EU-Taxonomie-Verordnung: Hintergrund
Klimaschutz und Energiewende gehören zu den Kernthemen der Europäischen Union, die es in den kommenden Jahren zu bewältigen gilt. Nachdem die Klimaziele der gesamten Europäischen Union generell und damit auch das Ziel der Treibhausneutralität mit dem Fit for 55 Paket noch einmal verschärft wurden, stellt sich die Frage, wie diese immer schärferen Ziele eigentlich umgesetzt werden sollen. Was es hierfür aus Sicht der EU u. a. braucht, ist eine Neuausgestaltung der Finanzierung und Klassifizierung von Unternehmen hinsichtlich nachhaltiger Kriterien. Einen Beitrag soll die EU-Taxonomie-Verordnung liefern, die gerade auf europäischer Ebene diskutiert wird.
Der erste Vorschlag zur EU-Taxonomie-Verordnung wurde bereits am 6. Juli 2021 vorgelegt. Demnach sollen Unternehmen ab einer gewissen Größe verpflichtet werden, eine nicht-finanzielle Konzernerklärung abzugeben, welche die nachhaltigen Anteile der Umsatzerlöse nennt und beschreibt. Hierzu sollen die Investitions- und Betriebskosten (CAPEX und OPEX) hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit beschrieben werden.
Somit soll mit der EU-Taxonomie-Verordnung ein einheitliches Klassifizierungsinstrument geschaffen werden, welche Unternehmen nachhaltig wirtschaften, da nationale Instrumente einen Vergleich auf europäischer Ebene schwer möglich machen und z. T. das Greenwashing fördern. Durch die Schaffung einer EU-weiten Transparenz soll nach den Vorstellungen der EU eine Neuausrichtung von Kapitalflüssen erfolgen. Ein Verbot nicht nachhaltiger Investitionen soll es jedoch nicht geben.
Was auf den ersten Blick noch recht unspektakulär nach Schaffung eines weiteren Berichtswesens klingt, könnte für die Energiewirtschaft von enormer Bedeutung für die eigene Investitionspolitik werden. Warum dies so ist und welche Anforderungen die Branche ggf. zu erfüllen hat, wollen wir in den folgenden Kapiteln beleuchten. Im ersten Schritt wollen wir jedoch verstehen, was unter dem Begriff nachhaltiges Wirtschaften nach der EU-Taxonomie-Verordnung zu verstehen ist.
EU-Taxonomie-Verordnung: der Nachhaltigkeitsbegriff
Der Begriff nachhaltiges Wirtschaften ist in Art. 3 der EU-Taxonomie-Verordnung geregelt. Dabei verfolgt die EU das Ziel, dass nachhaltiges Wirtschaften einen wesentlichen Beitrag zu den sechs Umweltzielen leistet, es zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen von Investitionen auf die Umweltziele kommt sowie soziale Mindeststandards eingehalten werden. Unter den sechs Umweltzielen sind folgende Aspekte zu verstehen:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Verhinderung von Umweltverschmutzungen
- Schutz der Biodiversität
- Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
Somit fokussieren sich die europäischen Umweltziele nicht nur auf die Einsparung von CO2, sondern auch auf weitere Schutzkriterien. Für die unterschiedlichen Ziele soll es unterschiedliche Rechtsakte geben, welche die technischen Bewertungskriterien je Umweltziel definieren und die für die einzelnen Wirtschaftstätigkeiten gelten. Für die ersten beiden Ziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sind diese bereits verabschiedet.
EU-Taxonomie-Verordnung: Auswirkungen auf die Energiewirtschaft
Für die Energiewirtschaft als eine der Hauptemittenten im Bereich CO2-Emissionen stellt sich im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie-Verordnung die Frage, mit welchen Auswirkungen auf die Branche zu rechnen ist. Hierzu zählt u. a. ein technologieübergreifender Emissionsgrenzwert von 100g CO2 Äq. pro kWh Energie-Output je Erzeugungseinheit. Hiermit würde jede Investition in eine Anlage, die mehr als den genannten Grenzwert übersteigt, als nicht nachhaltig eingestuft werden. Dies würde insbesondere die Erdgaserzeugung treffen, die nach Ansicht einiger Experten für die Umsetzung der deutschen Energiewende benötigt wird. Für die Einhaltung des CO2-Grenzwertes ist ein verpflichtender Nachweis erforderlich. Ausnahmen sollen jedoch für Photovoltaik-, Wind- und bestimmte Wasserkraftanlagen gelten. Welche technischen Bewertungskriterien für Strom aus Atomkraft oder Erdgas gelten sollen, ist bislang noch in der Diskussion.
Ebenso sollen die Investitionskosten in den Neu- und Umbau von Gasnetzinfrastrukturen für erneuerbare, dekarbonisierte Gase als nachhaltige Investition anerkannt werden. Für Netze zum Transport von Erdgas soll dies jedoch nicht gelten. Für EVU könnte dies bedeuten, dass Investitionen in neue Gasnetzinfrastrukturen in Wasserstoff oder Biomethan getätigt werden sollten, damit das eigene Handeln weiterhin als nachhaltig eingestuft wird. Für Wasserstoff dürfte dies aber vermutlich nur für grünen Wasserstoff gelten, welcher aus erneuerbaren Energien produziert wurde, um den CO2-Grenzwert nicht zu übersteigen.
Jedoch ist nicht nur die Strom- und Gaswirtschaft von den geplanten Änderungen der EU-Taxonomie-Verordnung betroffen, sondern auch die Wasser- und Abwasserversorgung. Demnach soll für nachhaltige Wasserversorger ein durchschnittlicher Nettoenergieverbrauch pro Entnahme und Aufbereitung für jeden geförderten Kubikmeter Trinkwasser von 0,5 kWh/m3 gelten. Ebenso sollen die Verlustraten beim Transport zum Endkunden kontinuierlich im Einklang mit der EU-Trinkwasserrichtlinie gesenkt werden. Die Abwasserentsorgung soll hingegen den eigenen Energieverbrauch um mindestens 20 % zur Ausgangsleistung senken.
EU-Taxonomie-Verordnung: Auswirkungen für das eigene Unternehmen
Bei den genannten Punkten im vorherigen Kapitel handelt es sich lediglich um Ausschnitte der EU-Taxonomie-Verordnung, welche die Energiewirtschaft betreffen. Für die Energiewirtschaft bedeutet die neue Verordnung konkret, dass sie sich intensiver mit der eigenen Nachhaltigkeit beschäftigen muss. Da viele Kommunen eigene Klimaziele verfolgen, dürften gerade die kommunalen Stadtwerke ein hohes Interesse daran haben, die Anforderungen des nachhaltigen Investierens nach der EU-Taxonomie-Verordnung zu erfüllen. Am Beispiel des Grenzwertes von 0,5 kWh/m3 Trinkwasser wird deutlich, dass das interne Energiemanagement von Versorgern im Unternehmen deutlich ausgebaut werden sollte und Investitionen in intelligente Netze spartenübergreifend zu empfehlen sind, auch wenn die Regulierung in den einzelnen Sparten diesen Ausbau noch nicht ausreichend genug fördert.
Was also auf den ersten Blick lediglich als neue zusätzliche Berichtspflicht aussieht, wird vermutlich in wenigen Jahren eine fundierte Basis bilden, um als nachhaltiges Unternehmen besser an Investitionen zu gelangen. So gibt es bereits heute erste Versorger, die ihre Fremdkapitalfinanzierung von einem eigenen Nachhaltigkeitsindex abhängig machen. Daher wäre es durchaus möglich, dass nicht-nachhaltige Unternehmen in Zukunft unter schlechteren finanziellen Rahmenbedingungen agieren müssen. Unter dem Aspekt der Verpflichtung zur Einhaltung der Klimaziele dürfte die Neugestaltung der Unternehmensfinanzierung durch einen neuen gesetzlichen Handlungsrahmen vermutlich ein effektives Werkzeug sein, die Motivation zur Nachhaltigkeit zu steigern.
Konkret bedeutet dies für Unternehmen, aber vor allem für die Energiewirtschaft, sich frühzeitig mit der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie auseinanderzusetzen, auch wenn mit einem Beschluss der EU-Taxonomie-Verordnung erst Mitte des nächsten Jahres zu rechnen ist. Da erste Unternehmen bereits ab 2023 ihre Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen müssen, kann ein proaktives Handeln zu einem ersten positiven Bericht beitragen. Besonders Stadtwerke dürften Wert auf die Erfüllung der Auflagen der EU-Taxonomie-Verordnung legen, da sie im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen.
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