Fast in letzter Minute vor den vorgezogenen Bundestagswahlen hat die noch amtierende Regierung mit den Stimmen der Unions-Fraktion die sog. Kleine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) oder auch das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ beschlossen, das am 25.02.2025 in Kraft trat.
Bereits seit Frühherbst 2024 kursierten verschiedene Entwürfe des EnWGs. Gemeinsames Ziel der Vorschläge war die bessere Integration von erneuerbaren Energien, speziell von Solarstrom. Man wollte Vorsorge treffen für Zeiten temporärer Erzeugungsüberschüsse, die aufgrund der erfreulich hohen Zubauraten ab spätestens dem kommenden Sommer zu erwarten sind. Denn 16,2 Gigawatt (GW) der insgesamt im Jahr 2024 zugebauten 20 GW Erzeugungsleistung entfielen auf die Solarenergie.
Dass die Novelle noch so unmittelbar vor der Neuwahl verabschiedet wurde, zeigt die Dringlichkeit der enthaltenen Neuerungen. Die politischen Mehrheiten kamen zustande, da einige der mit dem Entwurf für eine „EnWG-Novelle“ durch das BMWK von November 2024 vorgestellten Gesetzesänderungen als praktisch unaufschiebbar galten.
Bevor wir uns den technischen und regulatorischen Neuerungen zum Thema Nulleinspeiser widmen, hier noch die Kurzversion der EnWG-Kurznovelle:
- Keine Einspeisevergütung bei negativen Strompreisen: Wenn der Strompreis ins Negative fällt, erhalten PV-Betreiber keine Vergütung für den eingespeisten Strom.
- Pflicht zur Installation von Smart Meter und Steuerbox: Künftig müssen neue PV-Anlagen mit einem intelligenten Stromzähler (Smart Meter) und einer Steuerbox ausgestattet sein. Die Steuerbarkeit gilt für Photovoltaik-Anlagen ab einer Leistung von 7 KW, wobei sogenannte „Nulleinspeise-Anlagen“ und Stecker-Solar-Geräte ausgenommen sind.
- Leistungsdrosselung ohne Steuertechnik: PV-Anlagen ohne Smart Meter und Steuerbox dürfen nur noch 60 % ihrer maximalen Leistung ins Netz einspeisen.
- Mehr Flexibilität in der Direktvermarktung: Künftig ist es erlaubt, Netzstrom in den eigenen Speicher zu laden und zu einem späteren Zeitpunkt gewinnbringend zu verkaufen.
Nulleinspeiser als Anlagenkategorie
Um die Lastspitzen dauerhaft zu senken, erhalten Netz- und Anlagenbetreiber durch die EnWG-Novelle die Option des Anschlusses von PV-Neuanlagen als sog. „Nulleinspeiser“. Dabei handelt es sich bei der Nulleinspeisung um ein PV-Einspeisemodell, das keine Netzeinspeisung vorsieht. Die Netzeinspeisung wird vielmehr durch das System unterbunden. Vielmehr wird der erzeugte PV-Strom vollständig vor Ort verbraucht und/oder gespeichert. Als Folge erwirtschaften PV-Anlagen in Nulleinspeisung keine Einspeisevergütung.
Nulleinspeiser werden also mit der Motivation einer möglichst hohen Eigenverbrauchsquote errichtet oder auch für den Fall, dass eine Einspeisung nicht möglich ist. Durch den Verzicht auf die Netzeinspeisung muss der Anlagenbetreiber keine Steuerungstechnik implementieren, wodurch die Steuer-POG entfällt. Steckersolargeräte sind von der Regelung ausgenommen.
Regulatorische Voraussetzungen
Geregelt ist die Nulleinspeisung in §29, Absatz 5 des Messtellenbetriebsgesetzes (MsbG).
Der Umstand, dass kein Strom in das Netz für die allgemeine Versorgung eingespeist wird, lässt Nulleinspeiser zu einem mittelbaren Netzanschluss werden. Dies hat zur Folge, dass man jederzeit von der Nulleinspeisung zur Überschusseinspeisung wechseln kann für den Fall, dass das Nulleinspeiser-Modell sich doch nicht so rechnet wie erwartet. Dabei ist zu beachten, dass für einen Wechsel eine vierjährige vorherige Ankündigungsfrist beim Messstellenbetreiber besteht. Voraussetzung ist außerdem, dass der Netzbetreiber informiert wird und sein Einverständnis gibt.
Grundsätzlich gilt: Steckersolargeräte sind von der Regelung ausgenommen.
Genehmigung und Marktstammdatenregister
Auch Nulleinspeiser müssen sowohl im Marktstammdatenregister registriert als auch beim zuständigen Netzbetreiber angemeldet werden. Die Genehmigung des Netzbetreibers ist vor der Inbetriebnahme erforderlich, während die Anmeldung im Marktstammdatenregister bis zu vier Wochen nach der Inbetriebnahme erfolgen kann. Eine Anmeldung beim Finanzamt ist für Nulleinspeisungsanlagen in der Regel nicht nötig, da keine Einnahmen aus der Einspeisevergütung erzielt werden.
Technische Voraussetzungen für das Nulleinspeisermodell
Wichtig ist, Nulleinspeiser können die POG sparen, da sie keine Steuerungstechnik verbaut bekommen.
Wie bei jeder PV-Anlage benötigt man auch für Nulleinspeiseanlagen einen Wechselrichter. Der intelligente Wechselrichter stellt sicher, dass tatsächlich kein Strom in das Netz abgegeben wird. Voraussetzung dafür ist, dass der Wechselrichter die Option bietet, eine Einspeisegrenze „Null“ einstellen zu können und die PV-Anlage bei Stromüberschüssen abregelt.
Wie auch bei PV-Anlagen, die ins Netz einspeisen, verlangen viele Netzbetreiber für Nulleinspeiser einen Zweirichtungszähler. Ein Zweirichtungszähler ist darauf ausgelegt, einerseits den ins Netz eingespeisten Strom als auch den aus dem Netz bezogenen Strom zu messen. Auch wenn bei der Nulleinspeisung gerade kein Strom ins Netz abgegeben wird, wird der Zweirichtungszähler oft als Nachweis eingesetzt, um genau dies zu beweisen.
Netzbetreiber & Nulleinspeiser
Für Netzbetreiber bedeuten Nulleinspeiser die Möglichkeit, ihre Lastspitzen dauerhaft zu senken, sofern sich der Anlagenbetreiber freiwillig für die Lösung entscheidet. Außerdem kann eine klar definierte Einteilung von Anlagen vorgenommen werden, was die Systemintegration durch bessere Planbarkeit vereinfacht.
Dennoch bringen Nulleinspeiser einiges an Regelungsbedarf für Netzbetreiber mit sich. So müssen sie zunächst ihren Netzanschlussprozess um die Funktion der Nulleinspeisung erweitern. Auch die Netzleitsysteme müssen die Nulleinspeiser berücksichtigen können. Schließlich müssen Netzbetreiber die schriftlichen Erklärungen zur Nulleinspeisung seitens der Anlagenbetreiber erfassen und verwalten. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass an Nulleinspeiser keinerlei Steuerungssignale gesendet werden.
Netzbetreiber müssen Nulleinspeiser auch bei der Ermittlung des Netzverknüpfungspunktes und ggf. bei der Netzverträglichkeitsprüfung berücksichtigen, da die Nulleinspeiser mit dem Vorlauf von vier Jahren und der Bestätigung des zuständigen Messstellenbetreibers in die Einspeisung wechseln können.
Derzeit ist in den technischen Regeln des VDE FNN (VDE-AR-N), für die Niederspannung die VDE-AR-N 4105, die Anwendung der Nulleinspeisung noch nicht abgebildet. Allerdings hat der VDE FNN die Konstellation der Nulleinspeisung in einem Hinweis „Anschluss und Betrieb von Speichern am Niederspannungsnetz“ beschrieben, die nach Ausführungen des VDE FNN auch für Konstellationen ohne Speicher Gültigkeit haben (unter 4.4. des Hinweises). Ab 2025 soll eine entsprechende Regelung in die VDE-AR-N 4105 aufgenommen werden.
Die Tatsache, dass ein Wechsel von der Nulleinspeisung auf die Netzeinspeisung mit vier Jahren Vorlauf angemeldet werden muss, gibt Netzbetreibern für ihre Kapazitätsberechnungen gute Planungssicherheit.
Messstellenbetreiber
Auch die Messstellenbetreiber müssen die Nulleinspeiser berücksichtigen und ihre Systeme zur korrekten Klassifikation mit einem eigenen Messkonzept anpassen. Auch sind sie für die Sperrung bei Einbau einer Steuerungseinrichtung für die betroffenen Anlangen zuständig.
Den Messstellenbetreibern muss außerdem der Wechselwunsch in die Volleinspeisung mit einer Frist von vier Jahren seitens der Anlagenbetreiber mitgeteilt werden. Sie halten weiterhin die Daten der abgegebenen Erklärungen seitens der Anlagenbetreiber zur Nulleinspeisung und deren Fristen von mindestens vier Jahren.
Anlagenbetreiber und Nulleinspeiser
Voraussetzung für den Status Nulleinspeiser ist eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Messstellenbetreiber, dass die Anlage dauerhaft keinen Strom ins Netz einspeist. Dafür und für weitere Anpassungen bzw. die Erklärung des Übergangs in die Einspeisung bedarf es einer geregelten Kundenkommunikation bzw. der Anpassung der Netzportale.
Außerdem muss, wie oben bereits beschrieben, ein intelligenter Wechselrichter die Wirkleistungseinspeisung der Anlage dauerhaft auf 0 Prozent der installierten Leistung begrenzen können. Bei Nichteinhaltung muss der Anlagenbetreiber mit Sanktionen rechnen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Nulleinspeiser nicht aktiv zur Netzstabilität beitragen, da sie nicht durch die Netzbetreiber regelbar sind. In der Folge kann laut § 29, Abs. 5 Messstellenbetriebsgesetz auf den Einbau von Steuerungstechnik verzichtet werden, wodurch die Steuer-POG entfällt. Allerdings muss dennoch ein intelligentes Messystem verbaut werden, um zu beweisen, dass tatsächlich keine Kilowattstunde eingespeist wurde.
Für Lieferanten haben die Nulleinspeiser im Übrigen keine direkten Auswirkungen, da die Regelung primär Netz- und Messtellenbetrieb betrifft. Für sie dürfte allerdings eine Information nützlich sein, dass es bei bestimmten Kundinnen und Kunden einen installierten Nulleinspeiser gibt. Ggf. könnten auch Anpassungen bei der Vertragsgestaltung für Anlagenbetreiberinnen und Anlagenbetreiber mit Eigenverbrauch in Betracht kommen, um dies in die eigenen Prognosen einzubinden.
Für wen ist die Nulleinspeisung lukrativ?
Entscheidend scheint bei der Überlegung Nulleinspeisung – Netzeinspeisung, wie effizient die PV-Anlage genutzt wird – sprich, wie viel vom selbst erzeugten Strom man tatsächlich nutzen kann. Perspektivisch wird der Stromverbrauch eher steigen, insbesondere durch die Elektrifizierung von Sektoren wie Wärme und E-Mobilität. Bei höherem Strombedarf im Haushalt entstehen auch in Zeiten hoher Erträge weniger Überschüsse – das würde für die Nulleinspeisung sprechen. Der Umstieg auf eine volle Eigenversorgung kann dadurch daraus attraktiv bleiben, denn Solarstrom bleibt nach wie vor bedeutend günstiger als Netzstrom, zumal, wenn man sich die Steuerungseinrichtung und die POG damit sparen kann.
Auch vor dem Hintergrund, dass die Einspeisevergütung für PV-Strom kontinuierlich sinkt, lohnt sich ein „Nulleinspeiser“ für private PV-Anlagenbetreiberinnen und -betreiber vor allem in den Fällen, in denen sie sich kostengünstig mit dem eigenen Strom versorgen können. Wer heute eine PV-Anlage installiert, erhält 8,04 Cent pro eingespeister Kilowattstunde. Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde Netzstrom kostete im Februar 2025 durchschnittlich 28,8 Cent. Dies ist verglichen zum Februar 2024 ein Zuwachs von 11,5 Prozent. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es daher vorteilhafter, den eigenen Solarstrom direkt zu nutzen, da jede selbst verbrauchte Kilowattstunde den Bedarf an teurem Netzstrom reduziert.
Andererseits bleibt der Haushaltsstrombedarf im Winter hoch, wenn auch eine große PV-Anlage weniger Strom erzeugt – dann muss teurer Netzstrom hinzubezogen werden.
Man sollte also bei seinen Überlegungen in Erwägung ziehen, dass man durch die Abregelung nicht mehr zu verbrauchenden Stroms einiges an eigenem PV-Ertrag nicht nutzt, den man bei einer Überschusseinspeisung vergütet bekäme. Um möglichst von jeder eigenproduzierten Kilowattstunde Solarenergie zu profitieren, sollte man daher einen Stromspeicher als Ergänzung in Erwägung ziehen. So kann der PV-Strom, der nicht direkt verbraucht wird, für die Abend- und Nachtstunden und Zeiten vorgehalten werden, in denen ansonsten Netzstrom zugekauft werden müsste. So muss die Anlage nicht sofort abgeregelt werden und man kann seine Stromrechnung weiter senken. Um dieses Zusammenspiel möglichst effizient zu gestalten, sollte die Speicherkapazität in etwa der Nennleistung der PV-Anlage entsprechen.
Fazit
Die vierjährige Vorlaufzeit für den Wechsel vom Nulleinspeiser-Modell zur Einspeisung ist für Netz- und Messstellenbetreiber für die Antizipation, Planbarkeit und Kontinuität komfortabel. Für Anlagenbetreiber bedeutet dies allerdings, dass sie gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum bis zum Wechsel mit ihrer Nulleinspeiseanlage weniger Strom erzeugen oder zu viel Strom erzeugen, den sie dann abregeln müssen, als zunächst im Business-Plan gedacht. Allerdings sparen sich die Anlagenbetreiberinnen und Anlagenbetreiber die Steuerungstechnik und die damit verbundenen Kosten.
Bei den meisten Nulleinspeisern lohnt sich daher mit hoher Wahrscheinlichkeit der parallele Zubau eines Stromspeichers, um die eigene Solarernte zeitlich in die Stunden zu verschieben, in denen normalerweise teurer Netzstrom hinzugekauft werden müsste. Auch eine Ausrichtung der PV-Anlage in Ost-West-Richtung – statt rein Süd – scheint ein geeigneter Ansatz zu sein, um die zeitliche Verfügbarkeit des eigenen Solarstroms möglichst lang zu strecken und hohe kurzzeitige Spitzen über die Mittagszeit zu verhindern, die dann in der Regel abgeregelt werden.
Zukünftig könnten die Nulleinspeiser interessant werden, wenn in den kommenden Jahren die EEG-Vergütung neu geregelt wird. Es ist davon auszugehen, dass die Förderungen weiter eingeschränkt werden und auch zunehmend kleine Anlagen mit in die Direktvermarktung einbezogen werden. Neue PV-Anlagen mit Nulleinspeisung könnten sich so die Mess- und Direktvermarktungskosten sparen.