Transformatoren, das Herzstück im Stromnetz
Transformatoren sind sehr teure und wichtige Assets im Verteilnetz, denn Sie verbinden die höheren Spannungsebenen mit dem Niederspannungsnetz. Im Gegensatz zu den großen Transformatoren im Übertragungsnetz, ist die klassische Ortsnetzstation in den meisten Fällen weder überwacht noch mit Fernwirktechnik ausgestattet.
Für die zukünftigen Herausforderungen im Verteilnetz fehlt es vor allem an Informationen, denn im Moment befinden sich die meisten Niederspannungsnetze im Blindflug. Nur aufgrund ihrer großen Kapazitäten waren die tatsächlichen Leistungsflüsse bisher zu vernachlässigen. Durch hohe Einspeisungen (bspw. durch PV-Anlagen) und ebenfalls hohe Ausspeisungen (bspw. durch E-Auto-Ladepunkte) häufen sich Spannungsbandüberschreitungen auf langen Leitungen und thermische Überlastungen von Betriebsmitteln.
Um Licht ins Dunkel der Verteilnetze zu bringen, hat es sich unter anderem als sinnvoll erwiesen, die Messtechnik zentral in der Ortsnetzstation zu verbauen. Einige Transformatorenhersteller bieten schon Modelle mit eingebauter Mess- und Funktechnik an. Alternativ gibt es Möglichkeiten, die benötigte Messtechnik nachzurüsten. Eine erste Übersicht über die verschiedenen Arten von Transformatoren und die bereits gemessenen Parametern gibt die folgende Abbildung:
Arten von Transformatoren
Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten von Transformatoren. Insbesondere sind zunächst die zwei üblichen Bauweisen zu unterscheiden: Öltransformatoren und Trockentransformatoren.
Die meisten Trafos sind Öltransformatoren, bei denen die Kupferwicklungen in einen großen Öltank eingetaucht sind. Dies dient der elektrischen Isolierung und der Abführung der Verlustwärme.
Sogenannte Trockentransformatoren verwenden als Isoliermittel Gießharz. Der Kühlungsprozess funktioniert über einen Luftstrom. Aufgrund des fehlenden Öltanks kommen sie vor allem in Wasserschutzgebieten und Aufgrund von Brandschutzvorschriften innerhalb von Gebäuden zum Einsatz.
Standardmäßig verfügen die Transformatoren gerade einmal über einen Temperaturauslöser, der bei zu hoher Temperatur den Stromkreis unterbricht, oder ein Buchholzrelais, das zusätzlich noch Öldruck, -zusammensetzung, -leckagen und -temperatur misst. Eine Übertragung der Information im Auslösefall in die Netzleitstelle findet jedoch meist nicht statt.
In neuster Zeit haben Hersteller damit begonnen, ihre Trafos mit zusätzlicher Messtechnik auszustatten und unterscheiden ihre Modelle nun auch dahingehend, welche zusätzlichen Features der Trafo bietet. Als weiteres Upgrade von Trafos mit zusätzlicher Messtechnik werden moderne Kommunikationsschnittstellen verbaut. Abgesehen von seriellen Schnittstellen und Ethernet, gibt es auch schon Geräte, die auf ein eigenes IoT-Gateway setzen. Die Hersteller versprechen durch die kontinuierliche Sammlung und Übertragung der Daten über das IoT-Gateway die „Digital Twin Fähigkeit“ des Assets. So wird zu jeder Zeit die thermische und elektrische Belastung überwacht und bspw. Zustand und die prognostizierte Lebensdauer des Trafos berechnet.
Weiterhin gibt es Trafos, die nicht nur zusätzliche Messtechnik und Schnittstellen besitzen, sondern auch Steuerungstechnik und Aktoren. Regelbare Ortsnetztransformatoren zeichnen sich dadurch aus, dass Sie die Spannung in einem gewissen Bereich anheben oder absenken können. Durch die Steuerungsaufgabe des Trafos ist zusätzliche Feld-Messtechnik für Strom und Spannung obligatorisch, da die Spannung bspw. auch tiefer im Netz, ggf. weit weg vom Trafo, nicht vom Spannungsband abweichen darf.
Was wird gemessen?
Die wichtigsten Messwerte, die zu erheben sind, sind die Spannung und der Strom am Transformator. Hinzu kommt ebenfalls die Überwachung von Kurz- und Erdschlussanzeigern. Ebenso baut man oft zusätzliche Temperaturfühler ein, sodass man durch lange Messreihen den Alterungsprozess eines Transformators mitverfolgen kann und so in der Lage ist, Predictive Maintenance zu betreiben. Viele Herstellerlösungen zur Digitalisierung des Stromnetzes sind jedoch nicht interoperabel mit anderen Systemen, weswegen der Einsatz der favorisierten Lösung zu überprüfen ist, da ein späterer Austausch den Netzbetreiber viel Geld kosten kann. Da Trafos jedoch eine lange Lebensdauer haben und leicht ein Alter von 30 Jahren erreichen, sind die wenigsten heute verbauten Verteilnetztrafos bereits mit Strom- oder Spannungsmesstechnik ausgestattet.
Retrofit statt neuem Transformator
Da auf Grund der langen Lebensdauer von Transformatoren bislang nur in einzelnen Fällen neue Transformatoren zum Einsatz kommen, ist die Retrofit-Messtechnik die beliebtere Alternative. Es gibt viele Anbieter auf dem Markt, die unterschiedlichste Messtechnik anbieten. Die Unterschiede bestehen vor allem in der Anzahl der Messgeräte, der Kommunikationsschnittstelle und des Preises bzw. der Art des Angebots. So verkaufen einige Hersteller ausschließlich Hardware, wobei andere ihre Messgeräte als Data-as-a-Service anbieten und die Kunden zusätzlich zum einmaligen Kaufpreis monatlich für Softwarelösungen zahlen. Einige Transformatorenhersteller bieten die Messgeräte für ihre eigenen Transformatoren auch als Retrofit an, was sinnvoll sein kann, wenn man gleichzeitig auch neue Trafos mit der Technik des Herstellers kauft. Anstatt teure Fertiglösungen von diversen Herstellern zu kaufen, ist es auch möglich, Industriemessgeräte für die Messung am Trafo zu nutzen. Die nötige Konnektivität zur Datenauslesung, die die Speziallösungen oft mitbringen, muss dann natürlich auch mit dem gewählten Messgerät kompatibel sein.
Datenübertragung
Sind die Messgeräte eingebaut und bereit, kontinuierlich Messdaten aufzunehmen, sind die Daten zur weiteren Verarbeitung weiterzuleiten. Industrielle Messgeräte bspw. besitzen oft RS232- oder Ethernetschnittstellen. Ist eine direkte Anbindung an das Internet über Ethernet möglich, können die Daten einfach darüber verschickt werden. Die allermeisten Verteilnetztransformatoren stehen jedoch an Orten ohne direkten Internetanschluss. Deshalb ist Funktechnologie für die Datenübertragung sehr beliebt. Durch die hohe Netzabdeckung liegt die Wahl einer Mobilfunkverbindung über das öffentliche Mobilfunknetz nahe. Da in diesem Fall kein Aufbau einer Kommunikationsinfrastruktur erforderlich ist, ist eine schnelle Umsetzung der Kommunikationsstrecke möglich. Der Nachteil: hohe variable Kosten pro Monat (OPEX-Kosten), wie auch bei privaten SIM-Karten. Eine Alternative stellt die Datenübertragung über LPWAN Netze wie z. B. LoRaWAN dar. Im besten Fall steht einem ein solches Netz bereits zur Verfügung, was dann ohne zusätzliche Gebühren für die eigenen Sensoren genutzt werden kann.
Mehrwert der Daten
Vor allem drei Use-Cases können definiert werden. Der wichtigste davon ist die optimierte Netzplanung bzw. der Netzausbau. Durch die verbesserte Datenbasis ist eine höhere Prozesseffizienz im Netzbetrieb möglich. Die Daten bilden die Entscheidungsgrundlage dafür, an welcher Stelle des Netzes welche Assets in welchem Umfang auszubauen oder auszutauschen sind. Kommt es an einer Stelle des Netzes beispielsweise regelmäßig zu einer Über- oder Unterschreitung des Spannungsbands, ist anstatt des Einbaus eines teuren, größeren Trafos und neuer Leitungen der Aufbau eines regelbaren Ortsnetztransformators oder eines Einzelstrangreglers möglich. Durch den Einsatz intelligenter Lösungen ist die Einsparung von Investitionskosten gegenüber dem konventionellen Ausbau möglich.
Weiterhin gibt es gesetzliche Vorgaben, für die die Daten in Zukunft notwendig sein könnten. Im Referentenentwurf der EnWG Novelle steht unter §14d u. a., dass die Verteilnetzbetreiber alle zwei Jahre ihren Netzausbauplan vorlegen müssen. Dieser enthält insbesondere Netzkarten mit Engpassregionen, Anschlüssen für Erzeugungsanlagen und Lasten (bspw. E-Auto-Ladesäulen), geplante Optimierungs-, Verstärkungs- und Ausbau-Maßnahmen und detaillierte Angabe der engpassbehafteten Leitungsabschnitte und der jeweiligen Maßnahmen. Ohne eine geeignete Datenlage wird es für die Netzbetreiber wahrscheinlich schwierig, glaubhafte Angaben zu machen.
Zuletzt hilft das Monitoring der Transformatoren auch bei einem effizienteren Betrieb. Um Stromausfälle und damit zusätzliche Kosten zu vermeiden, ist die Anwendung von Predictive Maintenance-Lösungen auf die Assets im Netz möglich. Erkennt man anhand der Daten Anzeichen eines fortgeschrittenen Alterungsprozesses, ist bereits eine frühe Reparatur oder ein vorgezogener Austausch des Transformators sinnvoll. Außerdem könnten die Daten aus dem Verteilnetz helfen, bessere Entscheidungen bei Schaltvorgängen im Hoch- und Höchstspannungsnetz zu treffen. So wird ein Stromausfall aufgrund von falschen Schaltvorgängen noch unwahrscheinlicher.
Anmerkung: Dieser Blogartikel entstand im Rahmen der Masterarbeit von Jan Frankemöll im Zusammenhang mit dem Thema „Einsatz intelligenter Technologie zur Prozessverbesserung und des Betriebs im Verteilnetz“.