Wie H2-ready sind unsere LNG-Terminals?

14. Juni 2023

Streitfrage LNG-Terminals: Wie viele brauchen wir wirklich?

Zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland bedingt durch den Ausfall von russischem Pipelinegas werden seit dem vergangenen Jahr LNG-Terminals in Deutschland errichtet. Aktuell handelt es sich meist um schwimmende Terminals, die ab 2025 durch drei feste in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade ergänzt werden sollen. Insgesamt sind 7 Standorte als LNG-Terminalplätze vorgesehen, um einen Teil des russischen Gases in Deutschland ersetzen zu können.

Politisch wird die Errichtung der LNG-Terminals z. T. sehr kritisch gesehen, da eine neue Infrastruktur für konventionelle Energieträger mit viel Steuergeld errichtet werde, obwohl wir bis 2045 klimaneutral sein wollen. Ein häufiges Gegenargument, was neben der kurzfristigen Sicherung der Versorgungssicherheit gegeben wird, ist, dass die LNG-Terminals auch perspektivisch für den Transport von flüssigen (grünem) Wasserstoff verwendet werden können. Und genau um diese Frage soll es auch in diesem Blogbeitrag gehen. Was müssen wir tun, damit ein LNG-Terminal H2-ready wird bzw. sind sie es schon? Ganz wichtig an dieser Stelle ist zu erwähnen, dass der Beitrag sich ausschließlich mit der technischen Ebene beschäftigt. Eine politische Betrachtung, welche LNG-Kapazitäten erforderlich sind, erfolgt hier nicht. Um zu verstehen, welche Anforderungen ein LNG-Terminal erfüllen muss, um flüssigen Wasserstoff statt Erdgas verarbeiten zu können, schauen wir uns daher im ersten Abschnitt einmal an.

Verflüssigung H2 im Vergleich

Schon heute haben wir Erfahrungen mit dem Transport von flüssigen Gasen. Allerdings handelt es sich dabei in der Regel um flüssiges Erdgas (2. Gasfamilie). Der Transport von Wasserstoff (5. Gasfamilie) ist im Feld noch relativ neu. Außerdem wird als Alternative noch der Transport von flüssigem Ammoniak diskutiert. Um alle drei Gase im flüssigen Zustand zu „verarbeiten“ zu können, sind daher die Eigenschaften der drei Energieträger zu betrachten:

  1. Wasserstoff:
  2. Kritische Temperatur: -240,17°C
  3. Verflüssigungstemperatur bei Normaldruck (1 bar): -252,87 °C
  4. Verflüssigungstemperatur bei erhöhtem Druck (z. B. 700 bar): ca. -253 °C bis -259 °C, abhängig vom Druck
  5. Ammoniak:
  6. Kritische Temperatur: 132,4°C
  7. Verflüssigungstemperatur bei Normaldruck (1 bar): -33,35°C
  8. Verflüssigungstemperatur bei erhöhtem Druck (z. B. 10 bar): ca. -58°C bis -50°C, abhängig vom Druck
  9. Erdgas:
  10. Kritische Temperatur: variiert je nach Zusammensetzung (meistens zwischen -82°C und -116°C)
  11. Verflüssigungstemperatur bei Normaldruck (1 bar): variiert je nach Zusammensetzung (meistens zwischen -162°C und -182°C)
  12. Verflüssigungstemperatur bei erhöhtem Druck: variiert je nach Zusammensetzung (meistens zwischen -30°C und -70°C), abhängig vom Druck

Wir erkennen somit für den Transport von flüssigem Wasserstoff müssen wir deutlich tiefere Temperaturen erreichen. Damit ein LNG-Terminal für flüssigen Wasserstoff verwendet werden kann, müssen die Materialien die besonders tiefen Temperaturen verkraften sowie mit den anderen chemischen / physikalischen Eigenschaften umgehen können (Bsp. Explosionsschutz).

Die LNG-Terminals sind i. d. R. noch nicht auf die tiefen Temperaturen und Materialanforderungen eingestellt, aktuell fehlt es auch an Schiffen, welche den Wasserstoff in flüssiger Form transportieren können, daher gibt es die Diskussion auf Ammoniak auszuweichen. Somit ist klar, unsere LNG-Terminals sind nicht unbedingt H2-ready und müssen auf die neuen „Betriebstemperaturen“ vorbereitet werden. Außerdem gibt es ggf. eine Alternative mit flüssigem Ammoniak. Aus diesem Grund werden wir uns im nächsten Kapitel einmal schauen, welches die Vor- und Nachteile von flüssigem Ammoniak gegenüber zu Wasserstoff sind.

Vorteile des flüssigen Ammoniaks

Flüssiges Ammoniak oder flüssiger Wasserstoff? Was sind die Vor- und Nachteile für LNG-Terminals? Hierzu ist ein Vergleich zwischen den beiden Energieträgern erforderlich. Die Diskussion ist auch deswegen interessant, weil die Initiative H2-Global in ihrer ersten Ausschreibung den Import von flüssigem Ammoniak fördern möchte. Vergleicht man die Vor- und Nachteile von flüssigem Ammoniak, kommt man zu folgendem Ergebnis:

Vorteile der Verflüssigung von Ammoniak:

  1. Höhere Verflüssigungstemperatur: Ammoniak verflüssigt sich bei höheren Temperaturen im Vergleich zu Wasserstoff (-33,35 °C bei Normaldruck für Ammoniak, -252,87 °C für Wasserstoff). D. h. die Verflüssigung von Ammoniak ist weniger energieintensiv und erfordert weniger anspruchsvolle Kühlsysteme.
  2. Etablierte Technologie: Die Technik zur Verflüssigung von Ammoniak ist etablierte, die bereits in großem Maßstab für industrielle Anwendungen genutzt wird (Kältemittel / Düngemittelproduktion).
  3. Hohe Energiedichte: Ammoniak hat eine hohe Energiedichte, was bedeutet, dass es eine große Menge an Energie in einem kompakten Volumen speichern kann. Erleichterte Transport- und Lagerungsbedingungen.

Nachteile der Verflüssigung von Ammoniak:

  1. Hoher Siedepunkt: Ammoniak hat im Vergleich zu Wasserstoff einen höheren Siedepunkt. Bei normalen Temperaturen ist es gasförmig. Dies kann den Umgang mit verflüssigtem Ammoniak anspruchsvoller machen, da es bei höheren Temperaturen verdampfen kann und spezielle Vorkehrungen für die Handhabung und Lagerung getroffen werden müssen.
  2. Toxisch und korrosiv: Ammoniak ist giftig und korrosiv, was spezielle Vorsichtsmaßnahmen erfordert, um eine sichere Handhabung zu gewährleisten. Ein durchdachtes Sicherheitskonzept und geschultes Personal erforderlich.
  3. Geringere Energiedichte im Vergleich zu Wasserstoff: Obwohl Ammoniak eine hohe Energiedichte hat, ist sie im Vergleich zu Wasserstoff geringer. Das bedeutet, dass eine größere Menge an verflüssigtem Ammoniak benötigt wird, um die gleiche Energiemenge wie Wasserstoff zu speichern. Mehr Lagerungskapazitäten nötig.

Wir erkennen, gerade die höhere Verflüssigungstemperatur von Ammoniak kann ein Argument für den Einsatz von verflüssigtem Ammoniak sein. Auf der anderen Seite ist die Energiedichte von Ammoniak geringer, es sind größere Transportvolumina nötig. Außerdem stehen bereits heute Transportkapazitäten für verflüssigten Ammoniak (wenn auch im begrenzten Umfang) zur Verfügung, für flüssiges H2 gibt es nur Test-LNG-Tanker.

Materialien Verflüssigung H2:

Neben den chemischen Eigenschaften der verschiedenen Gase sind auch die Wechselwirkungen mit den unterschiedlichen Materialien zu beachten, damit das LNG-Terminal nicht beschädigt wird. Die Verflüssigung von Wasserstoff erfordert extrem niedrige Temperaturen, da Verflüssigungstemperatur bei Normaldruck (1 bar) bei -252,87 °C liegt. Daher sind nicht alle Materialien für die Handhabung und Lagerung von verflüssigtem Wasserstoff geeignet. Denn nur, wenn die Materialeigenschaften für flüssigen Wasserstoff geeignet sind, ist ein sicherer Betrieb für Mensch und Umwelt gewährleistet. Daher können nur spezielle Materialien eingesetzt werden, wie z. B.:

  • Edelstahl: Einige hochwertige Edelstahlsorten können für die Verflüssigung von Wasserstoff bei tiefen Temperaturen verwendet werden, insbesondere bei kurzzeitiger Exposition. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass der Edelstahl eine geringe Austenitbildungstemperatur und gute Zähigkeitseigenschaften bei niedrigen Temperaturen aufweist, um Kältebrüche zu vermeiden.
  • Aluminiumlegierungen: Einige Aluminiumlegierungen können bei tiefen Temperaturen für die Verflüssigung von Wasserstoff verwendet werden. Aluminium weist eine hohe Wärmeleitfähigkeit und geringe Anfälligkeit für Kältebrüche auf, was es zu einer geeigneten Wahl für Kryotechnikanwendungen machen kann.
  • Kupfer und Kupferlegierungen: Kupfer und einige Kupferlegierungen können bei tiefen Temperaturen für die Verflüssigung von Wasserstoff verwendet werden. Jedoch kann Kupfer bei niedrigen Temperaturen spröde werden, daher ist eine sorgfältige Materialauswahl und Konstruktion erforderlich, um Kältebrüche zu minimieren.
  • Spezielle Kunststoffe: Einige spezielle Kunststoffe, wie z. B. Polyethylen (PE) oder Polytetrafluorethylen (PTFE), können bei tiefen Temperaturen für die Verflüssigung von Wasserstoff verwendet werden. Diese Kunststoffe weisen eine gute Beständigkeit gegenüber niedrigen Temperaturen und Wasserstoff auf, können jedoch in einigen Fällen spröde werden und müssen daher sorgfältig ausgewählt und getestet werden.

Wir sehen also, es gibt durchaus heute schon Materialien, welche für flüssigen Wasserstoff geeignet sind, jedoch ist eine sorgfältige Auswahl zu beachten.

(Erläuterung Austenit: ist eine spezielle Struktur von Eisen oder Eisenlegierungen, die bei hohen Temperaturen existiert. Es hat eine regelmäßige Anordnung von Atomen und wird oft in Stahllegierungen wie rostfreiem Stahl gefunden. Austenitische Stähle sind bekannt für ihre Korrosionsbeständigkeit, Festigkeit und Schweißbarkeit.)

Umrüstung LNG-Terminals auf Wasserstoff

In den ersten Kapiteln des Beitrages haben wir also gelernt, dass LNG-Terminals für die Verarbeitung von flüssigem Wasserstoff noch vorbereitet werden müssen. Die Umrüstung bestehender LNG-Terminals auf flüssigen Wasserstoff ist technisch möglich, erfordert aber umfassende Anpassungen an den bestehenden Anlagen. Beispielhaft sind hier zu nennen:

  1. Speichertanks: Die Speichertanks in LNG-Terminals sind in der Regel für die Lagerung von verflüssigtem Erdgas bei sehr niedrigen Temperaturen ausgelegt. Wasserstoff hat jedoch eine viel niedrigere kritische Temperatur von -240,17 °C im Vergleich zu Erdgas. Die Speichertanks sind daher anzupassen, um die extrem niedrigen Temperaturen von flüssigem Wasserstoff handhaben zu können. Beispielsweise durch den Einsatz von speziellen Isolationsmaterialien und Kühlsystemen.
  2. Verladung und Entladung: LNG-Terminals verfügen über komplexe Verladungs- und Entladungseinrichtungen, die speziell für Erdgas ausgelegt sind. Da Wasserstoff jedoch geringere Dichten und unterschiedliche physikalische Eigenschaften im Vergleich zu Erdgas aufweist, müssten die Verladungs- und Entladungseinrichtungen angepasst werden, um mit flüssigem Wasserstoff umzugehen. Beispielsweise durch den Einsatz von speziellen Düsen, Ventilen und Kontrollsystemen.
  3. Sicherheit: Aufgrund der Eigenschaften von Wasserstoff und der höheren Reaktionsfreudigkeit muss das Sicherheitskonzept überarbeitet werden. Mögliche Maßnahmen sind z. B. die Verbesserung von Brand- und Explosionsschutzmaßnahmen, die Installation von Wasserstoff-Detektionssystemen und die Schulung von Personal umfassen.
  4. Infrastruktur: Wasserstoff benötigt spezielle Infrastruktur für die Kühlung, Lagerung, Verladung und den Transport. Die Umrüstung von bestehenden LNG-Terminals auf flüssigen Wasserstoff könnte daher auch den Aufbau oder die Anpassung von zusätzlicher Infrastruktur umfassen, einschließlich Wasserstoffproduktionseinrichtungen, Wasserstofftransportleitungen und Wasserstofftankstellen.

Insgesamt sollte mit dem Beitrag hoffentlich ersichtlich gewesen sein, dass ein LNG-Terminal nicht sofort H2-ready ist, sondern Anpassungen und auf jeden Fall Überprüfungen der Tauglichkeit durchzuführen sind. Neben den Terminals bedarf es auch noch einem weiteren Ausbau der Infrastruktur, um den flüssigen Wasserstoff per Schiff zum LNG-Terminal transportieren können sowie das erforderliche Gasnetz. Ein Beispiel für ein spezialisiertes Wasserstoff-Tankerschiff ist das Projekt “Hydrogenia”, das von der norwegischen Reederei Wilhelmsen entwickelt wird. Es ist geplant, dass dieses Schiff eine Kapazität von etwa 9.000 Kubikmetern flüssigem Wasserstoff haben wird. Insgesamt bleibt also noch viel zu tun, wenn in Zukunft unsere LNG-Terminals Wasserstoff verarbeiten sollen.

Marcel Linnemann

Leitung Innovation & Grundsatzfragen Energiewirtschaft
Marcel Linnemann, Wirt. Ing. Energiewirtschaft, Netzingenieur, ist Leiter Innovation und regulatorische Grundsatzfragen bei items und Autor diverser Fachbücher und -artikel rund um die Thematiken der Energiewirtschaft und der Transformation