Stromverbrauchsprognosen: Das Mittel gegen steigende Energiepreise

Steigende Energiepreise mit Insolvenzen von Energielieferanten und sogar die erste Geschäftsaufgabe eines Grundversorgers haben die Branche in Aufruhr versetzt. Selbst die Politik lässt das Thema nicht kalt, weswegen auf europäischer Ebene unterschiedlichste Maßnahmen diskutiert werden, um die finanziellen Auswirkungen auf die Bürger zu begrenzen. Einige europäische Staaten warten nicht mehr ab und setzen bereits jetzt erste Ad-hoc-Maßnahmen um, um die steigende wirtschaftliche Belastung der Bürgerinnen und Bürger zu begrenzen.

Für den sich schon heute im Wettbewerb befindenden Energielieferanten, der mit sinkenden Margen zu kämpfen hat, bedingen die steigenden Energiepreise nun eine erhöhte Komplexität in der Beschaffung, weswegen die Zuverlässigkeit der eigenen Stromprognose zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine zuverlässige Prognose bedeutet in diesem Zusammenhang, den Einkauf überflüssiger oder kurzfristig zu beschaffenden Strommengen zu überhöhten Preisen zu vermeiden und Planungssicherheit für den Vertrieb zu schaffen.

Die primären Beschaffungskosten, die für den Energielieferanten den volatilsten Teil des Gesamtstrompreises ausmachen, sollen auf Basis kurzfristiger sowie langfristiger Stromverbrauchsprognosen verbessert werden. Die kurzfristige Stromprognose fokussiert sich auf die kurzfristigen Preis- und Bedarfsschwankungen am Day-Ahead-Markt, während sich die langfristige Prognose mehr mit den zukünftigen Einflüssen des Marktes, wie z. B. den Auswirkungen verschärfter Klimaziele, auf den langfristigen Strombedarf beschäftigt. Da letzteres deutlich schwieriger zu prognostizieren ist, wollen wir in diesem Blogbeitrag den Fokus auf die kurzfristige Stromverbrauchsprognose legen, die Energielieferanten heute einsetzen, um ihre Planungen am Day-Ahead-Markt zu optimieren. Wir gehen auf den Aufbau von Prognose-Algorithmen ein und zeigen, welche Datenbasis erforderlich ist.

Prognosen für den Day-Ahead-Markt

Die unterschiedlichen Handelsfristen an den Strommärkten ermöglichen es den Marktteilnehmern, durch eine genaue Prognose des Strombedarfs in ihrem Versorgungsgebiet und daraus abgeleiteten Handlungen, die Beschaffungspreise zu senken. Insbesondere im Bereich der Day-Ahead-Auktionen (EXAA und EPEX Spot) gibt es ein enormes Potenzial, die benötigte Ausgleichsenergie frühzeitig zu erwerben und Kosten im Day-After-Handel zu minimieren.

Maschinelles Lernen (ML) – das Update mit Potenzial

In Zeiten nie da gewesener Rechenleistungen bieten sich für die Prognose Machine-Learning-Algorithmen an, die mit Hilfe historischer Daten in kurzer Zeit passgenaue mathematische Modelle erzeugen, diese (kreuz-)validieren, eine (a priori-)Fehlerabschätzung geben können und dabei eine Vielzahl weiterer Daten berücksichtigen. Diese Weiterentwicklungen der klassischen Regressionsverfahren bieten eine potenziell höhere Prognosegenauigkeit und bessere Resilienz gegen Abweichungen in den Eingabewerten als zum Beispiel Wetterprognosen, die naturgemäß fehlerbehaftet sind.

Ein weiterer Vorteil der ML-Algorithmen ist die Objektivität. Während Menschen dazu tendieren, beim Handeln mit jeglichen Anlagegütern in Panik zu geraten (neumodern: FOMO oder FUD) oder gewisse Signale überzubewerten, sind ML-Algorithmen gegen diese Phänomene immun und treffen ihre Entscheidungen auf Basis rationaler Korrelationskoeffizienten. Dies heißt allerdings nicht, dass ein solcher ML-Algorithmus immer jede menschengemachte Prognose übertreffen muss, da dieser seine Informationen nur aus dem historischen Datensatz bezieht und nur die externen Quellen hinzuziehen kann, die ihm auch zugeführt werden und die auch in den historischen Daten abgebildet sind.

Daher kann diese Form der künstlichen Intelligenz das Portfoliomanagement natürlich nicht gänzlich ersetzen, aber eine essenzielle Entscheidungshilfe leisten, um die letzten Prozentpunkte der Prognosegenauigkeit einzusammeln. In Zeiten der gemäßigten Energiepreise war die Amortisation einer solchen Ergänzung eventuell nur langwierig bis mittelfristig absehbar. Mit zunehmender Verfügbarkeit, geringeren Kosten von hohen Rechenkapazitäten und dem beschleunigten Ansteigen der Energiekosten hat sich der Break-Even-Point aber bereits jetzt absehbar nach vorn verschoben. Darüber hinaus liegen viele Vorteile in der Automatisierung des Planungsprozesses, wie der sehr schnellen Anpassung der Modelle an Markt- und Verhaltensänderungen durch ein permanentes Weiter- bzw. Neulernen.

Konzeption und Umsetzung

In der Praxis hat sich eine Konzeptionsphase (PoC = Proof of Concept) etabliert, in der dem Dienstleister ein historischer Datensatz zur Verfügung gestellt wird. Nach Bereinigung und Analyse der Daten erfolgt ein (automatisierter) Austausch der bisherigen Prognosen und der durch den ML-Algorithmus erstellen Vorhersagen. Dies bietet beiden Seiten die Möglichkeit festzustellen, ob eine Verbesserung der Prognose vorliegt und ob eine vorher festgelegte Kennzahl (KPI = Key Perfomance Indicator) erreicht wird. Hierbei ist zu beachten, dass es gerade in der Frühphase noch zu Schwankungen durch Fehler bei Datenübertragungen oder Fehlinterpretation von Fehl- oder Statuswerten kommen kann. Bei Erreichen der vordefinierten Ziele ist ein fließender Übergang in den Live-Betrieb und eine Tiefenintegration in die bisherigen Bestandssysteme möglich.

Weiterentwicklung und Ausblick

Der Übergang in den Live-Betrieb bedeutet bei Weitem noch nicht das Ende des Entwicklungsvorgangs. Um neue Entwicklungen im Energiemarkt (z. B. durch Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes oder Inkrafttreten neuer Regelungen, Fortschritt der Netzinfrastruktur, Auswirkungen der Corona-Pandemie) abzubilden, müssen stetig neue Datenquellen angebunden werden. Des Weiteren sind auch aktuelle Entwicklungen in technologischer Hinsicht zu berücksichtigen, da es nicht den einen ML-Algorithmus gibt, der alles kann, sondern eher einen ganzen Zoo mit mehr oder weniger artverwandten Evolutionsstufen.

Diese Live-Updates werden per CI/CD (Continuous Integration/Continuous Deployment) während des laufenden Betriebs eingespielt und beeinflussen diesen in der Regel nicht. So können Synergieeffekte erzeugt werden, die allen Anwendern nutzen.

Anforderungscheckliste: für den PoC

  • Historische Stromverbrauchsdaten mit Statuswerten auf 15-Minuten- oder Stundenbasis, aggregiert auf Vermarktungsgebiete oder als Einzelzeitreihen über einen Zeitraum von mindestens 2-3 Jahren
  • Tägliche Exporte der Stromverbrauchsdaten mit Statuswerten auf 15-Minuten- oder Stundenbasis (übereinstimmend mit dem Zeitintervall der historischen Daten) per .csv und E-Mail oder über alle anderen standardisierten Schnittstellen (z. B: REST API) müssen möglich sein
  • Falls möglich: Angaben zu Standorten der Abnehmer (Postleitzahl oder Bundesland)
  • Auf Wunsch eigene Wetterdaten mit Wetterprognosen (nur in Kombination)
  • Angabe eines Zeitpunktes, zu dem die Prognose ausgeliefert werden soll
  • Angabe, wie die Prognose ausgeliefert werden soll (Schnittstelle, Datenbank, E-Mail)
  • Aktuelle Prognosegenauigkeit (z. B. 90-92% mittlere prozentuale betragsmäßige Abweichung oder absolute betragsmäßige Abweichung) und exakte Berechnungslogik
  • Gewünschte Prognosegenauigkeit (z. B. 93-95% prozentuale betragsmäßige Abweichung) mit derselben Berechnungslogik

Rückbau und Recycling von EE-Anlagen – Was ist zu beachten?

22 Jahre EEG – Zeit über das Recycling von EE-Anlagen zu sprechen

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geht nun im Jahr 2022 in das 22. Lebensjahr. Die Energiewende selbst ist längst kein neues Phänomen mehr, sondern ein kontinuierlicher Prozess, welchen wir seit über zwei Dekaden beschreiten. Mit ihr ist das Ziel einer nachhaltigen, effizienten und umweltfreundlichen Energiepolitik verbunden. Dabei liegt das Augenmerk meist auf der reinen regenerativen Energieerzeugung oder der gesamten CO2-Bilanz einer Erneuerbaren-Energien-Anlage (EE-Anlage). Doch wie bei allen Anlagen, ob konventionell oder erneuerbar, hat jede Erzeugungsanlage eine maximale Lebensdauer. So auch eine EE-Anlage.

Da in Deutschland die ersten EE-Anlagen mit dem Auslaufen aus der EEG-Förderung ihrer maximalen Lebensdauer immer näherkommen, stellt sich die Frage, wie ein Rückbau und Recycling von EE-Anlagen funktioniert bzw. was technisch möglich ist. Da der Aspekt des Recyclings in der öffentlichen Diskussion größtenteils noch eine untergeordnete Rolle spielt, die mit der Zunahme des Rückbaus von EE-Anlagen jedoch zunehmen wird, wollen wir in diesem Blogbeitrag einmal betrachten, welche Regeln u. a. für Windkraftanlagen gelten und wie ein Rückbau funktioniert. Instandhaltungs- und Wartungsprozesse, welche die Lebensdauer verlängern und somit eine wesentliche Basis für eine gute Ökobilanz von EE-Anlagen sind, sollen in diesem Blog weniger thematisiert werden. 

Rückbau von EE-Anlagen – Welche Rechtsvorschriften gelten?

Zum aktuellen Zeitpunkt existiert in Deutschland kein zentrales, einheitliches Gesetz bzw. keine Verordnung, die sich mit dem Rückbau von EE-Anlagen beschäftigt. Vielmehr ist eine Vielzahl von Vorschriften in unterschiedlichsten Gesetzen zu finden. Hiermit sind auch unterschiedliche Anforderungen an die Komplexität des Rückbaus und des Recyclings von Anlagen verbunden. Die Entsorgung von Photovoltaik-Modulen ist relativ einfach, in Gegensatz zu Windkraftanlagen. PV-Anlagen unterliegen den allgemeinen Anforderungen der Elektroaltgerätesammlung. Somit ist die Entsorgung einer PV-Anlage rechtlich nicht komplizierter als die einer Waschmaschine.

Für Windkraftanlagen gilt dies nicht. Vielmehr sind eigene Rückbau- und Recyclingkonzepte erforderlich. Diese können jedoch nicht standardmäßig aus der Schublade genommen werden. Stattdessen fordert das Bundesemissionsschutzgesetz, auf die Diversität der Anlagen und deren Umfeld Rücksicht zu nehmen, sodass ein maßgeschneidertes Rückbaukonzept erforderlich ist.

Rückbau von Windkraftanlagen – Worauf ist zu achten?

Rückbauanzeige und Stilllegung

Der Rückbau von Windkraftanlagen erfolgt in einem mehrschrittigen Prozess. Sofern ein Rückbaukonzept vom Betreiber der Anlage erfolgreich erstellt wurde, ist eine Rückbauanzeige der Anlage zu stellen. Hierfür ist die Baubehörde vor Ort zu informieren. Gleichzeitig ist eine Abmeldung im Marktstammdatenregister erforderlich. Im nächsten Schritt erfolgt eine Stilllegung der Anlage, bei der die Windkraftanlage vom öffentlichen Netz getrennt wird. Die Trennung hat durch schaltberechtigtes, qualifiziertes Personal zu erfolgen.

Trockenlegung

Nach der Stilllegung erfolgt die Trockenlegung der Windkraftanlage. Hierfür sind alle Getriebe- und Altöle, Fette, Schmierfette etc. zu entfernen und nach der Altölverordnung zu entsorgen. Der Austritt von Ölen und Flüssigkeiten in die Umwelt ist zu vermeiden. Da Schaltanlagen oft Schwefelhexafluorid enthalten, darf die Entsorgung nur durch qualifiziertes Personal nach der Chemikalien-Klimaschutzverordnung erfolgen. Ebenso sind die Anforderungen der EU-Verordnung für fluorierte Treibhausgase einzuhalten. Außerdem sind die Vorschriften der DIN EN 60480 einzuhalten sowie die freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller und Betreiber von elektrischen Betriebsmitteln größer 1 kV.

Demontage der Rotorblätter

Nach erfolgreicher Trockenlegung beginnt die Demontage mit der Entfernung der Rotorblätter. Der Abbau der Rotorblätter kann einzeln oder gesamt erfolgen (Einzelblattdemontage vs. Sterndemontage). Die weitere Zerlegung der Rotorblätter erfolgt am Boden und ist abhängig von der Art des Recyclings der Rotorblätter. Da die Rotorblätter jedoch aus unterschiedlichen Materialien bestehen, erfolgt die Zerlegung der Rotorblätter vor Ort so, dass sämtlicher Sägestaub, staubkontaminiertes Kühlwasser etc. aufgefangen werden, um ein Entweichen in die Umwelt zu verhindern.   

Rückbau des Turms

Die Art und Weise beim Rückbau des Turms einer Windkraftanlage hängt von der Art des Turms ab. Bei Stahl- oder Gittertürmen ist eine schrittweise Demontage mittels Krans möglich. Gleiches gilt für Betonhybridtürme, wobei im Notfall auch eine Sprengung des Turms in Betracht kommen kann. Ebenfalls ist ein klassischer Abriss des Turms möglich, wobei die schrittweise Demontage den Standardfall darstellt, da unnötiger Lärm und Staub für Mensch und Umwelt vermieden werden kann.  

Demontage des Fundaments

Das Umweltbundesamt empfiehlt eine vollständige Entsorgung, die in der Regel über Lossprengungen und Abgraben erfolgt. Die entstandene Grube ist mit standorttypischem Boden zu füllen. Das Ergebnis soll eine uneingeschränkt nutzbare Fläche nach § 35 Abs.5 BauGB sein.

6. Kranstellflächen, Zuwegungen und Kabeltrassen

Nachdem die Rotoren, der Turm und das Fundament verschwunden sind, erfolgt die Entsorgung aller nicht mehr notwendigen Kabel und Leitungen. Die Zufahrtswege und Kranstellflächen können renaturiert werden.

Recycling von Windkraftanlagen – Worauf ist zu achten?

Der Rückbau Windkraftanlage ist eine wichtige Voraussetzung, um ein bestmögliches Recycling zu gewährleisten. Nach dem heutigen Stand der Technik sind jedoch noch nicht alle Probleme gelöst, die für das vollständige Recycling einer Windkraftanlage erforderlich sind. Ausgangsbasis ist eine sorgfältige Trennung sämtlicher Materialien. Hierzu zählen vor allem Kupfer, Aluminium, Stahl, Beton, Elektroschrott, seltene Erden und PVC.

So ist beim Fundament beispielsweise darauf zu achten, dass Stahl und Beton voneinander getrennt werden. Der Betonstahl kann u. a. für neuen Betonstahl verwendet werden oder für Betonbruch, der wiederum für neue Windkraftanlage eingesetzt werden kann. Die Entsorgung des Stahls erfolgt unter Beachtung der Stahlschrottsortenliste. Elektroschutt kann hingegen von Sekundärkupferhütten verarbeitet werden. Da die größte Masse eines Windrades Beton und Stahl ausmachen, können diese Stoffe bei einer Trennung gut verwertet werden.

Eine Herausforderung ist jedoch die Entsorgung der Rotoren. Diese bestehen aus Faserverbundwerkstoffen und müssen in Glas- und Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe getrennt werden. Glasfaser-verstärkte Kunststoffe können teilweise als Ersatzbrennstoffe energetisch verwertet werden, während Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe der spezialisierten Faserrückgewinnung zugeführt werden sollten. Das Vergraben von Rotoren im Erdreich, um sich ein aufwendiges Recycling zu sparen, ist in Deutschland seit 2005 verboten. Außerdem enthält ein Rotorblatt etwa 15 kg Balsaholz, das aufgrund seiner Eigenschaften enorm leicht und druckfest ist. Somit eignet es sich ideal, um als Stützelemente für die Rotoren verwendet zu werden. Da zum aktuellen Zeitpunkt eine Abtrennung durch den eingesetzten Klebstoff nicht möglich ist, wird das Holz mit den Kunststofffasern mit verbrannt. Erste Ansätze zur Abtrennung des Balsaholzes existieren allerdings schon.

In den nächsten Jahren kann mit einer Zunahme von Recycling von Windkraftanlagen gerechnet werden. Da sich diese als äußerst kompliziert erweist, hat das Bundesumweltministerium 2019 eine Studie durchgeführt, um die Kapazitäten der Entsorgung zu untersuchen. Das Ergebnis ist, dass die Kapazitäten unserer Entsorgung vermutlich nicht ausreichend für das Recycling von Windkraftanlagen sind und noch Ausbaubedarf aufweisen.

Anmerkung

Die Idee für den Blogbeitrag entstand im Rahmen des items-Projekts ÖKOPROFIT zur Verbesserung des eigenen Nachhaltigkeitsmanagements. Es kam die Frage auf, wie eigentlich das Recycling von EE-Anlagen funktioniert. Inwieweit alle Recyclingempfehlungen in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, konnten wir für diesen Blogbeitrag nicht recherchieren. Stattdessen haben wir uns an den Empfehlungen des Umweltbundesamtes orientiert.

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Erdgascomeback durch die Energiewende im Jahr 2030 – Ein Blick in die Glaskugel

Koalitionsvertrag – ein Energiepreistreiber oder sinnvolle Rahmenbedingung?

Die Themen Energieknappheit und steigende Preise haben die Energiewirtschaft auf der Lieferantenebene ordentlich durcheinandergewirbelt. Im Wochentakt sind in den Medien Meldungen von Gas- und Stromlieferanten zu lesen und die Stimmen aus der Branche mehren sich, dass die Preisexplosion der vergangenen Monate an den Börsen nicht spurlos an der Marktrolle des Lieferanten und auch der Branche gesamt vorbeigehen wird. Umso interessanter ist es daher, einen Blick nach vorne zu wagen und sich die Frage zu stellen, ob es sich bei der Entwicklung im letzten Jahr um einen einmaligen Jahreseffekt handeln könnte oder uns langfristig hohe Energiepreise an der Börse drohen.

Zwar sind Energiepreise schwer kalkulierbar, da eine Vielzahl von Faktoren und psychologische Entscheidungen des menschlichen Individuums eine Rolle spielen, jedoch könnte der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition vom Dezember 2021 einen möglichen Hinweis darauf geben, welche Energieträger maßgeblich den Strompreis beeinflussen könnten. Hierbei dürfte eine wesentliche Fragestellung sein, ob ein ausreichendes Angebot an elektrischer Energie gegeben ist, um die Nachfrage am Markt abzudecken. Ausschlaggebender Faktor dürfte hier die Menge der erzeugten Arbeit und somit weniger die installierte Leistung der Erzeugungsanlagen sein. Die Gesamterzeugungsleistung setzt sich dabei aus der bereits vorhandenen Leistung, den geplanten abzuschaltenden Erzeugungsleistungen sowie den bis 2030 neu zu errichtenden Leistungen zusammen. Aus diesem Grund wollen wir uns in diesem Blogbeitrag genauer mit den künftigen Ausbauzielen des Koalitionsvertrags beschäftigen und was diese für die Energiewirtschaft hinsichtlich des Strommixes und möglichen Auswirkungen auf den Energiepreis bedeuten könnten. Wir können zwar auch hier nur in die Glaskugel schauen, trotzdem soll der Blogbeitrag einmal den Blick über den Tellerrand werfen und potenzielle Fragestellungen aufzeigen.

Die Rahmenbedingungen: Abschalt- und Ausbauziele bis 2030

Insgesamt hat sich die neue Regierung ein sportliches Ziel mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 gesetzt. Ausgangspunkt ist eine Anhebung der Strombedarfsprognose auf ca. 680-750 TWh bis zum Jahr 2030. Diese ergibt sich aus der zunehmenden Elektrifizierung des Energiemarktes. Durch die Anhebung steigt der Bedarf der absolut zu installierenden regenerativen Erzeugungsleistung an. Gleichzeitig wird das Ausbauziel für Erneuerbare Energien von 60 % auf 80 % angehoben sowie am Atomausstieg festgehalten. Sofern möglich soll außerdem der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden. Das Delta soll möglichst durch Erdgaskraftwerke gedeckt werden.

Die zu installierende regenerative Leistung soll nach den Plänen der Regierung größtenteils durch Windkraft- und PV-Anlagen gedeckt werden. Biomasse, Wasserkraft und Geothermie spielen eine untergeordnete Rolle. Um das Ziel von 80 % EE bis 2030 zu erreichen, ist nach Angaben des Koalitionsvertrags eine PV-Leistung von ca. 200 GW erforderlich. Parallel sollen die ausgewiesenen Flächen für On-Shore-Windkraftanalagen zum jetzigen Zeitpunkt verdoppelt werden (2 % der Landesfläche). Da aktuell eine PV-Leistung von ca. 55 GW installiert ist, bedeutet dies einen Ausbau von 150 GW bis 2030. Durch die Verdopplung der Flächen für Windkraftanlagen ist auch hier eine Verdopplung der Erzeugungsleistung anzunehmen. Somit steht der Energiewirtschaft eine immense Herausforderung bevor. Es geht darum, Erzeugungskapazitäten auszubauen, eine höhere Nachfrage zu decken, den Rückgang des EE-Anteils von 2021 am deutschen Strommix wieder zu kompensieren und die geplanten Ausstiege aus der Kohle- sowie Kernenergie zu substituieren.  

Erdgas-Comeback als mögliches Szenario

Legt man die Ausstiegs- und Ausbauziele auf eine zeitliche Achse bis 2030 ergibt sich ein sportliches Ausbauszenario. Denn wir müssten in knapp der Hälfte der Zeit als bislang angenommen den Ausbau der PV-Leistung verdreifachen und die Windenergieleistung verdoppeln. Berücksichtigt man, dass die Errichtung einer Erzeugungsanlage nicht von heute auf morgen passieren kann und umfangreiche Genehmigungsverfahren erforderlich sind, verkürzt sich der Zeitraumpfad zur Errichtung der geplanten Anlagenleistung immens. Unter der Annahme, dass mit dem Bau für eine PV-Freiflächenanlage nach maximal einem Jahr begonnen werden kann, dürften die ersten Anlagen zur Beschleunigung des Ausbaus in 2023 verfügbar sein. Somit blieben Deutschland maximal sieben Jahre für die Verdreifachung der PV-Leistung. Hinzu kommen noch weitere Faktoren, wie anhaltende Materialknappheit, potenzielle Engpässe auf Ebene des öffentlichen Versorgungsnetzes oder der Fachkräftemangel, der zu einem Verzug der zu installierenden Anlagen führen könnte.

Problematischer sieht es bei der Windkraft aus, da die durchschnittliche Genehmigungsdauer bei 5 Jahren liegt. Da die zusätzlichen Freiflächen für Windkraftanlagen an Land noch entwickelt werden müssten, könnte sich der Errichtungszeitpunkt auch noch weiter nach hinten verschieben. Geht man von dem Durchschnittswert von 5 Jahren aus, bedeutet dies, dass die ersten zusätzlich geplanten Anlagen ab 2027 stehen würden. Dies bedeutet, dass die zusätzlich geplanten Kapazitäten innerhalb von 3 Jahren realisiert werden müssten. Hinzu kommt am Markt eine regelmäßige Unterdeckung bei den Auktionsverfahren. Somit reicht es nicht aus, nur die Ausschreibungsmengen zu erhöhen, sondern die Rahmenbedingungen sind ebenfalls zu verbessern.

Zwar steht im Koalitionsvertrag auch, dass neue Regularien für die Genehmigung regenerativer Erzeugungsanlagen geschaffen werden sollen, allerdings wurde dieses Problem auch in vergangenen Koalitionsverträgen thematisiert, weswegen die genauen Maßnahmen der Regierung abzuwarten sind. Außerdem benötigen auch diese Maßnahmen Zeit, weswegen damit zu rechnen ist, dass das Jahr 2022 mindestens für die Umsetzung der regulatorischen Rahmenbedingungen benötigt wird.

Somit sollte eine Nichterreichung der Ausbauziele bis 2030 durchaus als mögliches Szenario mitgedacht werden. Da am Atomausstieg und Kohleausstieg weiter festgehalten wird, dürfte das sich ergebende Delta nur durch Erdgaskraftwerke decken lassen, welches mit einer Verfehlung der regenerativen Ausbauziele zunehmend größer wird. Da der Energieträger Erdgas primär für andere Sektoren wie z. B. dem Gebäudesektor zur Bereitstellung von Wärme anstatt zur Erzeugung von elektrischer Energie verwendet wird, dürfte die Nachfrage nach Erdgas in den nächsten Jahren ansteigen. Vor allem dann, wenn die Ziele der Gebäudesanierung wie in den letzten Jahren stetig verfehlt werden. Alternativ ist natürlich auch ein Import von elektrischer Energie aus den europäischen Nachbarstaaten möglich.

Veränderung der Rahmenbedingung durch die Sektorenkopplung

Durch die zunehmende Bedeutung des Energieträgers Erdgas für den Stromsektor, vor allem dann, wenn die Ausbauziele der Regierung verfehlt werden sollten, ist auch der Erdgasbedarf in weiteren Sektoren zu berücksichtigen. Wesentliches Augenmerk liegt dabei vor allem auf dem Gebäudesektor und damit der Bereitstellung von Wärme. Auch hier lässt sich ein Trend beobachten, bei dem der konventionelle Energieträger Erdgas durch den regenerativen Energieträger in Form von grünem Wasserstoff ersetzt werden soll.

Im Gegensatz zu Windkraft und Photovoltaik gibt es für den grünen Wasserstoff noch keinen funktionierenden Markt. Vielmehr befindet sich dieser mit der Schaffung der regulatorischen Rahmenbedingungen noch in der Errichtung. Da die aktuell geplanten inländischen Elektrolysekapazitäten zur Erzeugung von grünem Wasserstoff im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie gerade einmal ausreichen, den heutigen Industriebedarf an Wasserstoff zu decken, ist noch nicht absehbar, inwieweit eine Substitution von Erdgas durch grünem Wasserstoff gelingen kann. Es müssten also größere Wasserstoffmengen importiert werden, so wie es bereits in den Strategien des Netzausbaus bei den FNBs vorgesehen ist, auch wenn der Koalitionsvertrag den Bedarf durch inländische Elektrolysekapazitäten decken möchte. Die Basis für den Import sind Wasserstoffkooperationen mit Drittstaaten, wie sie bereits heute von der Bundesregierung ausgehandelt werden bzw. abgeschlossen wurden.

Allerdings befinden sich diese Länder ebenfalls noch im Aufbau einer eigenen Wasserstoffinfrastruktur. Hinzu kommen politische Spannungen mit Deutschland, die den Abschluss einer Wasserstoffkooperation verhindern, wie z. B. mit Marokko, oder ungünstige geografische Bedingungen, denn für die Erzeugung von Wasserstoff werden große Mengen an Wind- oder Sonnenenergie benötigt. Problematisch ist dies vor allem in trockenen Regionen. Hier ist das Stromangebot zwar gegeben, es mangelt aber an Wasser zur Produktion des Wasserstoffes. So benötigt die Produktion von 1 kg Wasserstoff ca. 9 Liter Wasser.

Dass langfristig über 2030 hinaus der Trend zu grünen Gasen gehen wird, ist jedoch mit dem zweiten Teil des EU-Klimapakets „Fit-für-55“ absehbar, das Mitte Dezember von der EU-Kommission als Diskussionsgrundlage vorgestellt wurde. Daher sollte für 2030 mit zwei Szenarien geplant werden. Das eine Szenario sollte von einem geringen Wasserstoffanteil ausgehen, wodurch ein großer Bedarf an Erdgas sektorübergreifend zu erwarten ist. In einem zweiten Szenario könnte ein relevanter Anteil des Erdgases durch grünen Wasserstoff ersetzt werden. Da der Primärenergieanteil in Deutschland zu einem großen Anteil noch durch Erdgas gedeckt wird, ist mindestens von einem relevanten Erdgasbedarf in Deutschland auszugehen.

Fazit – Der Handlungsrahmen muss 2022 kommen

Ob es am Ende im Jahr 2030 durch die Rahmenbedingungen des Koalitionsvertrages zu einem Comeback des Energieträgers Erdgas kommt, bleibt abzuwarten. Was jedoch bei diesem Blogbeitrag bleibt, ist die Feststellung, dass die Ausbauziele und Klimaschutzpläne des Gesetzgebers auf der normativen Ebene hinsichtlich der Operationalisierung kritisch zu hinterfragen sind. Will der Gesetzgeber die Ausbauziele für regenerative Erzeugungsleistung tatsächlich erreichen, wird eine kleine Anpassung des regulatorischen Handlungsrahmens kaum ausreichen. Im Hinblick auf die teilweise langen Realisationspfade, z. B. für Windkraftanlagen, muss 2022 das Jahr der Weichenstellungen sein. Ansonsten ist auf jeden Fall von einem Scheitern der Ausbauziele auszugehen. Ein Comeback des Erdgases wäre, bedingt durch den Ausstieg der übrigen konventionellen Energieträger, zunehmend wahrscheinlicher.

Welche Rolle Wasserstoff bei dieser Entwicklung mittelfristig bis 2030 spielen wird, ist schwer absehbar. Zum einen, weil die Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene bis mindestens Mitte des Jahres benötigen werden, der Markt erst entwickelt werden muss und die deutschen Ausbauziele mit einer 10 GW Elektrolyseleistung noch zu gering sind, um den Energieträger Erdgas substituieren zu können. Zum anderen gibt es die aktuell noch fehlende Menge an grünem Wasserstoff auf dem Weltmarkt. Da die Nachfrage nach grünem Wasserstoff vermutlich zu Beginn und evtl. bis 2030 hoch sein wird und das Angebot gering ist, dürften die Preise dementsprechend hoch sein. Sollten die Ausbauziele verfehlt werden und gleichzeitig die weltweite Nachfrage nach grünem Wasserstoff und Erdgas steigen, ist mit einem hohen Preisniveau zu rechnen. Die aktuellen Energiepreise für Strom und Gas an den europäischen Energiebörsen könnten daher nicht nur eine Jahresfliege sein, sondern sich mittelfristig etablieren, bis eine vollständige Transformation des Energiesystems bis 2045 erreicht ist.

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Koalitionsvertrag und Energiewende – Was steht im Koalitionsvertrag?

Koalitionsvertrag und Energiewende: Ein umfangreiches Maßnahmenpaket

Pünktlich zum Ende des Jahres ist es soweit, die neue Ampel-Regierung steht und mit ihr ein neuer Koalitionsvertrag mit unterschiedlichsten Themen, Neuerungen und angestrebten Maßnahmen, die im Laufe der kommenden Legislaturperiode angegangen werden sollen. Die Umsetzung und Gestaltung der Energiewende hin zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft stellt ein Themenschwerpunkt der zukünftigen Regierung dar. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf einem einzelnen Sektor wie z. B der Stromwirtschaft, vielmehr sollen nach dem Koalitionsvertrag sämtliche Sektoren und Ziele noch einmal angefasst werden, um die Geschwindigkeit für den Umbau des Energiesystems deutlich zu erhöhen.

Zwar bewegen sich viele Handlungsfelder noch auf einem sehr normativen Niveau, wodurch eine Aussage über die konkreten Maßnahmen in vielen Bereichen noch nicht möglich sind, jedoch wollen wir in diesem Blogbeitrag einen Blick auf die unterschiedlichen Ziele, Maßnahmen und betroffenen Sektoren werfen, die im Koalitionsvertrag aufgeführt sind.

Koalitionsvertrag und Energiewende: Thema Klimaschutz

Im Koalitionsvertrag bekennen sich die Beteiligten Akteure zum 1,5-Grad-Ziel auf Basis der internationalen Abkommen. Verschärft wurde hierfür das Ziel der Klimaneutralität sektorübergreifend und technologieoffen bis 2045 für alle Branchen. Mit dem Klimaschutzgesetz des vergangenen Sommers wurde bereits für einzelne Sparten das Zieldatum von 2050 auf 2045 herabgesetzt. Nun soll dies einheitlich für alle Sparten bis 2045 erfolgen. Da die Umsetzung der Energiewende als Querschnittsaufgabe angesehen wird, sollen künftige Gesetzentwürfe und Verordnungen grundsätzlich einem Klimacheck unterzogen werden. Die genaue Ausgestaltung ist an dieser Stelle noch offen, soll jedoch durch das federführende Ressort erfolgen.

Als Basis-Monitoring über den Stand der Energiewende in Deutschland soll ein Governance-System eingeführt werden. Hierbei handelt es sich jedoch um keine neue Idee, sondern eine verpflichtende Umsetzung, die auf Grund der EU-Governance-Verordnung umzusetzen ist. Zur Beschleunigung der Umsetzung und Erreichung der Klimaziele soll bis Ende 2022 ein Klimaschutzsofortprogramm entworfen werden, um Umsetzungsvorhaben voranzutreiben, aber auch den notwendigen regulatorischen Handlungsrahmen zu schaffen. Gestützt durch unterschiedliche Energie- und Klimafonds soll die Finanzierung nachhaltiger, ökologischer Projekte gesichert werden. Hierbei wird auch die KfW-Bank miteinbezogen. Somit zielt das Koalitionspapier im Kern wesentlich auf eine schnellere Umsetzung der Energiewende ab. Basis hierfür ist eine vorgezogene Klimaneutralität, die Anpassung des regulatorischen Handlungsrahmens sowie die Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierung.

Koalitionsvertrag und Energiewende: Stromerzeugung – Erneuerbare Energien

Der Ausbau Erneuerbarer-Energien (EE) soll nach dem Willen der Ampelkoalition deutlich gestärkt werden. Dies ist auch notwendig, aufgrund der Anpassung der Strombedarfsprognose für das Jahr 2030. Diese wird nun auf einen jährlichen Bedarf von 680-750 TWh geschätzt. Durch den gestiegenen absoluten Strombedarf ist eine höhere Erzeugungskapazität erforderlich, um das relative Ziel des erneuerbaren Erzeugungsanteils zu erreichen. Mit Blick auf das Jahr 2030 wird dieses von bisher 65 % auf 80 % EE-Anteil heraufgesetzt.

Dies bedeutet für die bestehenden Ausschreibungen eine deutliche Anhebung des notwendigen Ausschreibungsvolumens. Dabei soll jedoch nicht nur einfach das jährliche Volumen heraufgesetzt werden, vielmehr soll auch eine dynamische Anpassung möglich sein, wenn ein Unterschreiten der Ausbaupfade festgestellt wird. Hinzu sollen die Rahmenbedingungen für nichtgeförderte EE-Anlagen im PPA-Modell, regionale EE-Erzeugungskonzepte sowie bessere Rahmenbedingungen für Bürgerenergiegenossenschaften geschaffen werden. Zudem ist eine bessere Förderung für Quartiers- und Mieterstromlösungen geplant. Konkrete Angaben über die Höhe der Förderung sind allerdings noch nicht zu finden. Um den Aufbau und die Errichtung von EE-Anlagen aber grundsätzlich zu erleichtern, sollen Planungs- und Genehmigungsprozesse durch einheitliche Bewertungsmethoden beschleunigt werden sowie der Einsatz externer Projektteams zur Entlastung der öffentlichen Behörden beitragen.

Zur Steigerung der Akzeptanz von EE-Anlagen vor Ort sollen Kommunen finanziell von Windkraftanlagen (WKA) oder PV-Freiflächenanlagen auf ihrem Gebiet profitieren. Welche zusätzlichen Änderungen an dieser Stelle zu erwarten sind, bleibt abzuwarten, da eine finanzielle Beteiligung bereits mit der Novellierung des EnWGs im Sommer 2021 möglich ist.

Koalitionsvertrag und Energiewende: Stromerzeugung – Photovoltaik

Um den angestrebten Anteil von 80 % EE im Jahr 2030 zu realisieren, plant die Ampelkoalition eine verfügbare Erzeugungsleistung von 200 GWPeak im Bereich der Photovoltaik. Dies würde einen enormen Ausbau der Photovoltaik innerhalb der kommenden 9 Jahre bedeuten. Im Jahr 2020 verfügte Deutschland über ca. 54 GW Photovoltaik. Somit bedeuten die Beschlüsse des Koalitionsvertrags eine Vervierfachung der bereits verfügbaren Erzeugungsleistung. Um die hierfür notwendige Geschwindigkeit zu erreichen, sollen bisherige Hemmnisse wie die Beantragung und Genehmigung von Netzanschlüssen, Ausschreibungspflichten für große Dachanlagen sowie Vergütungssätze angepasst werden.

In welche Richtung sich daher die Vergütungssätze entwickeln werden, die zu einem ähnlichen Boom wie 2011 nach dem Unfall von Fukushima geführt haben, bleibt abzuwarten, auch, welche Auswirkungen die möglichen neuen Prozesse zur Genehmigung von PV-Anlagen für Netzbetreiber haben. Mit zunehmender Dichte von EE-Anlagen im eigenen Erzeugungsnetz dürfte jedoch der Bedarf an Monitoring- und Berechnungslösungen zur Auswirkung von EE-Anlagen im eigenen Netzgebiet weiter steigen. Zum einen, um die notwendige Prüfgeschwindigkeit einhalten zu können, zum anderen, um die Auswirkungen besser analysieren und damit die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.

Für Neubaugebiete können Netzbetreiber aber schon einmal mit einem flächendeckenden Einsatz von PV-Dachanlagen rechnen, da die Koalition eine PV-Pflicht für gewerbliche Neubauten vorsieht. Bauhürden für private Bauherren sollen möglichst abgeschafft werden, mit dem Ziel, alle Dachflächen in Deutschland nutzbar zu machen. 

Koalitionsvertrag und Energiewende: Stromerzeugung – Windkraft

Neben der Photovoltaik soll in den nächsten Jahren der Ausbau von WKA gestärkt werden. Hierfür sollen 2 % der Landesfläche als Vorrangfläche für Onshore-Anlagen gesichert werden. Um eine gleichmäßigere Verteilung der WKA zu gewährleisten, sollen auch Standorte mit einer geringeren Windhöffigkeit gefördert werden. Ebenso plant die Koalition eine Erleichterung des Repowerings, um den Verlust möglicher alter WKA nach Ablauf der Förderung zu verhindern. Inwieweit das Repowering auch für die Standorte erleichtert werden sollen, die nach heutigen Regelungen nicht mehr für ein Repowering geeignet sind, bleibt abzuwarten.

Für den Offshore-Bereich wird das jetzige Vergabeverfahren in Form von Ausschreibungen beibehalten. Lediglich das Ausbauziel wird angehoben. So sollen bis 2030 30 GW Erzeugungsleistung, 2035 40 GW und 2045 70 GW zur Verfügung stehen.

Koalitionsvertrag und Energiewende: Stromerzeugung – Sonstige EE

Zusätzlich zum Ausbau der Windkraft und Photovoltaik sollen Bio- und Geothermie weiter gestärkt werden. Allerdings nennt der Koalitionsvertrag keine konkreten Ausbaumengen. Vielmehr soll eine neue Biomasse-Nachhaltigskeitsstrategie entwickelt werden sowie ein Konzept zur stärkeren Nutzung der Geothermie. Insgesamt wirkt es jedoch so, als ob die Parteien ihren Fokus klar auf die Nutzung der Windenergie und Photovoltaik legen und Biomasse sowie Geothermie weiterhin ein Nischendasein fristen werden. 

Koalitionsvertrag und Energiewende: Stromerzeugung – Atom- und fossile Energie

Mit dem Ausbau der Erneuerbare-Energien strebt die Ampelkoalition, wie bereits die Vorgängerregierung, mittelfristig denn Ausstieg aus der Kohleenergie an. Sofern möglich, soll dieser auf 2030 vorgezogen werden statt wie bislang geplant 2038. Die Neuerung stellt hier jedoch den guten Willen bis 2030 auszusteigen dar. Ein Kohleausstieg bis 2030 ist nach dem Kohleausstiegsgesetz grundsätzlich schon heute möglich, da mehrere Überprüfungszeitpunkte für einen vorzeitigen Ausstieg vorgesehen sind. Um einen möglichen vorzeitigen Ausstieg sozial, wie auch gesellschaftlich abzufedern, sollen Maßnahmen des bestehenden Strukturanpassungsgesetzes vorgezogen werden.

Als Brückentechnologie sieht der Koalitionsvertrag die Stromerzeugung aus Erdgaskraftwerken und KWK-Anlagen vor. Diese sollen so lange die bestehende Energielücke schließen, bis eine ausreichende Versorgungssicherheit durch Erneuerbare-Energien gesichert ist. Da mit der nationalen Wasserstoffstrategie der Vorgängerregierung mit einem höheren Wasserstoffanteil im bestehenden Gasnetz zu rechnen ist und grüner Wasserstoff als wesentliche Säule einer nachhaltigen Energieversorgung angesehen wird, sollen neue Erdgaskraftwerke H2-ready gemacht werden. Bestehende Kraftwerke sind ebenfalls darauf vorzubereiten.

Die Atomenergie nimmt im Koalitionsvertrag keine Rolle für die künftige Energieversorgung ein. Am beschlossenen Atomausstieg wird weiterhin festgehalten.  

Koalitionsvertrag und Energiewende: Energienetze

Spartenübergreifend funktionierende, intelligente und überwachte Energienetze sind eine wesentliche Voraussetzung für die künftige Energiewende, was der Koalitionsvertrag ebenfalls anerkennt. Um die Netze schnellstmöglich auf die künftigen Anforderungen vorzubereiten, sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller durchlaufen werden können, aber auch Bürgerbeteiligungen besser koordiniert werden. Dies soll vor allem für den Aus- und Aufbau der Strom- und Wasserstoffnetze gelten. Um die zukünftige Netzplanung ganzheitlich durchzuführen, sollen getrennte Netzszenarien durch die BNetzA nicht mehr separat je Sparte erfolgen. Vielmehr soll ein Plan für ein Klimaneutralitätsnetz entwickelt werden. Parallel dazu ist eine Roadmap Systemstabilität bis Mitte 2023 geplant, um die Versorgungssicherheit langfristig im Zuge des Umbaus des Energiesystems zu gewährleisten. Grundsätzlich sieht der Koalitionsvertrag die dringende Notwendigkeit, die Netze schneller und besser zu digitalisieren, weswegen der Ausbau von iMsys beschleunigt werden soll und bei der Netzplanung ein größerer Fokus auf der Netzsteuerung liegen soll. Für den Bereich Speicher ist sogar eine eigene Säule im Energiesektor geplant, die rechtlich noch zu definieren ist. In der Praxis dürfte daher vor allem spannend sein, ob mit dem klaren Ziel der Errichtung mehr intelligenter Netze auch eine Anpassung des Finanzierungsrahmens erfolgen soll oder ob es für Netzbetreiber durch die Anreizregulierung weiterhin attraktiver ist, Kupfer zu verbauen, anstatt Intelligenz in die Netze zu bringen.

Koalitionsvertrag und Energiewende: Strommarktdesign

Um das Energiesystem auf einen hohen Anteil Erneuerbare-Energien vorzubereiten, ist die Entwicklung eines neuen Strommarktdesign geplant. Hierfür soll es ab 2022 eine neue Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ geben, auf der verschiedenste Akteure konkrete Vorschläge für ein neues Strommarktdesign machen können. Wesentlicher Eckpfeiler soll eine Reform der Finanzierungsarchitektur sein. So soll die EEG-Umlage zum 1. Januar 2023 abgeschafft und durch den nationalen CO2-Handel ersetzt werden. Inwieweit dies möglich ist, bleibt abzuwarten, da eine Integration der nationalbesteuerten CO2-Emissionen in den EU-ETS-Handel geplant ist. Wie die Gelder dann auf europäischer Ebene verteilt würden, ist aktuell noch nicht klar definiert, wodurch ggf. eine Gegenfinanzierung der noch anfallenden EEG-Vergütungen gegenüber Anlagenbetreibern nicht gewährleistet wäre.

Mit dem Ende der Kohleenergie 2030 ist außerdem eine Abschaffung der Subventionierung von EE-Anlagen geplant, wodurch die Erneuerbaren-Energien in den „freien Markt“ entlassen würden. Alle weiteren Abgaben und Umlagen, wie z. B. die Energiesteuer, Netzentgelte, KWK-Umlage, Ausnahmetatbestände für spezielle Abgaben und Umlagen, sollen auf den Prüfstand gestellt werden. Je nach Größe der angestrebten Reformen dürfte es spannend zu beobachten sein, inwiefern neue Regelungen und alte mit einem Bestandsschutz aufeinandertreffen und eine Übergangsphase zwischen beiden Reformwelten gestaltet werden kann.

Das wesentliche Instrument zur Ausgestaltung des Handlungsrahmens des neuen Strommarktdesigns soll die CO2-Bepreisung einnehmen. Hierfür soll ein Mindestpreis von 60€/t auf EU- und nationaler Ebene durchgesetzt werden. Bis zum Jahr 2030 soll der Handel über alle Sparten erfolgen. Am Preispfad des nationalen CO2-Handels wird weiterhin festgehalten. Es soll jedoch, wie bereits von der EU gefordert, ein nationales Instrument zur sozialen Abfederung der CO2-Kosten geben.

Außerdem kann dem Koalitionsvertrag entnommen werden, dass vom Prinzip des Energy-Only-Marktes abgerückt wird, nach dem ausschließlich der Markt Angebot und Nachfrage bestimmen soll. So ist der Aufbau technologieoffener Kapazitätsmärkte vorgesehen. Was dies konkret in der Praxis bedeutet, bleibt mit großem Interesse abzuwarten, da Deutschland bereits über eine Vielzahl unterschiedlichster Kapazitätsmärkte (Sicherheitsreserve, Winterreserve, Regelenergieleistung etc.) verfügt.

Koalitionsvertrag und Energiewende: Wasserstoff

Als wesentliche neue Säule und perspektivisches Substitut zu Erdgas strebt die Ampelkoalition einen Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur an. Hierfür sollen bis 2030 10 GW Elektrolyseleistung installiert werden, 5 Jahre früher als in der nationalen Wasserstoffstrategie festgelegt. Da die Leistung von 10 GW gerade einmal dem heutigen Wasserstoffbedarf der deutschen Industrie entspricht, ist ein umfangreiches Update der nationalen Wasserstoffstrategie mit ambitionierteren Zielen für 2022 vorgesehen. Zur Beschleunigung der Errichtung von Elektrolysekapazitäten ist ein effizient ausgestaltetes Förderprogramm vorgesehen. Zur Schaffung einer grünen Wasserstoffnachfrage, sollen öffentliche Einrichtungen verpflichtet werden, eine bestimmte Quote des eigenen Energiebedarfs mit grünem Wasserstoff zu decken. Das Instrument der Carbon Contracts for Difference soll zugelassen werden.  

Der grüne Wasserstoff soll vorrangig aus einheimischer Produktion gedeckt werden, insbesondere in Verbindung mit Offshore-Wind. Als Brückentechnologie ist jedoch auch blauer Wasserstoff zulässig. Da jedoch eine einheimische Produktion nicht zu 100 % umzusetzen ist, soll der Ausbau von internationalen strategischen Partnerschaften wie z. B. mit Chile oder Russland vorangetrieben werden.

Der Energieträger Wasserstoff soll nicht auf einzelne Sektoren oder Anwendungsfelder zugelassen, sondern in seiner Breite geöffnet werden. Hierfür strebt der Koalitionsvertrag eine technologieoffene Wasserstoffregulatorik ein, die allerdings klimaneutral auszugestalten ist. Zur Gewährleistung eines einheitlichen Nachweissystems soll auf europäischer Ebene ein Zertifizierungssystem entwickelt werden.  

Koalitionsvertrag und Energiewende: Gebäude und Wärme

Da ein Großteil der Energie in Deutschland für die Bereitstellung thermischer Energie im Gebäudesektor eingesetzt wird, möchte die Ampelkoalition den Anteil erneuerbarer Energien sowie die Energieeffizienz steigern. Hierfür soll zum einen der Neubaustandard ab dem 1. Januar 2025 auf das KfW-Haus 40 gesenkt sowie das GEG (Gebäudeenergiegesetz) angepasst werden. Demnach sollen alle neu eingebauten Heizungen auf einer Mindestbasis von 65 % EE betrieben werden. Für alle größeren Um- und Ausbauten soll ab dem 1. Januar 2024 der EH 70-Standard gelten.

Sofern möglich, soll der Ausbau von Nah- und Fernwärmenetzen mit einem EE-Anteil von 50 % bis 2030 ausgebaut werden. Voraussetzung hierfür soll eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung sein.  

Fazit

Die Ziele und Ambitionen des Koalitionsvertrags können durchaus als anspruchsvoll bezeichnet werden. Durch den möglichen frühzeitigeren Ausstieg aus der Kohle sowie das Beibehalten des Atomausstiegs, bei gleichzeitiger Anhebung der Strombedarfsprognose und einem höheren EE-Ziel von 80 % bis 2030 bei stagnierenden Ausbauzahlen zum aktuellen Zeitpunkt, muss ein deutlicher Ausbau von EE-Anlagen zwingend erfolgen. Viele der Ziele sind jedoch noch auf einem sehr hohen normativen Niveau formuliert, so dass es am Ende auf die konkrete Ausgestaltung ankommen wird. Wie gelingt es konkret, die Ausbauzahlen zu erhöhen, Genehmigungsprozesse zu beschleunigen, die Bürger miteinzubeziehen, neue Wasserstoffinfrastrukturen zu errichten oder den Rahmen für intelligente Energienetze zu schaffen?

Sollten hierfür in den nächsten 24 Monaten nicht die ausreichenden Handlungsrahmen geschaffen werden, ist durchaus mit einem Comeback des Energieträgers Erdgas zu rechnen, welcher die Lücken zwischen Erneuerbaren Energien und der Kohle-/Atomenergie schließen soll. Ob eine starke Fokussierung auf Wind- und Solarenergie ausreicht und wie die Netze mit der Zunahme einer immer volatileren Energieversorgung zu Recht kommen, ist ebenfalls abzuwarten. Notwendig hierfür wäre sicherlich ein Regulierungsrahmen, der stärkere Anreize für Netzbetreiber setzt, mehr in Intelligenz als in Kupfer zu investieren. Wie dies gelingen soll, dazu wird im Koalitionsvertrag jedoch wenig gesagt. Die Erkenntnis, die Netze auf der Steuerungsebene weiter zu ertüchtigen, ist aber sicherlich als richtig einzustufen. Ein neuer regulatorischer Rahmen für Energiespeicher, die zur Pufferung von Spitzenleistungen erforderlich sind, der aber bislang ein einziger Flickenteppich ist, ist mehr als überfällig.  

Positiv zu sehen ist das sektorübergreifende Denken des Koalitionsvertrags. Separate Planungen für nationale Strom- und Gasinfrastrukturen machen wenig Sinn, wenn die Gasinfrastruktur perspektivisch durch Wasserstoff abgelöst werden soll, welche den Strom für den Betrieb der Elektrolyseanlagen bringen soll. Den Ansatz, ein Konzept für ein sektorübergreifendes, klimaneutrales Energienetz zu entwickeln, könnte zur Hebung von Synergieeffekten beitragen.

Das bestehende Strommarktdesign weiterzuentwickeln, ist auch als logischer Schritt zu werten. Hier scheint jedoch noch nicht klar sein, wie der europäische und nationale CO2-Handel ineinandergreifen. Auf der einen Seite wird eine europäische Lösung angestrebt, auf der anderen Seite sollen die Einnahmen des nationalen CO2-Handels zur Kompensation der EEG-Umlage eingesetzt werden, wobei der nationale CO2-Handel womöglich durch ein einheitliches europäisches System abgelöst wird, wodurch ggf. eine Finanzierungslücke entstehen könnte. Insgesamt ähnelt der Prozess zur Abstimmung des Strommarktdesigns sehr dem letzten Prozess, als das BMWi unter Siegmar Gabriel das letzte Grün- und Weißbuch zum nächsten Strommarktdesign entwickelte. Hierbei sollte die Ampelkoalition aufpassen, nicht noch weitere Kapazitätsmärkte neben den bestehenden zu schaffen, wie im Koalitionsvertrag gefordert, da dies die Grundpfeiler des Energy-Only-Marktes stark beeinflussen könnte, sofern das Marktdesign von Angebot und Nachfrage beibehalten werden soll.    

Die Rolle der neuen Energiesparte Wasserstoff bleibt auch mit dem Koalitionsvertrag schwer abzuschätzen und wirkt teilweise widersprüchlich. Die Erzeugungskapazitäten liegen noch deutlich hinter dem Bedarf, der für eine großflächigere Substituierung von Erdgas notwendig ist, weswegen das Update der nationalen Wasserstoffstrategie 2022 abzuwarten bleibt. So ist es fragwürdig, ob ein Großteil des grünen Wasserstoffs wie im Koalitionsvertrag gefordert aus einheimischen Ressourcen gewonnen werden kann. Da die Notwendigkeit von Wasserstoffimporten aus dem Ausland aber im Koalitionsvertrag anerkannt wird, sollte sich ein erforderliches Gleichgewicht sicherlich einstellen. Auffällig ist jedoch, dass primär über Erzeugungskapazitäten von Wasserstoff gesprochen wird und wenig über die regulatorischen Rahmenbedingungen.

Allgemein kritisch zu betrachten ist die Fragestellung, ob der Koalitionsvertrag die deutsche Energiepolitik in einem zu nationalen und zu wenig europäischen Kontext denkt. Im Bereich der CO2-Bepreisug oder Zertifizierung von Energieträgern ist dies bereits gegeben, jedoch weniger in der grenzüberschreitenden Vernetzung der Energieinfrastrukturen oder der Errichtung von Erzeugungskapazitäten in angrenzenden Nachbarländern. Zumindest finden sich im Koalitionsvertrag wenig Anhaltspunkte, wie ein europäischer Energiebinnenmarkt der Zukunft auszugestalten ist.

Viele Maßnahmen und Ziele aus dem Koalitionsvertrag wie z. B. ein Governancesystem zur Überwachung des Fortschritts der Energiewende oder ein Abfederungssystem für sozialschwächer gestellte Menschen basieren im Kern auf Verordnungen und Richtlinien der EU, die bereits beschlossen wurden und bei denen Deutschland hinterherhinkt. Alles in allem bieten die Beschlüsse jedoch eine solide Grundlage, um die Klimaziele zu erreichen. Wie in so vielen Dingen, wird es am Ende davon abhängen, wie die konkrete Ausgestaltung durch den Gesetzgeber erfolgt.

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Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden: Intelligente Wasserwirtschaft sammelt Daten für die Versorgungsicherheit

Heißere Sommer, sinkende Flusspegel und eine zunehmende Knappheit des Trinkwassers sind klassische Probleme, denen sich Trinkwasserversorger in den letzten Hitzesommern stellen mussten und die durch den fortschreitenden Klimawandel sicherlich häufiger auftreten werden. Hierbei steht jeder Trinkwasserversorger vor der Herausforderung, die Versorgung auch unter der Zunahme dieser erschwerten Bedingungen sicherzustellen. Diesbezüglich stellt sich die Frage, wie das Ziel der Versorgungssicherheit von Trinkwasser auf operativer Ebene langfristig garantiert werden kann. Viele Experten sind sich diesbezüglich einig, dass die Wasserwirtschaft digitaler und smarter werden muss. Was dies konkret bedeutet, bleibt meist jedoch offen. Als erster Baustein für eine bessere Datenbasis und zur Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf die Trinkwasserreserven und Grundwassermessstellen haben sich die Energie- und Wasserversorgung Rheine GmbH und items GmbH in einem Praxisprojekt zur Überwachung der Grundwassermessstellen mittels LoRaWAN-Pegelsonden zusammengeschlossen. Auf die Einzelheiten des Projekts und erste Projektergebnisse wollen wir mit diesem Blogartikel eingehen.

Wie bei vielen anderen LoRaWAN- und IoT-Projekten stand hier jetzt nicht mehr die technische Erprobung der reinen Hardware im Vordergrund, vielmehr sollten eine höhere Stückzahl von LoRaWAN-Pegelsonden verbaut und die Daten zur Optimierung des operativen Betriebs genutzt werden. Durch die Fernauslesbarkeit der Grundwassermessstellen sollten zum einen die monatlichen analogen Ablesungen vor Ort obsolet werden, zum anderen sollte eine größere Datenbasis generiert werden, mit dem Ziel, die Transparenz im Trinkwasserbereich zu steigern. Das Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden umfasst allerdings nicht nur eine Ausstattung der Grundwassermessstellen mit entsprechender Sensorik, sondern auch eine Visualisierung der Messergebnisse in Grid Insight: Water, dem Softwaretool der items GmbH zur Optimierung der Wasserwirtschaft. Dieses bietet nicht nur eine Visualisierung der übertragenen Messwerte, sondern auch eine Prognose der Pegelstände für die nächsten Tage, um Auswirkungen auf sich verändernde Grundwassermessstellen frühzeitig erkennen zu können.

Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden: Die eingesetzte Messtechnik

Ausgangsbasis für das Projekt stellte die Auswahl geeigneter Messtechnik dar, die eine Übertragung der Messwerte per LoRaWAN unterstützt. Da die gemessenen Daten der Grundwassermessstellen in den operativen Betrieb überführt werden sollten, wurde auf Messtechnik im Profibereich von der Firma UIT zurückgegriffen.  Konkret handelt es sich um den Wasserstandsrecorder WR-IoT compact mit LoRaWAN und integriertem Pegellogger. Die Pegelsonde der Firma UIT kann für unterschiedliche Wassersäulen bis 100 m Tiefe eingesetzt werden und ist in verschiedenen Schutzklassen von IP65 bis IP68 verfügbar. Zusätzlich zur Höhe des Pegelstandes ist eine Messung der Wassertemperatur möglich. Der integrierte Speicher des Datenloggers umfasst 512 MB, so dass ca. 1 Millionen Datensätze gespeichert werden können. Die Spannungsversorgung kann laut Herstellerangaben über vier 1,5 V Alkaline-Batterien oder zwei 3,6 V Lithium-Batterien erfolgen. Im Projekt wurden jeweils zwei in Reihe geschaltete 5200 mAh, 15 A, 3,6 V Lithium-Akkus eingesetzt. Optional besteht die Möglichkeit, die Sendequalität des LoRaWAN-Moduls durch eine externe Antenne zu steigern.

Für das Projekt wurden 10 Messeinheiten an netzkritischen Punkten installiert und in das LoRaWAN-Netz der RheiNet GmbH, einer Tochtergesellschaft der EWR, integriert. Da das LoRaWAN-Netz der RheiNet GmbH bereits deutlich ausgebaut ist, wurden ausschließlich Pegelsonden eingesetzt, die LoRaWAN unterstützten. Die Auswahl von alternativen Kommunikationstechnologien, die bei der UIT-Pegelsonde möglich sind, war somit nicht erforderlich.

Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden: Anforderungen an die Daten

Für die spätere Prognose der Grundwasserpegelstände und die Visualisierung der Messergebnisse für das Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden galt es die Anforderungen an den Datenbedarf zu definieren. Hierfür erfolgen die Messungen in 5/6/10 m Tiefe in einem zeitlichen Intervall von 6 Std. Als Messdaten werden die Wassersäule über der Messeinheit, der Abstich (Oberkante Pegelrohr zur Grundwasseroberfläche), die Temperatur des Grundwassers, die Temperatur der Datenübertragungseinheit/-speicher sowie die Versorgungs-/Batteriespannung erhoben. Die Messreihen sollen mindestens einmal täglich übermittelt werden. So liegt bereits eine höhere Datenbasis vor als bei der vorherigen monatlichen Messung vor Ort.

Da sich die Häufigkeit der Datenübertragungen pro Tag auf den Energieverbrauch und somit die Lebensdauer der verbauten Batterien auswirkt, wurde vor Installation der Messtechnik eine Analyse im IoT-Labor der items GmbH durchgeführt. Im IoT-Labor konnten ca. 20.000 Messungen/Datenübertragungen realisiert werden. Dies würde bei 4 Messungen am Tag einer Laufzeit von 10 Jahren entsprechen. Hier sind aber noch die Faktoren Alterung, Selbstentladung und niedrige Temperaturen zu berücksichtigen. Bei einer Laufzeit von 10 Jahren wäre eine ausreichende Lebensdauer der Messtechnik sichergestellt, um nicht permanent einen Wechsel der Akkus durchführen zu müssen. Durch die Messung der Daten in 6-Stunden-Intervallen soll perspektivisch die Datenmenge ausreichen, um eine Prognose des Grundwasserstandes auf Tagesebene umsetzen zu können.

Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden: Sicherstellung der Konnektivität

Eine Herausforderung in LoRaWAN-Praxisprojekten ist die Sicherstellung einer ausreichenden Konnektivität der Messtechnik zum LoRaWAN-Gateway. Hierfür bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, um die Sendeleistung der Messtechnik zu steigern. Neben der Veränderung des Spreading-Faktors, die allerdings die Anzahl der übermittelbaren Nachrichtenpakete negativ beeinflussen kann, besteht die Einsatzmöglichkeit einer optionalen Antenne oder spezieller Verschlusskappen.

Für das Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden wurde vor Ort eine Messung der Netzabdeckung an den jeweiligen Montagestandorten durchgeführt. Hier bestand bei allen Standorten eine Mindestkonnektivität, da das LoRaWAN-Netz der RheiNet GmbH bereits umfangreich ausgebaut wurde. Allerdings gab es große Unterschiede in der Empfangsqualität in Abhängigkeit von den Jahreszeiten. Die Messung zur Feststellung der Empfangsqualität fand in Q1 2021 statt, wohingegen die Montage in Q3 2021 erfolgte. Durch das Wachstum der Sträucher und Bäume wurde die Empfangsqualität an den Installationsstandorten deutlich verschlechtert, weswegen der Einsatz optionaler Antennen zwingend notwendig war. Durch die Ergänzung weiterer externer Puk-Antennen bestanden jedoch hinsichtlich der Konnektivität weniger Probleme.

Die technische Architektur im Detail

Für die Digitalisierung, Messung, das Monitoren und der Entwicklung der Prognose sind im Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden nicht nur der Einsatz von Messtechnik und der Aufbau eines LoRaWAN-Netzes erforderlich, sondern auch der Aufbau der entsprechenden IT-Architektur. Im vorliegenden Fall wurde wie bereits erwähnt die Messtechnik der Firma UIT eingesetzt. Das LoRaWAN-Netz besteht in diesem Fall aus mehreren Outdoor-Gateways des Herstellers Multitech. Die übertragenen Daten werden an die IoT-Plattform der items GmbH weitergeleitet, die von den Stadtwerken Rheine/EWR/TBR genutzt wird. Dort findet eine Entschlüsselung und Aufbereitung der Daten statt. Durch ein integriertes Dashboard ist auch direkt ersichtlich, welche Messsysteme (keine) Informationen senden und wie der Status der Spannungsversorgung einzuordnen ist. 

Von dort aus erfolgt eine Weiterleitung der Daten an das Tool Grid Insight: Water der items GmbH, das die EWR nutzen. Die Daten werden hierfür über eine Webhook-Schnittstelle an einen Azure-Digital-Twin weitergereicht, der von Grid Insight: Water zur Visualisierung, Prognose und Analyse der Daten genutzt wird. Die Daten der Messtechnik zur Überwachung der Pegelsonden werden zum einen genutzt, um den Fachbereich eine Visualisierung der Pegelstände auf einen Blick sowie das Erreichen kritischer Schwellwerte anzuzeigen. Zum anderen fließen die zusätzlichen Informationen mit in den Algorithmus zur Prognose des Trinkwasserbedarfs, verbunden mit einer Produktionsoptimierung ein. Eine Prognose der Brunnenpegelstände selbst befindet sich noch in Arbeit, da hierfür noch eine ausreichende Erhebung von Daten über einen längeren Zeitraum erforderlich ist.

LoRaWAN in der Wasserwirtschaft – ein Ausblick

Die Digitalisierung und Überwachung von Grundwassermessstellen mit Messtechnik stellt nur einen Baustein zur Transformation der Wasserwirtschaft für die Anpassung der Herausforderungen gegen den Klimawandel dar. Hier bietet Grid Insight: Water mit der Prognose des Trinkwasserbedarfs, der Überwachung von Grundwassermessstellen und der Leckage-Erkennung erste Bausteine. Perspektivisch sind jedoch weitere Anwendungsfälle in Planung, deren Daten und Informationen in Grid Insight: Water zur Optimierung des operativen Trinkwassernetzbetriebs beitragen sollen.

Hierzu zählen u. a. laufende Projekte im Bereich des Grünflächenmonitorings, um den Wasserbedarf von Grünanlagen frühzeitig einplanen zu können und Lastspitzen im Wassernetz zu senken. Gleiches gilt für die Feuchtigkeitsmessung von Äckern, wobei auch eine Analyse der chemischen Zusammensetzung hinsichtlich Schadstoffen möglich ist, um die Wasserqualität gerade in Trinkwasserschutzgebieten zu gewährleisten. Ebenso ist eine Erweiterung von Grid Insight: Water im Bereich der Abwasserwirtschaft geplant. So können Regenrückhaltebecken oder andere kritische Assets wie Kleinstpumpwerke überwacht werden.

Insgesamt bietet der Bereich der Wasserwirtschaft ein großes Anwendungs- und Optimierungspotenzial, das es zum einen zur Steigerung der Effizienz zu erschließen gilt und zum anderen, um die eigene Wasserwirtschaft auf die Herausforderungen des Klimawandels vorbereiten zu können. Der Blogbeitrag zum Praxisprojekt LoRaWAN-Pegelsonden spiegelt hierbei einen Baustein für ein mögliches Umsetzungsszenario wider.

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EU-Taxonomie-Verordnung – Welche Auswirkungen erwartet die Energiewirtschaft

EU-Taxonomie-Verordnung: Hintergrund

Klimaschutz und Energiewende gehören zu den Kernthemen der Europäischen Union, die es in den kommenden Jahren zu bewältigen gilt. Nachdem die Klimaziele der gesamten Europäischen Union generell und damit auch das Ziel der Treibhausneutralität mit dem Fit for 55 Paket noch einmal verschärft wurden, stellt sich die Frage, wie diese immer schärferen Ziele eigentlich umgesetzt werden sollen. Was es hierfür aus Sicht der EU u. a. braucht, ist eine Neuausgestaltung der Finanzierung und Klassifizierung von Unternehmen hinsichtlich nachhaltiger Kriterien. Einen Beitrag soll die EU-Taxonomie-Verordnung liefern, die gerade auf europäischer Ebene diskutiert wird.

Der erste Vorschlag zur EU-Taxonomie-Verordnung wurde bereits am 6. Juli 2021 vorgelegt. Demnach sollen Unternehmen ab einer gewissen Größe verpflichtet werden, eine nicht-finanzielle Konzernerklärung abzugeben, welche die nachhaltigen Anteile der Umsatzerlöse nennt und beschreibt. Hierzu sollen die Investitions- und Betriebskosten (CAPEX und OPEX) hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit beschrieben werden.

Somit soll mit der EU-Taxonomie-Verordnung ein einheitliches Klassifizierungsinstrument geschaffen werden, welche Unternehmen nachhaltig wirtschaften, da nationale Instrumente einen Vergleich auf europäischer Ebene schwer möglich machen und z. T. das Greenwashing fördern. Durch die Schaffung einer EU-weiten Transparenz soll nach den Vorstellungen der EU eine Neuausrichtung von Kapitalflüssen erfolgen. Ein Verbot nicht nachhaltiger Investitionen soll es jedoch nicht geben.

Was auf den ersten Blick noch recht unspektakulär nach Schaffung eines weiteren Berichtswesens klingt, könnte für die Energiewirtschaft von enormer Bedeutung für die eigene Investitionspolitik werden. Warum dies so ist und welche Anforderungen die Branche ggf. zu erfüllen hat, wollen wir in den folgenden Kapiteln beleuchten. Im ersten Schritt wollen wir jedoch verstehen, was unter dem Begriff nachhaltiges Wirtschaften nach der EU-Taxonomie-Verordnung zu verstehen ist.

EU-Taxonomie-Verordnung: der Nachhaltigkeitsbegriff

Der Begriff nachhaltiges Wirtschaften ist in Art. 3 der EU-Taxonomie-Verordnung geregelt. Dabei verfolgt die EU das Ziel, dass nachhaltiges Wirtschaften einen wesentlichen Beitrag zu den sechs Umweltzielen leistet, es zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen von Investitionen auf die Umweltziele kommt sowie soziale Mindeststandards eingehalten werden. Unter den sechs Umweltzielen sind folgende Aspekte zu verstehen:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Verhinderung von Umweltverschmutzungen
  5. Schutz der Biodiversität
  6. Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling

Somit fokussieren sich die europäischen Umweltziele nicht nur auf die Einsparung von CO2, sondern auch auf weitere Schutzkriterien. Für die unterschiedlichen Ziele soll es unterschiedliche Rechtsakte geben, welche die technischen Bewertungskriterien je Umweltziel definieren und die für die einzelnen Wirtschaftstätigkeiten gelten. Für die ersten beiden Ziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sind diese bereits verabschiedet.

EU-Taxonomie-Verordnung: Auswirkungen auf die Energiewirtschaft

Für die Energiewirtschaft als eine der Hauptemittenten im Bereich CO2-Emissionen stellt sich im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie-Verordnung die Frage, mit welchen Auswirkungen auf die Branche zu rechnen ist. Hierzu zählt u. a. ein technologieübergreifender Emissionsgrenzwert von 100g CO2 Äq. pro kWh Energie-Output je Erzeugungseinheit. Hiermit würde jede Investition in eine Anlage, die mehr als den genannten Grenzwert übersteigt, als nicht nachhaltig eingestuft werden. Dies würde insbesondere die Erdgaserzeugung treffen, die nach Ansicht einiger Experten für die Umsetzung der deutschen Energiewende benötigt wird. Für die Einhaltung des CO2-Grenzwertes ist ein verpflichtender Nachweis erforderlich. Ausnahmen sollen jedoch für Photovoltaik-, Wind- und bestimmte Wasserkraftanlagen gelten. Welche technischen Bewertungskriterien für Strom aus Atomkraft oder Erdgas gelten sollen, ist bislang noch in der Diskussion.

Ebenso sollen die Investitionskosten in den Neu- und Umbau von Gasnetzinfrastrukturen für erneuerbare, dekarbonisierte Gase als nachhaltige Investition anerkannt werden. Für Netze zum Transport von Erdgas soll dies jedoch nicht gelten. Für EVU könnte dies bedeuten, dass Investitionen in neue Gasnetzinfrastrukturen in Wasserstoff oder Biomethan getätigt werden sollten, damit das eigene Handeln weiterhin als nachhaltig eingestuft wird. Für Wasserstoff dürfte dies aber vermutlich nur für grünen Wasserstoff gelten, welcher aus erneuerbaren Energien produziert wurde, um den CO2-Grenzwert nicht zu übersteigen.

Jedoch ist nicht nur die Strom- und Gaswirtschaft von den geplanten Änderungen der EU-Taxonomie-Verordnung betroffen, sondern auch die Wasser- und Abwasserversorgung. Demnach soll für nachhaltige Wasserversorger ein durchschnittlicher Nettoenergieverbrauch pro Entnahme und Aufbereitung für jeden geförderten Kubikmeter Trinkwasser von 0,5 kWh/m3 gelten. Ebenso sollen die Verlustraten beim Transport zum Endkunden kontinuierlich im Einklang mit der EU-Trinkwasserrichtlinie gesenkt werden. Die Abwasserentsorgung soll hingegen den eigenen Energieverbrauch um mindestens 20 % zur Ausgangsleistung senken.

EU-Taxonomie-Verordnung: Auswirkungen für das eigene Unternehmen

Bei den genannten Punkten im vorherigen Kapitel handelt es sich lediglich um Ausschnitte der EU-Taxonomie-Verordnung, welche die Energiewirtschaft betreffen. Für die Energiewirtschaft bedeutet die neue Verordnung konkret, dass sie sich intensiver mit der eigenen Nachhaltigkeit beschäftigen muss. Da viele Kommunen eigene Klimaziele verfolgen, dürften gerade die kommunalen Stadtwerke ein hohes Interesse daran haben, die Anforderungen des nachhaltigen Investierens nach der EU-Taxonomie-Verordnung zu erfüllen. Am Beispiel des Grenzwertes von 0,5 kWh/m3 Trinkwasser wird deutlich, dass das interne Energiemanagement von Versorgern im Unternehmen deutlich ausgebaut werden sollte und Investitionen in intelligente Netze spartenübergreifend zu empfehlen sind, auch wenn die Regulierung in den einzelnen Sparten diesen Ausbau noch nicht ausreichend genug fördert.

Was also auf den ersten Blick lediglich als neue zusätzliche Berichtspflicht aussieht, wird vermutlich in wenigen Jahren eine fundierte Basis bilden, um als nachhaltiges Unternehmen besser an Investitionen zu gelangen. So gibt es bereits heute erste Versorger, die ihre Fremdkapitalfinanzierung von einem eigenen Nachhaltigkeitsindex abhängig machen. Daher wäre es durchaus möglich, dass nicht-nachhaltige Unternehmen in Zukunft unter schlechteren finanziellen Rahmenbedingungen agieren müssen. Unter dem Aspekt der Verpflichtung zur Einhaltung der Klimaziele dürfte die Neugestaltung der Unternehmensfinanzierung durch einen neuen gesetzlichen Handlungsrahmen vermutlich ein effektives Werkzeug sein, die Motivation zur Nachhaltigkeit zu steigern.

Konkret bedeutet dies für Unternehmen, aber vor allem für die Energiewirtschaft, sich frühzeitig mit der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie auseinanderzusetzen, auch wenn mit einem Beschluss der EU-Taxonomie-Verordnung erst Mitte des nächsten Jahres zu rechnen ist. Da erste Unternehmen bereits ab 2023 ihre Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen müssen, kann ein proaktives Handeln zu einem ersten positiven Bericht beitragen. Besonders Stadtwerke dürften Wert auf die Erfüllung der Auflagen der EU-Taxonomie-Verordnung legen, da sie im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen.

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FFVAV: Neue Anforderungen für Fernwärmenetzbetreiber

FFVAV – und plötzlich ist sie da

Kurz vor der Sommerpause war die FFVAV, die neue Verordnung zur Fernauslesung von Wärmemengenzählern (WMZ) und neuen Anforderungen an die Abrechnung, in aller Munde. Tiefgreifende Veränderungen mit der Verpflichtung zur Fernauslesung, der monatlichen Informationsbereitstellung sowie Anpassungen in der AVBFernwärmeV wurden angekündigt. Nach einigen Änderungswünschen des Bundesrates kam die Verordnung dann doch nicht auf die politische Beschlussagenda und geriet mit der Sommerpause und den nun anstehenden Sondierungsgesprächen der Parteien in Vergessenheit. Unerwartet von der Branche und ohne große Vorankündigung wurde die FFVAV jedoch am 4. Oktober beschlossen und trat einen Tag darauf, am 5. Oktober, in Kraft. Die neuen Regelungen für Fernwärmenetzbetreiber gelten somit unmittelbar. Inhaltliche Veränderungen wurden an dieser Stelle nicht mehr aufgenommen, sodass alle diskutierten Fristen, wie z. B. die monatliche Verbrauchsinformation, bis zum 01. Januar 2022 umzusetzen sind.

Für Fernwärmenetzbetreiber bedeutet der Beschluss der FFVAV eine große Herausforderung, welche die Ebenen der Messtechnik, der Integration in die Abrechnung, der Anpassung der Rechnungsstellung sowie der Bereitstellung der Informationen an den Kunden umfasst. Für Fernwärmenetzbetreiber stellt sich nun die Frage, welche Handlungsoptionen bestehen, um die Fristen der FFVAV bis zum Anfang des kommenden Jahres erfolgreich umzusetzen. Welche Möglichkeiten es gibt und welche zentralen Fragestellungen zu beantworten sind, soll in einem groben Abriss im Rahmen dieses Blogbeitrags beantwortet werden.

FFVAV: Worum es eigentlich geht

Als kurze Wiederholung zu bereits veröffentlichten Blogbeiträgen gehen wir noch einmal kurz auf die wesentlichen Beschlüsse der FFVAV ein. Im Kern besteht die Anforderung aus drei zentralen Bausteinen, welche verpflichtend umzusetzen sind:


Erstens nimmt die FFVAV Einfluss auf die Konnektivität und Messtechnik, da ab sofort nur noch Messtechnik verbaut werden darf, welche aus der Ferne auslesbar ist. Da dies in der Vergangenheit oft analog durch manuelles Ablesen vor Ort erfolgte, steht für Fernwärmenetzbetreiber die Auswahl der geeigneten Messtechnik an.


Zweiter Aspekt der FFVAV ist eine Standardisierung der bereitgestellten Messdaten erforderlich, welche aufbereitet werden müssen, um eine Verarbeitung im Abrechnungssystem zu ermöglichen.


Drittens ist damit eine Anpassung der Abrechnung und der Ausgestaltung der Verbrauchsinformation nach den Vorgaben der FFVAV vorgesehen. Die Bereitstellung der Verbrauchsinformation hat nach der FFVAV ab dem 01. Januar 2022 für alle fernauslesbaren Zähler kostenlos und monatlich zu erfolgen. Die Bereitstellung der Verbrauchsinformation kann postalisch (als Standard) oder auf elektronischem Wege erfolgen. Auf Wunsch des Kunden ist die unentgeltliche elektronische Bereitstellung sogar verpflichtend. Eine Umrüstung sämtlicher Wärmemengenzähler WMZ ist bis zum 31. Dezember 2026 verpflichtend umzusetzen. Ein grober Überblick der Inhalte der FFVAV ist der folgenden Grafik zu entnehmen:

FFVAV - Zentrale Änderungen im Überblick
FFVAV – Zentrale Änderungen im Überblick

FFVAV – Smart Meter Gateway (SMGW)-Pflicht: ja oder nein?

Ein wesentlicher Knackpunkt bei der Umsetzung der FFVAV ist die Auswahl und Zulassung geeigneter Messtechnik. Hier schreibt die Verordnung fernauslesbare Messtechnik vor, die nach den Vorschriften der BSI funktioniert. Da es nur die technischen Richtlinien des BSI für das Smart Meter Gateway (SMGW) gibt, liegt die Vermutung nahe, dass eine SMGW-Anbindungspflicht von WMZ an das SMGW besteht. Allerdings lassen sich Abschnitte der FFVAV sowohl in die Richtung interpretieren, dass eine generelle SMGW-Pflicht besteht oder nur dann, wenn der Kunde dies wünscht bzw. sich der Fernwärmenetzbetreiber hierfür aktiv entscheidet.

Welche der beiden Auslegungen korrekt ist und wie die genaue Auslegung in der Praxis erfolgt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Am Markt sind bislang beide Varianten zu finden, sodass einzelne Häuser auf das SMGW warten oder bereits auf alternative Techniken, wie NB-IoT oder LoRaWAN, setzen.

Aus Kreisen des BSI bzw. der zuständigen Ministerien ist die grundsätzliche Tendenz zu erkennen, das SMGW zu einer Art „Energiewirtschaftlicher Bundesrouter“ weiterzuentwickeln, der alle Energiedaten sicher transportiert. Perspektivisch ist es also wahrscheinlich, dass die WMZ an das SMGW angebunden werden müssen. Hierzu haben wir eine Anfrage an das BSI mit der Bitte einer Stellungnahme zur FFVAV und der Interpretation der SMGW-Pflicht gestellt, bislang ohne Rückmeldung.

Definitiv besteht aber die Pflicht für den Kunden, welche nach § 6 MsbG (Liegenschaftsmodell) einen Anschluss des WMZ an das SMGW verlangen. Neben der noch etwas unklaren Auslegung der neuen Rechtslage besteht zudem die Frage, welche weiteren Hindernisse bei dem Einsatz der Anbindung von WMZ an das SMGW bestehen und wie mögliche Handlungsoptionen für Fernwärmenetzbetreiber aussehen können.

FFVAV: Handlungsoptionen zur kurzfristigen Umsetzung

Durch die Pflicht zum Einbau fernauslesbarer Zähler ab dem 5. Oktober 2021 ist der laufende Turnuswechsel zu unterbrechen und anzupassen. Unter Berücksichtigung der Unklarheiten bzgl. des SMGW stehen jedem Fernwärmenetzbetreiber zwei Optionen zur Verfügung, wie eine kurzfristige Umsetzung der FFVAV erfolgen kann.

In der ersten Option wartet der Fernwärmenetzbetreiber auf das SMGW bis zu dem Zeitpunkt, wo eine Anbindung technisch möglich ist. An dieser Anbindung arbeiten bereits erste Hersteller, es ist jedoch davon auszugehen, dass dies noch nicht für jeden fernauslesbaren WMZ gelten wird. Der Turnuswechsel ist so lange unterbrochen, bis die technische Anbindung realisiert werden kann. Je länger der Prozess des Wartens jedoch dauert, desto schneller muss am Ende eine Umrüstung der gesamten Messtechnik bis zum 31.12.2026 erfolgen. Hinzu kommt die Problematik, dass die Messwerte der WMZ über die sternförmige Marktkommunikation verschickt werden müssten. Es mangelt aktuell aber an den standardisierten Marktprozessen für diesen Bereich, welche bislang nur für die Sparten Strom und Gas umgesetzt wurden. So lange ist eine Abrechnung von WMZ am SMGW schwer möglich, vor allem dann, wenn es sich bei dem iMSB nicht um den eigenen MSB im integrierten EVU handelt.

Da die Erstellung von einheitlichen, standardisierten Marktprozessen selten in wenigen Wochen erfolgt, ist mit einer weiteren Verzögerung bis zum Einsatz der intelligenten Messsysteme für WMZ zu rechnen. Da viele FVU ihren jährlichen Turnuswechsel bereits durch Corona pausiert haben, würde bei einem weiteren Aussetzen des Turnuswechsels die Anzahl der WMZ mit abgelaufener eichrechtlicher Zulassung steigen. Ob diese Zähler weiterhin abgerechnet werden dürfen, ist dabei stark anzuzweifeln.

Aus diesem Grund bedarf es einer Übergangstechnologie (die ggf. zu einem späteren Zeitpunkt vollständig zugelassen werden könnte), welche das FVU einsetzen sollte, um die Anforderung der Fernauslesbarkeit der FFVAV einzuhalten und eine monatliche Bereitstellung der Verbrauchsinformationen zu gewährleisten. Sobald Klarheit über den genauen Einsatzpunkt und des Umfangs der WMZ-Anbindung an das SMGW herrscht, sowie die standardisierten Marktprozesse vorliegen, kann mit der flächenmäßigen Anbindung begonnen werden.

FFVAV – Mögliche Übergangstechnologien

Die Auswahl der geeigneten Übergangstechnologie zur Fernauslesung von WMZ sollte möglichst in die automatisierten Abrechnungsprozesse integriert werden, um den manuellen Aufwand, gerade in Anbetracht der monatlichen Bereitstellung von Verbrauchsinformationen, gering zu halten. Hierbei bietet sich an, dass der Fernwärmenetzbetreiber auf bereits bestehende Technologien, wie z. B. die Auslesung über das Mobilfunknetz oder bereits durchgeführte Innovationsprojekte im Bereich der Zählerfernauslesung, zurückgreift. U. a. sind die Technologien LoRaWAN und NB-IoT bereits mit etlichen WMZ-Herstellern kompatibel.

Gerade zu Beginn ist von einem Technologiemix auszugehen, da sicherlich bereits ein Teil der WMZ des Fernwärmeversorgers aus der Ferne ausgelesen wird. Somit stellt sich für Fernwärmenetzbetreiber die Frage, welche Technologie weiter genutzt werden soll. Aufgrund der monatlichen Verpflichtung zur Bereitstellung von Verbrauchsinformationen bietet sich das Ablesen der WMZ über Walk-by-Lösungen weniger an, da es durch die entstehenden csv-Dateien höheren manuellen Aufwand bedarf, bevor die Messwerte dem Abrechnungssystem bereitgestellt werden können. Daher empfiehlt es sich auf das bestehende Mobilfunknetz zurückzugreifen und somit bereits vorhandene Infrastruktur zu nutzen. Da viele Fernwärmenetzbetreiber über ein eigenes LoRaWAN-Netz verfügen, ist der Einsatz von LoRaWAN-WMZ in der Startphase geeignet. Verfügt der Betreiber nicht über ein LoRaWAN-Netz oder bestehen erhebliche Abdeckungslücken, so kann als Alternative auf NB-IoT zurückgegriffen werden. Kunden die bereits die IoT-Plattform von Digimondo der items nutzen können hier mit ihrem System bei der Umsetzung aufsetzen. Parallel sollte aber intern schon mit den ersten Tests zur Anbindung von WMZ an das SMGW begonnen werden, um später über die nötige Praxiserfahrung zu verfügen.

FFVAV – Beispiel einer Rolloutstrategie

Die Rolloutstrategie hinsichtlich der Messtechnik ist individuell je Fernwärmenetzbetreiber zu bewerten, wobei ein mögliches Beispiel der folgenden Abbildung zu entnehmen ist. Im vorliegenden Beispiel erfolgt ein Großteil der Messwerterhebung analog. Ein geringer Teil wird über Walk-by-Lösungen oder die bestehende Zählerfernauslese (ZFA) ausgelesen. Mit dem Start der FFVAV entscheidet sich der Fernwärmenetzbetreiber für den Einsatz von LoRaWAN- und NB-IoT-WMZ sowie dem Ausbau der ZFA. In der Übergangsphase kommen dann erste intelligente Messsysteme hinzu. Zum Ende des Rollouts besteht dann ein Technologiemix aus WMZ mit einer SMGW-Anbindung sowie dem Einsatz von LoRaWAN- und NB-IoT-WMZ über das Jahr 2026 hinaus.

FFVAV Rolloutszenario
FFVAV Rolloutszenario

Die Abrechnung der Messwerte sollte stets automatisiert erfolgen, gerade mit dem Blick auf die Pflicht zur Bereitstellung monatlicher Verbrauchswerte. Aus diesem Grund ist die Kette von der Messtechnik, über die Aufbereitung der Daten, der Bereitstellung an das Abrechnungssystem, bis hin zur Rechnungsstellung an den Kunden im Gesamten zu betrachten. Gerade bei dem Einsatz von IoT-Zählern ist die Anwendung eines Zwischensystems erforderlich, welches die Daten aus der „IoT-Welt“ in die Sprache der ERP-Systeme zur Vorbereitung auf die Verbrauchsinformation bzw. Abrechnung übersetzt. Bei der items GmbH laufen hier bereits erste Projekte mit der Einführung der IoT-ERP-Bridge, die die Messwerte aus den IoT-Zählern dem Abrechnungssystem bereitstellt.

Synergiepotentiale im Blick behalten

Auch wenn die FFVAV eine kurzfristige und große Herausforderung darstellt, welche es bis Ende des Jahres zu bewerkstelligen gilt, sollte jeder Fernwärmenetzbetreiber nicht nur das Pflichtprogramm erfüllen, sondern auch die Mehrwerte im Auge behalten. Durch die Installation von fernauslesbaren WMZ im Netz steht dem Fernwärmenetzbetreiber eine deutlich höhere Datengrundlage zur Verfügung, welche er zur Optimierung des Netzes nutzen kann. In einem vergangenen Blogbeitrag haben wir zu diesem Thema ausführlicher berichtet. Im Kern befähigt die Informationen aber eine Datengrundlage, das eigene Fernwärmenetz zu monitoren sowie bestehende Wärmemengenprognosen zu verbessern, wie auch eine höhere Effizienz des Kraftwerkparks zu gewährleisten. So kann bereits kurzfristig Primärenergie eingespart und die Kosten des Netzbetriebs gesenkt werden.

Über ein entsprechendes Projekt gemeinsam mit den Stadtwerken Iserlohn u. a. zur Optimierung von Gaslastspitzen haben wir bereits in der Heat and Power berichtet. Da die Aufwände zur Zählerfernauslesung aus Sicht der Abrechnung die Marge eines Fernwärmenetzbetreibers mittelfristig sinken lassen, sollte bereits bei der Konzeption über die Nutzung der Daten zur Netzoptimierung nachgedacht werden, um zu einem späteren Zeitpunkt die Messtechnik nicht austauschen zu müssen.

Fazit zur Vorgehensweise

Fernwärmenetzbetreiber sind in Bezug auf die FFVAV in einer misslichen Lage. Durch die Unklarheiten hinsichtlich der SMGW-Anbindungspflicht und der fehlenden Marktprozesse zur Abrechnung ist ggf. keine Umsetzung möglich, welche nach dem BSI dem Stand der Technik entspricht. Ein Warten auf die SMGW-Anbindung sowie Marktprozesse würde im Zweifel zu viel Zeit in Anspruch nehmen, sodass sich dadurch der Rollout bis Ende 2026 massiv verkürzen müsste und schließlich die Aufwände enorm steigen. Zudem besteht die Gefahr, WMZ mit einer abgelaufenen Eichfrist im Netz zu haben, da der Einbau konventioneller WMZ untersagt ist. Alternativ ergibt sich der Einsatz von Brückentechnologien, welche aber ggf. nicht den Anforderungen des BSI entsprechen, dafür aber deren WMZ fernauslesbar sind, die DSGVO erfüllen und dessen Messwerte abrechenbar sind.

Um weiter handlungsfähig zu bleiben, scheint es daher ratsam, nicht auf das SMGW zu warten, sondern für mindestens das erste Jahr den Einsatz einer Brückentechnologie zu präferieren. Wenngleich die Konnektivitätslösung in Verbindung mit den WMZ zu einem späteren Zeitpunkt durch das SMGW abgelöst werden müssen, können die WMZ mindestens bis Ende 2026 im Netz bleiben. Durch die teilweise fehlende Anbindungsmöglichkeit an das SMGW und die noch zu definierenden Marktprozesse, wäre auch eine Argumentation denkbar, dass eine SMGW-Anbindung noch nicht dem Stand der Technik entspräche, womit der Einsatz von Brückentechnologien als zulässig anzunehmen wäre.

Aus diesem Grund raten wir unseren Kunden sich schnell und aktiv mit der FFVAV auseinanderzusetzen, geeignete Messtechnik als Brückentechnologie für mindestens die nächsten 12 Monate mit der Option eines längeren Weiterbetriebes auszuwählen sowie eine Anpassung der Abrechnung, welche die Messwerte automatisiert verarbeitet und dem Kunden die verpflichteten Informationen bereitstellt. Von einer manuellen Bearbeitung der Messwerte ist aufgrund des hohen Aufwands abzuraten.

Bei Fragen zu diesem Blogbeitrag und laufenden Umsetzungsprojekten zur FFVAV meldet euch gerne. Folgt auch gerne unserem Blog, wenn euch der Beitrag gefallen hat.

Digitale Ablesung von Wärmemengenzähler – Grundlagen und Mehrwerte

Die EED-Richtlinie und FFVAV als Treiber

Das Thema digitale Ablesung von Zählern ist in der Energiewirtschaft längst kein neues Thema mehr. Mit dem MsbG wurde bereits 2016 ein Rollout von modernen Messsystemen und intelligenten Messsystemen bis 2032 beschlossen. In diesem Jahr steht das Messwesen der Fernwärmeversorgung mit der digitalen Ablesung von Wärmemengenzählern vor einer neuen Herausforderung, wie es bereits im Sektor Strom der Fall ist. Dabei beruht der nun anstehende Rollout zur digitalen Ablesung von Wärmemengenzählern auf der EED-Richtlinie der europäischen Union, die nun mit der FFVAV in nationales Gesetz umgesetzt werden soll. Demnach soll nach dem aktuellen Entwurf der FFVAV bis zum 31.12.2026 jeder Wärmemengenzähler in Deutschland aus der Ferne abgelesen werden können. Dabei bietet es sich an die Werte primär zur Abrechnung oder zur Informationspflicht zu nutzen. Hier ist ab 2022 für FVU eine jährliche Abrechnung und eine monatliche Verbrauchsinformation gegenüber ihren Kunden Pflicht.

Aus Sicht des EVU bzw. FVU wieder ein Gesetz, das es in kurzer Zeit umzusetzen gilt. Mit der Novelle des EnWG, der Anpassung der Strom- und GasGVV, der Umgang mit Post-EEG-Anlagen oder der Umsetzung des Themas Redispatch 2.0 wird es wahrlich nicht langweilig bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorschriften in der Energiewirtschaft.

Dabei bieten sich die neuen Vorschriften der FFVAV zur digitalen Ablesung von Wärmemengenzählern an, näher betrachtet und beleuchtet zu werden. Aus diesem Grund wollen wir in diesem Blogbeitrag einen genaueren Blick auf die möglichen Mehrwerte und Einsatzpotenziale der durch Wärmemengenzähler gewonnenen Daten werfen.

Digitale Ablesung von Wärmemengenzählern – Auswahl der Datengrundlage

Die Datengrundlage ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, welche Mehrwerte sich mit digital ablesbaren Wärmemengenzählern gewinnen lassen. Allein aus Sicht der regulatorischen Anforderungen ist dies relativ einfach, da ein monatlicher Ablesewert zur Erfüllung der Abrechnungs- bzw. Informationspflicht genügt. Es bietet sich jedoch an, die Daten in einer höheren Granularität zu übermitteln. Grob kann die Übermittlungsrate in den Kategorien jährlich, monatlich, täglich, stündlich, zeitnah in Form weniger Minuten oder in Echtzeit, in wenigen Sekunden liegen.

Hierbei bietet es sich an, die Daten aus der digitalen Ablesung von Wärmemengenzählern z. B. zur Ermittlung von fehlerhaften oder falsch angepassten Stationen zu nutzen. Auch ist eine Überwachung der Temperaturwerte im Fernwärmenetz möglich, um Verletzungen der Vor- und Rücklauftemperaturen zu erkennen. Dies ist zwar prinzipiell auch mit monatlichen Werten möglich, welche die FFVAV maximal fordert, es ist jedoch schwieriger, auf Grundlage der geringeren Datenbasis abzuschätzen, ob es sich um eine einmalige Anomalie oder einen häufiger auftretenden Fehler handelt. Ebenso kann auf Basis der Erzeugungs- und der realen Verbrauchsdaten eine Ableitung der Höhe der Wärmeverluste getroffen werden.

Die Festlegung der Granularität der Daten hat zudem starke Auswirkungen auf die Auswahl der Technologie. Ist eine Übertragung in Echtzeit auf Sekundenebene gewünscht, scheidet der Einsatz von LPWAN-Technologien wie z. B. LoRaWAN aus, da damit ein Verstoß gegen den Duty-Cycle vorliegen würde. Eine Übertragung ab einem Intervall von 15 Minuten des Zählerstandgangs, der Vor- und Rücklauftemperaturen sowie des Betriebsdrucks stellt hingegen kein Problem dar.

Werden Schaltmaßnahmen auf Basis der übertragenen Daten im Fernwärmenetz z. B. bei einem Großverbraucher durchgeführt, ist die digitale Ablesung von Wärmemengenzählern ggf. als kritischer Prozess einzustufen. Hier sind robustere Techniken, wie das Mobilfunknetz, 450LTE oder eine kabelgebundene Anbindung an das evtl. eigene Glasfasernetz besser geeignet.

Mehrwerte und Datengranularität von digitaler Ablesung von Wärmemengenzählern

Digitale Ablesung von Wärmemengenzählern – Wahl der Übertragungstechnik

Die Auswahl der geeigneten Technologie für die Anbindung mit Mobilfunk, 450LTE, LoRaWAN, NB-IoT, ggf. ergänzt um Konzentratoren, ist vom jeweiligen Netz abhängig. Grundsätzlich stellt sich für das FVU die Frage, in welchen Technologien es bereits über Erfahrungen und ggf. schon Infrastruktur verfügt. Favorisiert das FVU den Einsatz einer eigenen Konnektivitätslösung, die es selbst verwalten kann, ist der Aufbau eines eigenen LoRaWAN- oder 450 MHz-Netzes möglich. Bei Letzterem sind die Lizenzgebühren mit der 450connect zu klären. Stehen jedoch nicht genug geeignete Standorte zur Errichtung des Netzes zur Verfügung, kann es sich anbieten, die Wärmemengenzähler mit einer bestehenden Kommunikationslösung zu vernetzen. Im Fokus stehen hier aktuell zum einen das Mobilfunknetz und zum anderen das LPWAN-Netz der deutschen Telekom NB-IoT, das ähnliche Eigenschaften wie das LoRaWAN aufweist.

Befinden sich die eigene Erzeugungsanlage und die Standorte der Messstellen in größerer Zahl in unmittelbarer Nähe, so kann sich der Einsatz von Konzentratoren anbieten. Dabei wird ein Konzentrator an einem möglichst hohen Punkt auf dem Werksgelände, wie z. B. einem Schornstein, befestigt. Dieser sammelt dann die Daten in einem Radius von einigen 100 Metern ein. Solche Systeme sind jedoch meist kostenintensiver und lohnen sich erst ab einem gewissen Schwellenwert.

Die Einsatzmöglichkeiten von Übertragungstechnologien sind für Wärmemengenzähler mittlerweile so vielfältig, dass jedes FVU vor der Entscheidung stehen wird, den eigenen Technologiemix zu finden. 

Digitale Ablesung von Wärmemengenzählern – Mehrwerte und Einsatzpotenziale

Wie bereits im zweiten Kapitel angedeutet, lassen sich die Wärmemengenzähler neben der klassischen Abrechnung auch für weitere Einsatzzwecke nutzen.

An dieser Stelle sei die Annahme getroffen, dass das FVU entscheidet, dass eine Übermittlung in 15-Minuten-Intervallen ausreichend ist, da durch die thermische Trägheit eine Überwachung auf Sekundenebene nicht erforderlich ist.

Einen groben Überblick über die Verwendungsmöglichkeiten der Daten zeigt die folgende Abbildung. Dabei können die Daten der Wärmemengenzähler zur Kapazitätserweiterung und Analyse der Auswirkungen des Anschlusses weiterer Kunden bestimmt werden. Ebenso können die Daten in die bestehende Wärmemengenprognose integriert werden, um die Prognosegenauigkeit zu erhöhen und damit perspektivisch Brennstoff einzusparen. Gleichzeitig bietet das flächendeckende Netz von Wärmemengenzählern einen Überblick über den Betriebszustand des Fernwärmenetzes. Dabei können Schwellen- oder Grenzwerte überwacht und Mitarbeiter über entsprechende Störungen informiert werden. Ebenso kann die Anschlussleistung des Kunden überwacht und bezüglich potenzieller Vertragsverletzungen analysiert werden.

Mehrwerte digitale Ablesung Wärmemengenzähler

Fazit

Die Daten aus digital ablesbaren Wärmemengenzählern bieten insgesamt ein breiteres Anwendungsspektrum als zuerst vielleicht angenommen. Statt den Fokus nur auf die Abrechnung zu legen, lassen sich mit den Daten viele zusätzliche Mehrwerte generieren, sofern die Daten in einer höheren Granularität übermittelt werden. Hier muss sich das FVU entscheiden, in welcher Granularität die Daten benötigt werden und die dementsprechend passende Übertragungstechnologie auswählen. Sind bestimmte Messpunkte für die Steuerung des Betriebs von besonderer Relevanz, ist dies bei der Auswahl der Übertragungstechnologie auch zu berücksichtigen.

Getrieben durch die EED-Richtlinie und die FFVAV beschäftigen sich immer mehr EVUs und FVUs mit der Digitalisierung von Wärmemengenzählern. Hier sollte der Fokus jedoch nicht nur auf die Pflicht zur Ablesung gelegt, sondern auch die Möglichkeit weiterer Optimierungspotentiale, wie z. B. das Monitoring oder die Optimierung von Prognose und Steuerungsprozessen, mitberücksichtigt werden.Durch die Auswahl der geeigneten Mess- und Übertragungstechnik zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften direkt zu Beginn des Projekts, kann dann im Anschluss die Kür mit der Optimierung des Netzes begonnen werden. Eine Minimierung zusätzlicher Investitionen ist so möglich.

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Grüne Fernwärmenetze – Die Herausforderung der Transformation der Wärmenetze

Grüne Fernwärmenetze: Klimaziele 2045

Die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft zur Erreichung der Klimaziele stellt eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft da. Nach dem neuen Klimaschutzgesetz bedeutet dies die Erreichung der Treibhausgasneutralität für Deutschland bis zum Jahr 2045. Eine gewaltige Herausforderung, wenn man einen Blick auf den aktuellen deutschen Primärenergiebedarf wirft, der gerade einmal zu ca. 20 % mit Erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Um in den nächsten gut 20 Jahren die Umstellung von 20 auf 100 % zu erreichen, ist eine grundlegende Transformation aller Energiesektoren erforderlich. Hierbei liegt der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung meist nur auf der Sparte Strom, die bereits mit über 50 % einen hohen EE-Anteil aufweist.

Ein Großteil des Energiebedarfs in Deutschland entsteht jedoch in den Sektoren Verkehr und Wärme. Neben dezentralen Heizungssystemen wurden in den letzten Jahrzehnten in Deutschland eine Vielzahl von Fernwärmenetzen errichtet, die eine Vielzahl von Verbrauchern über eine oder mehrere zentrale Wärmeerzeugungsanlagen mit Energie versorgen. Dabei erfolgt die Energieerzeugung meist konventionell. Zur Erreichung der Klimaziele ist jedoch auch im Bereich der Fernwärme eine Transformation hin zu grünen Fernwärmenetzen erforderlich.

Zur Erreichung von grünen Fernwärmenetzen stehen die Betreiber der Netze vor unterschiedlichen Herausforderungen und sind mit unterschiedlichen, lokalen Klimazielen über unterschiedliche Zeitachsen bis zum Jahr 2045 konfrontiert. Die Festlegung zur Erreichung der grünen Fernwärme erfolgt meist über einen Mehrebenenansatz. Zum einen über die Festlegung auf Bundesebene, dass der Enegiesektor bis 2045 keine Emissionen mehr ausstoßen darf, sowie auf lokaler Ebene, wo bereits schärfere Klimaziele gelten können.

Im Rahmen dieses Blogbeitrags wollen wir uns einmal näher anschauen, welchen strategischen und operativen Herausforderungen ein Fernwärmenetzbetreiber zur Erreichung des grünen Fernwärmenetzes gegenübersteht und welche ersten Projekte in der Kundenwelt der items GmbH umgesetzt werden.

Grüne Fernwärmenetze: strategische Herausforderungen

Auf strategischer Ebene stehen die Fernwärmenetzbetreiber vor mindestens drei verschiedenen Herausforderungen, die es zur Umsetzung eines grünen Fernwärmenetzes zu erreichen gilt. Wichtigster Baustein ist die Umstellung der meist noch konventionellen Erzeugung auf Erneuerbare Energien. Dies ist zum einen notwendig, um die Klimaziele auf bundes- oder lokaler Ebene zu erreichen, aber auch den stetigen Energiepreisanstieg für den Kunden zu begrenzen. Denn durch die Einführung eines steigenden CO2-Preises für den Sektor Wärme mit der Einführung des BEHG im Jahr 2021 ist für jede emittierte Tonne CO2 ein Aufschlag auf den Energiepreis zu erheben. Steigende CO2-Zertifikatspreise, verbunden mit einer konventionellen Wärmeerzeugung führen demnach zu jährlich steigenden Preisen. Die Umstellung auf Erneuerbare Energien ist somit ein Muss, auch um die steigenden Kosten der Letztverbraucher zu begrenzen.

Eine der meistgestellten Fragen auf den Weg zu grünen Fernwärmenetzen ist jedoch, wie die Umstellung auf Erneuerbare Energien erfolgen soll. Als Erzeugungstechnologien stehen den Fernwärmenetzbetreibern meist Solarthermie-, Biogasanlagen und Wärmepumpen in Form von Geothermieanlagen zur Verfügung. Für größere Solarthermieanlagen, die ein konventionelles Kraftwerk ersetzen müssen, fehlen jedoch meist die Flächen. Ähnliches gilt für Biogasanlage, die über ausreichend Anbauflächen für die Bereitstellung des Substrats verfügen müssen. Da sich Fernwärmenetze aber meist im städtischen Raum befinden, ist eine ausreichende Fläche Mangelware. Tiefen-Geothermie ist hingegen sehr kapitalintensiv und Bedarf langer Vorstudien, um geeignete Punkte zur Erzeugung der Wärme zu finden.

Eine Alternative könnte auch die Nutzung von Abwärme aus dem Industriebereich darstellen, die jedoch nicht in allen Netzgebieten ausreichend vorhanden ist. Somit stehen viele Fernwärmenetzbetreiber vor der Herausforderung, über wenige bis keine Optionen zur Umstellung auf Erneuerbare Energien zu verfügen. Somit steht das Thema der Energieeffizienz im Vordergrund, um durch geringeren Wärmebedarf eine geringere Erzeugungsleistung zu erzielen. Hierfür ist es wichtig, das Fernwärmenetz transparent zu machen und den operativen Betrieb zu optimieren.

Herausforderungen für Fernwärmenetzbetreiber

Grüne Fernwärmenetze: operative Herausforderungen

Das Grundproblem der Fernwärme stellt die in der Praxis oft noch fehlende Informationsbasis dar. Das Fernwärmenetz wird meist als Blackbox betrieben. Informationen gibt es häufig nur an den Erzeugungspunkten und an einzelnen ausgewählten Messpunkten im Netz. Ein Monitoring aller Wärmeübergabestationen und Werte der Vor- und Rücklauftemperaturen findet nicht statt. Aus diesem Grund steuern Fernwärmenetzbetreiber ihre Netze meist blind und oft mit zu hohen Vorlauftemperaturen (auch um die Bildung von Legionellen im Netz zu verhindern), wodurch der Primärenergiebedarf steigt. Grüne Fernwärmenetze können jedoch nur erreicht werden, wenn die Energieeffizienz des Netzes massiv gesteigert wird.

Ein Absenken der Vor- und Rücklauftemperaturen, wie auch eine Minimierung der Hilfsenergiekosten, wie z. B. den Stromeinsatz für die Pumpen, sind auf das Minimum zu reduzieren, das eine Versorgungssicherheit des Kunden weiterhin sicherstellt. Voraussetzung hierfür ist der Ausbau von Sensoren im Netz und das Monitoren wichtiger Assets wie z. B. Wärmemengenzähler, die bislang nur einmal pro Jahr im Rahmen der Verbrauchsmengenermittlung zur Erstellung der Abrechnung ausgelesen werden. Die zusätzlichen Informationen können z. B. in Form einer Wärmemengenprognose genutzt werden, um die richtige Erzeugungsleistung für den jeweiligen Tag bereitzustellen. Aber es können auch die Auswirkungen von sich verändernden Anschlussleistungen auf die Effizienz des Wärmenetzes analysiert werden. Die neue AVBFernwärmeV gibt dem Kunden das Recht, seine Anschlussleistung selbst zu minimieren.

Durch eine Analyse des Wärmebedarfs und das Monitoring der Wärmemengenflüsse in Echtzeit wird es zum einen ermöglicht, eine Produktionsoptimierung durchführen, die Gaslastspitzen vermeidet und so effektiv Netzentgelte einspart, und zum anderen Erzeugungsanlagen im Sektorenkopplungsbereich besser zu vermarkten, indem die Wärme- und Stromerzeugungskapazitäten unter Berücksichtigen der Preissignale und Gestehungskosten miteinbezogen werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, das Netz auf Leckagen zu analysieren, um den Verlust von Wärmeenergie zu vermeiden, aber auch die Kosten für die zusätzliche Aufbereitung des Wassers als Transportmedium zu senken.

Grüne Fernwärmenetze: Zwischenfazit

Unter Betrachtung der strategischen und operativen Herausforderungen ist die Umstellung konventioneller Fernwärmenetze auf grüne Fernwärmenetze eine vielschichtige Herausforderung und abhängig von den lokalen Gegebenheiten. Einzelne Fernwärmenetzbetreiber verfügen über die Kapazitäten, größere EE-Erzeugungsanlagen zu errichten oder industrielle Abwärme im großen Maßstab zu benutzen, andere aber nicht. Grundvoraussetzung für grüne Fernwärmenetze ist jedoch immer das Auflösen der Blackbox Fernwärme und die Generierung zusätzlicher Informationen, so dass ein Echtzeitmonitoring der Wärmemengenflüsse ermöglicht wird. Die Steigerung der Energieeffizienz bildet eine zentrale Grundlage zur Erreichung grüner Fernwärmenetze, da ein geringerer Primärenergiebedarf mit einer geringeren EE-Erzeugungsleistung gedeckt werden kann.

Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung sich zum aktuellen Zeitpunkt noch auf die Sparte Strom konzentriert, ist davon auszugehen, dass sich dies im Zuge der erforderlichen Transformation des gesamten Energiesystems in Deutschland auf die Fernwärme erweitern wird. Kommunale Beschlüsse, dass ein Mindestanteil grüner Fernwärme bis 2030 erreicht werden muss, nimmt tendenziell eher zu. Darum ist es bereits heute erforderlich, dass sich Fernwärmenetzbetreiber damit beschäftigen, wie in den nächsten Jahren das Ziel eines grünen Fernwärmenetzes erreicht werden kann. Gerade unter dem Blickwinkel der langen Investitionszyklen im Bereich Fernwärme sind Investitionsentscheidungen bereits heute unter dem Aspekt der Klimaneutralität zu treffen. Entsprechend neuer gesetzlicher Anforderungen, wie z. B. die FFVAV, welche die verpflichtende Fernauslesbarkeit von Wärmemengenzähler vorsieht, sollte bereits heute so geplant werden, dass nicht nur die Abrechnung in einer höheren Frequenz erfolgt, sondern die zusätzlichen Daten zur Optimierung des technischen Betriebs des Netzes genutzt werden.

Ausblick in die Praxis

In der Praxis sind im Bereich der Fernwärme unterschiedliche Strategien der Fernwärmenetzbetreiber hin zu grünen Fernwärmenetzen zu beobachten. So setzen größere Fernwärmenetzbetreiber wie Vattenfall in Berlin auf den Einsatz von Smart Metern, Wasserstofferzeugungsanlagen und die Nutzung von Abwärme im größeren Maßstab. Dies ist jedoch mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Viele Fernwärmenetzbetreiber stehen jedoch noch vor der Aufgabe und der Ausgangsfrage, wie sinnvoll mit einer Optimierung der Fernwärmenetze begonnen werden kann.

Im Kundenkreis der items GmbH sind vor allem Projekte im Bereich des Echtzeitmonitorings zu beobachten, um im ersten Schritt die Transparenz im Fernwärmenetz zu steigern. So setzen bereits einige Kunden LoRaWAN-Wärmemengenzähler ein, um die Anforderungen der FFVAV zu erfüllen und gleichzeitig die Daten zur Netzoptimierung zu nutzen. Mit den SW Iserlohn wurde 2021 ein umfangreiches Softwareentwicklungsprojekt mit dem Namen Grid Insight: Heat durchgeführt, das Daten aus unterschiedlichen Systemen konsumiert und den Stadtwerken eine Wärmemengenprognose sowie Produktionsoptimierung bereitstellt. Durch die Vermeidung von Lastspitzen und die Erstellung von Erzeugungsfahrplänen auf Basis der Prognosen und Kostenfunktionen konnten bereits früh Einsparungen im höheren Bereich erzielt werden. Die zusätzliche Bereitstellung einer Monitoringlösung unterstützt dabei den Transformationsprozess.

Insgesamt hat sich in den letzten 12 Monaten bei unseren Kundenprojekten im Bereich Fernwärme gezeigt, dass eine Vorgehensweise zur Steigerung der Transparenz im Fernwärmenetz, verbunden mit zusätzlichen Werkzeugen wie einer Wärmemengenprognose oder Produktionsoptimierung, einen ersten guten Schritt zur Erreichung des Ziels grüne Fernwärmenetze darstellt. Der Primärenergiebedarf kann gesenkt und ein besseres Netzverständnis erreicht werden, auf dessen Basis Investitionsentscheidungen für die Erreichung eines grünen Fernwärmenetzes getroffen werden können.

Über das Projekt Grid Insight: Heat werden wir demnächst in einem weiteren Blogbeitrag berichten. Bei Fragen zu diesem Blogbeitrag meldet euch gerne. Wenn euch der Artikel gefallen hat, abonniert gerne unseren Blog.

LoRaWAN-Anwendungsfälle – ein 360°-Schnelldurchlauf

LoRaWAN – Welche Themenfelder sind geeignet?

Die Suche nach den richtigen LoRaWAN-Anwendungsfällen beschäftigt aktuell viele EVUs, die ein LoRaWAN-Netz betreiben oder eine Errichtung planen. Hier steht für die EVUs die Frage im Raum, welche Anwendungsfälle geeignet sind oder bereits umgesetzt wurden. Die Auswahl der Themenfelder ist an dieser Stelle groß und reicht von der internen Prozessoptimierung, dem Aufbau städtischer Smart-City-Anwendungen bis zu neuen Geschäftsfeldern für B2B-Kunden. Um etwas mehr Licht in den Dschungel der Anwendungsfelder zu bringen, wollen wir in diesem Blogbeitrag einen groben Überblick geben. Hierzu gehen wir auf ausgewählte Anwendungsfälle in den einzelnen Energiesparten und den Bereich Smart City ein:

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.1: Fernwärmeoptimierung

Viele EVUs beschäftigen sich mit dem Aufbau, dem Betrieb oder der Wartung eines oder mehrerer Fernwärmesysteme. Dieses umfasst zum einen die Netz- und zum anderen die Erzeugungsinfrastruktur. Die Infrastruktur ist ähnlich wie andere Energieversorgungsnetze über Jahrzehnte entstanden und wird größtenteils anhand der Expertise der vorhandenen Mitarbeiter betrieben. Ähnlich wie in den Verteilnetzen der Sparte Strom werden Fernwärmenetze wie eine Blackbox betrieben. Mit Ausnahme der Informationen rund um die Erzeugungsanlagen und einigen Messpunkten im Netz erfolgt der Betrieb und die Steuerung des Netzes größtenteils blind. Die Folge sind oft zu hohe Vor- und Rücklauftemperaturen, verbunden mit einem zu hohem Primärenergieeinsatz.

An dieser Stelle kann der LoRaWAN-Anwendungsfall Fernwärme mit einer höheren Transparenz im Fernwärmenetz unterstützen. So können LoRaWAN-Wärmemengenzähler im Netz installiert werden. Diese liefern eine zusätzliche Datenbasis über die Vor- und Rücklauftemperaturen sowie Volumenströme. Mit einer ausreichenden Anzahl   Wärmemengenzählern im Netz können die Vorlauftemperaturen im Netz analysiert, die Verletzung von Grenzwerten der Vor- und Rücklauftemperaturen erkannt und der Einsatz von Primärenergie gesenkt werden. Allein durch die potenzielle Senkung und Verlagerung von Gaslastspitzen auf Basis der neuen Daten können Fernwärmenetzbetreiber hohe finanzielle Einsparungen erzielen. Außerdem können die zusätzlichen Messdaten im Rahmen der monatlichen Abrechnung bzw. Abrechnungsinformation zur Erfüllung der regulatatorischen Anforderungen der FFVAV genutzt werden.

Mit dem Tool Grid Insight: Heat, das die items GmbH zusammen mit den Stadtwerken Iserlohn entwickelt hat, können die LoRaWAN Daten mit anderen Daten aus Drittsystemen, wie z. B. der Netzleitwarte, verschnitten und eine Wärmemengenprognose sowie eine Produktionsoptimierung des Netzes erzielt werden. Das integrierte Echtzeitmonitoring visualisiert zusätzlich die Daten der LoRaWAN-Sensorik unter Berücksichtigung der GIS-Daten.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Fernwärme

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.2: Wohnungswirtschaft

Neben der Optimierung von Fernwärmenetzen stellt die Wohnungswirtschaft einen weiteren LoRaWAN-Anwendungsfelder dar. Seit dem Beschluss des MsbG und der Möglichkeit, seit dem 1. Januar der Wohnungswirtschaft ein Angebot zur Mehrspartenablesung über das SMGW zu ermöglichen (§6 MsbG), ist das Geschäftsfeld Wohnungswirtschaft in den Fokus der Stadtwerke gerückt. Dabei kann LoRaWAN beispielsweise als Zusatzdienstleistung angeboten werden. Hier bietet es sich z. B. an, Rauchwarnmelder und deren Batteriestand zu überwachen. Ein jährlicher Test ist in diesem Fall dann nicht mehr notwendig. Auch bietet es sich an, LoRaWAN zum Auslesen von Zählern einzusetzen.

Da die meisten Verbrauchspunkte dezentral in einem Objekt verteilt sind, ist das Ziehen von Kabeln von der Messeinrichtung zum SMGW aus technischer Sicht sehr aufwendig und mit hohen Kosten verbunden. Hier bietet sich der Einsatz von LoRaWAN im LMN an, um die Messeinrichtungen per LoRaWAN an das SMGW anzuschießen. Die Daten können dann über die WAN-Schnittstelle des SMGW an das Abrechnungssystem weitergeleitet werden. Neben der Möglichkeit die Messwerte über das SMGW zu übermitteln kann LoRaWAN für Haushaltskunden, die nicht den Anschlusspflichten des MsbG unterliegen, als System zur Kundenselbstablesung dienen. Statt dem Kunden Karten zur Selbstablesung zu übermitteln, kann der Kunde eine Nachricht über den Verbrauchsstand erhalten und diesen bestätigen. Eine Abrechnung als System zur Kundenselbstablesung nach §40a EnWG ist in diesem Fall möglich.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Wohnungswirtschaft& Submetering

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.3: Submetering

Ein weiterer LoRaWAN-Anwendungsfall ist das Submetering. Statt Messsysteme jährlich oder wie in Zukunft vom EnWG für einzelne Sparten gefordert unterjährig auszulesen und die Verbrauchsmenge vor Ort nach dem Turnschuhprinzip zu erfassen, ist eine Verbrauchsmengenerfassung auch über LoRaWAN möglich. Ob und in welchen Fällen eine Anschlusspflicht an das intelligente Messsystem besteht, haben wir bereits in einem anderen Blogbeitrag ausführlich dargestellt. Für einen Großteil der Sparten gilt dies jedoch nicht, weswegen der Einsatz von LoRaWAN-Zählern möglich ist.

Da es sich bei der Ablesung von Zählern um einen Massenprozess handelt, bei der eine Vielzahl von Verbrauchsständen erhoben wird, die es abzurechnen gilt, ist eine manuelle Bearbeitung der Daten zur Abrechnung weniger geeignet. Auch eignet sich der Einsatz einer IoT-Plattform zur Sicherstellung der Abrechnung weniger. Vielmehr sind die abrechnungsrelevanten Messwerte dem Fachsystem, also dem bereits bestehenden Billing-System, zu übergeben. Hier lässt sich z. B. die IoT ERP Bridge der items nutzen. Diese nimmt die Verbrauchswerte entgegen und stellt diese dem Abrechnungssystem zur Verfügung. Die Abrechnung kann so wie gewohnt im Fachsystem völlig automatisiert erfolgen.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Submetering mit der IoT-ERP-Bridge

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.4: Liegenschaftsmonitoring

Ein klassischer LoRaWAN-Anwendungsfall stellt das Liegenschaftsmonitoring dar. Hier geht es sowohl um die Überwachung von einzelnen Assets, wie z. B. Türen oder Fenstern, als auch das Raumklima-, Schlüssel- oder Energiemanagement. So wird u. a. Hausmeistern oder Energiemanagern ein Werkzeug an die Hand gegeben, über das sie mehr Informationen über die zu verwaltenden Liegenschaften erhalten. Ein Beispiel für ein Liegenschaftsmanagement zeigt die folgende Abbildung der Fa. Digimondo. So kann ein Hausmeister in Hamburg mit einer Lösung zum Monitoring von Liegenschaften seine Arbeitsplanung optimieren.

Hierzu zählt z. B. das Überprüfen von geschlossenen Türen und Fenstern aus der Ferne. Darüber hinaus ist aber auch ein Schlüsselmanagement von Turnhallen möglich. Oft werden Sportstätten von unterschiedlichen Nutzergruppen genutzt. Hier können intelligente LoRaWAN-Türschlösser genutzt werden, mit der die Nutzer Türen zu bestimmten Uhrzeiten öffnen können. Eine manuelle Übergabe von Schlüsseln ist so nicht mehr notwendig. Die Lösung wäre z. B. auch für die Verwaltung von Schlüsseln mit dem Zugang zu Ortsnetztrafostationen von Netzbetreibern möglich.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Liegenschaftsmonitoring Teil 2

Des Weiteren kann die LoRaWAN-Sensorik auch zur Überwachung des Raumklimas eingesetzt werden. Hier haben sich gerade durch Corona unterschiedliche Systeme zur Überwachung des CO2-Gehalts in der Luft in Form eines Meldesystems etabliert. Das Ziel dieser Systeme ist es, ein rechtzeitiges Lüften zu signalisieren, da eine Korrelation zwischen dem CO2-Gehalt in der Luft und der Übertragbarkeit der Corona-Viren festgestellt wurde. Über diesen Anwendungsfall haben wir bereits im Blogbeitrag zur Covid-Ampel berichtet.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Liegenschaftsmonitoring Teil 2

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.5: Mikroklimamanagement

Wetterdaten stellen eine der wichtigsten Informationen für EVUs dar. Mit ihnen korreliert der Wärmebedarf im Fernwärmebereich. Außerdem lassen sich Auswirkungen von Starkregenereignissen im Abwassernetz oder ähnliche Zusammenhänge analysieren. Wetterdaten bilden dabei oft ein Fundament, das für die Umsetzung von Prognose- und KI-Anwendungsfällen erforderlich ist. In der Praxis werden hierfür die Daten von Wetterstationen des DWDs genutzt. Die Messstationen sind jedoch für lokale Analysen meist zu weit entfernt. So befindet sich z. B. die Wetterstation für die Stadt Münster am Flughafen Münster Osnabrück. Die Folge sind ungenaue Wetterdaten, da die Wetterstation zu weit vom Anwendungsgebiet entfernt ist, und damit schlechtere Prognoseinformationen, die mit besseren Wetterdaten behoben werden könnten. Auch kann die Erkennung von Mikroklimaereignissen, wie z. B. Starkregen, durch lokale Wetterstationen besser und schneller erfolgen.

Hier bietet sich der LoRaWAN-Anwendungsfall Mikroklimamanagement an. LoRaWAN-Wetterstationen können hierbei im Stadtgebiet installiert werden. Zwar entsprechen die Wetterstationen nicht den gleichen Qualitätsstandards wie die des DWD, allerdings kann auch mit günstigen Sensoren und einer höheren Daten-Quantität eine solide Informationsbasis bezgl. des eigenen Mikroklimas im Versorgungsgebiet geschaffen werden. Gleichzeitig können die Daten von der Stadt im Rahmen der Stadtentwicklung genutzt werden. Ein Beispiel für ein Projekt zur Umsetzung dieses LoRaWAN-Anwendungsfalls wurde in der Stadt Soest mit der IoT-Plattform der items im Rahmen des Projekts der Bürgerwolke umgesetzt. Hierfür wurden 100 Low-Cost-Sensoren in der Stadt verbaut, um Informationen über Niederschläge, Windstärke und Globalstrahlung zu erfassen. Die Daten sollen zur Optimierung der Stadtplanung im Zuge des Klimawandels genutzt werden.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Mikroklimamanagement Teil 1
LoRaWAN-Anwendungsfall: Mikroklimamanagement Teil 2

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.6: Bodenfeuchtemessung

Die Zunahme von Hitzeperioden stellt eine zunehmende Herausforderung für Grünanlagen und Bäume im Stadtgebiet dar. Über Informationen, welche Pflanzen und Bäume am meisten unter der Trockenheit leiden, verfügen die Städte aber in der Regel nicht. Dabei sind die Kosten für Baumsetzlinge nicht unrelevant und können schnell einen vierstelligen Betrag pro Baum erreichen. Ein Monitoring relevanter Punkte im Stadtgebiet hinsichtlich des Status der Bodenfeuchte kann mit dem Einsatz von Bodenfeuchtemesssystemen, die LoRaWAN unterstützen, erreicht werden. Dies wurde z. B. von den Stadtwerken Bielefeld umgesetzt, die 2 Sensoren in der Bielefelder Promenade installiert haben sowie 13 weitere an 7 Standorten in der Stadt, um die Bodenfeuchtigkeit und auch die -temperatur zu überwachen. Für einen Rollout werden ca. 100 Sensoren an 50 Standorten benötigt. Die Datenübermittlung erfolgt täglich, so dass die Stadt schnell einen Überblick darüber erhält, an welchen Stellen eine Bewässerung der Bäume und Grünanalgen erforderlich ist. Die Folgen sind ein gezielter Einsatz der städtischen Mitarbeiter und eine Bewässerung an den kritischen Stellen in der Stadt.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Bodenfeuchtemonitoring

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.7: Gewässermonitoring

Das Gewässermonitoring ist ein weiterer LoRaWAN-Anwendungsfall. Durch steigende Temperaturen können Gewässer umkippen, auch Schadstoffen im Gewässer z. B. durch die Landwirtschaft, schaden ihnen. In solchen Fällen kann ein Monitoringsystem bei der Überwachung der Gewässer helfen. Ein Beispiel wurde von der items GmbH mit der Stadt Münster im Rahmen des Aasee-Monitorings umgesetzt. Nachdem im Jahr 2018 der Aasee auf Grund starker Temperaturen umkippte und ein Fischsterben mit mehr als 20 Tonnen toter Fisch auslöste, wurde gemeinsam mit der Stadt Münster und weiteren Sponsoren ein System zur Überwachung des Aasees auf LoRaWAN-Basis installiert. Hierzu zählt u. a. die Überwachung der Temperatur, des Sauerstoffgehalts, der Trübung und etlicher weiterer Parameter hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Gewässermonitoring

LoRaWAN Anwendungsfall Nr.8: Pegelstandsmonitoring

Neben der Überwachung von Gewässern ist das Monitoring von Grundwassermessstellen mittels LoRaWAN-Pegelsonden ein weiterer LoRaWAN-Anwendungsfall. In der Praxis stehen Grundwassermessstellen über größere Distanzen im gesamten Trinkwasserversorgungsgebiet verteilt und werden monatlich nach dem Turnschuhprinzip vor Ort manuell ausgelesen. Die Messwerte sollen eine Indikation über die Entwicklung der Grundwasserpegelstände geben und bilden eine Basis für die späteren Trinkwasserförderrechte, die von der zuständigen Behörde zu genehmigen sind.

Um eine bessere Datenbasis zu erhalten, welche Auswirkungen z. B. der Klimawandel mit zunehmender Trockenheit auf die Messstellen hat, bietet sich der Einsatz von LoRaWAN-Pegelsonden an. Diese können die Höhe des Wasserstands, die Wassertemperatur und ggf. weitere Werte zur chemischen Zusammensetzung erfassen. Mit der automatischen, kontinuierlichen Messung von Grundwasserpegelständen entfällt außerdem die manuelle Messung vor Ort. Das zunehmend knappe Personal kann so an wichtigeren Stellen eingesetzt werden. Mit einer Integration der Messwerte der LoRaWAN-Pegelsonden über die IoT-Plattform der items in das System AquaInfo kann außerdem automatisch ein Report für die Behörde erstellt werden. Medienbrüche bei der Aufbereitung der Daten können so vermieden werden.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Pegelstandsmonitoring

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.9: digitaler Bienenstock

Ein klassischer Smart City LoRaWAN-Anwendungsfall stellt die Überwachung von Bienenstöcken dar. Da die Bienenstöcke meist über ein größeres Gebiet verteilt sind und der Imker sie regelmäßig überprüfen muss, bietet sich eine Überwachung mittels LoRaWAN-Sensorik an. Maßgebliche Werte sind die Temperatur im Bienenstock sowie das Gewicht. Bienen benötigen eine konstante Temperatur, um im Bienenstock überleben zu können. Die Waage zur Erfassung des Gewichts gibt u. a. Aufschlüsse über die An- und Abwesenheit der Bienen sowie die Honigproduktion und somit auch deren Gesundheitszustand. Der LoRaWAN-Anwendungsfall des digitalen Bienenstocks eignet sich dafür, aktiv das Thema Umweltschutz voranzutreiben. Über die genauen Umsetzungsmöglichkeiten und Mehrwerte erfahrt ihr in unserem bereits veröffentlichten Blogbeitrag zum digitalen Bienenstock.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Bienenstock

LoRaWAN-Anwendungsfall Nr.10: Trafostationsmonitoring

Einer der üblichen LoRaWAN-Anwendungsfälle ist das Monitoring von Trafostationen im Verteilnetz eines Stadtwerks. Ähnlich wie Fernwärmenetze sind Netzbetreiber auf der Ebene des Verteilnetzes blind. Ein Monitoring ist meist nur auf höheren Spannungsebenen vorhanden. Im Zuge der Energiewende im Verteilnetz erfolgt die Integration von EE-Anlagen und größeren Verbrauchern wie z. B. Ladeinfrastruktur für E-Autos jedoch zunehmend auf den unteren Spannungsebenen, weswegen eine höhere Informationsbasis gerade auch mit Blick auf die Netzplanung erforderlich ist.

Eine Datenbasis schaffen beispielsweise intelligente Messsysteme. Diese Daten reichen jedoch nicht aus, da nur eine geringe Anzahl von Haushaltskunden ein intelligentes Messsystem bekommen wird. Auch findet am Anschlusspunkt des SMGW nur ein Monitoring der Strom- und Spannungsflüsse am Übergabepunkt vom Netz zum Haushalt statt. Allerdings ist auch eine Messung in den kritischen Assets wie Ortsnetztransformatoren notwendig, um ein Gesamtbild über die Auslastung des Verteilnetzes zu erhalten. Aus diesem Grund bietet sich der Einsatz von LoRaWAN-Sensorik an. Ein Beispiel haben wir in einem separaten Blogbeitrag zum Netztrafo Node von Acafl BFi vorgestellt.

Außerdem lassen sich Sensoren zur Überwachung von Kurzschlussanzeigern in Trafostationen installieren. In der Praxis findet ein Monitoring oft nicht statt, weswegen im Zweifel alle in Reihe angeschlossenen Ortsnetztrafostationen einzeln angefahren werden müssen, um die Quelle des Fehlers zu identifizieren. Der hohe Fahraufwand hat eine hohe Bearbeitungszeit zur Folge, was sich negativ auf das Q-Element des Netzbetreibers auswirkt. Hier besteht eine Möglichkeit Kosten zu senken, allein schon wenn eine Überwachung der Kurzschlussanzeiger erfolgt und ein gezieltes Anfahren der Station möglich ist.

LoRaWAN-Anwendungsfall: Trafostationsmonitoring

Fazit

Wie an diesem Blogbeitrag ersichtlich wurde, ist die Umsetzungsvielfalt für LoRaWAN-Anwendungsfälle groß und reicht von der internen Prozessoptimierung bis zu Smart City-Anwendungsfällen. Die hier vorgestellten Anwendungsfälle können von EVU umgesetzt werden. Es existieren jedoch auch eine Vielzahl weiterer Anwendungsfälle für Sie. Es sollte beim Infrastrukturaufbau aber nicht die Erwartungshaltung bestehen, diese mit einem LoRaWAN-Anwendungsfall finanzieren zu wollen. Vielmehr ist die Infrastruktur als Ausgangsbasis zu sehen, auf der eine Vielzahl von Anwendungsfällen umzusetzen sind, wobei jeder Anwendungsfall seinen Beitrag zur Finanzierung leisten muss. Über die Möglichkeiten des Aufbaus eines LoRaWAN-Geschäftsmodells haben wir bereits in unserem Blogbeitrag LoRaWAN Geschäftsmodell – Die Möglichkeiten im Überblick berichtet.

Bei Fragen und Anregungen zu den einzelnen LoRaWAN-Anwendungsfällen sprecht uns gerne an. Wenn ihr Ideen für einen völlig neuen Einsatz habt und einen Umsetzungspartner benötigt, stehen wir gerne mit unserer Expertise zur Verfügung. Sollte euch der Blogbeitrag gefallen haben abonniert gerne unseren Blog.

Neufassung der Strom- und GasGVV: die Änderungen im Überblick

Novellierung Strom- und GasGVV: EnWG-Novelle als Antreiber

Anfang August hat der Gesetzgeber den Referentenentwurf zur Änderung der Strom- und GasGVV veröffentlicht, der bis zum 17. August diskutiert werden sollte. Nun soll die Neufassung der Strom- und GasGVV schnell auf den finalen Gesetzgebungsweg gebracht werden. Bedingt durch die Novelle des EnWG im Juni, die u. a. eine Anpassung der Energieverträge und z. T. Neuausgestaltung der Energieabrechnung zur Einhaltung der EU-Vorschriften für Sonderverträge, aber auch für die Grundversorgung vorsieht, findet nun mit der Neufassung der Strom- und GasGVV eine Umsetzung der Anforderungen der EnWG-Novelle in den entsprechenden Verordnungen zur Grundversorgung statt.

Im Rahmen der Neufassung werden zum einen Vorschriften zur Einhaltung der neuen Anforderungen des EnWG definiert und zum anderen neue Aufgaben und Pflichten für den Grundversorger, vor allem im Zusammenhang mit der Sperrung von Letztverbrauchern, festgelegt. Dies bringt die Notwendigkeit der Umsetzung neuer Prozesse für den Grundversorger bis zum 1. Januar 2022 mit sich. Aus diesem Grund wollen wir in diesem Blogartikel einen Blick auf die wesentlichen Änderungen der Neufassung der Strom- und GasGVV werfen.

Neufassung der Strom- und GasGVV: neues Wahlrecht für den Kunden

Eine wesentliche Änderung in der Neufassung der Strom- und GasGVV ist die Anpassung des Wahlrechts des Kunden hinsichtlich der Auswahl des Messstellenbetreibers. In der Vergangenheit wurde die Aufgabe des Messstellenbetriebs in der Grundversorgung grundsätzlich vom grundzuständigen Messstellenbetreiber im jeweiligen Versorgungsgebiet des Kunden übernommen. Der Letztverbraucher in der Grundversorgung hatte somit keine Möglichkeit, sich frei für einen Messstellenbetreiber seiner Wahl zu entscheiden. Anders sah dies bei Letztverbrauchern aus, die bereits einen Sondervertrag mit einem Energielieferanten abgeschlossen hatten. Hier besteht schon seit längerem die Möglichkeit, neben einem Energielieferanten den Messstellenbetreiber zu wählen.

Mit der Neufassung der Strom- und GasGVV haben nun auch Letztverbraucher in der Grundversorgung die Möglichkeit, sich frei für einen Messstellenbetreiber zu entscheiden. Somit können Letztverbraucher zwischen einem reinen Energieliefervertrag, bei dem der Grundversorger nicht die Aufgabe bzw. Auswahl des Messstellenbetriebs für den Kunden übernimmt, und einem All-inklusive-Vertrag, bei dem der Grundversorger sämtliche Aufgaben für den Letztverbraucher übernimmt, wählen.

Neufassung der Strom- und GasGVV: neue Anforderungen vor der Kundensperrung

Im Zuge der Neufassung der Strom- und GasGVV wurden die Anforderungen an den Grundversorger für die Sperrung eines Letztverbrauchers aufgrund ausstehender Zahlungen zum Schutz der Letztverbraucher noch einmal deutlich verschärft. Neu ist in diesem Zusammenhang die verpflichtende Zustellung einer Musterabwendungsvereinbarung vor Durchführung der Sperrung. Hier ist dem Letztverbraucher u. a. eine Ratenzahlung als Tilgungsoption anzubieten, durch die er eine mögliche Sperrung vermeiden kann. Auch sind verschiedene Zahlungsmethoden anzubieten.

Pflichtinhalte der Vereinbarung sind u. a. das Angebot einer zinsfreien Ratenzahlung und eine Weiterversorgung auf Basis eines Vorkassesystems. Aus Sicht der Strom- und GasGVV ist eine Ratenzahlung über einen Zeitraum von 6-18 Monaten als zumutbar für den Grundversorger anzusehen. Die Verpflichtung zum Versand einer Musterabwendungsvereinbarung gilt ab dem 1. Januar 2022.

Zusätzlich wurde in der Neufassung eine neue Festlegung getroffen, ab wann ein Grundversorger zur Sperrung des Letztverbrauchers berechtigt ist. Eine Sperrung ist demnach nur dann möglich, wenn der Letztverbraucher mindestens zwei Raten in Höhe des doppelten Abschlags im Verzug liegt, wenn es sich um mehr als 100,- € handelt oder wenn ein Verzug in Höhe eines Sechstels des Jahresvertrags vorliegt.

Um eine Sperrung zu vermeiden, sind allerdings in dem Schreiben zur Durchführung der Sperrung des Letztverbrauchers zusätzliche Informationen zur Abwendung der Sperrung oder zukünftigen Prävention anzugeben. Hierzu zählen Hilfsangebote zur Abwendung der Versorgungsunterbrechung, Inanspruchnahme von Vorauszahlungssystemen, Energieaudits und Energieberatung, staatliche Unterstützungsmöglichkeiten, Schuldnerberater etc. Die Ankündigung der Sperrmaßnahme ist nun nicht mehr 3 Tage vorab mitzuteilen, sondern 8 Werktage vorher. Die Mitteilung kann auf postalischem oder elektronischem Wege erfolgen. In §21 der Neufassung der Strom- und GasGVV ist außerdem neu definiert worden, ab wann ein Grundversorger dauerhaft eine Lieferstelle nicht mehr versorgen muss, wann also die Grundversorgung gekündigt werden kann.

Neufassung der Strom- und GasGVV: neues Prüfverfahren zum Schutz von Leib und Leben

Neben der Musterabwendungsvereinbarung wurden weitere Verschärfungen der Anforderungen an die Sperrung eines Kunden festgelegt. Im Detail sind diese im Referentenentwurf in §19 der Strom- und GasGVV geregelt. Vor die Durchführung einer Sperrung wurde eine neue Verhältnismäßigkeitsprüfung gestellt. Die Prüfung dient der Feststellung, ob Leib und Leben des Letztverbrauchers durch die Sperrung bedroht werden und eine Sperrung aus diesem Grund nicht durchgeführt werden kann. Ein möglicher Grund kann z. B. der Betrieb eines Beatmungsgeräts des Letztverbrauchers sein, das zwandsläufig elektrische Energie benötigt. Aus diesem Grund hat der Grundversorger in seinem Schreiben zur Sperrung des Kunden auf das Prüfverfahren für Leib und Leben hinzuweisen. Gibt ein Kunde einen Grund gegenüber dem Grundversorger an, warum eine Sperrung des Hausanschlusses nicht möglich ist, ist dies vom Versorger hinsichtlich der Gefährdungslage zu prüfen. Der Prüfprozess hat in der Praxis mit hoher Wahrscheinlichkeit manuell zu erfolgen und ist auf den Einzelfall bezogen durchzuführen.

Neufassung der Strom- und GasGVV: weitere kleinere Änderungen

Neben vielen kleinen Änderungen in der Neufassung der Strom- und GasGVV gibt es noch zwei wesentliche Punkte, die vom Grundversorger anzupassen sind. Wie schon bei Sonderverträgen sind nun auch Grundversorger verpflichtet, Hinweise zur Inanspruchnahme der Schlichtungsstelle Energie in ihren AGBs zu veröffentlichen. Bislang war dies in der Strom- und GasGVV noch nicht verpflichtend. Hinzu kommt die Möglichkeit des Letztverbrauchers, bei Zweifel an der Richtigkeit der Messergebnisse eine Prüfung des Grundversorgers zu verlangen. Der Grundversorger hat nach Bekanntgabe der Zweifel durch den Letztverbraucher die Richtigkeit des Zählers zu prüfen, ohne Erhebung einer Sicherheitsleistung durch den Grundversorger gegenüber dem Kunden. Hierdurch soll dem Letztverbraucher eine einfache Möglichkeit ohne finanzielle Hindernisse geboten werden, bei Zweifel an der Richtigkeit der erhobenen Verbrauchswerte die Prüfung durch den Grundversorger zu fordern.

Ein letzter Änderungspunkt der Neufassung der Strom- und GasGVV betrifft speziell die GasGVV. Demnach sind Grundversorger im Bereich Gas verpflichtet, die entstandenen Kosten nach dem nationalen Emissionshandel nach BEHG zukünftig auf der Energieabrechnung auszuweisen, um die Mehrkosten gegenüber dem Letztverbraucher transparent darzustellen.

Fazit zum Referentenentwurf

Mit Blick auf die Neufassung der Strom- und GasGVV und der geplanten Umsetzungspflicht ab 1. Januar 2022 haben Energieversorgungsunternehmen neben anderen Themen, wie der Umsetzung der EnWG-Novelle oder der FFVAV, eine weitere Aufgabe bekommen, die es bis Jahresende umzusetzen gilt. Allerdings handelt es sich wie Anfangs beschrieben momentan noch um den veröffentlichten Referentenentwurf zur Neufassung der Strom- und GasGVV, weswegen noch keine rechtlich bindende Umsetzung erfolgt ist. Da das Konsultationsverfahren hierzu aber bereits abgeschlossen wurde, ist von einer zeitigen Umsetzung, auch unter Berücksichtigung der Anpassung der Änderungen der EnWG-Novelle, auszugehen. In diesem Zuge haben Grundversorger mit Blick auf die geforderten Änderungen der Strom- und GasGVV mindestens vier neue Prozesse innerhalb des EVUs zu implementieren.

Hierzu gehört die Anpassung des Schreibens im Zusammenhang mit einer angedrohten Versorgungsunterbrechung. Hierzu zählt ergänzend der neue Prozess zur Zustellung der Musterabwendungsvereinbarung der Sperrung gegenüber dem Letztverbraucher. Darüber hinaus kommt der Aufbau des neuen Prüfprozesses zur Abwendung von Gefahr für Leib und Leben in Zusammenhang mit einer möglichen Sperrung des Kunden. Gerade die Durchführung der Einzelfallbetrachtung kann einen höheren Aufwand für das EVU bedeuten, um auch wirklich eine potenzielle Gefahr für den Letztverbraucher auszuschließen. Und zu guter Letzt sind die neuen Möglichkeiten zur Abwendung der Sperrung in Form von Ratenzahlung, verschiedenen Zahlungsmethoden o. ä. in die bestehenden Prozesse und Schreiben mitaufzunehmen.

Da sich das Jahresende unaufhaltsam nähert, empfiehlt es sich für Energielieferanten, sich zeitnah mit den Änderungen der Strom- und GasGVV zu beschäftigen und eine Anpassung der Prozesse vorzubereiten, um die neuen gesetzlichen Anforderungen ab dem 1. Januar 2022 einhalten zu können.

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§40a EnWG Novelle: Kundenselbstablesung rechtlich legitimiert

Kundenselbstablesung: Graubereich in der Vergangenheit

Das Ablesen und Erfassen von Verbrauchswerten zur Erstellung der energiewirtschaftlichen Abrechnung ist in der Energiewirtschaft eine der Standardherausforderung schlechthin. Im Fokus stehen hier die SLP-Kunden, deren Messwerte in Gegensatz zu RLM-Kunden nicht aus der Ferne ausgelesen werden. Dies bedeutete in der Energiewirtschaft jahrzehntelang die Anwendung des Turnschuhprinzips, also die Ablesung des Zählers vor Ort. Mittlerweile stehen mit Systemen zur Kundenselbstablesung jedoch Alternativen am Markt zur Verfügung, bei denen der Kunde seinen Verbrauchsstand selbst ablesen und an sein EVU übermitteln kann. Mittlerweile haben digitale Lösungen die klassische analoge Ablesekarte abgelöst, bei der der Kunde z. B. mittels einer App seinen Verbrauchswert direkt an seinen Versorger übermitteln kann.

Allerdings gerieten mit dem Beschluss des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) und dem damit verpflichtenden Einbau von intelligenten Messsystemen (iMsys) Lösungen zur Kundenselbstablesung zunehmend in den Graubereich. Vielen Versorgern war nicht klar, ob Systeme zur digitalen Erfassung im Rahmen einer Kundenselbstablesung eine Übertragung aus der Ferne über ein Kommunikationsnetz darstellen können, wodurch der Einsatz eines iMsys Pflicht gewesen wäre. Da Systeme zur Kundenselbstauslesung gerade bei Haushaltskunden vorkommen, deren Verbrauch meist unter 6.000 kWh p. a. liegt und keine iMsys-Pflicht besteht, herrschte eine große Verunsicherung in der Energiewirtschaftsbranche, ob solche Systeme überhaupt zulässig sind. Einige EVUs sahen im Einsatz von Systemen zur Kundenselbstablesung einen zentralen Kostenvorteil gegenüber dem iMsys, während andere EVUs auf das BSI verwiesen, mit der Begründung, dass jedes System, das Messwerte aus der Ferne erfasst, über das iMsys ausgelesen werden müsste. Andere setzten bereits Systeme auf LoRaWAN-Basis um, zur Anpassung des monatlichen Abschlags sowie zur Bestätigung des Messwerts als Selbstablesung zu Abrechnungszwecken. Mit der Novellierung des EnWG im Juni 2021 hat sich nun der Gesetzgeber dem Graubereich der Systeme zur Kundenselbstablesung gewidmet und mit dem §40a EnWG eine neue rechtliche Grundlage zur Erfassung der Verbrauchsermittlung erlassen.

§40a EnWG Verbrauchsermittlung Strom und Gas im Detail

Im Zuge der Novellierung des EnWGs wurde der §40a EnWG zur Verbrauchsermittlung von Strom und Gas eingeführt. Demnach ist der Energielieferant berechtigt, zur Ermittlung der Verbrauchs- und Rechnungsstellung nach §40 Abs.2 EnWG Ablesewerte über drei verschiedene Wege zu erheben.

Die erste Möglichkeit ist der Erhalt der Mess- und Ersatzwerte über den Netzbetreiber bzw. Messstellenbetreiber; §40a Abs.1 Nr.1 EnWG. Dies dürfte vor allem für Kunden relevant sein, die bereits über eine ZFA oder ein iMsys verfügen. Perspektivisch dürfte dies alle Letztverbraucher mit einem Jahresverbrauch größer 6.000 kWh betreffen, wenn eine Erzeugungsanlage größer 7 kW oder ein Ladepunkt für ein Elektromobil installiert ist. Als zweite Möglichkeit besteht weiterhin die Option, die Zähler manuell über das Turnschuhprinzip abzulesen; §40a Abs.1 Nr.2 EnWG. Dies dürfte dann vor allem die Haushaltskunden betreffen, die weniger als 6.000 kWh p. a. verbrauchen und nicht über eine Erzeugungsanlage größer 7 kW oder einen Anschluss für einen Ladepunkt verfügen.

Alternativ haben Energielieferanten nun rechtlich die Möglichkeit, ihre Letztverbraucher zur Nutzung einer Lösung zur Kundenselbstablesung zu verpflichten; §40a Abs.1 Nr.3 EnWG. Hierbei handelt es sich um ein System, bei dem die „Ablesung der Messeinrichtung vom Letztverbraucher mittels eines Systems der regelmäßigen Selbstablesung und Übermittlung der Ablesewerte durch den Letztverbraucher“ erfolgt. In diesem Zuge darf keine Fernübertragung der Verbrauchsdaten über ein anderes System erfolgen. Dies bedeutet, dass Kunden mit einem iMsys keine Systeme zur Kundenselbstablesung verwenden dürfen. Kunden können der Pflicht zur Selbstablesung nur im Einzelfall aus unzumutbaren Gründen widersprechen; §40a Abs.1 EnWG. Der Energielieferant hat die Kosten einer alternativen Ablesung in diesem Fall selbst zu tragen. Liegen dem Energielieferanten keine Daten über den abrechnungsrelevanten Zeitraum vor, ist er berechtigt, eine Schätzung des jährlichen Verbrauchs durchzuführen. Die Kriterien nach §40a Abs.2 EnWG sind zu beachten.

Kundenselbstablesung vs. iMSys – Was ist erlaubt?

Mit der Neueinführung des §40a EnWG stellt sich nun für den Energielieferanten die Frage, über welche Ablesevariante die Erfassung der Messwerte seiner Kunden erfolgen soll. Für Kunden, die nach dem MsbG mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet werden sollen, stellt sich diese Frage weniger. Hier bekommt der Energielieferant die relevanten Messwerte zur Abrechnung über den Netz- bzw. Messstellenbetreiber. Dies betrifft wie bereits erwähnt alle Kunden mit einem Jahresverbrauch größer 6.000 kWh, mit einer Erzeugungsanlage größer 7 kW oder einem eigenen Ladepunkt zur Versorgung von Elektromobilen. Für alle weiteren Kunden ist der Einbau optional.

Somit stellt sich für das EVU gerade bei Haushaltskunden mit einem Verbrauch kleiner 6.000 kWh, deren Anteil im Netz am höchsten ist, die Frage ob, ein System zur Kundenselbstablesung oder weiterhin das Turnschuhprinzip angewendet werden soll. Hier kann gerade dann der Einsatz eines Systems zur Kundenselbstablesung Sinn ergeben, wenn ein höherer Datenbedarf erforderlich ist, das Ablesen nach dem Turnschuhprinzip nicht wirtschaftlich ist oder kein Personal mehr zur Verfügung steht. Der Grund für einen höheren Datenbedarf an Messwerten kann sich hingegen auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder neuer Geschäftsmodelle von EVUs ergeben, die eine höhere Granularität an Daten erfordern. Aus diesem Grund macht es Sinn, sich die neuen Regeln zur Verschärfung der Rechnungs- und Informationszeiträume anzuschauen.

§40b EnWG – Verschärfung der Rechnungs- und Informationszeiträume

Im Rahmen der EnWG-Novelle wurden nicht nur die Anforderungen zur Verbrauchsermittlung, sondern auch der Rechnungs- und Informationszeiträume angepasst. Wie bereits in der Vergangenheit, ist der Energielieferant verpflichtet, seinem Kunden mindestens einmal pro Jahr eine Abrechnung seiner Verbrauchsmenge nach den Anforderungen des EnWG zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sind Energielieferanten nun verpflichtet, ihren Kunden aktiv „eine monatliche, vierteljährliche oder halbjährliche Abrechnung, die unentgeltliche elektronische Übermittlung der Abrechnungen und Abrechnungsinformationen sowie mindestens einmal jährlich die unentgeltliche Übermittlung der Abrechnungen und Abrechnungsinformationen in Papierform“ anzubieten §40 Abs.1 EnWG. Sofern der Letztverbraucher keinen Abrechnungszeitraum bestimmt, ist dieser durch den Energielieferanten festzulegen.

Verfügt der Kunde nicht über ein System zur Fernauslesung seines Zählers, sind dem Kunden die „Abrechnungsinformationen mindestens alle sechs Monate oder auf Verlangen einmal alle drei Monate unentgeltlich zur Verfügung zu stellen“; §40b Abs.2 EnWG. Für Kunden mit Systemen zur Fernauslesung hat dies jeden Monat zu erfolgen. Durch die Festlegung der häufigeren Informationsbereitstellung kann es für das EVU daher Sinn machen, vermehrt auf Systeme zur Kundenselbstablesung zu setzen für Kunden ohne Systeme zur Fernauslesung. Einige EVUs, wie z. B. die enercity, nutzen bereits solche Systeme auf LoRaWAN-Basis und nutzen die IoT-ERP-Bridge der items zur Bereitstellung der IoT-Daten in der Abrechnung. Neben der häufigeren Ablesung der Messsysteme hat der Kunde außerdem ein Anspruchsrecht, seine historischen Verbrauchsdaten der letzten drei Jahre vom Energielieferanten zur Verfügung gestellt zu bekommen; §40b Abs.5 EnWG. Die Bereitstellung der Daten könnte über die neue Marktrolle des Energieserviceanbieters (ESA) erfolgen, den wir bereits in einem eigenen Blogbeitrag vorgestellt haben.

Fazit zur Kundenselbstauslesung

Mit der Regelung im EnWG über den Einsatz von Systemen zur Kundenselbstauslesung herrscht nun endlich Klarheit über den rechtlich legitimen Einsatz solcher Systeme. EVUs müssen sich nun nicht mehr entscheiden, ob sie vollständig auf das iMsys oder Systeme zur Kundenselbstauslesung setzen wollen, sondern können die vollständige Bandbreite der zur Verfügung stehenden Technologien einsetzen. Am Ende ist in der Praxis von einem Technologiemix auszugehen. Für Kunden, die bereits unter die Rechte und Pflichten des MsbG fallen, ändert sich mit der Novellierung nichts. Für kleine Haushaltskunden hat das EVU mit der Anbindung an ein SMGW, dem Turnschuhprinzip und dem System zur Kundenselbstauslesung aber nun drei legitime Werkzeuge an der Hand. In welcher Form sich der Einsatz der Ablesemöglichkeiten in der Zukunft entwickeln wird bleibt abzuwarten. Auf Grund der verschärften Vorschriften der häufigeren Informationszeiträume gegenüber dem Kunden ist es jedoch als wahrscheinlich anzusehen, dass das Turnschuhprinzip durch das System der Kundenselbstauslesung ersetzt wird, sofern kein Einbau eines iMsys geplant ist.

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Redispatch 2.0 Ausfallarbeit – eine Erläuterung der Grundlagen (Aufforderungs- und Duldungsfall etc.)

Redispatch 2.0 Ausfallarbeit: Hintergrund

Das Thema Redispatch 2.0 rückt mit der Umsetzung des Einführungsszenarios ab dem 1. Juli immer mehr in den Fokus der Energiewirtschaft. Hierbei sind viele neue Prozesse im EVU zu etablieren, technische Grundlagen zu schaffen und das Thema Redispatch 2.0 immer weiter zu verstehen. Nach ersten Einblicken in unseren bereits vorliegenden Blogbeiträgen zum Thema Redispatch 2.0, den unterschiedlichen technischen Ressourcen und IDs sowie dem Redispatch 2.0 Einführungsszenario, widmen wir uns in diesem Beitrag nun den energiewirtschaftlichen Grundlagen zum Thema Redispatch 2.0 Ausfallarbeit. Dabei soll es darum gehen, was unter dem Begriff Ausfallarbeit zu verstehen ist, wie diese entsteht und die damit verbundenen Steuerungsprozesse (Aufforderungs- und Duldungsfall), Abrechnungsvarianten und Bilanzierungsmodelle (Prognose. & Planwertmodell) funktionieren.

Redispatch 2.0 Ausfallarbeit: Der Ausgangspunkt

Ausgangspunkt für das Thema Redispatch 2.0 Ausfallarbeit ist das energiewirtschaftliche Verständnis, dass die Beschaffung der Energie auf einer virtuellen, kaufmännischen Basis erfolgt. Eine Abstimmung der physikalischen Begrenzung des Stromnetzes erfolgt in diesem Schritt nicht. In der Praxis müssen daher alle Bilanzkreisverantwortlichen ihre Fahrpläne in Form von ausgeglichenen Bilanzkreisen am Vortag bei den zuständigen Bilanzkreiskoordinatoren (ÜNBs) einreichen. Diese führen auf Basis aller eingereichten Bilanzkreise eine Lastflussberechnung durch, um Netzengpässe für den nächsten Tag zu identifizieren. Wird ein physikalischer Engpass festgestellt, erfolgt eine Anweisung an einzelne Anlagenbetreiber, ihre Erzeugung bzw. Verbrauch für den nächsten Tag zu erhöhen bzw. zu drosseln. So kommt es z. B. zu dem berühmten Beispiel, dass Windkraftwerke im Norden des Landes ihre Erzeugung drosseln müssen und Gaskraftwerke im Süden ihre Leistung erhöhen, weil die Netzkapazität von Nord nach Süd nicht ausreicht. Die Folge einer Verlagerung der Erzeugungsleistung durch eine Redispatchmaßnahme kann ein Herauffahren der Anlage bedeuten, was zu einer negativen Ausfallarbeit führt (positiver Redispatch) oder ein Herunterfahren der Anlage, was zu einer positiven Ausfallarbeit führt (negativer Redispatch).

Im Rahmen der Anpassungen Redispatch 2.0 werden nun nicht nur die ÜNBs, sondern auch alle VNBs mit in den Prozess einbezogen sowie eine ganze Reihe neuer Erzeugungsanlagen, im Redispatch 2.0 technische Ressource genannt. Damit eine technische Ressource durch eine Redispatchmaßnahme herauf- oder heruntergefahren werden kann, ist natürlich der Einbezug des Einsatzverantwortlichen und der damit verbundenen technischen Ressource notwendig. Dies erfolgt entweder über den Aufforderungs- oder Duldungsfall, bei dem es zu einer Entstehung der Ausfallarbeit kommt. Aus diesem Grund schauen wir uns das Funktionsprinzip in diesem Blogbeitrag einmal näher an.

Der Aufforderungsfall

Grundvoraussetzung sowohl bei dem Aufforderungs- als auch dem Duldungsfall ist der Einbezug der technischen Ressourcen in den Redispatch 2.0-Prozess, bei dem der Netzbetreiber die Fahrpläne oder Prognosen der Simulation der Lastflussberechnung zur Erkennung von kritischen Netzzuständen miteinbezieht.  Im Rahmen des Aufforderungsfalls erfolgt die Anpassung der Leistung der steuerbaren technischen Ressource nicht direkt über den Netzbetreiber, sondern ist durch den Einsatzverantwortlichen durchzuführen. Hierfür erhält dieser über den Data-Provider seinen neuen Fahrplan über den Netzbetreiber. Da die Information des neuen Fahrplans lediglich eine Prognose des zukünftigen Bedarfs der technischen Ressource darstellt, kann es dann zum Zeitpunkt der Aktivierung der technischen Ressource noch zu Abweichungen der Ausfallarbeit kommen. 

Prozess Abruf im Planwertmodell im Aufforderungsfall (Copyright: BNetzA)

Der Duldungsfall

Im Gegensatz zum Aufforderungsfall ist nicht der Einsatzverantwortliche für die Anpassung der Leistung der technischen Ressource verantwortlich, sondern der Netzbetreiber ist berechtigt, die Schalthandlung direkt auf der technischen Ressource durchzuführen. Der Einsatzverantwortliche wie auch der Betreiber der technischen Ressource müssen den Eingriff des Netzbetreibers „dulden“.  Ob der Aufforderungs- oder Duldungsfall gewählt wird, hängt von den technischen Restriktionen des Netzbetreibers ab. Planbare Anlagen sind dem Duldungsfall zuzuordnen. In der Praxis sollen sich technische Ressourcen mit Rundfunksteuertechnik und technische Ressourcen kleiner 1 MW immer im Duldungsfall befinden. Größere technische Ressourcen können sich auch im Duldungsfall befinden. Ebenso sind Speicher- und Laufwasserkraftwerke im Duldungsfall sowie dargebotsabhängige Anlagen wie Wind- oder PV-Anlagen.

Ausfallarbeit: Bilanzierungsmodell

Nachdem es durch die Durchführung einer Redispatchmaßnahme im Aufforderungs- oder Duldungsfall es zu einer Ausfallarbeit gekommen ist, ist die Menge der Ausfallarbeit zu bilanzieren. Hierfür existieren im Redispatch 2.0 zwei verschiedene Verfahren: das Prognosemodell und das Planwertmodell.

Prognosemodell

Bei dem Prognosemodell handelt es sich um das Standardmodell zur Bilanizerung der Ausfallarbeit. Der Netzbetreiber erstellt im Rahmen des Modells eine Prognose über die Produktion der technischen Ressource, weswegen er die Berechnung der Ausfallarbeit selbst übernimmt. In diesem Kontext bilanziert er, welche Menge als Ausfallarbeit angefallen ist und schickt diese an den Betreiber der technischen Ressource weiter, welcher die Berechnung des Netzbetreibers zu überprüfen hat. Die Übermittlung der Werte erfolgt bis zum 8. Werktag des Folgemonats. Die Menge der Ausfallarbeit überführt der Netzbetreiber zur „Bereinigung der Bilanzkreise“ am Ende in eine sog. Ausfallüberführungszeitreihe (AAÜZ).

Planwertmodell

Im Planwertmodell erfolgt im Gegensatz zum Prognosemodell keine Prognose der technischen Ressource, sondern eine Erfassung und Übermittlung des Fahrplans direkt an den Netzbetreiber. Es liegen somit keine Prognosen, sondern Echtzeitdaten vor! Daher erfolgt die Ermittlung des Fahrplans und der damit verbundenen Ausfallarbeit durch den Betreiber der technischen Ressource selbst. Die Ausfallarbeit ist dem Netzbetreiber zu melden, welcher die Angaben des Betreibers überprüft. Um an dem Planwertmodell mit seiner eigenen technischen Ressource teilnehmen zu können, sind bestimmt Kriterien zu erfüllen, auf die aber in diesem Beitrag nicht näher eingegangen werden soll. Im Anschluss erfolgt nach der Genehmigung der Ausfallarbeit durch den Netzbetreiber der bilanzielle und finanzielle Ausgleich über den Netzbetreiber.

Redispatch 2.0 Ausfallarbeit: Abrechnungsvarianten

Nach erfolgter Bilanzierung muss im Nachgang eine Abrechnung der angefallenen Redispatch 2.0 Ausfallarbeit erfolgen. Hierfür existieren drei verschiedene Abrechnungsvarianten, deren Auswahl von unterschiedlichen Kriterien abhängt.

Spitzabrechnung

Die erste Variante stellt die Spitzabrechnung dar. Hierfür muss der Netzreiber der technischen Ressource bestimmte technische Voraussetzungen erfüllen. Beispielsweise benötigt eine Windkraftanlage zur Berechnung der Ausfallarbeit nach der Spitzabrechnung direkt von der Anlage vor Ort erhobene Wetterdaten, um die potenzielle Ausfallarbeit auf Basis der Wetterdaten berechnen zu können. Hierfür findet bei einer Windkraftanlage die Verknüpfung der Wetterdaten mit der Anlagenkennlinie statt, die am Ende die potenziell mögliche Anlagenleistung ohne die Durchführung der Redispatchmaßnahme angibt. Bei Solaranlagen erfolgt dies nicht über die Messung der Windgeschwindigkeit, sondern über die Messung des Einstrahlleistung der Sonne, während bei nichtflukturierenden Anlagen wie konventionellen und Biomasseanlagen der Fahrplan als Grundlage dient. Vereinfacht ausgedrückt dienen die SCADA-Daten der Anlagensteuerung für die Spitzabrechnung als wesentliche Grundlage zur Abrechnung der Ausfallarbeit.

Spitzabrechnung „light“

Der Unterschied zwischen Spitzabrechnung und Spitzabrechnung „light“ ist die Erfassung aller wesentlichen Informationen zur Berechnung der Ausfallarbeit nicht direkt an der Anlage, sondern z. B. über den Einbezug von Referenzstandorten. Dies kann z. B. die Nutzung der Messtechnik zur Erfassung der Wetterdaten einer benachbarten Windkraftanlage als Referenzstandort sein. Für Solaranlagen können auch die Daten von Wetterdienstleistern genutzt werden. Hier könnte es sich für ein EVU u. a. anbieten, LoRaWAN-Wetterstationen im eigenen Versorgungsgebiet zu installieren und die Messdaten den Betreibern der technischen Ressourcen zu verkaufen, damit diese am Spitzabrechnungsverfahren „light“ und nicht am Pauschalverfahren teilnehmen müssen.

Pauschalverfahren

Das Pauschalverfahren zur Berechnung und Abrechnung der Ausfallarbeit wird immer dann angewendet, wenn die messtechnischen Anforderungen für die Spitzabrechnung oder Spitzabrechnung „light“ nicht erfüllt sind. In diesem Fall erfolgt die Berechnung der Ausfallarbeit über die Betrachtung der erzeugten Energiemenge der letzten Viertelstunde vor der Aktivierung der Redispatchmaßnahme. Die Grundlage hierfür sind die prognostizierten Daten aus dem erstellten Fahrplan.

Insgesamt liegt die Auswahl des Abrechnungsmodells beim Betreiber der technischen Ressource, der die Einhaltung der technischen Mindestanforderungen sicherzustellen hat.

Fazit zum Thema Ausfallarbeit im Redispatch 2.0

Insgesamt handelt es sich bei dem Thema Redispatch 2.0 Ausfallarbeit um ein äußerst komplexes Thema, zu dem in diesem Blogbeitrag die wesentlichen Zusammenhänge dargestellt wurden. Jeder Betreiber einer technischen Ressource muss für sich selbst klären, welches Modell – Aufforderungs- oder Duldungsfall – er präferiert sowie welches Bilanzierungs- und Abrechnungsmodell für ihn am vorteilhaftesten ist. Für Netzbetreiber, Lieferanten und Anlagenbetreiber bedeuten die neuen Prozesse aus dem Redispatch 2.0 im Zusammenhang mit der Thematik Ausfallarbeit einen erhöhten Mehraufwand. Neue Prozesse sind zu etablieren, die verschiedenen Prognose- und Abrechnungsmodelle zu prüfen sowie Systemseitig umzusetzen und in die bestehenden IT- und Prozessinfrastrukturen zu integrieren. Für eine tiefergehende Analyse der vorgestellten Themen ist sicherlich ein Blick in die Leitfäden des BDEW zum Thema Redispatch 2.0 empfehlenswert, wo auch eine visuelle Darstellung der wesentliche Prozesse rund um das Thema Ausfallarbeit zu finden ist.

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Praxisbericht: LoRaWAN in der Netzleitstelle

Smart Grid: Mit LoRaWAN in der Netzleitstelle

LoRaWAN in der Netzleistelle zur Realisierung eines intelligenten Energieversorgungsnetzes ist längst kein abstraktes Thema in der Branche mehr. Immer mehr EVUs begeben sich auf den Weg, ihre neugewonnenen Informationen in die jeweiligen Fachsysteme zu integrieren. Neben der Abrechnung von LoRaWAN-Zählern stellt die Netzleitwarte eines Stadtwerks ein präferiertes System da. Hierbei soll LoRaWAN als Übertragungstechnik dazu dienen, den Transformationsprozess des Energieversorgungsnetzes hin zu einem Smart Grid zu unterstützen.

Die Netzleitstelle als Herzstück zur Überwachung und Steuerung des Energieversorgungsnetzes nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Die erhobenen Daten aus dem LoRaWAN-Netz werden dem Mitarbeiter in der Leitwarte für eine bessere Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt. Die Ableitung von Maßnahmen soll so besser und einfacher getroffen werden können. Doch es stellt sich grundsätzlich die Frage, wie eine Integration von Messwerten aus dem LoRaWAN-Netz in die Netzleitstelle erfolgt und welche Daten dort überhaupt visualisiert werden sollten. Da viele vor Projekten rund um das Thema Netzleitwarte auf Grund der hohen Komplexität oder Sicherheitsbedenken zurückscheuen, wollen wir einen Blick darauf werfen, welche Fragestellungen zu klären sind und wie ein solches Projekt umgesetzt werden kann. Ausgangspunkt sind jedoch die technischen Voraussetzungen, weswegen wir zuerst einen Blick auf die Grundlagen der Fernwirktechnik und die notwendige IT-Architektur werfen:

Fernwirktechnik: Was sind die Grundlagen?

In der Vergangenheit und auch noch heute erfolgt die Anbindung von Assets in die Netzleitwarte oft über klassische Fernwirktechnik. Dabei stellt die Fernwirktechnik einen Teil der Netzleittechnik dar, der die Messungs-, Steuerungs- und Regelungstechnik umfasst. In der Fernwirktechnik ist zwischen der Überwachungs- und Steuerungsrichtung zu unterscheiden. Diese sind abhängig vom Blickwinkel des Betrachters, sprich dem Mitarbeiter in der Netzleitwarte. Aus Blickrichtung des Betrachters spricht man von der Steuerungsrichtung. Aus der Perspektive zum Betrachter hin, hingegen von der Übertragungsrichtung.

Die Fernwirktechnik besteht im Allgemeinen aus einem zu überwachenden Objekt, das mittels eines Fühlers überwacht wird. Der Fühler greift physikalische Größen wie z. B. den Druck oder Temperaturwert des Assets ab und wandelt den analogen Messwert mittels eines Umformers in einen digitalen Messwert um. Standardschnittstellen sind hier z. B die 0-20 mA- oder 4-20 mA-Schnittstelle. Über einen Verstärker erfolgt die Übertragung des digitalen Messwerts zu einem zweiten Umformer, der den digitalen Messwert zurück in einen analogen Messwert übersetzt und der Netzleitstelle zur Verfügung stellt. Der Mitarbeiter kann sich dann die Information des Objekts in der Netzleitstelle anzeigen lassen und ggf. Steuerungsbefehle ausgeben, sofern das Objekt über eine entsprechende Steuerungseinheit verfügt.

Grundlegende Beschreibung der Fernwirktechnik
Grundlagen der Fernwirktechnik

Hier stellt sich nun die Frage, wie eine Integration von LoRaWAN in der Netzleitstelle erfolgen kann und wie auf den bereits bestehenden Erfahrungen im Bereich der Fernwirktechnik aufgesetzt werden kann. Hierzu werfen wir einen ersten Blick auf die notwendige IT-Architektur:

IT-Architektur: LoRaWAN in der Netzleistelle

Bei der Integration eines Objekts mittels LoRaWAN in die Netzleitwarte ist wie auch in der Fernwirktechnik ein geeigneter Fühler auszuwählen. Der LoRaWAN-Sensor stellt dabei den Fühler dar. Dieser wandelt die analogen Messwerte in digitale Messwerte um. Alternativ können auch bereits bestehende digitale Messwerte abgegriffen werden und über eine LoRaWAN-Bridge in das „LoRaWAN-Format“ übersetzt werden, wie dies in der folgenden Abbildung dargestellt ist.

Der LoRaWAN-Sensor als Fühler ist zur Übertragung der Messwerte in das LoRaWAN-Netz eingebunden. Dieses übernimmt die Rolle des Verstärkers zum Transport der Messwerte und besteht aus dem LoRaWAN-Gateway und dem LoRaWAN-Netzwerk-Server (LNS). Die Informationen werden an den Data-Hub, die IoT-Plattform, übertragen. Dort findet die Entschlüsselung der LoRaWAN-Messwerte statt. Über eine integrierte Schnittstelle im Data-Hub erfolgt dann eine Übersetzung der Messwerte in das IEC-104-Protokoll. Dabei handelt es sich um ein standardisiertes Protokoll, das in der Fernwirktechnik eingesetzt wird und von der Netzleitstelle verarbeitet werden kann. Das Protokoll gibt bestimmte Arten bzw. Typen von Messwerten vor, die übertragen werden können. In diesem Beispiel sind dies die Typen 1,2 und 13.

Bei der Schnittstelle im Data-Hub handelt es sich um einen IEC-104-Slave, der mit einem IEC-104-Master aus der Netzleitwarte verbunden ist, da Netzleitwarten nach dem Master-Slave-Prinzip arbeiten. Hierfür muss eine Verbindung zwischen dem Master und dem Slave (Master-Slave-Prinzip) hergestellt werden. In unserem Beispiel steht der Data-Hub mit dem 104-Slave im kommunalen Rechenzentrum der items GmbH und der Master im Rechenzentrum des Kunden. Zur Sicherstellung einer sicheren Verbindung ist ein VPN-Tunnel zwischen Master und Slave installiert. Eine Anpassung der Firewallregeln ist hierfür notwendig.

Nachdem eine Verbindung zwischen Master und Slave hergestellt ist, müssen beide aufeinander abgestimmt werden. Nach erfolgter Konfiguration ist nun eine Einrichtung von Sensoren im Data-Hub-LoRaWAN möglich. Zur Übertragung der Messwerte sind die Sensoren mit dem IEC-104-Slave im Data-Hub zu verknüpfen. Die Netzleitwarte kann sich dann über den IEC-104-Master die Daten über das Pullprinzip abholen. Zuletzt erfolgt eine Weiterleitung der Messwerte über den Master per LAN-Verbindung in die Verbunds- bzw. Netzleitstelle.

IT-Architektur der Netzleitstelle mit LoRaWAN
IT-Architektur

Anwendungsfälle: Welche gehören in die Netzleitstelle?

Auf dem ersten Blick ist man schnell dazu verleitet, möglichst alle Informationen in der Netzleitwarte zu visualisieren. Von Strom- und Spannungsmessungen an Trafostationen und KVS-Schränken über jegliche Assets im Bereich der Gas- und Wasserversorgung wie in der Fernwärme. Bevor dies jedoch erfolgt, sollte zuerst eine Analyse und Grundsatzentscheidung getroffen werden, welche Messwerte in die Netzleitwarte gehören und welchen Mehrwert diese liefern sollen. Im Allgemeinen ist die Frage zu beantworten: Handelt es sich um Messwerte, die für ein Live-Monitoring notwendig sind oder eher um Messreihen zur Planung und Optimierung des Energieversorgungsnetzes?
Viele Messwerte werden oft nur zu Planungs- oder strategischen Optimierungszwecken benötigt, weswegen eine Integration nicht erforderlich ist. Im Fokus sollten daher Messwerte stehen, die dem Live-Monitoring dienen und die Entscheidungsfähigkeit des Mitarbeiters unterstützen. Schalthandlungen sollten dabei nicht umgesetzt werden, da die Latenzzeit und Zuverlässigkeit von LoRaWAN zu gering ist, um eine sachgerechte Umsetzung von Steuerungsbefehlen zu gewährleisten.

In der Praxis handelt es sich um Anwendungsfälle, die eher Entscheidungen in der Netzleitwarte betreffen und die die Handlungsfähigkeit der Mitarbeiter beschleunigen, deren Ausfall aber nicht den Betrieb des Energieversorgungsnetzes gefährdet. Ein klassisches Beispiel stellen Schleppzeiger dar. Wird ein Schleppzeiger mittels eines LoRaWAN-Sensors überwacht und ausgelöst, erhält der Mitarbeiter die Information sofort in der Netzleitwarte. Da der Standort der Fehlermeldung bekannt ist, kann der Monteur gezielt den Fehlerort ansteuern. Die Störung kann deutlich schneller behoben werden, da nicht ggf. jede Ortsnetzstation einzeln abgefahren werden muss. Das Q-Element kann so deutlich gesteigert werden. Sollte der LoRaWAN-Sensor ausfallen, stellt dies aber keine Gefährdung des Betriebs dar, weil zur Not wie früher jede Ortsnetzstation einzeln angefahren werden kann.

Daher haben sich in der Praxis verschiedene Anwendungsfälle über die einzelnen Sparten durchgesetzt. Hierzu zählt z. B. neben der Überwachung von Schleppzeigern, das Monitoren von Kurzschlussanzeigern, die Überwachung von Sicherheitsabsperrventilen (SAV) bei Gasdruckregelstationen, das Monitoren von Fernwärmeschlechtpunkten oder die Strom- und Spannungsüberwachung netzrelevanter Trafostationen.

ISO 27001: Ist LoRaWAN in der Netzleitstelle erlaubt?

Da es sich bei der Netzleitstelle um einen Teil der kritischen Infrastruktur handelt, ist die Sicherheit ein wesentliches Kriterium. Hierfür hält jeder Netzbetreiber ein eigenes Informationssicherheitskonzept nach der ISO 27001 vor. Da mit der Integration von LoRaWAN in der Netzleitstelle aktiv in das System eingegriffen wird, sind immer auch die Auswirkungen auf das Sicherheitskonzept zu berücksichtigen.

Ob eine Anpassung des Informationssicherheitskonzepts nach ISO 27001 notwendig ist, muss immer im Einzelfall geprüft werden. Eine Pauschalaussage ist an dieser Stelle nicht möglich, da auch der Scope des Konzepts entscheidend ist. In vielen Fällen wird der Scope erst berührt, wenn über LoRaWAN auch Schalthandlungen realisiert werden würden. Dies ist aber in den meisten Fällen nicht der Fall und auf Grund der technischen Eigenschaften von LoRaWAN selten ratsam.

Da die LoRaWAN-Messwerte eher den Entscheidungsprozess des Mitarbeiters fördern, im Falle einer Nichtverfügbarkeit der Daten aber nicht den Netzbetrieb gefährden, ist eine Anpassung des Konzepts meist nicht notwendig. Allerdings haben manche Netzbetreiber ihren Scope soweit gefasst, dass schon die bloße Existenz der Information ausreicht, die Entscheidung eines Mitarbeiters zu verändern, sodass dies auch im Informationssicherheitskonzept zu berücksichtigen ist. In diesem Fall ist eine Risikobetrachtung und -bewertung durchzuführen. Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen könnten im Einzelfall die Folge sein, die einen Einsatz von LoRaWAN in der Netzleitstelle nicht verhindern.

Projektumsetzung: Worauf kommt es an?

Bei Projekten rund um die Netzleitwarte haben viele Projektmanager und Beteiligte oft Bedenken, was die Umsetzung angeht. Zum einen besteht eine hohe Komplexität hinsichtlich der Integration der Projektbeteiligten, da eine Vielzahl von Mitarbeitern mit unterschiedlichem Know-how notwendig sind. Zum anderen müssen die Fragen hinsichtlich der IT-Sicherheit ausreichend beantwortet werden, um die Fachabteilung erfolgreich einzubinden. Hinzu kommt die Problematik des unterschiedlichen inhaltlichen Verständnisses der Beteiligten. Hinzu können Kommunikationsprobleme kommen, die aus einem unterschiedlichen Wording entstehen. So können z. B. Mitarbeiter aus der Fernwirktechnik unter dem Begriff Master-Slave etwas komplett anderes verstehen als die Mitarbeiter aus der IT, welche die Firewallregeln anpassen. Aus diesem Grund ist die Grundvoraussetzung, dass die notwendigen Wissenträger eingebunden sind und in diesem Fall bereits ein LoRaWAN-Netz besteht sowie der Data-Hub bereits im Einsatz ist.
Zur Integration von LoRaWAN in die Netzleitstelle sollte daher im ersten Schritt der IEC-104-Slave im Data-Hub installiert und konfiguriert werden. Im Anschluss erfolgt die Installation des VPN-Tunnels. Die Verbindung zwischen dem IEC-104-Slave im Data-Hub und dem IEC-104-Master der Netzleitstelle sollte dann über ein Ping-Signal getestet werden, um die Funktionsfähigkeit des VPN-Tunnels zu gewährleisten.

Ist der VPN-Tunnel einsatzfähig, kann die Konfiguration des IEC-104-Slave und -Master erfolgen. Hier bietet es sich an, direkt mit einem Testsensor die Konfiguration auszuprobieren. Ist die Konfiguration abgeschlossen, kann die Verbindung vom Data-Hub zur Netzleitstelle für weitere Sensoren genutzt werden. Die Umsetzung der Anwendungsfälle kann somit starten.

In der Praxis wird für ein Projekt dieser Art ein Zeitraum von 1 bis 3 Monaten benötigt. Die Zeitspanne ist abhängig vom IoT-Wissen des Kunden, der Anzahl der eingebundenen Dienstleister und der Größe des Personenkreises. Gerade bei einer hohen Dienstleisterdichte und vielen Projektbeteiligten besteht ein hoher Abstimmungsbedarf, der zu einer längeren Projektumsetzung führt. Hierbei stellten in laufenden Projekten eine ausreichende Kommunikation, die Einführung eines einheitlichen Wordings, das alle Projektbeteiligten verstehen, und die Anpassung der Firewallregeln, wenn mehrere Dienstleister integriert waren, die größten Herausforderungen dar. Je nach Komplexität liegt ein solches Projekt bei zwischen 10 bis 20 Personentagen. Zusätzliche Anpassungen in der Netzleitwarte durch den Hersteller der Netzleitwartensoftware und Aufwände für eine mögliche Anpassung des ISMS nach ISO 27001 sind in dieser Kalkulation nicht enthalten.

Projektstruktur zur Integration von LoRaWAN
Projektstruktur zur Integration von LoRaWAN

Fazit: LoRaWAN in der Netzleitstelle

Die Integration von LoRaWAN in der Netzleitstelle stellt aus heutiger Sicht kein großes Problem mehr da. Die Technik ist mittlerweile so weit, dass eine Integration problemlos möglich ist. Die Komplexität und Aufwände sind nicht höher als bei anderen, heute üblichen IT-Projekten. Durch die Integration von Messwerten in der Netzleitwarte wird den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, die Informationen aus dem LoRaWAN-Netz direkt im eigenen Fachsystem zu nutzen. Ein Zugriff auf den Data-Hub und somit ein Medienbruch für den Mitarbeiter ist somit nicht mehr nötig.
Durch die Verbesserung der Prozesseffizienz im Netzbetrieb ist von einer schnellen Amortisation der Kosten auszugehen. Durch die Steigerung des Q-Elements, z. B. durch das Überwachen von Schleppzeigern, und einer schnelleren Störungsbehebung können finanzielle Mehrwerte schnell gehoben werden. Hinzu kommt eine generelle Zeitersparnis für die eigenen Mitarbeiter, da die Anzahl des Personals bedingt durch den demographischen Wandel stetig abnimmt.

Zur Umsetzung eines sog. Smart Grids wird es jedoch nicht ausreichen, nun sämtliche Anwendungsfälle auf LoRaWAN zu realisieren und in die Netzleitwarte zu integrieren. LoRaWAN stellt in diesem Kontext nur ein zusätzliches Werkzeug dar, das die Transformation des Energieversorgungsnetzes unterstützt. Vielmehr ist in der Zukunft von einem Technologie-Mix auszugehen, bei dem sowohl kabelgebundene Lösung per Glasfaser, als auch Funklösungen wie LoRaWAN, 450 MHz oder NB-IoT zum Einsatz kommen.

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Drittmengenabgrenzung – Messkonzepte mit LoRaWAN

Drittmengenabgrenzung: Definition & Hintergründe

In der Energiewirtschaft haben Unternehmen als Letztverbraucher die Möglichkeit sich von unterschiedlichen Steuern, Abgaben und Umlagen befreien zu lassen, wenn diese bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Hierzu zählt u.a. die Befreiung von der EEG-Umlage bei stromintensiven Betrieben. Mit der nun verpflichtenden Drittmengenabgrenzung ab dem 01.01.2022 verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, dass ausschließlich privilegierte Strommengen des Unternehmens von den Abgaben und Umlagen befreit sein sollen. Daher ist eine Drittmengenabgrenzung erforderlich, welche die privilegierte kWh von der nichtprivilegierten kWh trennt. Sprich leitet das privilegierte Unternehmen Strom an einen Dritten auf seinem Werksgelände weiter, darf diese Strommenge nicht von den Vergünstigungen profitieren. Hierzu könnten z. B. untervermietete Büroflächen auf dem Werksgelände des privilegierten Unternehmens zählen. Aus diesem Grund sieht der Gesetzgeber eine Abgrenzungspflicht der Strommengen vor.

Insgesamt können Unternehmen unterschiedliche Entlastungen und Begünstigungen bei gesetzlichen Steuern, Abgaben, Umlagen oder Netznutzung in Anspruch nehmen. Hierzu zählen u.a.:

  • Die Reduktion der Netzumlagen (KWKG-, §19-StromNEV-, Offshore-Netzumlage),
  • Die Stromsteuerentlastung,
  • EEG-Umlage-Privilegien, sei es nach der besonderen Ausgleichsregelung oder bei der Stromeigenerzeugung
  • Atypische oder stromintensive Netznutzung nach § 19 Abs. 2 StromNEV

Die Vergünstigung können allerdings nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Strom durch das privilegierte Unternehmen selbst verbraucht wird.  Hierfür sind die Energiemengen genau zu erfassen. Erfolgt dies nicht droht dem Unternehmen der Entzug der Privilegien, im schlimmsten Fall sogar eine Rückzahlung bereits gewährter Vergünstigungen. Aus diesem Grund muss das Unternehmen ein Konzept entwickeln diese Strommengen genau zu erfassen. Im ersten Schritt gilt es jedoch die relevanten Drittmengen zu finden.

Drittmengenabgrenzung: Identifikation relevanter Strommengen

Für eine erfolgreiche Drittmengenabgrenzung sind die relevanten Strommengen und Verbraucher zu identifizieren bevor es an die Entwicklung eines geeigneten Messkonzepts geht. Im ersten Schritt ist zu klären, ob im Rahmen des Strombezugs oder der Stromeigenerzeugung Privilegien geltend gemacht werden. Des Weiteren ist die Art des Privilegs zu klären. Handelt es sich um eine Vergünstigung im Rahmen der Steuererleichterung, der Abgaben, Umlagen oder der Netznutzung? Des Weiteren ist zu identifizieren, ob eine Weiterleitung von Strommengen an Dritte innerhalb des Betriebs erfolgt. Daneben sind potentielle Anlagen zu identifizieren, welche durch Dritte betrieben werden. Außerdem sind die Strommengen abzugrenzen, welche der Bagatellgrenze unterliegen.

Bei einem Betrieb von Erzeugungsanlagen ist zu klären, welche Person die Rolle des Betreibers annimmt. Nach dem EEG (§ 3 Nr. 33 EEG) ist derjenige Betreiber der Anlage, welcher:

  1. die tatsächliche Sachherrschaft über die elektrischen Verbrauchsgeräte ausübt,
  2. ihre Arbeitsweise eigenverantwortlich bestimmt und
  3. das wirtschaftliche Risiko trägt.

Für die Übernahme der Betreiberrolle nach dem EEG müssen alle drei Kriterien erfüllt sein. Eine gute Unterstützung bei der Identifizierung der unterschiedlichen möglichen Szenarien bietet der Leitfaden Messen und Schätzen und der Leitfaden zur Eigenversorgung der BNetzA.

Drittmengenerfassung per Messkonzept

Zur Sicherstellung der Drittmengenabgrenzung hat das privilegierte Unternehmen ein Messkonzept zu entwickeln. Das Messkonzept hat sicherzustellen, dass alle relevanten Drittmengen erfasst werden. Durch die Abgrenzung der Drittmengen über ein Messkonzept erfüllt das Unternehmen die Nachweispflichten gegenüber der Behörde und Netzbetreiber und kann über das Jahr 2022 hinaus seine Privilegien in Anspruch nehmen. Die meisten Netzbetreiber haben in diesem Kontext bereits im Jahr 2021 die betroffenen Unternehmen angeschrieben. Sollte dies nicht der Fall sein, hat das Unternehmen trotzdem die Umsetzungspflicht zur Drittmengenabgrenzung bis zum 01. Januar 2022 umzusetzen. Die Entwicklung und Umsetzung des Messkonzeptes obliegt dem privilegierten Unternehmen.

LoRaWAN-Geschäftsmodell Submetering

Für Unternehmen stellt sich im Rahmen der Drittmengenabgrenzung die Frage, wie das Messkonzept technisch realisiert werden könnte. Dabei ist der Einsatz eines geeichten und zertifizierten Zählers Pflicht. An dieser Stelle bietet es sich an auf die LoRaWAN-Technologie zurückzugreifen. Da es sich bei dem Messkonzept um ein Submeteringkonzept zur Erfassung von Drittmengen handelt ist der Einsatz eines intelligenten Messsystems nicht zwingend vorgesehen. In unserem Blogbeitrag LoRaWAN-Metering – Wann ist das intelligente Messsystem Pflicht berichten wir über die aktuellen regulatorischen Regelungen im Kontext des Meterings.

Zur Umsetzung des Messkonzeptes bietet es sich an eine Fernauslesung der Zähler mittels LoRaWAN zu realisieren. So erspart sich das privilegierte Unternehmen die regelmäßige, analoge Ablesung der Drittstrommengen. Außerdem werden durch die automatisierte Übertragung der Verbrauchswerte in das entsprechende Fachsystem die Werte revisionssicher gesichert und können über der Behörde und dem Netzbetreiber nachgehalten werden. Im LoRaWAN Hardwareökosystem sind bereits heute eine Vielzahl geeichter und somit zugelassener Zähler verfügbar, so dass eine Umsetzung des Messkonzepts direkt erfolgen kann.

Für viele EVUs bietet es sich in der Rolle des Energiedienstleisters an den Firmen bei der Umsetzung und Realisation der Drittmengenabgrenzung im Zuge des Submeteringkonzepts zu unterstützen. Dies kann z. B. über die Rolle des intelligenten Messstellenbetreibers erfolgen, welcher dem Unternehmen seine Dienstleistung anbietet und so zusätzliche Erlöse außerhalb der Preisobergrenze (POG) erzielen kann. Da viele EVUs bereits über eine LoRaWAN-Infrastruktur verfügen kann die Auslesung über die Infrastruktur des EVU erfolgen.

Mit der verpflichtenden Umsetzung der Messkonzepte zur Drittmengenabgrenzung hat der Gesetzgeber für EVUs ein attraktives Geschäftsmodell geschaffen mit dem eigenen LoRaWAN-Netz nicht nur intern Kosten einzusparen, sondern auch zusätzliche Erlöse zu erzielen. Allerdings heißt es für EVUs, welche sich dem Geschäftsmodell Drittmengenabgrenzung per LoRaWAN widmen wollen nun sich zu beeilen, da die Frist zur Umsetzung bis zum 1. Januar 2022 sehr kurz ist. Da das Thema jedoch die Kernkompetenzen eines jeden EVUs bedient, ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema ratsam. Bei Fragen zu diesem Blogbeitrag meldet euch gerne. Wenn euch der Artikel gefallen hat, abonniert gerne unseren Blog.

MaKo 2022: Die neue Marktrolle Energieserviceanbieter (ESA)

Zum Hintergrund der neuen Marktrolle des Energieserviceanbieters

Der Energieserviceanbieter, kurz ESA, ist eine Bezeichnung, die in der Energiewirtschaft bislang noch nicht sehr geläufig und als neue, eigenständige Marktrolle im Umfeld des Smart Meterings zu sehen ist. Entstanden ist diese neue Marktrolle mit einem Beschluss der Beschlusskammer 6 der BNetzA am 21.12.2020 zur Festlegung neuer Standards im Rahmen der Marktkommunikation. Dabei wurde nicht nur die neue Rolle des Energieserviceanbieters definiert, sondern z. B. auch der neue Netznutzungsvertrag im Bereich Elektromobilität, über den wir schon im letzten Jahr auf unserem Blog informiert haben.

Doch zurück zum Energieserviceanbieter und seiner eigentlichen Aufgabe. Der Begriff Energieserviceanbieter scheint auf dem ersten Blick unspektakulär und wenig aussagekräftig. Im Rahmen unseres Blogartikels wollen wir einen genaueren Blick auf das potenzielle Tätigkeitsfeld des Energieserviceanbieters werfen und das neue Aufgabenfeld detaillierter beleuchten:

Energieserviceanbieter: Aufgabenfeld der neuen Marktrolle

Nach den Beschlüssen der Beschlusskammer 6 hat der Energieserviceanbieter das Recht, mit der Einwilligung des Anschlussnehmers, Messwerte beim zuständigen Messstellenbetreiber anzufragen. Voraussetzung ist, dass der Anschlussnehmer über ein eingebautes intelligentes Messsystem verfügt. Im Fokus stehen in erster Linie zwei verschiedene Tarifanwendungsfälle (TAF): TAF 7 zur Übermittlung der Zählerstandsgänge und TAF 14 zur Bereitstellung von hochfrequenten Messwerten für Mehrwertdienste.

Durch den Beschluss der BNetzA wird der Energieserviceanbieter als neuer externer Marktteilnehmer etabliert, der berechtigt ist, Informationen aus dem intelligenten Messsystem des Anschlussnutzers anzufragen. Durch den Fokus auf die TAFs 7 und 14 wird schnell klar, dass es der BNetzA nicht nur darum geht, eine Marktrolle zu definieren, die Daten abrufen kann, vielmehr soll mit dem Energieserviceanbieter eine Marktrolle geschaffen werden, die den Anschlussnutzer bei der Optimierung des eigenen Energieverbrauchs unterstützen soll. Durch die Fokussierung auf hochfrequente Messreihen kann der Energieserviceanbieter die Messreihen für den Anschlussnehmer analysieren oder einem beauftragten Dienstleister des Anschlussnehmers die Daten mit dem Ziel der Energieoptimierung zur Verfügung stellen. Unter Berücksichtigung des Ziels des Gesetzgebers, den Anteil der Steigerung der Energieeffizienz zu erhöhen, stellt die Einführung ein logischer Schritt dar.

Energieserviceanbieter: Potenzielle Zielgruppen

Da sich der Energieserviceanbieter lediglich auf Kundengruppen konzentrieren kann, die über ein intelligentes Messsystem verfügen, müssen Anschlussnehmer einen Jahresverbrauch von mindestens 6.000 kWh p. a. erreichen. Grundsätzlich ist im ersten Schritt davon auszugehen, dass für den Energieserviceanbieter Unternehmen im Vordergrund stehen, die über ein eigenes Energiemanagement verfügen und verpflichtet sind, ihr energetisches Verhalten zu optimieren oder die ein berechtigtes Ziel haben, Energie zu sparen.

Gerade diese Unternehmen dürften sich für hochfrequente Messdaten interessieren, um eine bessere Kosteneffizienz zu erreichen. Inwieweit der Service des Energieserviceanbieters für Privathaushalte interessant ist, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich sind energetische Auswertung und Optimierungsmaßnahmen natürlich für einen Haushaltskunden interessant, der bereits über größere Erzeuger, wie eine eigenen PV-Anlage, oder Verbraucher, wie z. B. ein E-Auto, verfügt und sich mehr mit dem energetischen Zusammenspiel der einzelnen Assets beschäftigen möchte.

Voraussetzung bei jeder Kundengruppe muss jedoch die Zahlungsbereitschaft für den Service des Energieserviceanbieters sein. Die Bereitstellung der Informationen an den Energieserviceanbieter ist nämlich nicht Teil der Standarddienstleistung des intelligenten Messstellenbetreibers und somit nicht Teil der Preisobergrenze (POG). Eine zusätzliche Vergütung als Mehrwertdienstleistung ist somit erforderlich.

Auswirkungen auf die Marktkommunikation

Mit der neuen Marktrolle des Energieserviceanbieters, die mit der Umsetzung der MaKo 2022 starten soll, sind ebenfalls neue Prozesse in der Marktkommunikation zu etablieren. Hierzu sind neue Prozesse von der Anfrage und der Bestellung von Messwerten bis hin zur Beendigung der Übermittlung von Werten erforderlich. Ebenso sind zusätzliche Aufwände für die Automatisierung der Prozesse rund um den Rollout von intelligenten Messsystemen notwendig. Neben der Einführung neuer Prozesse sind Anpassung an den bestehenden Prozessen des Datenaustausches, des Energiedatenmanagements und der Abrechnung des Messstellenbetreibers erforderlich. Somit hat die neue Marktrolle auch einen Einfluss auf die bestehende IT-Infrastruktur des Messstellenbetreibers.

Energieserviceanbieter: Das erste Zwischenfazit

Aus unserer Sicht wurde recht unauffällig eine neue Marktrolle mit den Beschlüssen zur neuen Marktkommunikation 2022 geschaffen, welche durchaus das Potenzial hat, ein neues Geschäftsfeld für Stadtwerke zu erschließen. Ob es sich nun um die Lösung für den iMSB handelt, neue Mehrwertdienstleistungen außerhalb der Standardleistung anbieten zu können, bleibt sicherlich abzuwarten. Allerdings sollte sich das EVU frühzeitig mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern es selbst die Rolle des Energieserviceanbieters einnehmen möchte. Unabhängig davon ist eine erste Analyse der eigenen IT-Landschaft zur Umsetzung der neuen MaKo-Prozesse, die mit der Einführung des Energieserviceanbieters verbunden sind, sinnvoll. Wir werden das Thema zur Einführung der neuen Marktrolle weiter für euch im Auge behalten und bestimmt noch einmal darüber berichten. Bei Fragen zu diesem Blogbeitrag meldet euch gerne. Wenn euch der Artikel gefallen hat, abonniert gerne unseren Blog.