Stresstest Stromnetze: Deutschland droht die Redispatchlücke

Hintergrund – Warum ein Stresstest für das Stromnetz

Die Sicherheit der Energieversorgung verbunden mit dem Weiterbetrieb der drei letzten Atomkraftwerke (AKW) über das Jahr 2022 hinaus ist aktuell wohl eines der am meisten diskutierten Themen. Eine Debatte, die auf politischer Ebene durchaus emotional geprägt ist. Dabei wirken sich jedoch nicht nur die potenzielle Abschaltung der AKWs auf das Stromnetz aus, sondern auch weitere Faktoren.  Kraftwerkskapazitäten, welche aufgrund der Dürre in Europa nicht zur Verfügung stehen, wie z. B. in Frankreich, spielen eine zusätzliche Rolle. Zur Bewertung der neuen Lage hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) daher einen neuen Stresstest der Stromnetze im Juli beauftragt, die von den vier Übertragungsnetzbetreibern durchgeführt wurde.

Diese Sonderanalyse sollte sich vor allem mit der neuen energiepolitischen Situation und dem Beitrag der AKWs beschäftigen. Insgesamt verfolgte der Stresstest zwei Untersuchungsschwerpunkte. Erstens: kommt es zu bestimmten Zeiten zu einer Lastunterdeckung, bei der das Angebots- und Nachfrageverhältnis untersucht wird? Und zweitens: stehen ausreichend Transportkapazitäten zur Verfügung, die benötigte Energie zum Letztverbraucher zu bringen.

In diesem Blogbeitrag schauen wir uns die Ergebnisse der beiden Untersuchungsschwerpunkte sowie die Handlungsempfehlungen, welche die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) für Deutschland einleiten, genauer an. Hierfür schauen wir zuerst auf die unterschiedlichen Arten von modellierten Szenarien, um die Ergebnisse des Stresstestes besser zu verstehen:

Die Stresstest-Szenarien im Überblick

Wer einen Blick in die Originaldokumente des Stresstestes wirft, wird schnell feststellen, dass es nicht ein untersuchtes Szenario gibt, sondern mehrere. Bereits vor der beauftragten Sonderanalyse zum Juli dieses Jahres hatten die ÜNBs ihre jährlich übliche Bedarfsanalyse für das Jahr 2022 erstellt und im Frühjahr eine erste Sonderanalyse 1 durchgeführt, welche eine Gasreduktion im Stromsektor berücksichtigte. Neu erstellt wurde nun die Sonderanalyse zwei, welche die Szenarien +, ++ und +++ enthält. Dabei handelt es sich um drei Szenarien, welche jeweils eine Verschlechterung der aktuellen Situation untersuchen, wobei das Szenario +++ von den negativsten Rahmenbedingungen ausgeht. Die drei Szenarien gehen grundsätzlich nicht von einem Weiterbetrieb der AKWs über das Jahr 2022 hinaus aus. Hierfür wurden im nächsten Schritt weitere Analysen durchgeführt, um zu untersuchen, welchen Beitrag die AKWs hinsichtlich des Angebot- und Nachfrageverhältnis und den Transportkapazitäten im Szenario ++ im Streckbetrieb leisten.

Abbildung 1 – Übersicht der Szenarien und Annahmen der Stressteste für 2022

Wie bei allen Modellierungen unterliegen die Szenarien bestimmten Annahmen, welche der folgenden Tabelle aus dem Handout der Bundespressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse vom 05.09.22 zu entnehmen sind. Dabei gehen die ÜNBs von einer begrenzten Verfügbarkeit, zwischen 40 und 45 GW, der AKWs in Frankreich aus, statt wie den geplanten 61 GW. Zusätzlich wurde bereits eine Aktivierung der Netzreserve zur Stabilisierung des Netzes zwischen 4,6 bis 6,1 GW einberechnet sowie der Ausfall von Steinkohlekapazitäten bedingt durch fehlendes Kühlwasser. Des Weiteren wurde ab dem Szenario ++ von einer mangelnden Gasverfügbarkeit zur Verstromung ausgegangen. Als Gaspreis wurde ein Wert zwischen 200 – 300 €/MWh angenommen. Für die Wetterdaten wurde auf das Referenzjahr 2012 zurückgegriffen, welches einen besonders strengen Winter in Deutschland hatte. Der Fokus lag wie bereits erwähnt auf der Untersuchung der Last sowie Transportkapazitäten. Die Ergebnisse zu den einzelnen Szenarien schauen wir uns im Folgenden einmal an und beginnen mit den Transportkapazitäten.

Untersuchungsschwerpunkt 1: Transportkapazitäten nach dem Stresstest

Für alle drei Szenario (+, ++, +++) wurde eine Analyse kritischer Stunden durchgeführt, bei der es zu Netzengpässen kommen kann. Im Mittelpunkt standen hier vor allem mangelnde Netzkapazitäten, die einen Transport von Strom durch die zu starke Belastung der Betriebsmittel nicht mehr ermöglichen. Kommt es zu diesen Fällen, wird in der Regel auf sog. Redispatchmaßnahmen zurückgegriffen, welche die Last innerhalb eines Stromnetzes verlagern und somit die Transportkapazitäten entlasten. Wird bspw. Strom im Süden benötigt, dieser aber im Norden produziert und stellt der Netzbetreiber eine Überbelastung der Netzkapazitäten fest, werden die Kraftwerke im Norden heruntergefahren und ein Ersatzkraftwerk im Süden aktiviert. Dieses Vorgehen wird als Redispatchmaßnahme bezeichnet, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Eine übliche Praxis, welche bereits 2021 Kosten von mehr als 1 Milliarde Euro verursachte.

In dem Stresstest hinsichtlich der Redispatchkapazitäten kommen die ÜNBs zu dem Ergebnis, dass nicht ausreichende Erzeugungskapazitäten (positiver Redispatch-Bedarf) zur Verfügung stehen. Je nach Szenario sind zusätzliche Kapazitäten von 4,3 GW bis 8,6 GW erforderlich. Bereits berücksichtigt sind 1,5 GW an ausländischen Kapazitäten aus Österreich, wovon die ÜNBs aber nicht genau wissen, ob diese im Falle einer der Szenarien noch zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: ein einzelnes Kohlekraftwerk hat eine Leistung zwischen 0,1 MW bis 1 MW. Somit besteht nach den Berechnungen der ÜNBs ein kurzfristiger Bedarf, massiv Erzeugungsanlagen z. T. im Ausland zu akquirieren. Die Beschaffung sowie alle technischen Tests müssten vermutlich in den nächsten 4 bis 8 Wochen erfolgen.

Abbildung 2 – Analyse der Situationen im Netz mit mangelnden Transportkapazitäten je Szenario

Unter der Annahme, dass die AKWs zum Ende des Jahres nicht ausgeschaltet werden, gehen die ÜNBs davon aus, dass der Bedarf an Redispatchkapazitäten um 0,5 GW gesenkt werden kann. Dies entspricht je nach Szenario 5 bis 11 %. Das Ergebnis der ÜNBs zeigt jedoch, dass unabhängig von den AKWs dringend Redispatchkapazitäten benötigt werden, da ansonsten eine Abschaltung von Verbrauchern bei Transportengpässen droht. Im Folgenden werfen wir nun einen Blick auf den zweiten Untersuchungsschwerpunkt, welcher die Möglichkeit von Lastunterdeckungen analysiert.

Untersuchungsschwerpunkt 2: Lastunterdeckung nach dem Stresstest

Neben der Analyse der potenziellen Transportengpässe, wurde in den drei Szenarien die Gefahr einer Lastunterdeckung analysiert. Hier kommen die Übertragungsnetzbetreiber zu dem Ergebnis, dass zwar nicht in jedem Szenario eine Lastunterdeckung droht, aber im europäischen Ausland wie in Frankreich. Für Deutschland ist dies erst ab dem Szenario ++ der Fall. Betrachtet für das gesamte europäische Verbundnetz gehen die ÜNBs von 14 bis 91 Stunden aus, bei dem nicht mehr ausreichend Energie zur Verfügung steht und entweder ein Netzausfall oder gezielte Abschaltung von Verbrauchern droht. Deutschland ist hierbei im Szenario ++ mindestens 1 bis 2 Stunden unterversorgt und im Szenario +++ 3 bis 12 Stunden. Bei einem Weiterbetrieb der AKWs im Streckbetrieb (Szenario KKW ++) könnte das Szenario ++ so optimiert werden, dass evtl. auf deutscher Ebene eine Lastunterdeckung vermieden werden kann. Wobei auch eine Gefahr einer Lastunterdeckung von bis zu 1 h besteht. Eine Lastunterdeckung im Ausland kann jedoch nicht vermieden werden.

Abbildung 3 – Analyse der Lastunterdeckung je Szenario inkl. dem Szenario AKW-Streckbetrieb

Die Handlungsempfehlungen der ÜNBs aus dem Stresstest

Auf Basis der Simulationsergebnisse leiten die ÜNBs unterschiedliche Maßnahmen ab, welche zur Verbesserung der Netzsituation getroffen werden sollten. Hierzu gelten zum einen die Erhöhung der Transportkapazitäten, wobei kritisch zu prüfen ist, ob eine Erhöhung kurzfristig überhaupt möglich ist. Des Weiteren sollte das vertraglich vereinbarte Lastmanagement genutzt werden. Dies kann zur Senkung der Nachfrage in Spitzenlastzeitfenstern beitragen oder ggf. je nach Standort Netzengpässe vermeiden. Außerdem soll auf verfügbare Reserven zurückgegriffen werden wie z. B. der Kapazitäts- oder Netzreserve und ein dauerhafter Verbleib der Kraftwerke im Markt ermöglicht werden. Eine Übersicht sowie die Mehrwerte je nach Untersuchungsschwerpunkt sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:

Abbildung 4 – Handlungsempfehlungen der ÜNBs auf Basis der Sonderanalyse 2 (aktueller Stresstest)

Fazit zum Stresstest:

Die Ergebnisse des Stresstestes haben gezeigt, dass sowohl auf der Transport- als auch Lastebene Engpässe auf das europäische als auch deutsche Stromnetz zukommen können. Zur Sicherstellung einer bestmöglichen Versorgungsmöglichkeit ist es nach jedem Szenario erforderlich, die Kapazitäten für Redispatchmaßnahmen kurzfristig zu erhöhen, dessen Erhöhung im kommenden Jahr zu einem Anstieg der Netzentgelte führen dürfte.

Je nach Entwicklung des Winters und der Verfügbarkeit der Kraftwerkskapazitäten besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Versorgung mit elektrischer Energie nicht mehr ausreichen könnte und Netzeingriffe, wie das gezielte Abschalten von Verbrauchern, erforderlich sind. Voraussetzung wäre aber definitiv ein kalter Winter und eine Beibehaltung der mangelnden Verfügbarkeit von Kraftwerkskapazitäten. Die Beurteilung, ob und in welcher Form in einer europäischen Mangellage ausländische Redispatchressourcen noch zur Verfügung stehen, wie die 1,5 GW in Österreich, ist schwer zu beurteilen. Einerseits entsprechen einzelne Parameter der Simulation nicht mehr dem aktuellen Stand. So produzierten in der ersten Septemberwoche die französischen AKWs teilweise unter 30 GW, während im Szenario +++ noch mit 40 GW kalkuliert wurde.

Andererseits ging die Simulation weitestgehend von einer stabilen Nachfrage aus, welche vermutlich aufgrund der hohen Energiekosten und der z. T. jetzt schon stattfindenden Verlagerung von Industriestandorten in das Ausland sinken dürfte.

Festzuhalten bleibt auf jeden Fall: Der Winter wird sportlich, kritische Netzsituationen sind vermutlich nicht auszuschließen und es besteht zumindest eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den (Teil-)Ausfall des Stromnetzes. Dieser kann jedoch gesenkt werden, wenn die ÜNBs es schaffen ausreichend Kapazitäten zu beschaffen, welche zur Stabilisierung des Netzes beitragen. Dies muss jedoch schnell und noch dieses Jahr erfolgen, um bestmöglich abgesichert zu sein. Aus rein technischer Sicht leisten die drei AKWs einen Beitrag zur Reduktion der Lastunterdeckung und von Netzengpässen. Ob der Beitrag aus politischer Sicht jedoch ausreichend (hoch) ist, wird auf politischer Ebene geklärt werden müssen.

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Das Handout zum Stresstest findet ihr hier.

https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/S-T/20220905-sonderanalyse-winter.pdf?__blob=publicationFile&v=8

Weitere Infos auf der Seite des BMWK:

BMWK – Stresstest zum Stromsystem: BMWK stärkt Vorsorge zur Sicherung der Stromnetz-Stabilität im Winter 22/23

Weitere Informationen zum Thema Energiekrise sind in weiteren Blogbeiträgen zu finden:

Drittes Entlastungspaket: Verhinderung des Erneuerbaren-Energie-Ausbaus?

https://itemsnet.de/itemsblogging/drittes-entlastungspaket-verhinderung-des-erneuerbaren-energien-ausbaus/

Redispatch 3.0 – Wie geht es weiter?

Nach Redispatch 2.0 kommt Redispatch 3.0

Die Implementierung von Redispatch 2.0 ist gerade erst abgeschlossen, es wird noch an den ein oder anderen Prozessstellschrauben gedreht, da ist bereits die nächste Anpassung auf Redispatch 3.0 in Arbeit.

Bislang gilt eine Grenze von 100 kWpeak für Erzeugungsanlagen, die in die Redispatchprozesse zur Netzstabilisierung eingebunden werden müssen. Zur Erinnerung: Der Begriff Redispatch bezeichnet die kurzfristige Änderung des Kraftwerkseinsatzes auf Geheiß der Übertragungsnetzbetreiber zur Vermeidung von Netzengpässen. So sollen auch neben Netzengpässen die Frequenz und Spannung stabil gehalten und die thermische Überlastung von Betriebsmitteln vermieden werden. Wurden im Redispatch 1.0 lediglich konventionelle Kraftwerke ab 10 MWPeak von den ÜNBs für Redispatchmaßnahmen herangezogen, sind es nun durch die Herabsenkung auf die 100 kW Schwelle, viele Erzeugungsanlagen auch auf den unteren Spannungsebenen. Da sich jedoch die meisten Erzeugungsanlagen im Netz unterhalb der 100 kW Schwelle befinden und die Energiewende zur Sicherstellung eines funktionierenden Netzes noch mehr Steuerungsmaßnahmen benötigt, wird bereits heute an einer Überarbeitung hin zum Redispatch 3.0 gearbeitet. Den aktuellen Entwicklungsstand zum Thema Redispatch 3.0 wollen wir uns in dem Blogbeitrag einmal näher anschauen.

Redispatch 3.0 – Was ist geplant?

Generell ist zu sagen, dass sich das Thema Redispatch 3.0 sich noch in seiner Anfangsphase befindet. Kernziel dürfte es jedoch sein, die unzähligen, kleinen Erzeugungsanlagen vor allem auf der Niederspannungsebene in die Redispatchprozesse zu integrieren. Da mehr als 95% aller Erzeugungsanlagen im Niederspannungsnetz installiert werden und die Energiewende vor allem durch die Integration von kleinen EE-Anlagen, Ladeinfrastruktur sowie Wärmepumpen vorangetrieben wird, ist bereits heute absehbar, dass die Redispatch 2.0 Prozesse für Anlagen bis 100 kWPeak nicht ausreichen.

Somit besteht die zentrale Herausforderung nicht mehr einige zehntausende Anlagen, sondern Millionen zu steuern, zu koordinieren und mittels Redispatch das Netz zu stabilisieren. Zentrales Steuerungselement dürfte das intelligente Messsystem in Kombination mit einer Steuerbox darstellen. Durch die Infrastruktur, welche aktuell für intelligente Messysteme aufgebaut wurde und wird, lassen sich die notwendigen Marktprozesse schaffen, welche auch im Redispatch genutzt werden können.

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass mit dem Redispatch 2.0 eine Umstellung der Netzführungsprozesse auf ein planwertbasiertes Verfahren erfolgt. Spontanes Herunterregeln bei Netzengpässen von EE-Anlagen, vor allem Wind- und PV-Anlagen, soll so vermieden werden. Basis hierfür ist ein prognosebasierter Netzengpassvermeidungsprozess zwischen Netzbetreibern und so genannten Anlageneinsatzverantwortlichen. Mit dem Redispatch 3.0, soll perspektivisch die Integration privater Kleinstanlagen in die Prognose und Netzoptimierungsprozesse erfolgen. Herfür bedarf es einer größeren und besser integrierten Datenbasis. Relevante Daten bilden die Grundlage für KI-Algorithmen und Integration der in Entstehung befindlichen SMGW-Infrastruktur (Smart Meter Gateway) zur BSI-regelkonformen sicheren IoT-Kommunikation mit jeglichen potentiell steuerbaren Energieerzeugungs- und Verbrauchseinheiten. Die Prognose und Steuerung der Anlagen werden zunehmend eine der zentralen Herausforderungen sein.

Redispatch 3.0 – Herausforderung für die IT-Architektur

Um die bestehende Redispatch-Infrastruktur für das Redispatch 3.0 fit zu machen, bedarf es also einer Kommunikations- und IT-Infrastruktur, welche große Mengen von Daten speichern und zur Erstellung von Prognosen verarbeiten kann. Die Informationen sind zwischen den beteiligten Akteuren auszutauschen. Das BMWK schreibt auf seiner Homepage dazu: „Funktional geht es um die Migration der Redispatch 2.0-Bausteine in föderierte Cloud-Infrastrukturen, verstärktes Data Sharing zwischen Netzbetreibern und anderen Akteuren, sowie die Transformation von klassischen SCADA-basierten (Supervisory Control and Data Acquisition) Fernwirktechniken zur Netzsteuerung auf innovative IoT-Infrastrukturen, die mittels SMGW-Infrastruktur sicherheitstechnisch abgesichert sein werden.“

Für die IT-Architektur ist dabei eine der wesentlichen Erkenntnisse, dass es bei Redispatch 3.0 nicht mehr ausreichen wird, sämtliche Prozesse über das klassischen Netzleitsystemen (NLS) abzubilden. Stattdessen bedarf es einer Cloud-basierten und BSI-regelkonforme IoT-Alternative für eine direkte Kommunikation mit dezentralen Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten mit weniger als 100 kW Nennleistung. Die Grundlage der Kommunikationsinfrastruktur zu Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten bildet hierbei das intelligente Messsystem mit integrierter Steuerbox über einen abgesicherten CLS-Kanal.

GAIA-X-Infrastruktur für Redispatch 3.0?

Das sich klassische Scada-Systeme nicht für die zukünftigen Anforderungen eignen IoT-Daten in großen Megen zur Steuerung und Prognose zu verarbeiten, schlägt das BMWK als mögliche Alternative die GAIA-X-Infrastruktur als BSI-konforme Lösung vor.

So soll „[…] durch die Gaia-X Infrastruktur eine signifikant breitere Nutzung der KI/Machine Learning (ML)-Technologien für die Erzeugung unterschiedlicher Prognosearten, Ermittlung der Redispatch-Potentiale, sowie die Planungen und Umsetzung der Steuerungseingriffe in mehrere tausend dezentrale Erzeuger und Verbraucher erreicht werden. Daneben sollen durch Edge Computing und Cloud Meshs die systemkritischen Funktionen so auf die Gaia-X Knoten und Edge-Compute-Einheiten der Netzbetreiber verteilt werden, dass z.B. aufgrund strombedingter Nicht-Erreichbarkeit von Gaia-X Knoten in einer Region der ordnungsgemäße Redispatch-Betrieb in anderen Regionen sichergestellt werden kann.

Die Umsetzung der Redispatch-Prozesse der Energieversorgung ermöglicht eine Einführung und signifikante Verbesserung der KI/ML-basierten Prognose- und Einsatzplanungsalgorithmen in Redispatch-Prozessen. Die Netzauslastung kann optimiert werden. Ferner wird durch den Einsatz von Edge Compute-Fähigkeiten und des föderierten Ansatzes der Gaia-X-Knoten für Redispatch-Lösungen Erfahrung gesammelt, um eine Migration weitere OT-orientierten Use Cases der Domäne Energie auf Cloud-Technologien vorbereiten zu können. Konkrete weitere Anwendungen sind dann insbesondere: Dezentrale Trainings von KI/ML-Algorithmen für Prognosen, Condition Monitoring, skalierbarere und hochautomatisierte Leitsysteme aus der Cloud, sowie Schaffung neuer Energie – Flexibilitäts – Produkte und Märkte für Anlagenbetreiber.“

Aufgaben im Redispatch 3.0

Forschungsprojekt Redispatch 3.0 – die Akteure

Wie bereits am Anfang des Beitrages erwähnt befindet sich das Thema Redispatch 3.0 gerade erst noch im Aufbau. In dem zugehörigen Forschungsprojekt Redispatch 3.0 entwickeln insgesamt fünfzehn Partner aus Industrie, Forschung, Übertragungsnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber die Konzepte aus dem Redispatch 2.0 weiter, um zusätzlich das Flexibilitätspotenzial der Niederspannungsebene zu nutzen. Als IT-Dienstleister ist u.a. das Unternehmen Kisters eingebunden. Dieses soll einen Entwurf, Implementierung und Test einer SCADA-App entwickeln.

Fazit zum Redispatch 3.0

Die Weiterentwicklung von Redispatch 2.0 zu Redispatch 3.0 stellt nur einen logischen Schritt auf dem Weg zur Transformation des Energiesektors dar. Bereits bei Beginn der Implementierung der Redispatch 2.0 Prozesse war klar, dass für eine stabile Stromnetze mit einem hohen EE-Anteil und einer Vielzahl neuer Verbraucher auch kleinere Anlagen und Verbraucher in die Redispatchprozesse zu integrieren sind.

Mit dem Statement des BMWK, dass für die zukünftige Umsetzung die bestehenden IT-Systeme zur Verarbeitung hoher Mengen von Daten und zur Erstellung von Prognosen nicht mehr über klassische Netzleitsysteme (SCADA) erfolgen soll, räumt das BMWK mit einer Diskussion innerhalb der Branche auf, ob als zentrales System zur Umsetzung der Redispatchprozesse das SCADA-System oder eine alternative Lösung aufgebaut werden sollte. Mit dem Ziel kleinere Anlagen über IoT-Technologien steuern zu wollen, ist eine zweite, separate Infrastruktur erforderlich. Da das Thema BSI-Konformität für diese Infrastruktur eine wichtige Rolle spielen wird, bietet sich die Idee des BMWKs an die Nutzung von GAIA-X zu prüfen.

Welche Infrastruktur es nun am Ende wird oder ob die Auswahl in der Entscheidungsbefugnis der zuständigen Netzbetreiber liegen wird, bleibt abzuwarten. Genauso die noch ausstehenden Entwürfe und Ergebnisse des Forschungsprojektes Redispatch 3.0. Fest steht aber aufjedenfall: Das nächste Redispatchprojekt wird sicherlich nicht allzu lange auf sich warten lassen und nicht weniger zeitintensiv sein, als das vergangene. Man darf also gespannt sein:)

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Marktrollenmodell Redispatch 2.0

Das Marktrollenmodell im Redispatch 2.0

Zum 1. Oktober 2021 hat der Gesetzgeber eine Umstellung des Redispatch 1.0 zum Redispatch 2.0 für alle Netzbetreiber beschlossen. Unter dem Begriff Redispatch wird die Regelung der Einspeiseleistung von Kraftwerken zum Ausgleich von Netzengpässen verstanden. Statt wie bisher ausschließlich konventionelle Kraftwerke mit einer Erzeugungsleistung größer 10 MW hoch- oder runterzufahren, sind in Zukunft alle Anlagen ab 100 kW in den Redispatch zu integrieren. Dies umfasst auch die EE- und KWK-Anlagen sowie Stromspeicher. Kleinere Anlagen unter 100 kW dürfen in den Redispatch miteinbezogen werden, sofern diese Fernsteuerbar sind. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es sich in technischen Anlagen nicht nur um Erzeuger, sondern auch große Verbraucher handeln kann.

Zur Umsetzung des Redispatch 2.0 sind verschiedenste Markakteure involviert. Hier besteht in der Praxis oft die Gefahr, dass einzelne Marktrollen miteinander verwechselt werden. Ein Verständnis der einzelnen Marktrollen und Fachbegriffe im Redispatch 2.0 ist jedoch unerlässlich, um ein Verständnis über die Funktionsweise zu erhalten. Aus diesem Grund wollen wir uns in diesem Blogbeitrag der Auflistung und Erläuterung der einzelnen Marktrollen widmen auf die spätere Artikel zum Thema Redispatch 2.0 aufbauen sollen:

Anlagenbetreiber (AB)

Bei einem Anlagenbetreiber, kurz AB, handelt es sich um eine natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft, welche eine Anlage betreibt. Bei einer Anlage kann es sich sowohl um eine Erzeugungsanlage als auch eine Anlage handeln, welche Energie verbraucht. Der Betreiber der Anlage ist insgesamt für die technische, als auch die kaufmännische Betriebsführung verantwortlich.

Data Provider

Bei dem Data Provider handelt es sich um eine neue Marktrolle im Zuge der Anpassung des Redispatch 2.0. Der Data Provider stellt die Kommunikationsinfrastruktur, welche den Austausch der Stamm- und Prognosedaten der technischen Ressourcen der einzelnen Marktakteure untereinander sicherstellt. Der Data Provider empfängt ausschließlich die Daten und leitet diese an die entsprechenden Marktakteure weiter. Eine Verarbeitung der Informationen durch den Data Provider selbst findet nicht statt. Ein natürliches Monopol für die Ausübung der Rolle des Data Providers besteht nicht. Die Data Provider müssen jedoch einen Datenaustausch untereinander sicherstellen.

Lieferant

Eine Rolle im Redispatch 2.0 Marktrollenmodell stellt der Lieferant da. Er übernimmt die Aufgabe der Belieferung von Marktlokationen, die Energie verbrauchen und die Abnahme von Energie von Marktlokationen, die Energie erzeugen. Somit ist der Lieferant für die Belieferung von Letztverbrauchern als auch aus Betreibern von Erzeugungsanlagen verantwortlich. Er übernimmt die Verantwortung für den finanziellen Ausgleich zwischen den bilanzierten und gemessenen Energiemengen von den nach Standardlastprofil bilanzierten Marktlokationen. Der Anlagenbetreiber hat die Möglichkeit die Aufgabe selbst wahrzunehmen oder an einen Dritten abzugeben.

Bilanzkreisverantwortliche (BKV)

Der Bilanzkreisverantwortliche, kurz BKV, ist verantwortlich für den energetischen und finanziellen Ausgleich der Bilanzkreise. Bei dem BKV kann es sich sowohl um einen Netzbetreiber, einen Lieferanten, einen Direktvermarkter oder Anlagenbetreiber handeln.

Arten von Bilanzkreisverantwortlichen im Redispatch 2.0 Modell

Einsatzverantwortliche (EIV)

Bei dem Einsatzverantwortlichen handelt es sich um eine natürliche oder juristische Person, die die Energieerzeugung einer technischen Ressource primär auf Basis von Fahrplänen steuert. Der Anlagenbetreiber muss in diesem Zusammenhang die Rolle des EVI wahrnehmen oder an einen Dritten mit der Übernahme der Aufgabe als Dienstleistung beauftragen.

Betreiber der technischen Ressource (BTR)

Bei einem Betreiber einer technischen Ressource handelt es sich um eine natürliche oder juristische Person, welche für den technischen Betrieb der technischen Ressource verantwortlich ist. Die Aufgabe muss vom Betreiber der Anlage übernommen werden oder ist dienstleistend an einen Dritten zu vergeben.

Techn./Kaufm. Betriebsführer (TBF/KBF)

Der technische oder kaufmännische Betriebsführer ist ein Dienstleistungsunternehmen welches für den Anlagenbetreiber verschiedene Aufgaben übernimmt. Hierzu können u.a. das Monitoren, das Steuern, die Wartung oder die Instandhaltung übernehmen.

Direktvermarkter (DV)

Bei einem Direktvermarkter handelt es sich um einen Dienstleister, welche Energie aus technischen Ressourcen an Handelsplätzen wie z. B. der Strombörse vermarktet.

Netzbetreiber

Bei dem Netzbetreiber handelt es sich aus energiewirtschaftlicher Sicht um die Rolle des Übertragungs- und Verteilnetzbetreibers. Im Redispatch wird jedoch nicht zwischen diesen beiden Rollen differenziert, sondern zwischen mehreren Arten von Netzbetreibern im Kontext der Durchführung der Redispatchmaßnahme. Hierzu gehören der betroffene Netzbetreiber, der Anschlussnetzbetreiber, der anweisende Netzbetreiber und der anfordernde Netzbetreiber. Bei dem Anschlussnetzbetreiber handelt es sich stets um den Netzbetreiber in dessen Versorgungsgebiet auf der jeweiligen Spannungsebene sich die betroffene technische Ressource befindet bei der eine Redispatchmaßnahme durchgeführt werden soll.

Die Anfrage, dass eine Redispatchmaßnahme erforderlich ist, erfolgt durch den anfordernden Netzbetreiber, wobei die Anweisung zur Durchführung der Maßnahme durch den anweisenden Netzbetreiber erfolgt. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der benachbarte Netzbetreiber als anfordernde Netzbetreiber einen Netzengpass feststellt und eine Redispatchmaßnahme im benachbarten Netzgebiet anfordert. Diese ist dann vom anweisenden Netzbetreiber, der meist auch der Anschlussnetzbetreiber der technischen Ressource ist, durchzuführen. Betroffen sind beim Redispatch 2.0 nicht immer nur ein Netzbetreiber, sondern evtl. mehrere. Die betroffenen Netzbetreiber setzen sich somit aus dem anfordernden Netzbetreiber, dem anweisenden Netzbetreiber und dem Anschlussnetzbetreiber zusammen.

Arten von Netzbetreibern aus Sicht des Redispatch 2.0

Fazit zu dem Redispatch 2.0 Marktrollen

Da ihr es bis hierhin geschafft habt, merkt ihr sicherlich, dass es etliche Marktrollen im Redispatch 2.0 gibt, welche zum Teil auf den ersten Blick schwer auseinander zu halten sind. Durch die technischen Herausforderungen das Stromnetz stabil bei 50 Hz zu halten und zu jedem Zeitpunkt ein Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage sicherzustellen sind eine Vielzahl von Marktrollen involviert.

Für die Zukunft ist damit zu rechnen, dass das Thema Redispatch weiter an Komplexität gewinnen wird. Schon heute laufen die Diskussionen für das Thema Redispatch 3.0 bei der vermutlich alle Erzeuger ab einer Leistung von 7 kW und viele kleinere Verbraucher wie z. B. Wärmepumpen oder Elektromobile eingebunden werden sollen. Bei weiteren Entwicklungen zum Thema Redispatch 3.0 halten wir euch auf unserem Blog natürlich auf den aktuellen Stand. In den nächsten Wochen werden weitere Beiträge zum Thema Redispatch 2.0 erfolgen.

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Redispatch 2.0 Ausfallarbeit – eine Erläuterung der Grundlagen (Aufforderungs- und Duldungsfall etc.)

Redispatch 2.0 Ausfallarbeit: Hintergrund

Das Thema Redispatch 2.0 rückt mit der Umsetzung des Einführungsszenarios ab dem 1. Juli immer mehr in den Fokus der Energiewirtschaft. Hierbei sind viele neue Prozesse im EVU zu etablieren, technische Grundlagen zu schaffen und das Thema Redispatch 2.0 immer weiter zu verstehen. Nach ersten Einblicken in unseren bereits vorliegenden Blogbeiträgen zum Thema Redispatch 2.0, den unterschiedlichen technischen Ressourcen und IDs sowie dem Redispatch 2.0 Einführungsszenario, widmen wir uns in diesem Beitrag nun den energiewirtschaftlichen Grundlagen zum Thema Redispatch 2.0 Ausfallarbeit. Dabei soll es darum gehen, was unter dem Begriff Ausfallarbeit zu verstehen ist, wie diese entsteht und die damit verbundenen Steuerungsprozesse (Aufforderungs- und Duldungsfall), Abrechnungsvarianten und Bilanzierungsmodelle (Prognose. & Planwertmodell) funktionieren.

Redispatch 2.0 Ausfallarbeit: Der Ausgangspunkt

Ausgangspunkt für das Thema Redispatch 2.0 Ausfallarbeit ist das energiewirtschaftliche Verständnis, dass die Beschaffung der Energie auf einer virtuellen, kaufmännischen Basis erfolgt. Eine Abstimmung der physikalischen Begrenzung des Stromnetzes erfolgt in diesem Schritt nicht. In der Praxis müssen daher alle Bilanzkreisverantwortlichen ihre Fahrpläne in Form von ausgeglichenen Bilanzkreisen am Vortag bei den zuständigen Bilanzkreiskoordinatoren (ÜNBs) einreichen. Diese führen auf Basis aller eingereichten Bilanzkreise eine Lastflussberechnung durch, um Netzengpässe für den nächsten Tag zu identifizieren. Wird ein physikalischer Engpass festgestellt, erfolgt eine Anweisung an einzelne Anlagenbetreiber, ihre Erzeugung bzw. Verbrauch für den nächsten Tag zu erhöhen bzw. zu drosseln. So kommt es z. B. zu dem berühmten Beispiel, dass Windkraftwerke im Norden des Landes ihre Erzeugung drosseln müssen und Gaskraftwerke im Süden ihre Leistung erhöhen, weil die Netzkapazität von Nord nach Süd nicht ausreicht. Die Folge einer Verlagerung der Erzeugungsleistung durch eine Redispatchmaßnahme kann ein Herauffahren der Anlage bedeuten, was zu einer negativen Ausfallarbeit führt (positiver Redispatch) oder ein Herunterfahren der Anlage, was zu einer positiven Ausfallarbeit führt (negativer Redispatch).

Im Rahmen der Anpassungen Redispatch 2.0 werden nun nicht nur die ÜNBs, sondern auch alle VNBs mit in den Prozess einbezogen sowie eine ganze Reihe neuer Erzeugungsanlagen, im Redispatch 2.0 technische Ressource genannt. Damit eine technische Ressource durch eine Redispatchmaßnahme herauf- oder heruntergefahren werden kann, ist natürlich der Einbezug des Einsatzverantwortlichen und der damit verbundenen technischen Ressource notwendig. Dies erfolgt entweder über den Aufforderungs- oder Duldungsfall, bei dem es zu einer Entstehung der Ausfallarbeit kommt. Aus diesem Grund schauen wir uns das Funktionsprinzip in diesem Blogbeitrag einmal näher an.

Der Aufforderungsfall

Grundvoraussetzung sowohl bei dem Aufforderungs- als auch dem Duldungsfall ist der Einbezug der technischen Ressourcen in den Redispatch 2.0-Prozess, bei dem der Netzbetreiber die Fahrpläne oder Prognosen der Simulation der Lastflussberechnung zur Erkennung von kritischen Netzzuständen miteinbezieht.  Im Rahmen des Aufforderungsfalls erfolgt die Anpassung der Leistung der steuerbaren technischen Ressource nicht direkt über den Netzbetreiber, sondern ist durch den Einsatzverantwortlichen durchzuführen. Hierfür erhält dieser über den Data-Provider seinen neuen Fahrplan über den Netzbetreiber. Da die Information des neuen Fahrplans lediglich eine Prognose des zukünftigen Bedarfs der technischen Ressource darstellt, kann es dann zum Zeitpunkt der Aktivierung der technischen Ressource noch zu Abweichungen der Ausfallarbeit kommen. 

Prozess Abruf im Planwertmodell im Aufforderungsfall (Copyright: BNetzA)

Der Duldungsfall

Im Gegensatz zum Aufforderungsfall ist nicht der Einsatzverantwortliche für die Anpassung der Leistung der technischen Ressource verantwortlich, sondern der Netzbetreiber ist berechtigt, die Schalthandlung direkt auf der technischen Ressource durchzuführen. Der Einsatzverantwortliche wie auch der Betreiber der technischen Ressource müssen den Eingriff des Netzbetreibers „dulden“.  Ob der Aufforderungs- oder Duldungsfall gewählt wird, hängt von den technischen Restriktionen des Netzbetreibers ab. Planbare Anlagen sind dem Duldungsfall zuzuordnen. In der Praxis sollen sich technische Ressourcen mit Rundfunksteuertechnik und technische Ressourcen kleiner 1 MW immer im Duldungsfall befinden. Größere technische Ressourcen können sich auch im Duldungsfall befinden. Ebenso sind Speicher- und Laufwasserkraftwerke im Duldungsfall sowie dargebotsabhängige Anlagen wie Wind- oder PV-Anlagen.

Ausfallarbeit: Bilanzierungsmodell

Nachdem es durch die Durchführung einer Redispatchmaßnahme im Aufforderungs- oder Duldungsfall es zu einer Ausfallarbeit gekommen ist, ist die Menge der Ausfallarbeit zu bilanzieren. Hierfür existieren im Redispatch 2.0 zwei verschiedene Verfahren: das Prognosemodell und das Planwertmodell.

Prognosemodell

Bei dem Prognosemodell handelt es sich um das Standardmodell zur Bilanizerung der Ausfallarbeit. Der Netzbetreiber erstellt im Rahmen des Modells eine Prognose über die Produktion der technischen Ressource, weswegen er die Berechnung der Ausfallarbeit selbst übernimmt. In diesem Kontext bilanziert er, welche Menge als Ausfallarbeit angefallen ist und schickt diese an den Betreiber der technischen Ressource weiter, welcher die Berechnung des Netzbetreibers zu überprüfen hat. Die Übermittlung der Werte erfolgt bis zum 8. Werktag des Folgemonats. Die Menge der Ausfallarbeit überführt der Netzbetreiber zur „Bereinigung der Bilanzkreise“ am Ende in eine sog. Ausfallüberführungszeitreihe (AAÜZ).

Planwertmodell

Im Planwertmodell erfolgt im Gegensatz zum Prognosemodell keine Prognose der technischen Ressource, sondern eine Erfassung und Übermittlung des Fahrplans direkt an den Netzbetreiber. Es liegen somit keine Prognosen, sondern Echtzeitdaten vor! Daher erfolgt die Ermittlung des Fahrplans und der damit verbundenen Ausfallarbeit durch den Betreiber der technischen Ressource selbst. Die Ausfallarbeit ist dem Netzbetreiber zu melden, welcher die Angaben des Betreibers überprüft. Um an dem Planwertmodell mit seiner eigenen technischen Ressource teilnehmen zu können, sind bestimmt Kriterien zu erfüllen, auf die aber in diesem Beitrag nicht näher eingegangen werden soll. Im Anschluss erfolgt nach der Genehmigung der Ausfallarbeit durch den Netzbetreiber der bilanzielle und finanzielle Ausgleich über den Netzbetreiber.

Redispatch 2.0 Ausfallarbeit: Abrechnungsvarianten

Nach erfolgter Bilanzierung muss im Nachgang eine Abrechnung der angefallenen Redispatch 2.0 Ausfallarbeit erfolgen. Hierfür existieren drei verschiedene Abrechnungsvarianten, deren Auswahl von unterschiedlichen Kriterien abhängt.

Spitzabrechnung

Die erste Variante stellt die Spitzabrechnung dar. Hierfür muss der Netzreiber der technischen Ressource bestimmte technische Voraussetzungen erfüllen. Beispielsweise benötigt eine Windkraftanlage zur Berechnung der Ausfallarbeit nach der Spitzabrechnung direkt von der Anlage vor Ort erhobene Wetterdaten, um die potenzielle Ausfallarbeit auf Basis der Wetterdaten berechnen zu können. Hierfür findet bei einer Windkraftanlage die Verknüpfung der Wetterdaten mit der Anlagenkennlinie statt, die am Ende die potenziell mögliche Anlagenleistung ohne die Durchführung der Redispatchmaßnahme angibt. Bei Solaranlagen erfolgt dies nicht über die Messung der Windgeschwindigkeit, sondern über die Messung des Einstrahlleistung der Sonne, während bei nichtflukturierenden Anlagen wie konventionellen und Biomasseanlagen der Fahrplan als Grundlage dient. Vereinfacht ausgedrückt dienen die SCADA-Daten der Anlagensteuerung für die Spitzabrechnung als wesentliche Grundlage zur Abrechnung der Ausfallarbeit.

Spitzabrechnung „light“

Der Unterschied zwischen Spitzabrechnung und Spitzabrechnung „light“ ist die Erfassung aller wesentlichen Informationen zur Berechnung der Ausfallarbeit nicht direkt an der Anlage, sondern z. B. über den Einbezug von Referenzstandorten. Dies kann z. B. die Nutzung der Messtechnik zur Erfassung der Wetterdaten einer benachbarten Windkraftanlage als Referenzstandort sein. Für Solaranlagen können auch die Daten von Wetterdienstleistern genutzt werden. Hier könnte es sich für ein EVU u. a. anbieten, LoRaWAN-Wetterstationen im eigenen Versorgungsgebiet zu installieren und die Messdaten den Betreibern der technischen Ressourcen zu verkaufen, damit diese am Spitzabrechnungsverfahren „light“ und nicht am Pauschalverfahren teilnehmen müssen.

Pauschalverfahren

Das Pauschalverfahren zur Berechnung und Abrechnung der Ausfallarbeit wird immer dann angewendet, wenn die messtechnischen Anforderungen für die Spitzabrechnung oder Spitzabrechnung „light“ nicht erfüllt sind. In diesem Fall erfolgt die Berechnung der Ausfallarbeit über die Betrachtung der erzeugten Energiemenge der letzten Viertelstunde vor der Aktivierung der Redispatchmaßnahme. Die Grundlage hierfür sind die prognostizierten Daten aus dem erstellten Fahrplan.

Insgesamt liegt die Auswahl des Abrechnungsmodells beim Betreiber der technischen Ressource, der die Einhaltung der technischen Mindestanforderungen sicherzustellen hat.

Fazit zum Thema Ausfallarbeit im Redispatch 2.0

Insgesamt handelt es sich bei dem Thema Redispatch 2.0 Ausfallarbeit um ein äußerst komplexes Thema, zu dem in diesem Blogbeitrag die wesentlichen Zusammenhänge dargestellt wurden. Jeder Betreiber einer technischen Ressource muss für sich selbst klären, welches Modell – Aufforderungs- oder Duldungsfall – er präferiert sowie welches Bilanzierungs- und Abrechnungsmodell für ihn am vorteilhaftesten ist. Für Netzbetreiber, Lieferanten und Anlagenbetreiber bedeuten die neuen Prozesse aus dem Redispatch 2.0 im Zusammenhang mit der Thematik Ausfallarbeit einen erhöhten Mehraufwand. Neue Prozesse sind zu etablieren, die verschiedenen Prognose- und Abrechnungsmodelle zu prüfen sowie Systemseitig umzusetzen und in die bestehenden IT- und Prozessinfrastrukturen zu integrieren. Für eine tiefergehende Analyse der vorgestellten Themen ist sicherlich ein Blick in die Leitfäden des BDEW zum Thema Redispatch 2.0 empfehlenswert, wo auch eine visuelle Darstellung der wesentliche Prozesse rund um das Thema Ausfallarbeit zu finden ist.

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Redispatch 2.0 Einführungsszenario: Umsetzung auf der Zielgeraden

Redispatch 2.0 Einführungsszenario: Hintergrund der Anwendungshilfe

Im Mai 2021 hat der BDEW eine Anwendungshilfe zum Thema Redispatch 2.0 Einführungsszenario veröffentlicht, das ab dem 01. Juli 2021 in die Umsetzung zur Vorbereitung des Starts zum 01. Oktober geht. Die vorliegende Anwendungshilfe Einführungsszenario des Redispatch 2.0 beschreibt die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Anforderungen des Redispatch 2.0, den neuen marktrollenübergreifenden Regelungen zur Sicherstellung einer einheitlichen, standardisierten Kommunikation nach den Festlegungen der Beschlusskammer 6 der BNetzA.

Dabei betrachtet die Anwendungshilfe den von der BNetzA verbindlichen Zeitraum vom Start der verbindlichen Datenmeldungen bis zum Start des Redispatch 2.0 am 01. Oktober 2021. Die Anwendungshilfe stellt hierbei eine Best-Practice-Vorgehensweise nach den Empfehlungen des BDEW dar, wie eine Umsetzung im eigenen Haus erfolgen sollte. Es besteht allerdings keine Pflicht für EVUs, sich exakt an den Zeitplan der Anwendungshilfe zu halten. Allerdings ist eine Funktionsfähigkeit der Systeme zum 01. Oktober sicherzustellen. Da der Zeitraum von Juli bis Oktober zur finalen Umsetzung relativ kurz ist, ist eine Umsetzung des eigenen Redispatch 2.0-Projektes nach den Empfehlungen des BDEW zu befürworten.

Ausgangsbasis des Einführungsszenarios

Da mit dem Beginn des Einführungsszenarios bereits mit dem initialen Austausch der Stammdaten begonnen werden soll, sind bereits vor dem 01. Juli zahlreiche Aufgaben durch das EVU zu erfüllen. Die Grundlage zur Übertragung von Informationen ist durch die Herstellung einer Anbindung der Marktakteure in die Markkommunikation über den Data-Provider sicherzustellen. Bei dem Data-Provider handelt es sich um eine neue Rolle in der Energiewirtschaft, welche die notwendige Infrastruktur des Datenaustauschs bereitstellt, um eine sachgerechte Kommunikation zwischen den Marktakteuren sicherzustellen. Grundsätzlich ist zum Austausch der Übertragungsdateien eine 1:1-Kommunikation anzuwenden. Weitere Details sind in den Dokumenten „EDI@Energy Regelungen zum Übertragungsweg“ sowie „EDI@Energy Allgemeine Festlegungen“ beschrieben.

Mit der Umsetzung des Einführungsszenarios Redispatch 2.0 kann erst gestartet werden, wenn alle notwendigen Kommunikationsbeziehungen aufgebaut sind. Erst dann ist die Durchführung des geforderten Datenaustauschs möglich. Eine Anbindung an den Data-Provider Connect+ kann bereits jetzt erfolgen. Am 01. Juli, zum Zeitpunkt des Starts des Einführungsszenarios, kann mit dem Datenaustausch begonnen werden. Grundlage für die Identifikation der Marktpartner stellen die Identifikationsnummern dar, die im Vorhinein zu beantragen sind. Wie das Beantragungsverfahren funktioniert und welche Identifikationsnummern (IDs) existieren, haben wir bereits in einem anderen Blogbeitrag im Mai 2021 vorgestellt. Sind die Vorrausetzungen des Aufbaus der Konnektivität erfüllt und die IDs beantragt, kann mit dem Einführungsszenario begonnen werden.

Einführungsszenario Redispatch 2.0: der Zeitplan bis zur Zielgeraden

Vom 01. Juli bis zum 01. Oktober steht jedem EVU ein sportliches Programm bevor, die Anforderungen des Einführungsszenarios des Redispatch 2.0 umzusetzen. Insgesamt sieht das Einführungsszenario 11 Arbeitsbausteine vor, die es umzusetzen gilt. Im Folgenden soll auf die einzelnen Bausteine eingegangen werden:

Schritt 1 bis 3: Stammdatenaustausch

Ab dem 1. Juli beginnt der Stammdatenaustausch zwischen den Marktakteuren. Hierfür sind drei verschiedene Arbeitsschritte durchzuführen. Schritt 1 umfasst den initialen Stammdatenaustausch vom Einsatzverantwortlichen (EIV) zum Data-Provider (DP). Die Übermittlung der Stammdaten erfolgt über die festgelegten Prozesse und Datenformate des Redispatch 2.0. Eine Übermittlung der initialen Stammdaten hat sowohl für Bestandsanlagen als auch für Neuanlagen, die nach dem 31.08.2021 in Betrieb gehen, zu erfolgen. Ab dem 18. August sollte die Bereitstellung der Stammdaten abgeschlossen sein. So kann am 01.09.2021 mit der Lieferung der Planungsdaten begonnen werden.

Im Rahmen des zweiten Schritts der Stammdatenbereitstellung sind vom Anschlussnetzbetreiber (ANB) die angereicherten Stammdaten für die steuerbaren Ressourcen (SR) an den DP zu übermitteln. Die angereicherte Stammdaten-Lieferung sollte bis zum 25.08.2021 abgeschlossen sein, um die Planungsdaten ab dem 01.09.2021 empfangen zu können. Der 3. Schritt umfasst die Sicherstellung der Möglichkeit, dass alle Marktakteure den Prozess zur Änderung der Stammdaten nutzen können.

Schritt 4: Abrufe im Aufforderungsfall

Ab dem 01. September und bis zum Beginn des Redispatch 2.0 sind alle Abrufe und Abrufinformationen an den DP zu übermitteln. Eine Umsetzung des Aufforderungsfalls vor dem 01. Oktober erfolgt aber nicht. Vielmehr soll der Zeitraum als Testzeitraum für die jeweiligen Prozesse dienen. Die Ausführung des Aufforderungsfalls erfolgt über den Prozess „Use-Case: Abruf im Aufforderungsfall mit Delta-/Sollwertanweisung” unter Berücksichtigung der festgelegten Datenformate.

Schritt 5: Abrufe im Duldungsfall

Wie auch für den Aufforderungsfall startet die Testphase des Duldungsfall ebenfalls am 01. September. Die verbindlichen Informationen für die entsprechenden Sollwerte der steuerbaren Ressourcen sind über den DP bereitzustellen. Ebenfalls handelt es sich bis zum 01. Oktober um eine Testphase. Die Ausführung des Duldungsfalls erfolgt über den Prozess „Use-Case: Abruf im Duldungsfall mit Sollwertanweisung” unter Berücksichtigung der festgelegten Datenformate.

Schritt 6 und 7: Planungsdaten im Planwertmodell

Ab dem 01. September bis zum Start des Redispatch 2.0 sind die realen und simulierten Planungsdaten an den DP zu übermitteln. Ab de 29. September bis spätestens 14:30 werden für den Zeitraum, der mit dem Zeitpunkt 01.10.2021, 0:00 Uhr beginnt, reale Planungsdaten an den DP übermittelt. So kann der Start für das Redispatch 2.0 ab dem 01. Oktober erfolgen.

Schritt 8 und 9: Nichtbeanspruchbarkeiten im Prognosemodell

Ab dem 01. September bis zum Start des Redispatch 2.0 sind die realen und simulierten Nichtbeanspruchbarkeiten an den DP zu übermitteln. Bis zum 27.09.2021 bis spätestens 14.30 Uhr werden für den Zeitraum, der mit dem Zeitpunkt 01.10.2021, 0:00 Uhr beginnt, reale Nichtbeanspruchbarkeiten an den DP übermittelt.

Schritt 10 und 11: Marktbedingte Anpassung im Prognosemodell

Ab dem 01. September bis zum Start des Redispatch 2.0 sind die realen und simulierten Marktbedingte Anpassung an den DP zu übermitteln. Ereignisgesteuert bis spätestens Echtzeit werden für den Zeitraum, der mit dem Zeitpunkt 01.10.2021, 0:00 Uhr beginnt, reale marktbedingte Anpassungen an den DP übermittelt.

Redispatch 2.0 Einführungsszenario nach dem BDEW

Fazit zum Einführungsszenario

Anhand des Zeitplans Redispatch 2.0 Einführungsszenario und der zu erledigenden Arbeitspakete bis zum Start am 01. Oktober wird ersichtlich, dass vor jedem EVU ein sportlicher Umsetzungsplan liegt. Mit den neuen Prozessen des Redispatch 2.0 hat der Gesetzgeber ein Konstrukt geschaffen, das es vermutlich so seit dem MsbG und der Vorbereitung zum Rollout intelligenter Messsysteme nicht mehr gegeben hat. Die Umsetzung zur Einführung des Redispatch 2.0 ist kein Thema, das in einem EVU einfach nebenbei umgesetzt werden kann. Vielmehr sollte mit einer großen Intensität an der Umsetzung gearbeitet werden.

EVUs, die bereits am Testbetrieb zur Umsetzung des Redispatch 2.0 seit Mai beteiligt sind, haben bereits ein gutes Fundament gelegt, auch die Anforderungen des Einführungsszenarios umzusetzen. Für alle EVUs, die sich bislang noch nicht so intensiv mit der Umsetzung beschäftigt haben, gilt es nun, die Ärmel hochzukrempeln. An dieser Stelle sei allerdings zu erwähnen, dass das EVU nicht nur die Prozesse des Einführungsszenarios umzusetzen hat, da sich dieses hauptsächlich auf die Anbindung der Marktpartner an den DP konzentriert. Weitere Aufgaben, wie z. B. die Prognose von Erzeugungsanlagen der Netzbetreiber oder eine Sicherstellung der Prozesse zur Abrechnung der SR im Falle einer Redispatchmaßnahme, sind ebenfalls umzusetzen.

Bei Fragen zu diesem Blogbeitrag meldet euch gerne. Wenn euch der Artikel gefallen hat, abonniert gerne unseren Blog. Wenn ihr noch einmal nachlesen wollt, worum es sich genau bei dem Thema Redispatch 2.0 handelt, empfehlen wir euch unseren dazugehörigen Blogartikel Redispatch 2.0: Das Stromnetz wird flexibler.

Redispatch 2.0 Ressourcen und Ressourcen-IDs im Überblick (TR, SR, SG, CR)

Redispatch 2.0: Die Umsetzung geht in den Vollgasmodus

Das Thema Redispatch 2.0 nimmt mit Blick auf die Umsetzungsfrist zum 1. Oktober 2021 zunehmend Fahrt auf. Wo es lange um die eher theoretische Ausgestaltung des Themas ging, geht es nun mit Vollgas in die Umsetzungsphase. Für Netzbetreiber heißt es jetzt, die notwendigen Prozesse aufzubauen und Datengrundlagen zu schaffen.

Ein erster, wesentlicher Schritt für den Anschlussnetzbetreiber (ANB) und den Einsatzverantwortlichen (EIV) ist die Aufbereitung der Stammdaten der Erzeugungsanlagen bzw. der jeweiligen Redispatch 2.0-Ressourcen. Mit den Begriffen technische Ressource (TR), steuerbare Ressource (SR), Steuergruppe (SG) und Cluster-Ressource (CR) stehen im Zuge des Redispatch 2.0 eine Vielzahl von Ressourcen zur Verfügung, die mit unterschiedlichen Stammdaten zu versehen sind. Da der ANB seit dem 01. April die Möglichkeit hat, die jeweiligen IDs der Ressourcen zu beantragen, werfen wir in unserem Beitrag einen Blick auf die unterschiedlichen Typen von Ressourcen und wie die IDs eigentlich zu unterscheiden sind.

Redispatch 2.0-Ressourcen im Überblick

Im Sinne des Redispatch 2.0 existieren vier unterschiedliche Typen von Ressourcen: technische Ressourcen (TR), steuerbare Ressourcen (SR), Steuergruppen (SG) und Cluster-Ressourcen (CR). Alle Ressourcen bauen in diesem Konstrukt aufeinander auf und sollen im Folgenden definiert werden:

technische Ressource (TR)

Bei einer technischen Ressource handelt es sich um ein technisches Objekt, das Strom verbraucht und/oder erzeugt. Es stellt im Kontext der Ressourcen die kleinstmögliche Einheit dar. Somit kann es sich um jede Art von Verbrauchern oder Erzeugern handeln. Ob eine Fernsteuerbarkeit der technischen Ressource gegeben sein muss, ist in diesem Kontext irrelevant.

steuerbare Ressource (SR)

Eine steuerbare Ressource ist im Prinzip eine Erweiterung einer technischen Ressource. Wie der Name sagt, ist die Erzeugung oder der Verbrauch der Anlage(n) aus der Ferne steuerbar. Eine steuerbare Ressource wirkt somit auf mindestens einen Netzanschlusspunkt. Eine SR setzt sich daher aus einer einzelnen oder mehreren TR zusammen, wobei die SR mindestens einer Marktlokation (MaLo) zugeordnet ist. Jede TR ist in diesem Zusammenhang genau einer SR zugeordnet. Insgesamt ist immer genau ein EIV für die SR verantwortlich. Die SR selbst kann über den Aufforderungs- und Duldungsfall aufgerufen werden. Für den Duldungsfall gilt: Sofern TR über eine gemeinsame technische Steuerungseinrichtung durch den Netzbetreiber (NB) steuerbar sind, müssen diese TR zu einer SR zusammengefasst werden. Für den Aufforderungsfall gilt: Sofern TR am selben Netzanschlusspunkt einspeisen oder der NB die netzanschlusspunktübergreifende Aggregation freigegeben hat und diese TR die gleichen (kalkulatorischen) Kosten haben sowie diese TR denselben verantwortlichen EIV haben, können TR zu einer SR zusammengefasst werden.

Steuergruppe (SG)

Bei der Steuergruppe handelt es sich um eine Ressource, die nachträglich im Redispatch 2.0-Prozess geschaffen wurde. Eine SG enthält i. d. R. mehrere SR, wobei jede SR maximal einer SG zugeordnet sein darf. Die Bildung der SG obliegt dem ANB. Die Steuergruppe wurde u. a. für die SR geschaffen, die über die klassische Fernwirktechnik gesteuert wird, bei der ein einzelnes Ansteuern der SR nicht möglich ist. Stattdessen ist eine Steuerung ausschließlich in Gruppen möglich. Um technische Änderungen an den SR zu vermeiden, wurde nachträglich die Gruppe der SG eingeführt. Die Steuerung der SG erfolgt somit über ein einheitliches Signal des ANB. Der ANB übernimmt somit die Rolle des anweisenden Netzbetreibers. Alle SR innerhalb einer SG sind damit dem Duldungsfall zugeordnet.

Cluster-Ressource (CR)

Bei einem Cluster handelt es sich um eine Zusammenfassung steuerbarer Ressourcen, die auch Steuergruppen miteinschließen kann. Die Cluster-Ressource ist zwischen dem clusternden und vorgelagerten Netzbetreiber abzustimmen. Die Zuordnung einer SR oder SG zu einer CR erfolgt durch den clusternden Netzbetreiber. Ein vorgelagerter Netzbetreiber darf eine SG nur gesamthaft einem Cluster zuordnen. Ebenso ist eine Bündelung der CR untereinander erlaubt. Eine Clusterung von SR oder SG und CR untereinander ist nur erlaubt, wenn eine ähnliche netztechnische Wirkung auf das vorgelagerte Netz und ähnliche Kosten bestehen.

Zusammenhang Redispatch 2.0 Ressourcen

Die Identifikationsnummern der Ressourcen

Zur Identifikation der TR, SR, SG oder CR wird eine 11-stellige Identifikationsnummer (ID) benötigt. Die ID stellt den Primärschlüssel des Stammdatenmodells im Redispatch 2.0 für die jeweiligen Ressourcen dar. Somit ist für den ANB die Beantragung und Zuweisung der IDs einer der ersten Schritte in der Umsetzung des Redispatch 2.0. Die Bereitstellung der IDs übernimmt zentral die Energie Codes und Services GmbH nach Beantragung des ANB. Die Vergabe an die TR und SR erfolgt dezentral durch die Netzbetreiber. Eine Veränderung aller IDs ist unzulässig, solange die TR, SR, SG oder CR besteht. Dies schließt einen Wechsel des Netzbetreibers, einen Wechsel des Betreibers der technischen Ressource (BTR) oder EIV mit ein.

Der ANB hat zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen, dass dem EIV ausreichend SR-IDs zur Verfügung stehen. Die Zuweisung der SG-ID liegt im Verantwortungsbereich des Netzbetreibers.  Die Identifikation, um was für eine Ressource (TR, SR, Steuergruppe, Cluster) es sich handelt, ist am Codetyp der ID an Hand der ersten Prüfziffer zu erkennen. Folgende Prüfziffern kennzeichnen die Redispatch 2.0-Ressourcen:

D: technische Ressource (TR)

C: Steuerbare Ressource (SR)

B: Steuergruppe (SG)

A: Cluster-Ressource (CR)

Jeder Netzbetreiber kann ab dem 01. April 2021 die TR-ID und SR-ID für sein Netzgebiet beantragen. Die Vergabe erfolgt durch den Netzbetreiber. Der EIV ist vom Netzbetreiber über seine ID zu informieren. Die Zuordnung einer TR zu einer SR erfolgt bis zum 14. Mai 2021durch den ANB. Die Zuordnung ist dem EIV mitzuteilen. Ist dem Netzbetreiber der EIV nicht bekannt, ist der Betreiber der technischen Ressource (BTR) zu kontaktieren. Ist der EIV mit der Zuordnung des Netzbetreibers nicht einverstanden, ist eine Kontaktaufnahme mit dem ANB erforderlich. Aus Sicht des BDEW sollte die Zuordnung und Abstimmung der IDs mit dem EIV bis zum 16. Juni 2021 abgeschlossen sein.

Die IDs bilden somit einen ersten, wichtigen Schritt zur Umsetzung des Projekts Redispatch 2.0. Am Ende ist es aber nur ein Baustein im Einführungsszenario, das der BDEW für das Thema Redispatch 2.0 skizziert hat. In einem weiteren Blogartikel werden wir auf das Einführungsszenario noch einmal detaillierter eingehen.

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Wer wissen will, wie die Einführung von Redispatch 2.0 im EVU aussehen soll, findet auf unserem Blogbeitrag zum Redispatch 2.0 Einführungsszenario mehr Informationen.