Warum beschäftigen sich so viele Netzbetreiber mit Fehleranzeigern? 

17. September 2024

Fehleranzeiger und die Funktion im Verteilnetz 

Die Versorgungssicherheit und der sichere, wie auch zuverlässige Betrieb unserer Stromnetze sind mit eines der wesentlichen Ziele des Netzbetriebs laut dem Energiewirtschaftsgesetz. Die Ausfallzeiten des deutschen Stromnetzes werden daher versucht von allen Akteuren zu minimieren, weswegen der SAIDI in Deutschland einer der besten der Welt ist.  

Ein Puzzlebaustein zur Behebung von Störungen oder Netzausfällen sind Fehleranzeiger im Netz. Ein Fehleranzeiger im Stromnetz ist ein Gerät oder eine Vorrichtung, die darauf ausgelegt ist, das Vorhandensein eines Fehlers oder einer Störung im Stromnetz anzuzeigen. Der Fehleranzeiger erkennt Abweichungen von der normalen Stromversorgung und signalisiert dies den Benutzern oder dem Betreiber des Netzes. 

Es gibt verschiedene Arten von Fehleranzeigen im Stromnetz, aber im Allgemeinen dienen sie dazu, Probleme wie Kurzschlüsse, Erdungsfehler, Unterbrechungen der Stromversorgung oder andere Abweichungen zu erkennen. Sie können in Form von visuellen Anzeigen wie Leuchten oder Anzeigetafeln, akustischen Signalen oder elektronischen Warnmeldungen erfolgen. Die genaue Funktionsweise eines Fehleranzeigers hängt von seinem spezifischen Design und den verwendeten Technologien ab. Einige Fehleranzeigen verwenden beispielsweise Sensoren, um elektrische Signale zu erfassen und zu analysieren, während andere auf spezifische Eigenschaften des Stroms wie Spannung, Frequenz oder Stromstärke reagieren.  

Die Hauptfunktion eines Fehleranzeigers besteht darin, das Personal oder die Verantwortlichen für das Stromnetz über das Vorhandensein eines Fehlers zu informieren, damit sie entsprechende Maßnahmen ergreifen können. Dies kann die Lokalisierung und Behebung des Fehlers oder die Abschaltung bestimmter Abschnitte des Netzes zur Vermeidung von weiteren Schäden umfassen. Fehleranzeigen sind wichtige Instrumente zur Aufrechterhaltung der Stromversorgungssicherheit und zur Vermeidung von Störungen im Stromnetz. Sie tragen zur schnellen Erkennung und Lösung von Problemen bei und ermöglichen eine effiziente Wartung und Instandhaltung des Netzes. 

Im Rahmen dieses Beitrages wollen wir uns einmal anschauen, wo Fehleranzeiger im Verteilnetz zu finden sind, wie eine genaue Fehlerortung funktioniert und Störungsbehebung funktionieren könnte. 

Der Aufbau des Verteilnetzes und die Positionierung der Fehleranzeiger 

Bevor wir uns den Einzelheiten der Fehleranzeiger widmen, werfen wir erst einen Blick auf das Verteilnetz und dessen Aufbau in dem Fehleranzeiger verwendet werden. In diesem Fall betrachten wir ein Mittelspannungsnetz am Punkt eines Umspannwerkes mit zwei Transformatoren mit einer doppelten Sammelschiene. Von den Abgängen aus befinden sich zwei Ringnetze an der eine Vielzahl von Ortsnetztrafostationen (ONT) – siehe die kleinen Striche – zu sehen sind. 

Würde Geld keine Rolle spielen und wäre eine sehr hohe Versorgungssicherheit das Ziel, würde man in jede ONT einen Leistungsschalter und ein Schutzrelais zzgl. zu den Relais im Umspannwerk implementieren. Ein Leistungsschalter ist ein elektrisches Gerät, das den Stromkreis (während des Betriebs) öffnen oder schließen kann, um vor Überlastung oder Kurzschlüssen zu schützen, während ein Schutzrelais ein elektronisches Gerät ist, das auf bestimmte elektrische Abweichungen reagiert und den Leistungsschalter steuert, um das Stromnetz vor Schäden zu schützen. 

Der Kurzschlussfall im idealen Netz 

Nehmen wir das idealisierte Netz, bei dem jede ONT über einen eigenen Leistungsschalter und Schutzrelais verfügt, und betrachten einen Fehlerfall in diesem Netz am Beispiel eines Kurzschlusses zwischen L1 und L2 im linken Ringnetzes unseres Netzes. In diesem Fall fließt ein hoher Strom von Umspannwerk zur Fehlerstelle, aber da das Netz als geschlossener Ring betrieb wird, fließt ein hoher Fehlerstrom auch durch alle anderen Stationen. In der Konsequenz reagiert Distanzschutz. Die beiden Relais, die am nächsten am Fehler sind, schalten ab vor allen anderen Relais.  

Diese Art der Abschaltung ist Teil der sog. Schutzstaffel. Unter einer Schutzstaffel im Niederspannungsnetz im Falle von Relais versteht man eine Gruppe von Schutzrelais, die in Serie geschaltet sind und zusammenarbeiten, um das Verteilnetz vor verschiedenen Arten von Störungen oder Fehlfunktionen zu schützen. Jedes Schutzrelais in der Schutzstaffel hat eine spezifische Aufgabe und reagiert auf bestimmte elektrische Abweichungen, um den Stromkreis zu überwachen und gegebenenfalls den Leistungsschalter zu öffnen, um das Netz vor Schäden oder Unfällen zu bewahren. Die Schutzstaffel bildet eine wichtige Komponente des Schutzsystems im Verteilnetz und trägt zur Sicherheit und Zuverlässigkeit der Stromversorgung bei. 

Durch die hohe Dichte von Leistungsschaltern und Schutzrelais im Verteilnetz sichert die Schutzstaffel einen sicheren Weiterbetrieb aller Kunden, welche sich nicht zwischen den beiden Schutzrelais befinden. Hinzu kommt eine schnelle Fehleridentifikation im Verteilnetz, wenn der Netzbetreiber über die Information verfügt, welches Schutzrelais angesprochen wurde. Die Zeit der Fehlerbehebung kann so minimiert werden.  

Der Kurzschlussfall im realen Netz 

In der Realität verfügen die ONTs jedoch selten über einen Leistungsschalter und ein Schutzrelais. Der Grund sind meist die höheren Investitionskosten. Je nach Aufbau des Netzes kann es jedoch sein, dass einzelne ONT über einen Leistungsschalter und Schutzrelais verfügen. In der Regel sind die Schutzrelais nur an den Abgängen im Umspannwerk zu finden. In der ONT befindet sich meist nur ein Lasttrenner aber kein Leistungsschalter.  

Zum Vergleich: Ein Lasttrenner ist ein elektrisches Gerät, das den Stromkreis unter normalen Bedingungen trennt, um eine sichere Arbeitsumgebung zu gewährleisten, während ein Leistungsschalter zusätzlich zur Trennfunktion auch den Stromkreis unter Überlastungs- oder Kurzschlussbedingungen schützt und automatisch abschaltet, um Schäden am Netz zu vermeiden. Ein Lasttrenner kann somit nicht mit einem Leistungsschalter verglichen werden. Hinzu kommt, dass das Ringnetz meist in einer offenen Betriebsweise betrieben wird, weswegen das Netz als Strahlennetz bzw. offenes Ringnetz betrieben wird.  

Kommt es nun in diesem realen Netz zu einem Kurzschluss wie im vorherigen Beispiel, wird der Fehler am Schutzrelais des Umspannwerks erkannt, löst aus und unterbricht die Versorgung des betroffenen Netzstranges. Die andere Seite des Ringes ist von der Störung auf Grund der offenen Betriebsweise nicht betroffen.  

Allerdings besteht nun das Problem, dass die genaue Fehlerstelle im Strang nicht bekannt und sich Fehlerort irgendwo im Strang befinden muss. 

In der Konsequenz ist eine Fehlersuche im Strang erforderlich.  Liegen keine weiteren Hilfsmittel im Netz vorhanden, wäre eine Vermutung des Fehlerorts erforderlich, eine Isolierung des Abschnittes notwendig und bei dem die Trennstelle nach durchgeführter Isolation zugeschaltet wird. Das Problem bei jedem Zuschalten, solange der Fehler noch besteht, kommt es weiter zu Kurzschlüssen, die zum einen eine Gefahr für den Menschen darstellen könnten, aber auch die Betriebsmittel stark belasten. Der Netznutzer würde die Fehlersuche u.a. dadurch merken, dass der Strom bei der Fehlerlokalisation immer wieder für kurze Zeit da und dann wieder weg wäre. In Summe ergibt sich eine unglückliche Situation für den Netzbetreiber und den Netznutzer.  

Um dieses Problem zu lösen, werden Fehleranzeiger verwendet, die sich in jedem ONT befinden. Der Fehleranzeiger überwacht den Strom, der durch die Kabel fließt. Wichtig ist hierbei, dass der Fehleranzeiger nur den Fehler anzeigt, aber selbst keine Schalthandlungen ausführt. Somit hat der Fehleranzeiger im Vergleich zum Schutzrelais eine eher passive Funktion. Eine Meldefunktion direkt an den Netzbetreiber erfolgt in der Regel nicht. Die Störung wird lediglich vor Ort angezeigt.

Das Prinzip der Fehlerortung besteht also darin, dass der Mitarbeiter des Netzbetreibers die ONTs solange abfährt, bis er die erste Trafostation erreicht, die keinen Fehler anzeigt. Es gibt aber auch Zusatzfunktionen in den Fehleranzeigern, wie z.B. Messwerterfassung, Richtungserfassung oder zusätzliche Steuerfunktionen, die die Fehlerortung und -behebung besser unterstützen können. Der Einsatz von Fehleranzeigen führt somit zu einer schnelleren Fehlerlokalisierung, jedoch müssen die ONTs immer noch abgefahren werden.

Jede Störung des Netzes kostet dem Netzbetreiber Geld 

Jede Störung des Netzes wirkt sich aus Netzbetreibersicht negativ auf sein Qualitätselement aus, sofern die Störung länger als drei Minuten vorlag. In Deutschland gibt es ein sog. Umlagesystem zwischen den Netzbetreibern, wenn es um die Qualitätsbeurteilung ihres Netzes geht, welche in der Formel der Erlösobergrenze als Q-Element bezeichnet wird. Demnach sind die Netzbetreiber einmal im Jahr verpflichtet ihre Ausfallzeiten größer 3 Minuten an die Regulierungsbehörde zu melden. Aus den Meldungen errechnet die Behörde einmal den individuellen Durchschnittswert der Netzausfallzeiten für den jeweiligen Netzbetreiber sowie einen Durchschnittswert über ganz Deutschland. Liegt der Netzbetreiber unter dem allgemeinen Durchschnittswert, so erhält der Netzbetreiber einen Bonus. Liegt der Netzbetreiber darüber muss er eine Strafzahlung leisten. 

Somit kostet jede Störung im Netz den Netzbetreiber eine beträchtliche Summe Geld, da sich sein jährlicher Durchschnittswert der Netzausfallzeiten verschlechtert. Eine Fehlerortung im Verteilnetz sollte daher immer möglichst schnell gehen, weswegen Fehleranzeiger dem Netzbetreiber helfen die Fehlerlokalisation zu beschleunigen. Aus diesem Grund haben einige Netzbetreiber auch Projekte gestartet die Informationen der Fehleranzeiger zu digitalisieren und zu übertragen, um einzelne ONTs zur Fehlerlokalisierung nicht mehr abfahren zu müssen. Andere Netzbetreiber entscheiden sich hingegen nun in neue Trafostationen Leistungsschalter und Schutzrelais trotz höherer Kosten einzubauen, um die Ausfallzeiten im Störungsfall zu minimieren, da man von einer komplexeren Netzführung, bedingt durch die zunehmende Volatilität im Netz, ausgeht.  

Alles in allem hoffe ich, dass der Beitrag eine Hilfe war und ein besseres Verständnis über die Funktionsweise im Netz gewonnen werden konnte. Fehleranzeiger sind sicherlich nur ein Baustein für ein funktionierendes Netz und die Weiterentwicklung muss in einem ganzheitlichen Netzkonzept betrachtet werden. Daher würde ich mich auch über Einschätzungen oder Ergänzungen von Netzbetreibern freuen, wie diese sich zu dem Thema positionieren.  

Marcel Linnemann

Leitung Innovation & Grundsatzfragen Energiewirtschaft
Marcel Linnemann, Wirt. Ing. Energiewirtschaft, Netzingenieur, ist Leiter Innovation und regulatorische Grundsatzfragen bei items und Autor diverser Fachbücher und -artikel rund um die Thematiken der Energiewirtschaft und der Transformation