen bilanziellen oder finanziellen Ausgleich zur Konsequenz haben. Somit wird weder der Bilanzkreis des Lieferanten bereinigt, noch erhält der Letztverbraucher eine zusätzliche finanzielle Entschädigung. Als Entschädigung wird hingegen angesehen, dass der Letztverbraucher durch die Teilnahme am Modell des § 14a EnWG von verringerten oder dynamischen Netzentgelten profitieren soll. Die notwendige Verordnungsermächtigung ist noch durch die BNetzA auszugestalten, liegt aber bereits vor. 

Die Höhe der pauschalen Netzentgeltreduzierung soll dabei bundesweit einheitlich sein und kalenderjährlich ausgewiesen werden. Sie könnte sich mangels geeigneterer Kriterien an den zusätzlichen Kosten orientieren, die dem Netznutzer für die Einrichtung oder Herstellung der Steuerbarkeit entstehen. Die Netzanschlusskosten (NAK) finden keine Berücksichtigung bei der Berechnung eines reduzierten Netzentgeltes. Diese sind diskriminierungsfrei und gleich zu entrichten. Die Zahlung erfolgt unabhängig davon, ob tatsächlich Steuerungseingriffe erfolgt sind. Grundlage für die Zahlung ist bereits die Möglichkeit, einen solchen Eingriff vornehmen zu können. Ob die Abwicklung der verringerten Netznutzungsentgelte über das Lieferantenverhältnis erfolgen soll oder direkt über den Netzbetreiber ist zum aktuellen Zeitpunkt noch offen.

Fazit zum Entwurf abschaltbare Lasten

Mit dem Konsultationspapier schafft die BNetzA einen großen Aufschlag für eine Diskussions- und spätere Umsetzungsgrundlage für den Aufbau eines Smart Grids im Verteilnetz. Mit der perspektivischen Pflicht zur dynamischen Steuerung ab 2029 wird faktisch jeder Netzbetreiber gezwungen, in kritischen Netzabschnitten ein Smart Grid zu implementieren, in dem mithilfe von Messtechnik Entscheidungen für Steuerungsbefehle getroffen werden.

Für den Verteilnetzbetreiber würde dies im Rahmen der Netzführung eine große operative Umstellung bedeuten, da bislang Schaltmaßnahmen noch sehr wenig und wenn meist nur im Rahmen von Baumaßnahmen durchgeführt werden. Allein für die Umsetzung des statischen Steuerns benötigt der Verteilnetzbetreiber ein eigenes Simulationsmodell, um im Voraus kritische Zustände ohne Messtechnik erkennen zu können. Hier dürften Fragen hinsichtlich des geeigneten Systems aufkommen, aber auch hinsichtlich der Datenbasis. Oft dienen Geoinformationssysteme als Datengrundlage für das Verteilnetz, wobei die Datenqualität von Netzbetreiber zu Netzbetreiber stark variieren kann. Die Datenqualität ist jedoch eine wesentliche Grundlage, um automatisiert Simulationsberechnungen durchführen zu können.

Da von einer täglichen Simulation auszugehen ist und mit Voranschreiten der Energiewende mit einem erhöhten personellen Aufwand zu rechnen wäre, muss der Prozess perspektivisch simuliert werden. Mit dem Wechsel zur dynamischen Steuerung bis spätestens 2029 müsste das Monitoring des Netzes in die Netzleitwarte überführt werden, damit binnen 3 Minuten Schaltmaßnahmen zur Reduktion der Wirkleistung umgesetzt werden können. Perspektivisch sollte neben dem Wirkleistungsmanagement auch ein Blindleistungsmanagement eingeplant werden. Da die Blindleistung aktuell zum Großteil noch durch große konventionelle Kraftwerke aus vorgelagerten Netzen bereitgestellt wird und diese schrittweise vom Netz gehen, müssen perspektivisch kleinere Erzeugungsanlagen und SteuVE die Blindleistung bereitstellen.

Eine weitere Herausforderung dürfte die Finanzierung des Aufbaus eines Smart Grids darstellen. Für den Aufbau ist neben Messtechnik vor allem der Ausbau der IT-Infrastruktur erforderlich, welcher zum Anstieg der OPEX-Kosten bei dem Netzbetreiber führt. Hier besteht das Problem, dass das Basisjahr gerade erst vorbei ist und zusätzliche Kosten nicht berücksichtigt werden konnten. Das nächste Basisjahr im Bereich Strom erfolgt erst 2026, wodurch die Gelder erst mit einem Zeitverzug von zwei Jahren bereitstehen. Viel zu spät, um die Fristen des dynamischen Steuerns bis 2029 zu erreichen.  Vorherige OPEX-Ausgaben muss der Netzbetreiber als Verlust abschreiben. Hinzu kommt, dass die OPEX-Ausgaben nicht wie die CAPEX-Ausgaben verzinst werden. Dadurch besteht eigentlich weiter der Anreiz mehr Geld in Netzverstärkungsmaßnahmen zu investieren als in Netzdigitalisierung. Ob die BNetzA den Missstand zur nächsten Regulierungsperiode ändert, bleibt abzuwarten. Kurzfristig sollten Netzbetreiber daher den Ansatz verfolgen, die Kosten aus dem § 14a EnWG als Gesamtprojekt möglichst mit einem geringen OPEX-Anteil abzurechnen, um diese über den Kapitalkostenabgleich unterhalb der Regulierungsperiode wälzen zu können.

Alles in allem ist der Entwurf der BNetzA als positiv zu bewerten, da er einen Ausblick gibt, in welche Richtung der Aufbau eines Smart Grids erfolgen soll. Ergänzend dazu werden mit der Mako 2023 und Mako 2024 die notwendigen Prozesse geschaffen, um den § 14a EnWG auch in der Praxis umsetzen zu können. Allerdings ist durch die Schwierigkeiten der Hard- und Software des intelligenten Messsystems davon auszugehen, dass Netzbetreiber vermutlich mehr auf eine Zählerfernauslesung zu Anlagensteuerung setzen werden und mögliche IoT-Sensorik (Bsp. LoRaWAN), um einzelne Assets zu überwachen. Auch ist die Entwicklung der SteuNA als intelligenter Hausanschluss zu beobachten, welche sicherlich die Grundlage für einen neuen Service in der Energiewirtschaft bilden wird.

Wenn ihr Fragen oder Anregungen zu diesem Blogbeitrag habt, meldet euch gerne. Wenn euch der Beitrag gefallen hat und du auch in Zukunft keine Blogbeiträge von uns mehr verpassen willst, abonniere gerne unseren Blog.

Grundprinzipien der Stromsteuerbefreiung

Hintergrund der Stromsteuer

Die Stromsteuer ist ein Teil der Abgaben und Umlagen, welche für Erzeuger oder Letztverbraucher bei der Produktion und dem Verbrauch elektrischer Energie anfallen kann. Die detaillierten Regeln rund um die Stromsteuer sind in Deutschland im Stromsteuergesetz (StromStG) zu finden. Das Gesetz umfasst jeglichen Strom, unabhängig von der Spannungsebene oder der Frequenz.

Bei der Stromsteuer handelt es sich nach dem StromStG um eine sog. Verbrauchssteuer, welche durch das zuständige Zollamt erhoben wird. Bemessungseinheit ist die Megawattstunde (MWh) und betrug 2021 nach dem Regelsteuersatz 20,50 €/MWh. Die Erhebung der Stromsteuer erfolgt immer zu dem Zeitpunkt der Verbrauchsentnahme, sofern keine Stromsteuerbefreiung vorliegt. Steuerschuldner ist grundsätzlich der zuständige Versorger, welcher den Strom leistet (§ 2 Nr. 1 StromStG). Handelt es sich um einen Eigenerzeuger, hat dieser die Stromsteuer gegenüber dem Zollamt zu entrichten (§ 2 Nr. 2 StromStG). Die Stromsteuer wird somit immer dann erhoben, wenn ein Letztverbraucher Strom aus dem Stromnetz entnimmt oder ein Eigenerzeuger seine Energie selbst produziert und verbraucht (§ 5 StromStG). Über den Versorger oder Eigenerzeuger erfolgt die Abfuhr der Steuer. Die Kosten der Stromrechnung werden vom Versorger an den belieferten Letztverbraucher weitergegeben.

Betreiber von Erzeugungsanlagen haben nach dem StromStG die Möglichkeit, sich von der Stromsteuer befreien zu lassen. Welche Grundprinzipien für die Stromsteuerbefreiung gelten, erläutern wir Ihnen in diesem Blogbeitrag.

§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG haben kleine Anlagen die Möglichkeit, sich von der Entrichtung der Stromsteuer befreien zu lassen. Eine Anspruchsgrundlage besteht dabei für Anlagen, welche Strom mit einer maximalen Nennleistung von 2 MW erzeugen und dessen Strom entweder aus erneuerbaren Energieträgern stammt oder in hocheffizienten KWK-Anlagen produziert wird.

Die Stromentnahme hat in einem räumlichen Zusammenhang bei einer maximalen Entfernung von 4,5 km von der Erzeugungsanlage und dem Verbraucher zu erfolgen. Dabei kann der Strom aus der elektrischen Anlage direkt durch den Betreiber als Eigenerzeugung oder von einem Letztverbraucher in räumlicher Nähe verbraucht werden. Sind die Voraussetzungen der maximal zulässigen Entfernung von 4,5 km (räumlicher Zusammenhang), die maximale Nennleistung von 2MW erfüllt und liegt ein Eigenverbrauch nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) StromStG oder eine Leistung an den Letztverbraucher nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) StromStG vor, ist eine Befreiung von der Stromsteuer möglich.

In der Praxis, zum Beispiel für Post-EEG-Anlagen haben kleine Windkraftanlagen oder größere PV-Anlagen bis 2 MW Nennleistung die Möglichkeit sich von einer Stromsteuerbefreiung zu profitieren. Für Windkraftanlagen sind allerdings spezielle Regelungen zu beachten, welche u. a. bei Windparks die Nennleistung mehrerer Anlagen zusammenfasst, sodass von keiner Stromsteuerbefreiung profitiert werden kann.

Übersicht Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG

Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG

Da die erste Möglichkeit aus dem vorherigen Abschnitt nur für kleinere Erzeugungsanlagen mit einer maximalen Nennleistung von 2 MW gilt, stellen wir euch noch eine weitere Regelung vor, welche ggf. für größere Anlagen in Anspruch genommen werden kann. Diese ist in § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG zu finden. In diesem Fall ist eine Stromsteuerbefreiung einer Erzeugungsanlage größer 2 MW Nennleistung nur möglich, wenn der Strom der Anlage aus erneuerbaren Energien erzeugt und vom Betreiber der Anlage am Ort der Erzeugung selbst verbraucht wird.

Ein räumlicher Zusammenhang ist an dieser Stelle nicht zwingend vorgeschrieben, da allerdings ein Selbstverbrauch der Energie zwingende Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Stromsteuerbefreiung ist, kann der Strom nur vor Ort oder mittels einer Direktleitung verbraucht werden. Ein räumlicher Zusammenhang ist somit auch hier gegeben. Der Aufbau einer Direktleitung lohnt sich im Normalfall nur für kürzere Distanzen, da das öffentliche Stromnetz nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG nicht genutzt werden darf.

  • Monitoring des SmartMeter-Einbaus – Mehr Transparenz im IM4G-Prozess 

    Monitoring des SmartMeter-Einbaus – Mehr Transparenz im IM4G-Prozess 

    Monitoring des SmartMeter-Einbaus – Mehr Transparenz im IM4G-Prozess Die Einführung intelligenter Messsysteme (SmartMeter) ist ein zentrales Thema für viele Energieversorger und ein zentraler Baustein der notwendigen Energiewende. Der Einbau und Wechsel der Zähler ist jedoch mit komplexen Prozessen verbunden, die eine Vielzahl von Akteuren und Systemen involvieren. Gerade beim Monitoring dieser Aktivitäten stoßen viele Unternehmen…


  • Morgen war schon gestern – warum wir die Debatte über das Gelingen des ETS 2 in den Kommunen jetzt beginnen sollte

    Morgen war schon gestern – warum wir die Debatte über das Gelingen des ETS 2 in den Kommunen jetzt beginnen sollte

    Seit 2005 bepreist das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) als weltweit erstes marktwirtschaftliches Instrument Treibhausgas-Emissionen in der Schwerindustrie und im Energiesektor und schafft gleichzeitig Anreize für klimafreundliche Innovationen. Mit Erfolg: Die CO2-Emissionen sind seither um 48 Prozent gesunken. Ab 2027 soll das ETS 1 im Industrie- und Energiesektor um einen neuen Emissionshandel ETS 2 erweitert werden, der die…


  • Die Problematik der Kundenanlage aufgeschlüsselt – welche Vorschläge gibt es nach der Urteilsbegründung des BGH?

    Die Problematik der Kundenanlage aufgeschlüsselt – welche Vorschläge gibt es nach der Urteilsbegründung des BGH?

    Die Kundenanlage, wie sie im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) §3 Nr. 24 und 16 definiert war, ebnete den Weg für viele Quartierskonzepte und Mieterstromprojekte in Deutschland. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom November letzten Jahres brachte das Konzept ins Wanken (s. ENWIKO 05/2025). In diesem Artikel haben wir für Sie alle Hintergründe, laufenden Entwicklungen und Ideen…


In der Praxis ist die Inanspruchnahme des § 9 Abs.1 Nr.1 StromStG jedoch sehr schwierig, da größere EE-Anlagen wie z. B. Windkraftanlagen selten in Besitz eines Betreibers sind, welche den Strom selbst vor Ort verbrauchen kann. Problematisch wird es zum Beispiel auch, wenn die Erzeugungsanlage im Besitz mehrerer Eigentümer ist und eine klare Zuweisung der Erzeugung und des Verbrauchs nicht möglich ist. Aus diesem Grund ist die Befreiung von der Stromsteuer für Windkraftanlagen meist mit einer Einzelfallprüfung verbunden.

Wenn du Fragen oder Anregungen zu diesem Blogbeitrag hast, melde dich gerne. Wenn dir der Beitrag gefallen hat und du auch in Zukunft keine Blogbeiträge von uns mehr verpassen willst, abonniere gerne unseren Blog.

Soforthilfegesetz – Wie erfolgt die Abschlagszahlung für Gas und Wärme? 

Soforthilfegesetz – Im Dezember soll es losgehen

Im Zuge der Energiekrise und der damit verbundenen Preisentwicklung bereitet der Gesetzgeber verschiedenste Maßnahmen vor, um die Kosten auf Wirtschaft und Gesellschaft abzufedern. Als erste Vorstufe gilt hierbei das Soforthilfegesetz, welches noch vor der Einführung einer Strom- und Gaspreisbremse im kommenden Jahr greifen soll. Das Gesetz sieht im Kern für kleinere und mittlere Energiekunden eine Entlastung mittels der Übernahme der Abschlagszahlung durch den Staat vor. Diese erfolgt einmalig für den Monat Dezember.

Bereits in der letzten Woche hat der Gesetzentwurf den Bundestag passiert, weswegen damit zu rechnen ist, dass das Soforthilfegesetz in Kürze in Kraft treten sollte. Für Stadtwerke bedeutet die kurzfristige Umsetzung eine enorme Kraftanstrengung. Binnen 14 Tagen ist das Konzept der erlassenen Abschlagszahlung umzusetzen und alle notwendigen Informationen zu ermitteln, damit die notwendigen Liquiditätsmittel vorangemeldet werden können und bereits zum 01.12.22 zur Verfügung stehen. So soll verhindert werden, dass Stadtwerke nicht in Vorleistung gehen müssen. Dies ist auch notwendig, damit diese nicht in einen Liquiditätsengpass laufen. Wir haben uns den aktuellen Gesetzesentwurf (Stand 11.11.) näher angeschaut und die wichtigsten Inhalte für euch zusammengefasst.

Wer ist laut Soforthilfegesetz anspruchsberechtigt?

Das Soforthilfegesetz richtet sich primär an alle kleineren und mittleren Letztverbraucher, welche Gas oder Wärme beziehen. Im Bereich Gas haben hauptsächlich alle Letztverbraucher mit einem Jahresverbrauch kleiner 1.500.000 kWh/a (SLP-Kunden) einen Anspruch auf den Erlass der Abschlagszahlung. Für alle anderen Kunden oberhalb von 1.500.000 kWh/a (RLM-Kunden) ist dies nicht der Fall. Diese Kundengruppe hat keinen Anspruch auf die Unterstützung des Soforthilfegesetzes.

Allerdings gibt es einzelne Ausnahmen für diese Kundengruppe. Hierzu zählen u. a. soziale Einrichtungen, Universitäten, Schulen oder Vorsorgeeinrichtungen. Allerdings gilt für diese Kunden, dass sie ihren Anspruch aktiv bei dem eigenen Lieferanten anmelden müssen. Keinen Anspruch haben Letztverbraucher, welche Erdgas im Zusammenhang mit einer gewerblichen Vermietung verbrauchen oder wenn Gas zur Verstromung verwendet wird.

Auf der Wärmeseite ist die Anspruchsgrundlage ähnlich geregelt. Hier haben alle Letztverbraucher bis zu einem Verbrauch von 1.500 kWh/a einen Anspruch. Es gelten ähnliche Ausnahmen für Verbraucher oberhalb dieser Schwelle. Hierzu zählen explizit auch Wohnungsunternehmen, welche bei vielen Wohnungen oberhalb der Schwelle liegen können. Der Anspruch von Kunden oberhalb 1.500 kWh/a ist ebenfalls schriftlich anzumelden.

Wie erfolgt die Berechnung der Abschlagshöhe?

Für die Berechnung der Abschlagshöhe im Bereich Gas sieht das Soforthilfegesetz ein differenziertes Vorgehen vor, zwischen SLP- und RLM-Kunden. Handelt es sich um einen SLP-Kunden, welcher erstmalig mit Erdgas zum 01.11.22 beliefert wurde, weil der Kunde z. B. eine neue Erdgasheizung installiert hat, dann ist 1/12 des Verbrauchs aus dem SLP-Profil mal den Arbeitspreis plus des monatlichen Grundpreises anzusetzen. Handelt es sich hingegen um einen SLP-Kunden, welcher vor dem 1.11.22 Erdgas bezogen hat, so errechnet sich der Abschlag auf Basis des Septemberprognosewertes. Grundlage hierfür ist, dass der gesamte Jahresverbrauch des Kunden vorliegt. Ist dies nicht der Fall, dann kann die Jahresprognose des Netzbetreibers nach § 24 GasNZV genutzt werden. Zusätzlich ist der monatliche Grundpreis in den Abschlag miteinzubeziehen.

Bei RLM-Kunden mit einem Verbrauch kleiner 1.500.000 kWh/a dient die gemessene Netzentnahme der Monate November 2021 bis einschließlich Oktober 2022 als Grundlage. Für RLM-Kunden oberhalb eines Jahresverbrauches >1.500.000 kWh/a, die zu der Ausnahmegruppe zählen, gilt die gleiche Berechnungslogik.

Einfacher sieht es hingegen in der Sparte Wärme aus. Hier ist allerdings zwischen einer direkten Wärmelieferung durch das Energieversorgungsunternehmen und Sonderkonstellationen wie einem Mieter-/Vermieterverhältnis oder einer Eigentümergemeinschaft zu differenzieren. Bei einer direkten Wärmelieferung errechnet sich die Höhe des Abschlags aus der monatlichen Abschlagszahlung von September mal einem Aufschlag von 20 %. Erfolgt keine monatliche Abschlagszahlung, ist diese auf Basis des bestehenden Abschlagsprinzips umzurechnen. Grundlage ist der Durchschnittsverbrauch, welcher sich aus dem letzten Jahresverbrauch geteilt durch 12 Monate ergibt. Generell gilt: sollten die jahreszeitlichen Schwankungen nicht ausreichend berücksichtigt sein, können Werte von vergleichbaren Kunden angesetzt werden. Bei einem Mieter-/Vermieterverhältnis gilt, dass die Entlastung an die Mieter in voller Höhe weiterzugeben ist. Das gleiche Prinzip ist bei Eigentümergemeinschaften anzuwenden.

Wie erfolgt die Antragsstellung für die Soforthilfe?

Zur Finanzierung der erlassenen Abschlagszahlung des Soforthilfegesetzes haben die Energielieferanten die notwendigen finanziellen Mittel bei der KfW-Bank zu beantragen. Der Antrag muss spätestens bis zum 31.03.23 abgegeben werden. Eine Auszahlung soll innerhalb von 14 Tagen erfolgen. Um die notwendige Liquidität schon im Dezember zu sichern, sollte daher der Antrag bereits im November abgegeben werden. Potenzielle Überzahlungen durch die KfW-Bank sind im Nachhinein zurückzuerstatten. Der Antrag soll für beide Sparten zusammengefasst werden können. Erdgaslieferanten sind außerdem verpflichtet, bis zum 31. Mai 2024 eine Rechnungsstellung durchzuführen, welche die Höhe des gutgeschriebenen Abschlags ausweist. Ansonsten sind die staatlichen Mittel in voller Höhe zurückzuzahlen.

Der Ablauf des Antragsverfahrens spielen wir im Folgenden einmal am Beispiel der Erdgaslieferung durch. Demnach muss der Lieferant ein Antragsformular ausfüllen und dieses an seine Hausbank versenden, die sein Konto verwaltet. Die Hausbank bestätigt die Identität des Antragsstellers, führt eine GWG-Prüfung durch und muss bestätigen, dass der Vorgang unkritisch ist. Anschließend erfolgt die Übersendung an den Beauftragten des Lieferanten. Der Beauftragte führt eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Angaben und der Höhe der Vorauszahlung durch. Der Beauftragte hat die Angaben zu bestätigen und die Zahlungsanweisung an die KfW-Bank zu übermitteln. Die Prüfungsfrist beträgt zwei Wochen. Der Erdgaslieferant hat in diesem Zusammenhang den Zahlungseingang zu überwachen und im letzten Schritt die Gutschrift der Abschlags- und Rechnungsstellung durchzuführen. Mögliche Differenzen, die sich durch die Vorauszahlung ergeben können, sind von einem Wirtschaftsprüfer zu bestätigen und später mit der Rechnungsstellung bis spätestens zum 31.05.24 auszugleichen.

Quelle BDEW
Quelle BDEW

Wie erfolgt der Erlass des Abschlags?

Die staatliche Unterstützung des Hilfepakets kann auf unterschiedliche Wege zum Letztverbraucher gelangen. Da die meisten (SLP-)Kunden auf das monatliche Lastschriftverfahren setzen, hat der Lieferant die Möglichkeit auf den Einzug des monatlichen Abschlags zu verzichten. Alternativ hat er die Möglichkeit, dem Kunden bis zum 31.12.22 den Abschlag auf sein Konto zurückzuüberweisen. Anders sieht dies bei Kunden aus, welche einen Dauerauftrag eingerichtet haben. Diese Kunden können die Abschlagszahlung für den Monat Dezember aussetzen. Überweist der Kunde trotzdem, so ist der Betrag am Ende in der Abrechnung gutzuschreiben. Ist für den Kunden hingegen im Monat Dezember kein Abschlag vorgesehen, weil dieser nicht monatlich erfolgt, so hat die Gutschrift im Folgemonat zu erfolgen.

Handelt es sich hingegen um einen RLM-Kunden, welcher monatlich abgerechnet wird, so hat die Verrechnung des Abschlags bereits in der Rechnung des Kunden zu erfolgen. Das gleiche Vorgehen gilt auch für die Kunden in der Sparte Wärme, welche üblicherweise im Dezember ihre Jahresabrechnung erhalten. Für die Kunden im Bereich Gas handelt es sich hingegen um einen vorläufigen Erlass des Abschlags, welcher am Ende mit der Endabrechnung gutgeschrieben wird. Ebenfalls im Soforthilfegesetz geregelt ist die Weitergabe der Kosten vom Vermieter an den Mieter, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

Welche Informationspflichten bestehen?

Damit alle Kunden von den Regelungen des Soforthilfegesetzes erfahren, haben alle Erdgaslieferanten auf Ihrer Homepage bis zum 21.11.22 über den Entlastungsbeitrag und Verrechnungsansätze zu informieren. Dies gilt für Sondertarife, aber nicht die Grundversorgung. In diesem Zusammenhang besteht ab dem 1.12.22 gegenüber dem Kunden eine Ausweispflicht bei der nächsten Endabrechnung, die spätestens bis zum 31. Mai 2024 durchzuführen ist.

Für Wärmelieferanten besteht ebenfalls eine Informationspflicht auf ihrer Homepage zwei Wochen nach Beschluss des Soforthilfegesetzes. Alternativ kann der Kunde auch schriftlich informiert werden. Für Vermieter gilt in diesem Zusammenhang, dass die Mieter unverzüglich zu informieren sind. Die genaue Entlastung sowie Aufschlüsselung der Entlastung sind in der nächsten Heizkostenabrechnung auszuweisen.

Übersicht Abschlagszahlung Gas des Soforthilfegesetzes
Übersicht Abschlagszahlung Wärme des Soforthilfegesetzes

Fazit

Das Soforthilfegesetz bildet die 1. Stufe für die kommende Gaspreisbremse im Jahr 2023. Es ist der Versuch der Politik, die Kunden kurzfristig zu entlasten, solange noch kein alternatives Instrument zur Verfügung steht. Für Versorger bedeutet das Soforthilfegesetz einen kurzfristigen hohen Umsetzungsaufwand, da binnen kürzester Zeit Mengen prognostiziert werden müssen und ein Antragsverfahren zu durchlaufen ist, um für den Monat Dezember die nötige Liquidität zu sichern. Gleichzeitig müssen die IT-Systeme ertüchtigt werden, die Vorgaben des Soforthilfegesetzes umzusetzen. Dabei stehen vor allem die Berechnung des genauen gutzuschreibenden Abschlags im Vordergrund wie auch die Anpassung auf der späteren Endabrechnung. Auf jeden Fall dürfte das Soforthilfegesetz nicht das letzte Gesetz gewesen sein, welches die Branche binnen kürzester Zeit umzusetzen hat. Ähnliche Herausforderungen stehen mit der Strom- und Gaspreisbremse vor der Tür.

Weitere Informationen zum Soforthilfegesetz findet ihr in der umfassenden Anwendungshilfe des BDEW.

Wenn ihr Fragen oder Anregungen zu diesem Blogbeitrag habt, meldet euch gerne. Wenn dir der Beitrag gefallen hat und du auch in Zukunft keine Blogbeiträge von uns mehr verpassen willst, abonniere gerne unseren Blog.

Der Werkzeugkasten zur Strompreisbremse – Was darf der Gesetzgeber?

Strompreisbremse – Wann kommt Sie endlich?

Es gibt vermutlich kein Tag, bei dem nicht ein Politiker eine neue Maßnahme zur Begrenzung der Energiepreise fordert und neue Ideen durch den Raum schwirren. Hinzu kommen die Vielzahl neuer Gesetze, welche Preise begrenzen sollen, die Energieeffizienz steigern oder die Versorgungssicherheit gewährleisten sollen. Eines der wesentlichen Eckpfeiler der Bundesregierung und EU ist jedoch die Begrenzung der Strompreise in Form einer „Strompreisbremse“.

Hier wurde bereits von der Bundesregierung angekündigt, schnell in die Umsetzung eines Mechanismus zur Begrenzung der Strompreise zu gehen, da aufgrund des Merit-Order-Modells zur Preisfindung die teuren Gaskraftwerke zu überdurchschnittlichen Gewinnen bei anderen Erzeugungstechnologien führten. Das Strommarktdesign sei daher anzupassen, um überdurchschnittliche Gewinne einzelner Betreiber anlässlich der aktuellen Energiemangellage zu vermeiden.  Auch wenn die Aussage, dass die Merit-Order mit dem Strommarktdesign und Preisbildungsmechanismus gleichzusetzen sei, aus fachlicher Sicht nicht korrekt ist, wie wir bereits in einem Blogbeitrag erläutert haben, ist kurzfristig ein Instrument zur Dämpfung der Strompreise erforderlich. Ansonsten ist davon auszugehen, dass Endkundenpreise von 1 €/ kWh keine Seltenheit mehr sein werden, wie Sie aktuell am Markt zu beobachten sind.

Allerdings hat die Bundesregierung bzw. der nationale Gesetzgeber nicht die Möglichkeit, alleine eine Strompreisbremse einzuführen, da sie nach dem Subsidiaritätsprinzip die Kompetenzen zur Stabilisierung des europäischen Energiebinnenmarkts nach Art.194 AEUV an die EU übertragen hat. Demnach muss eine Strompreisbremse mit dem EU-Recht vereinbar sein und möglichst einheitlichen, europäischen Regeln unterliegen, damit es zu keinen größeren Verzerrungen am europäischen Energiemarkt kommt. Hierfür hat die Kommission in Abstimmung mit den Energieministern der Mitgliedsstaaten einen Entwurf für eine Verordnung zur Einführung von „Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise“ vorgestellt, welcher sich aktuell im Gesetzgebungsprozess befindet.

Die Verordnung soll das Fundament für den Werkzeugkasten der einzelnen Mitgliedsstaaten bilden, um steigenden Strompreisen entgegenzuwirken. In diesem Blogbeitrag schauen wir uns den Werkzeugkasten einmal näher an.   

Strompreisbremse – Was sind die Ziele der EU?

Bevor wir uns die einzelnen Werkzeuge und Handlungsmöglichkeiten für die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU näher anschauen, betrachten wir zuerst die Motivation und Ziele der EU. Im Kern verfolgt die EU vier verschiedene Ziele, auf welche die einzelnen Werkzeuge einzahlen sollen. Hierzu zählt als primäres Ziel die Gewährleistung der Preisstabilität im EU-Binnenmarkt. Gleichzeitig soll die Energiearmut durch gezielte Maßnahmen bekämpft und eingedämmt werden, welche aktuell durch die Geschwindigkeit der steigenden Energiepreise in allen Mitgliedsstaaten deutlich schneller ansteigt.

Allerdings sollen die einzelnen Werkzeuge zur Begrenzung der Strompreise nicht nur darauf abzielen, kurzfristig die Strompreise zu stabilisieren, sondern auch langfristig zur Steigerung der Energieautonomie der EU beizutragen, um in künftigen Krisensituationen besser vorbereitet zu sein. Gleichzeitig soll aber auch der Bruttostromverbrauch durch Effizienzsteigerungen gesenkt werden, um den Bedarf an Energie zu senken. Zur Umsetzung der 4 Ziele zur Stabilisierung des Strommarktes hat sieht die EU unterschiedliche Werkzeuge vor, die von den einzelnen Mitgliedsstaaten angewandt werden können und teilweise auch müssen. 

Strompreisbremse – Was sind die einzelnen Werkzeuge?

Die Werkzeuge der EU können im ersten Schritt aus Sicht der Finanzflüsse klassifiziert werden. Dies kann in zwei Bereiche, einer Erlösseite und Ausgabenseite erfolgen. Bei der Erlösseite handelt es sich um Werkzeuge, welche vor allem darauf abzielen, überdurchschnittliche Gewinne einzelner Unternehmen durch die Verknappung des Energieangebots abzuführen oder zu begrenzen, um sie dann der Ausgabenseite zuzuführen. Auf der Ausgabenseite sollen die zusätzlichen Mittel dann für Maßnahmen eingesetzt werden, welche zur Entlastung auf dem Energiemarkt führen.

Auf der Erlösseite sind drei verschiedene Werkzeuge der EU zu beobachten. Zum einen verfolgt die EU die Einführung eines Solidaritätsbeitrags, der ursprünglich als Übergewinnsteuer bezeichnet wurde und speziell auf Unternehmen aus dem Energiebereich abzielt, welche mit konventionellen Energieträgern sehr hohe Gewinne erwirtschaften. Dazu zählen alle Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und im Raffinerie-Bereich tätige Energieunternehmen.

Das zweite Werkzeug ist die Einführung einer Markterlösobergrenze (EOG), die die Erlöse für einzelne Erzeugungsanlagen in Abhängigkeit des eingesetzten Energieträgers begrenzen soll, um überdurchschnittliche Gewinne schon bei der Entstehung am Markt in Form der Preisbildung zu unterbinden. Die EOG wird dabei ergänzt mit einem Preisdeckel oder Zuschüssen, der teilweise schon der Ausgabenseite zugeordnet werden kann. Der Preisdeckel sieht u.a. eine Begrenzung der Endkundenpreise vor, welche durch eine staatliche Quersubventionierung sichergestellt wird.

Auf der Ausgabenseite stehen hingegen Instrumente in Form von Investitionsmaßnahmen zur Verfügung, sowie Vorgaben zur Steigerung der Energieeffizienz. Ebenso sind Verlagerung von Lastspitzen (Spitzenlastmanagement) vorgesehen, um unnötige Nachfrage-Peaks zu vermeiden.

Alle Werkzeuge unterliegen gewissen Mindestkriterien, welche bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen sind. Hierzu hat sowohl die EU als auch ihre Mitgliedsstaaten folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

Alle Werkzeug

  1. sind verhältnismäßig und diskriminierungsfrei;
  2. dürfen Investitionssignale nicht gefährden;
  3. stellen sicher, dass die Investitions- und Betriebskosten gedeckt sind
  4. sind mit dem Unionsrecht vereinbar.

Trotz des vorgegebenen Handlungsrahmens haben die einzelnen Mitgliedsstaaten nach dem Verordnungsentwurf einen großen Handlungsspielraum. Um diesen genauer zu verstehen, werfen wir einen Blick auf die einzelnen Regelungen je Werkzeug:

Strompreisbremse – Wie funktioniert der Solidaritätsbeitrag?

Die zusätzliche Abgabe in Form des Solidaritätsbeitrages richtet sich ausschließlich an Energieunternehmen im Bereich Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffinerie. Mit der Eingrenzung der zusätzlichen Abgabe sollen ausschließlich Unternehmen besteuert werden, welche durch die Verknappung des Angebots auf dem Energiemarkt stark von steigenden Preisen partizipiert haben. Dabei legt der Verordnungsentwurf fest, dass es sich um einen Übergewinn handelt, wenn die Gewinne aus 2022 und/oder 2023, die mehr als 20 % über den durchschnittlichen steuerpflichtigen Gewinnen aus den vier am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnenden Haushaltsjahren liegen. Wird eine dieser Regelungen erfüllt, haben die jeweiligen Energieunternehmen die zusätzliche Abgabe zu bezahlen.

Wichtig hierbei ist, dass die Abgabe zusätzlich neben den üblichen Unternehmenssteuern anfällt! Zu versteuern ist bei dem Solidaritätsbeitrag der überdurchschnittliche Gewinn mit einem Mindesthöchstsatz von 33 %. Den Mitgliedsstaaten steht es jedoch frei, im Rahmen der nationalen Umsetzung den Mindesthöchstsatz nach oben anzupassen. Der Mindesthöchstsatz von 33 % darf jedoch nicht unterschritten werden. Die zusätzlichen Einnahmen sollen wie das Werkzeug der Markterlösobergrenze zur Finanzierung der Werkzeuge auf der Ausgabenseite beitragen.

Strompreisbremse – Wie funktioniert die Markterlösobergrenze?

Als zweites Instrument auf der Erlösseite sieht die EU eine Markterlösobergrenze (EOG) vor. Hierbei erfolgt die Abschöpfung von zusätzlichen Erlösen aus bestimmten Energieanlagen oberhalb eines Referenzwertes. Hier sieht die EU einen Referenzwert für die EOG von 180 €/ MWh vor. Die Obergrenze soll dabei für folgende Bereiche gelten: Wind-, Solar, Kernenergie, Braunkohle, Erdwärme, Wasserkraft ohne Speicher, Biomasse-Brennstoffe, Abfall, Torf, Erdölerzeugnisse.

Allerdings gibt es bestimmte Ausnahmen, wie von der EOG von 180 €/ MWh abgewichen werden kann, die im Ermessensspielraum der einzelnen Mitgliedsstaaten fällt. So haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für Steinkohle eine höhere EOG festzulegen, wenn die Erzeugungskosten für diese Anlagen nicht mit dem Referenzpreis übereinstimmen. Ein Abschalten von teureren Kohlekraftwerken soll so verhindert werden.  Daneben können die Staaten eine De-minimis-Regel einführen, bei den Anlagen mit einer Anlagenleistung kleiner 1 MWPeak nicht unter die Regelung des Referenzpreises fallen.

Ansonsten findet der Referenzpreis keine Anwendung für Anlagen mit langfristigen Verträgen unterhalb des Referenzwertes, für Anlagen, welche über Differenzverträge vermarktet werden oder staatlichen Einspeisetarifen unterliegen. Ebenso haben die Staaten die Möglichkeit, die Begrenzung der EOG nur auf 90 % der Markterlöse anzuwenden, sodass 10 % der verkauften Strommenge nicht dem Referenzpreis unterliegen. Vermarktet eine der Erzeugungsanlagen, welche der Markterlösobergrenze unterliegt, seine Energie oberhalb des Referenzpreises, so sind die zusätzlichen Gewinne abzuführen. Allerdings gibt es weitere Ausnahmen für Steinkohle-, Gas- und Biomethan-Anlagen sowie Technologien, die im Wettbewerb zu Gaskraftwerken stehen. Für diese soll die Markterlösobergrenze ebenfalls nicht angewandt werden.

Strompreisbremse – Wie funktioniert der Preisdeckel & Zuschüsse?

Als weiteres Instrument haben die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Preisdeckel und Zuschüsse einzuführen. Hierbei erlaubt der Verordnungsentwurf eine Deckelung der Energiepreise, welche zwischen dem Lieferanten mit dem Kunden abgeschlossen wurden, um die Privathaushalte und Unternehmen möglichst schnell zu entlasten. Haben die Energielieferanten höhere Preise, sollen diese durch staatliche Mittel vorfinanziert werden, bis die zusätzlichen Erlöseinnahmen aus der Markterlösobergrenze und dem „Solidaritätsbeitrag“ zur Verfügung stehen. Reichen diese Mittel jedoch nicht aus, kann der Mitgliedsstaat weitere, eigene Haushaltsmittel verwenden.

Neben der Deckelung der Energiepreise haben die Staaten auch die Möglichkeit direkt Zuschüsse und Subventionen einzuführen, welche unmittelbar beim Letztverbraucher ankommen. Hierzu zählen direkte staatliche Überweisungen, subventionierte Mengenkontingente oder gezielte Subventionen für energieintensive Industrien. Die genaue Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen obliegt den einzelnen Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene. 

Strompreisbremse – Welche Investitionsmaßnahmen sind vorgesehen?

Zusätzliche Erlöse, welche sich durch einzelne, umgesetzte Werkzeuge ergeben, können von den Mitgliedsstaaten auch für zusätzliche Investitionsmaßnahmen genutzt werden. Hierbei kann es sich um staatliche Investitionsprogramme zur Förderung der Energieautarkie handeln. In diesem Fall legt die EU großen Wert auf die Elektrifizierung des Energiesektors.

Daneben sind aber auch staatliche Investitionen zulässig, welche in Forschung und Entwicklung von Dekarbonisierungstechnologien fließen. Den Mitgliedsstaaten steht es frei, eine eigene Prioritätenliste zu entwickeln.

Strompreisbremse – Welche Energieeffizienzmaßnahmen sind vorgesehen?

Zur Steigerung der Energieautonomie legt die EU großen Wert auf den Aufbau eines finanziellen, nationalen Anreizsysteme zur Senkung des Energieverbrauchs. Die Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, Ausschreibungen zur Nachfragesenkung („Energieverzicht“) durchzuführen. Die Finanzierung erfolgt über die Einnahmen der EOG und des Solidaritätsbeitrages. Ziel ist hierbei den allgemeinen Energieverbrauch zu allen Stunden um 5 % zu senken.

Ebenso sollen die staatlichen Subventionen für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz heraufgefahren werden. Hierbei liegt der Fokus auf einer zunehmenden Elektrifizierung, um u.a. Umwandlungsverluste zu minimieren. Insgesamt sollen aber die Instrumente zur Steigerung der Energieeffizienz ausgebaut werden.

Strompreisbremse – Was ist unter dem Spitzenlastmanagement zu verstehen?

Als Ergänzung zur Steigerung der Energieeffizienz sieht der Verordnungsentwurf eine Verpflichtung zur Einführung eines nationalen Spitzenlastmanagements vor. Hierzu sollen die Mitgliedsstaaten in ihren Ländern die Zeiträume der Lastspitzen identifizieren und in Zeiträume mit einer niedrigeren Nachfrage verlagern. Als Folge dessen soll die Anzahl der Nachfrage-Peaks gesenkt werden, wodurch die Preise am Markt fallen sollen.

Unter das Zeitfenster der Spitzenlast fallen zehn Prozent der Zeiträume mit dem höchsten Energiebedarf. Hier gibt die EU das Ziel vor, dass die Spitzenlast um mindestens fünf Prozent durch Lastverlagerung abzusenken sind. Die Vorgabe soll vom 01. Dezember 2022 bis 31. März 2023 gelten. Die Mitgliedstaaten können allerdings für die Spitzenzeiten einen anderen Prozentsatz als den im genannten Ziel festlegen, sofern er sich mindestens auf 3 % der Spitzenzeiten erstreckt und die während der Spitzenzeiten eingesparte Energie mindestens der Energiemenge entspricht.

Übersicht der potenziellen EU-Notfallmaßnahmen gegen hohe Strompreise

Fazit

Der vorgesehene Instrumentenkasten für die einzelnen Mitgliedsstaaten kann als sehr breit betrachtet werden. Einzelne Vorgaben, wie die Einführung einer zusätzlichen Abgabe für bestimmte Energieunternehmen, die Markterlösobergrenze, die Verlagerung von Spitzenlasten oder Senkung des Energieverbrauchs werden zentral durch die EU vorgegeben. Dennoch haben die einzelnen Mitgliedsstaaten eine Vielzahl an Möglichkeiten entweder zusätzliche Instrumente einzuführen oder eine Feinjustierung an den Vorgaben der EU vorzunehmen, da ein gewisser Handlungsspielraum besteht.

Welche Möglichkeiten und Spielräume die Bundesregierung nutzt, bleibt abzuwarten, da hierzu noch keine einheitliche, verbindliche Stellungnahme vorliegt. Da die Regelungen der EU als Verordnung in Kraft treten werden, ist mit einer schnellen Umsetzung in Deutschland zu rechnen, was vor allem die Umsetzung der Markterlösobergrenze angeht.

Wichtig bei dem Entwurf ist jedoch zu verstehen, dass es sich lediglich um einen Werkzeugkasten handelt, bei dem nicht alle Instrumente genutzt werden müssen! Welches Instrument am Ende das geeignete ist und die größte Wirkung entfaltet, bleibt am Ende z.T. den Mitgliedsstaaten überlassen. Die Übersicht der Handlungsmöglichkeiten in diesem Blogbeitrag dürften jedoch für alle Leser eine gute Hilfestellung sein, ob einzelne geforderte Maßnahmen von politischer Seite auf nationaler Ebene wirklich umsetzbar sind und vor allem mit dem EU-Recht vereinbar.

Wenn Du Fragen oder Anregungen zu diesem Blogbeitrag hast, melde Dich gerne. Wenn Dir der Beitrag gefallen hat, dann abonniere gerne unseren Blog.

Merit-Order: Der Irrtum mit dem Strompreis

Es gibt vermutlich kein Tag, an dem nicht über die Höhe der Energiepreise diskutiert wird, welche sowohl die Industrie als auch die Privathaushalte in Deutschland, aber auch ganz Europa schwer belastet und einer Rezession einen idealen Nährboden liefert. Die Ursache für die hohen Preise gerade im Sektor Strom scheint diesbezüglich schnell ausgemacht: das Strommarktdesign. Hierbei wird oft das Modell der Merit-Order herangezogen, bei dem das teuerste Kraftwerk maßgeblich für die Preissetzung verantwortlich ist und somit gerade bei Kraftwerken mit niedrigen Grenzkosten zu hohen Deckungsbeiträgen führt.

In diesem Blogbeitrag gehen wir darauf ein, was an der Aussage, das Strommarktdesign müsse reformiert werden, da das Merit-Order-Modell maßgeblich zur Energiepreissteigerung beitrage, dran ist. An dieser Stelle sei schon einmal vorweggenommen, dass die Aussage das aktuelle Problem sehr stark vereinfacht und z. T. sachlich nicht korrekt ist. Wir wollen uns der Thematik aber einmal schrittweise nähern und zuerst einen Blick auf das Merit-Order Modell werfen.

Das Merit-Order-Modell

Die Merit-Order ist ein theoretisches Modell, welches versucht den komplexen Sachverhalt des Strommarkts abzubilden und zu erklären, wie es zur Bildung von Strompreisen kommen kann. Wie bei allen Modellen unterliegt das Merit-Order-Modell jedoch Einschränkungen und Vereinfachungen, da der Strommarkt in seiner Gesamtheit deutlich komplexer ist und mehreren Faktoren unterliegt.

Grundsätzlich funktioniert das Merit-Order-Modell wie in der Marktwirtschaft üblich nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage (siehe die folgende Grafik). Die Angebotskurve bildet sich aus dem zur Verfügung stehenden Kraftwerkspark geordnet anhand seiner Grenzkosten. Die Grenzkosten bestehen aus den Brennstoffkosten und CO2-Zertifikaten einer Erzeugungsanlage. Die Angebotsreihenfolge bildet sich jedoch wie folgt: vorne stehen die Erneuerbaren Energien gefolgt von der Atomkraft, der Braun- und Steinkohle, den Gas- und Ölkraftwerken.

Die Nachfragekurve bildet sich aus der Gesamtnachfrage nach elektrischer Energie aller Letztverbraucher und wird im Modell nahezu als unelastisch angenommen. Im Schnittpunkt zwischen Angebot und Nachfrage bildet sich der Referenzpreis, welcher an alle Kraftwerke gezahlt wird, welcher sich auf der Angebotskurve vor dem Referenzpreis befinden. Kraftwerke mit niedrigeren Kosten erzielen somit einen Deckungsbeitrag. Steigt hingegen das Angebot, z. B. durch den Ausbau Erneuerbarer Energien, schiebt sich die Nachfragekurve nach links. Der Referenzpreis am Markt sinkt.

Gerade bei sehr hohen Energiepreisen zeigt das Modell auf, dass gerade EE-Anlagen von teuren Gaskraftwerken profitieren. Stimmen die Aussagen der Politik also, dass das Strommarktdesign in Form der Merit-Order schuld sei? Hierzu wollen wir einen Blick auf die Schwächen des Modells werfen und dies einmal energiewirtschaftlich einordnen.

Einordnung des Merit-Order-Modells

Einer der ersten Fehler, welche im Zusammenhang mit dem Merit-Order-Modell getroffen wird im Zusammenhang mit dem Strommarktdesign ist diese beiden Begriffe gleichzusetzen. Die Merit-Order ist ein Modell aber alles andere als ein Marktdesign! Ein Modell ist immer eine Annäherung und versucht Komplexitäten stark zu reduzieren, um den Markt überhaupt erklärbar zu machen, ohne selbst der Markt zu sein. In dem Merit Order Modell nehmen wir den Preis der Einzelstundenauktion als gegeben hin und versuchen uns dem Preis durch das Modell anzunähern.

Hinzu kommen Einschränkungen im Modell, dass alle Marktteilnehmer ihre Gebote zur Erzeugung von Energie abgeben und es erst dann zu einer Bildung des Strompreises kommt. Dies ist in der Realität natürlich falsch, da dies nur für Marktteilnehmer gilt, welche einen Börsenzugang haben und Energie auf dem Spotmarkt handeln. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass alle Kraftwerksbetreiber alle verfügbaren Kapazitäten zur Verfügung stellen. Dies dürfte in der Praxis weniger der Fall sein, da auch mit Erzeugungskapazitäten spekuliert und auf höhere Preise gesetzt werden kann und diese am Markt gar nicht erst anzubieten oder zur strategischen Eigenversorgung zurückzuhalten.

Auch trifft das Merit-Order-Modell die Annahme, dass ein perfekter Wettbewerb zwischen den Erzeugern und Nachfragern herrscht und keine strategischen Gebote abgegeben oder Wettbewerbsvorteile (Bsp. Oligopol) ausgenutzt werden. Eine taktische Verknappung des Rohstoffes wie z. B. Gas auf Grund eines Krieges ist nicht Teil des Modells. Denn das Modell geht davon aus, dass sich alle Marktteilnehmer rational und nicht “beschränkt rational” verhalten. D.h. sie geben Gebote ab, die auch für Dritte einen Sinn ergeben. Ebenfalls wird die Nachfrage als unelastisch angenommen sowie die Annahme getroffen, dass Kraftwerksbetreiber ihre Anlagen bei zu hohen Kosten direkt herunterfahren können. Als technischer Sicht ist dies nicht möglich.

Das Ergebnis ist, dass das Merit-Order-Modell gerade bei starken Nachfrageschwankungen sowie sehr hohen und niedrigeren Preisen das Marktdesign überhaupt nicht abbilden kann. Die Folge ist ein Eingreifen der Politik. Bei niedrigeren Preisen kann dies in Form eines Kapazitätsmarktes sein und bei hohen Preisen in Form einer Übergewinnsteuer.

Das Modell ist somit geeignet in „normalen“ Zeiten die Preisfindung am Markt zu erklären, kann aber nicht mit starken Schwankungen von Energiepreisen oder der Nachfrage umgehen. Außerdem kommt hinzu, dass die Bildung des Strompreises im Strommarkt oft anders organisiert, wird als nach dem Merit-Order-Modell. Daher wollen wir uns einmal anschauen, wie grundsätzlich der Stromhandel in Deutschland funktioniert.

Strompreisfindung auf den Handelsplätzen

Die Findung des Strompreises findet am Markt nur teilweise mithilfe der Merit-Order statt. Der Handel mit Energie wird in Deutschland und der ganzen Handelszone der Europäischen Union auf unterschiedlichen Handelsplätzen durchgeführt. Die Handelsplätze differenzieren sich in klassische Strombörsen und dem OTC-Markt. Einer der wesentlichen Unterschiede ist, dass die Börse reguliert wird, der OTC-Markt hingegen ein freier Markt ist, bei dem Anbieter und Nachfrager frei über die Lieferkonditionen (oft mithilfe eines Brokers) verhandeln können. Gehandelt werden können Kontrakte über eine Laufzeit von 15 Minuten bis hin zu mehreren Monaten oder sogar Jahren. Es wird versucht, möglichst nur so viel Energie zu dem Zeitpunkt X zu kaufen, wie gleichzeitig auch benötigt wird. Daher kauft ein Stromlieferant für Letztverbraucher oft einen Mix aus verschiedenen Produkten ein. Hier kann der Stromlieferant sich auf verschiedenen Arten von Märkten bewegen, welche sowohl an der Börse als auch auf dem OTC-Markt angeboten werden.

Grundsätzlich kann zwischen dem Termin- und Spotmarkt differenziert werden. Auf dem Spotmarkt erfolgt die kurzfristige Beschaffung von Energie. Hier erfolgt die Preisbildung im groben nach dem Merit-Order-Modell. Auf dem Terminmarkt sieht dies jedoch anders aus. Die Strompreise zur langfristigen Beschaffung von Energie sind von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, welche das Merit-Order-Modell überhaupt nicht berücksichtigen kann.

Hierzu zählen z. B. der Ausfall von Kraftwerkskapazitäten, wie zuletzt in Frankreich aufgrund des fehlenden Kühlwassers, der aktuellen politischen Entwicklung wie z. B. dem Krieg in der Ukraine, der Entwicklung des Euro usw. Auch ist eine Spekulation mit Energie im Gegensatz zum Spotmarkt möglich. Da ein Großteil der Energie bereits langfristig auf dem Terminmarkt eingekauft wird, ist der Großteil der beschafften Energie auch nur bedingt vom Merit-Order-Modell abhängig. Zwar können die Teilnehmer es nutzen und sich an der Bildung des Preises orientieren, müssen es aber nicht anwenden. Gleiches gilt auf dem OTC-Markt, auf dem die Preisgestaltung frei erfolgen kann.

Dieser Hintergrund wird in der Diskussion zur Strompreisbildung jedoch kaum berücksichtigt. Vielmehr geht die Politik davon aus, wie im Papier auf Seite 3 der EU “Im europäischen Strommarktdesign („Merit Order“)” davon aus, dass die Preisbildung ausschließlich auf dem Spotmarkt erfolgt. Der Anteil des gehandelten Volumens auf dem Spotmarkt ist allerdings im Gegensatz zur Menge auf dem Terminmarkt als gering einzustufen, wobei der Anteil am Spotmarkt aktuell steigt, da viele Akteure Angst haben sich neu langfristig bei einem hohen Preisniveau einzudecken. Das dritte Entlastungspaket lässt hier offen, ob unabhängig von der Vermarktungsstrategie dennoch „Zufallsgewinne“ abgeführt werden müssen.  Das Papier lässt offen, ob es für alle produzierten Strommenge aller Technologien gilt oder nur für die, die tatsächlich am Spotmarkt bieten. 

Fazit

Das Merit-Order-Modell ist nicht mit dem Strommarkt-Design gleichzusetzen und nicht allein für die stark steigenden Preise verantwortlich. Vielmehr versucht das Modell die Komplexität am Strommarkt erklärbar zu machen, scheitert aber aktuell durch seine Einschränkungen, wie der Abbildung einer Energiemangellage, an der Erläuterung der Strompreisbildung.

Vielmehr gilt als Strommarkt-Design weiterhin das Prinzip des Energy-Only-Marktes, bei der die Bildung des Preises durch Angebot und Nachfrage erfolgt in Kombination mit verschiedenen Kapazitätsmechanismen wie u.a. der Sicherheits- oder Winterreserve in Deutschland.

Wir sollten daher aufhören, die Schuld der Strompreise zu stark auf das Merit-Order-Modell zu projizieren und verstehen, dass der Strommarkt grundsätzlich komplex ist. Eine reine Abschöpfung von „Übergewinnen“ dürfte das aktuelle Problem zwar im Merit-Order-Modell, aber nicht im realen Strommarkt lösen. Die Probleme sind hier vielschichtig und vermutlich kaum in ihrer Gesamtheit abzubilden. Dennoch ist die Politik gefragt, sich nicht nur mit der Abschöpfung von Gewinnen zu beschäftigen und das Problem auf einer breiteren Basis anzugehen. Hierzu zählt u.a. die Bekämpfung der Inflation, der Beschaffung von alternativen Energieträgern, welche aktuell nicht zur Verfügung stehen und dem Ausbau des Angebots von Erzeugungskapazitäten. Andere Faktoren, wie die lange anhaltende Trockenheit in Frankreich, welche den Einsatz von Atomkraftwerken verhindert, sind natürlich schwer bis unmöglich zu beeinflussen.

Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass das Merit-Order-Modell im Normalfall gut geeignet ist, die Preise am Markt zu beschreiben. Es ist nicht perfekt, aber aktuell eines der besten, welches wir nutzen. Gerade in Krisenzeiten sollten wir uns jedoch nicht mehr ausschließlich auf das Modell fokussieren, da seine Funktionalität nicht mehr gegeben ist, den Markt zu beschreiben. Dass sich das Strommarkt-Design weiterentwickeln muss, ist völlig klar, um perspektivisch besser mit Krisen umgehen zu können. Weiterentwickelt wurde es schon immer und das ist auch gut so. Sonst hätten wir heute keine Kapazitätsreserve, welche wir nutzen könnten, um einen Blackout zu verhindern. Denn auch eine Kapazitätsreserve berücksichtigt das Merit-Order-Modell nicht, genauso wie das staatliche Aufkaufen von Gas am Markt, egal zu welchem Preis.