Gebäudestrom: Kommt eine neue Alternative zum Mieterstrom?
Die Frage, wie Bewohner von Mehrfamilienhäusern besser an der Energiewende beteiligt werden können, beschäftigt Politik und Energiewirtschaft schon lange. Die Idee von Mieterstromprojekten ist bislang nicht so recht in Fahrt gekommen, auch wenn das Thema langsam Fahrt aufnimmt. Ein wesentlicher Grund dafür ist sicherlich die Komplexität und die hohen Umsetzungshürden für unerfahrene Akteure in der Energiewirtschaft. Die komplexeren Messkonzepte, Bilanzierungspflichten oder der erhöhte Abstimmungsaufwand zwischen den energiewirtschaftlichen Marktrollen dürften wesentliche Gründe dafür sein, dass Mieterstromprojekte bisher nicht durchstarten konnten und teilweise auch heute noch nicht können. Insofern ist es zu begrüßen, dass die Politik z. B. mit dem Gemeinschaftsstrom nach Lösungen sucht, wie die Nutzung von PV-Strom in Mehrfamilienhäusern von Gewerbeimmobilien verbessert werden kann.
Mit der Suche nach einfacheren Mieterstrommodellen folgt der Gesetzgeber den Zielen der EU, die Zugangsvoraussetzungen und regulatorischen Hürden für Mieter weiter zu senken. In diesem Blogbeitrag soll daher näher beleuchtet werden, wie das vorgeschlagene Modell der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ausgestaltet ist, welche Vor- und Nachteile es hat und vor welchen Herausforderungen die Energiewirtschaft bei der Umsetzung stünde.
Gebäudestrom: Funktionsweise des neuen Modells
Nach dem ersten Entwurf des BMWK zum Gebäudestrom sieht das gemeinschaftliche Gebäudestrom-Modell eine Entkopplung von Anlagenbetreiber- und Versorgerrolle vor. Demnach könnten Gebäudeeigentümer zukünftig die Möglichkeit erhalten, selbst eine PV-Anlage zu betreiben und die Nutzer des Gebäudes (Mieter, Eigentümer) an der erzeugten Strommenge zu beteiligen. Dazu muss der Anlagenbetreiber mit den teilnehmenden Haushalten einen sogenannten Gebäudestromvertrag abschließen. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, vertraglich einen relativen Anteil an der erzeugten Strommenge der Anlage zu erwerben. Insofern hat der Letztverbraucher einen ideellen Anteil an der Erzeugungsanlage. Dieser Anteil ist jedoch insofern nur ideell, als er sich nur auf den Verbrauch des von der Erzeugungsanlage erzeugten Stroms und nicht auf die Anlage selbst bezieht.
Der Vertrag räumt den teilnehmenden Letztverbrauchern das Recht ein, die von der Gebäudestromanlage erzeugte elektrische Energie in Höhe des anhand eines Verteilungsschlüssels ermittelten Anteils zu nutzen und legt einen entsprechenden Verteilungsschlüssel fest. Darüber hinaus enthält der Vertrag eine Vereinbarung über den Betrieb, die Wartung und Instandhaltung der Gebäudeenergieanlage sowie die Kostentragung hierfür. Die Finanzierung erfolgt somit über eine jährliche Umlage für die Abnahme des Jahresanteils. Eine mengenbezogene Abrechnung findet nicht statt. Aus diesem Grund muss der Betreiber auch keine vollständige Abrechnung im Sinne des EnWG durchführen, sondern es genügt eine vereinfachte Abrechnung nach § 40a und § 40b Abs. 1 bis 4 EnWG.
Der Anlagenbetreiber ist in diesem Modell nicht wie ein klassischer Lieferant für die komplette Stromlieferung verantwortlich. Jede Partei sucht sich einen Lieferanten für die Restlieferung (im Zweifel den Grundversorger). Der Anlagenbetreiber hat jedoch für die Umsetzung des erforderlichen Messkonzeptes zu sorgen. Der erzeugte Strom gilt aus Sicht des Teilnehmers als Eigenverbrauch, wenn Verbrauch und Erzeugung in derselben Viertelstunde erfolgen. Es gilt der Grundsatz, dass nur so viel Menge auf alle Teilnehmer verteilt wird, wie in der jeweiligen Viertelstunde erzeugt und gemessen wurde. Dem Verbraucher kann nicht mehr Menge zugeordnet werden, als er in der Viertelstunde verbraucht hat. Zusätzlich wird der Eigenverbrauch durch einen festgelegten Verteilschlüssel nach oben begrenzt. Hierbei ist zwischen einem statischen und einem dynamischen Schlüssel zu unterscheiden.
Bei einem statischen Schlüssel wird ein konstanter Anteil in der jeweiligen Viertelstunde festgelegt, der vom Nutzer genutzt werden kann, solange Verbrauch und Erzeugung zeitgleich stattfinden. Bei einer dynamischen Verteilung hingegen kann der Anteil innerhalb der Viertelstunde flexibel verteilt werden, z. B. wenn ein Teilnehmer seinen Anteil in der jeweiligen Viertelstunde z. B. aufgrund eines geringen Strombedarfs nicht voll ausschöpfen kann. Eine zusammenfassende Darstellung des Modells kann der folgenden Abbildung entnommen werden:
Gebäudestrom: Vor- und Nachteile auf einen Blick
Der Ansatz, die Komplexität des Gebäudestroms durch die Trennung der Rollen des Anlagenbetreibers und des klassischen Energieversorgers zu reduzieren, ist zu begrüßen und lässt erwarten, dass das Modell aus Nutzersicht einfacher, transparenter und übersichtlicher wird. Auch der Verzicht auf unterjährige Informationspflichten zum Eigenverbrauch und die Reduzierung der Anforderungen an die Rechnungslegung sind ein sinnvoller Schritt. Gleichzeitig ist eine hohe Investitionssicherheit für den Anlagenbetreiber gegeben, da die Finanzierung über eine jährliche Umlage erfolgt und nicht mehr mengenabhängig ist. Ein Vorteil für die Teilnehmer ist der günstigere Strompreis bei gleichzeitiger Beibehaltung der freien Lieferantenwahl.
Allerdings hat das Modell auch einige Nachteile, die vor der Einführung des Gebäudestrommodells abgewogen werden sollten. Im Gegensatz zum Mieterstrommodell besteht aus Sicht des Anlagenbetreibers kein Anspruch auf die Inanspruchnahme des Mieterstromzuschlags. Hinzu kommt, dass die Eigenverbrauchsmenge des Teilnehmers je nach Ausgestaltung des Gebäudestromnutzungsvertrages durch den Verteilungsschlüssel gedeckelt ist. Damit besteht aus Teilnehmersicht ggf. kein Anreiz, den Eigenverbrauch über die nach dem (statischen) Verteilschlüssel zugeordnete Verbrauchsmenge hinaus zu erhöhen. Hinzu kommt, dass das Modell für institutionelle Immobilieneigentümer zu kurz greifen könnte, da deren Anforderungen i. d. R. weitergehender sind (z. B. Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen etc.). Ob der potenzielle Eigenverbrauch durch die Nutzung eines „Gemeinschaftsspeichers“ optimiert werden kann, lässt sich aus dem Gesetzesentwurf noch nicht ableiten.
Gebäudestrom: Hemmnisse aus energiewirtschaftlicher Sicht und alternative Konzepte
Darüber hinaus erscheint das Modell noch nicht zu Ende gedacht, da eine Vielzahl von energiewirtschaftlichen Anforderungen noch nicht durchdacht zu sein scheint. Das Modell bedeutet voraussichtlich eine deutliche Verkomplizierung für Residuallieferanten, Messstellenbetreiber und Netzbetreiber, wobei insbesondere die Frage der Bilanzierung ungeklärt ist. Durch die Lieferung der Energie aus der PV-Anlage und der Reststromlieferung aus dem Netz (z. T. mit virtuellen Messwerten) hat der Letztverbraucher in der gleichen Viertelstunde zwei Lieferanten, was energiewirtschaftlich derzeit nicht abbildbar ist. Unklar ist auch, welche Energielieferung (Gebäudestrom oder Reststrom) die Wahl des MSB bestimmt. Hinzu kommt ein weiteres Problem, auf das der BDEW bereits im Juni hingewiesen hat: „Die Residuallieferungen werden in der Regel als All-Inclusive-Verträge inklusive Messstellenbetrieb und Netzentgelten angeboten. Hier muss es klare Regelungen geben. Die rein virtuelle Verrechnung führt dazu, dass die originären Viertelstundenzählerstände aus dem intelligenten Messsystem von den vom Messstellenbetreiber für den jeweiligen Lieferanten abgegrenzten und mitgeteilten Zählerstandsdaten abweichen und ggf. zu einem Informations- und Transparenzdefizit gegenüber dem Kunden mit erhöhtem Clearingaufwand führen.“ Diese Problematik würde sich bei Anwendung des virtuellen Summenzählermodells noch verschärfen. Zudem führt das Modell zu einem erhöhten Informationsaufwand beim Netzbetreiber, da im Gebäudestrommodell der Anlagenbetreiber nur eine Informationspflicht über den Verteilungsschlüssel gegenüber dem Netzbetreiber hat. Dieser müsste die Information gemäß den Pflichten der MaKo mit allen relevanten Akteuren teilen.
Alles in allem erscheint das derzeitige Konzept des Gebäudestroms gut gemeint und auf den ersten Blick logisch und einfach, aber energiewirtschaftlich schwer umsetzbar. Das heißt aber nicht, dass es keine bessere, weniger verwaltungsaufwändige Alternative gibt. Eine Möglichkeit wäre, den Modellvorschlag des BDEW zum Gebäudestrom zu übernehmen. Dabei würde die PV-Anlage als Volleinspeiser mit der regulären EEG-Vergütung in Betrieb genommen und ein zusätzlicher Zuschlag gezahlt. Mit den zusätzlichen Einnahmen könnten die Nebenkosten für die Bewohner gesenkt werden. Gleichzeitig sollte der Strom aus der PV-Anlage zu verbesserten Konditionen in die Energiebilanzierung nach § 23 GEG einbezogen werden. Als Verteilungsschlüssel würde die Wohnungsgröße dienen. Der Vorteil dieses Modells wäre, dass keine aufwendige Bilanzierung, kein neues Messkonzept etc. erforderlich wäre. Die Umsetzung wäre sofort möglich.
Fazit
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Modell der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung in der derzeit vorgeschlagenen Konstellation umgesetzt wird, ist aufgrund der hohen energetischen Anforderungen als gering einzustufen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber neue Alternativen zu den klassischen Mieterstrommodellen beschließen wird, um zum einen den Anforderungen der EU gerecht zu werden und zum anderen die Nutzung von PV-Strom in Mehrfamilienhäusern endlich voranzubringen, da die derzeitige Entwicklung von Mieterstromprojekten bei weitem nicht ausreicht.
Ob der Vorschlag des BDEW für einen einfacheren Ansatz zur Senkung der Nebenkosten umgesetzt wird, bleibt sicherlich abzuwarten. Der Vorschlag zeigt aber, dass deutlich einfachere Modelle existieren und auf den Markt kommen werden. Die Idee, diese Modelle z. B. mit der energetischen Bilanzierung des Gebäudes zu verknüpfen, wie es der BDEW vorschlägt, wäre sicherlich zu begrüßen, da dies zwei Vorteile hätte: Zum einen würde der Wert der Immobilie steigen, da dieser zunehmend mit der energetischen Bilanzierung korreliert, zum anderen würden die laufenden Kosten der Bewohner sinken, was neben den finanziellen Einsparungen auch die Akzeptanz der Bürger für die Umsetzung der Energiewende erhöht. Alles in allem ist es daher gut, dass die Diskussion um alternative Lösungen zum Mieterstrommodell langsam Fahrt aufnimmt, auch wenn wir bei der Lösungsfindung wohl noch lange nicht am Ziel sind.