Marode Brücken und Autobahnen, sanierungsbedürftige Kindergärten und Schulen sowie ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum – auf die deutschen Kommunen kommen in den nächsten Jahren hohe Investitionen für den Neu- und Umbau sowie die Sanierung ihrer Infrastruktur zu. Neben steigenden ökologischen und energetischen Anforderungen stellen explodierende Baukosten und ein Mangel an Fachkräften die Kommunen vor Herausforderungen. Unterbesetzte Bauämter und ausgelastete Planungsbüros werden trotz voller Auftragsbücher nicht selten zum limitierenden Faktor im kommunalen Baugeschehen. Viele Projekte scheitern bereits in der Planungsphase.
Bauvorhaben zu beschleunigen und Planungsprozesse effizienter zu gestalten, ist daher ein großes Anliegen von Politik, Verwaltung und Bauwirtschaft. Viele Bauakteure setzen große Hoffnungen in die Digitalisierung und Automatisierung von Planungs- und Steuerungsprozessen. Ein vielversprechender Ansatz ist in diesem Zusammenhang das sogenannte BIM (Building Information Modeling), das derzeit – befördert durch bundespolitische Beschlüsse – auch auf kommunaler Ebene an Relevanz gewinnt. Doch was ist das überhaupt und wie ist der Status Quo?
Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Klimaschutz als drängende Anforderungen
Selten war Bauen so kompliziert wie heute: Seit Jahren steigen die Anforderungen an Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Klimaschutz durch gesetzliche Vorgaben kontinuierlich. Steigende Material- und Energiekosten sowie Zinserhöhungen und Reallohnverluste gefährden vielfach die Baufinanzierung privater, aber auch öffentlicher Bauherren. Diskussionen, Proteste und Klagen über die Zulässigkeit von Bauvorhaben gehören mittlerweile auch im kommunalen Bauwesen zum Alltag. Eine nachvollziehbare und transparente Abwägung zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen spielt daher eine immer entscheidendere Rolle. Ein stetig wachsender Mangel an Fachkräften für Planung und Umsetzungsbegleitung in Bauunternehmen, Planungsbüros und Bauämtern führt zudem dazu, dass trotz voller Auftragsbücher in der Bauwirtschaft die Umsetzung massiv hinter den Ambitionen zurückbleibt. Das Ziel der Bundesregierung beispielsweise, jährlich 400.000 neue, bezahlbare und klimafreundliche Wohnungen zu bauen, dürfte angesichts der aktuellen Bauzahlen unerreichbar sein.
Angesichts dieser komplexen Ausgangslage und der begrenzten Planungskapazitäten wächst der Bedarf an Instrumenten und Methoden zur Effizienzsteigerung der Planungs-, Bau- und Betriebsprozesse. Neben finanziellen Anreizen und der Straffung von Genehmigungsverfahren steht der Einsatz digitaler Lösungen zur Effizienzsteigerung weit oben auf der politischen Agenda. Und auch in der Bauwirtschaft wächst das Bewusstsein für die großen Potenziale vernetzter Planungs- und Steuerungsprozesse.
Was ist Building Information Modeling (BIM)?
BIM steht für Building Information Modeling und beschreibt einen methodischen Ansatz zur softwaregestützten Planung und Bewirtschaftung von Bau- und Infrastrukturobjekten mit Hilfe verschiedener digitaler Modellierungsverfahren. Hierbei werden planungs-, bau- und betriebsrelevante Daten digital erfasst und zu einem dreidimensionalen Bauinformationsmodell (BIM-Modell) des Bauobjektes kombiniert, das verschiedenste Lebenszyklusphasen des Objekts (Entwurf, Planung, Ausführung, Betrieb, Abriss) digital abbilden kann. Das BIM-Modell dient den Planungsbeteiligten als zentrale Wissensbasis, über die Informationen z. B. zur Kostenschätzung, Mengenermittlung oder Terminplanung abgerufen und ausgetauscht werden können. Planungs- und Ausführungsinformationen werden somit nicht mehr wie bisher in Zeichnungen, Tabellen und anderen Dokumenten bei unterschiedlichen Akteuren erfasst, sondern direkt in ein gemeinsames virtuelles BIM-Modell integriert.
Im Rahmen von BIM-Projekten gibt es in der Regel kein einheitliches BIM-Modell, in dem alle Informationsaspekte zusammengeführt werden, sondern viele Fachmodelle, die nach Gebäudeabschnitten oder auch Themenschwerpunkten aufgeteilt sind und in einem Koordinationsmodell zusammengeführt werden. Das Architekturmodell bildet dabei in der Regel das Referenzmodell für die Fachplanungen.
Die Arbeitsmethode BIM ermöglicht eine modellbasierte Kommunikation und sorgt damit für einen effizienteren Informations- und Wissenstransfer zwischen den Planungsbeteiligten, wodurch Informationsverluste reduziert, Zeit und Kosten eingespart und ein durchgängiger Workflow gewährleistet werden können. Gleichzeitig kann durch den ganzheitlichen, datenbasierten und prozessorientierten Ansatz die Qualität von Planung, Betrieb und Instandhaltung von Gebäuden und Infrastrukturen gesteigert werden. Im Idealfall können durch die Modellierung von Bauwerken und die Simulation von Prozessen Entscheidungsprozesse transparenter gestaltet werden, was zu einer konfliktärmeren Kommunikation beitragen kann.
Als europäische Vorreiter in Sachen BIM gelten Großbritannien, die Niederlande und die skandinavischen Länder. Hier ist vor allem die öffentliche Hand die treibende Kraft, die BIM-Projekte fordert. Finnland beispielsweise hat seine Baugenehmigungsverfahren weitgehend digitalisiert. Verwaltungsdaten, erteilte Baugenehmigungen sowie Stadt- und Katasterpläne und dreidimensionale Gemeindemodelle sind in der Regel im offenen Format „CityGML“ des Open Geospatial Consortium verfügbar.
Warum wird BIM für das kommunale Bauwesen wichtiger?
Virtuelle Gebäude- und Infrastrukturmodelle werden bereits seit einigen Jahren in der Bauwirtschaft und Gebäudetechnik eingesetzt. In den letzten Jahren gewinnt BIM aber auch darüber hinaus in der Wohnungswirtschaft sowie bei Verwaltungen und Behörden an Bedeutung. Durch die virtuelle Modellierung von Bauobjekten und die Simulation verschiedener Lebenszyklusphasen werden hier enorme Effizienzsteigerungen bei der Planung, Genehmigung, Realisierung und dem laufenden Betrieb von Gebäuden und Infrastrukturen erwartet.
Im aktuellen Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode1 werden die Digitalisierung und Vereinfachung von Bauvorhaben als zentrale Bausteine zur Umsetzung der bau-, wohnungs- und klimapolitischen Ziele benannt. Die Einführung offener, interdisziplinärer BIM-Ansätze spielt dabei eine wichtige Rolle, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Seit Ende 2020 ist BIM für Hochbauprojekte des Bundes bereits verpflichtend und soll sukzessive auch für andere Bundesbauprojekte (u. a. Bundesfernstraßen, Wasserstraßen etc.) zur Regel werden, in der Hoffnung, dass möglichst viele weitere öffentliche Auftraggeber von Bund, Ländern und Kommunen, aber auch private Auftraggeber folgen.
Um der BIM-Methode in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, wurde im Oktober 2022 ein öffentliches BIM-Portal des Bundes freigeschaltet, das öffentlichen Auftraggebern Merkmale, Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) und Objektvorlagen für Vergabeverfahren liefert.
Auch auf der Ebene der Landesregierungen wird die Einführung der BIM-Methodik bei der Planung öffentlicher Bauvorhaben verstärkt vorangetrieben. Abgesehen von Leitfäden gibt es jedoch noch keine Verpflichtungen zur Anwendung von BIM im kommunalen Bauwesen, weitere Entwicklungen sind jedoch zu erwarten.
Mit zunehmender Bedeutung und Nutzung steigt auch der Standardisierungsbedarf im Bereich BIM. So beschäftigen sich nationale und internationale Normungsorganisationen und Verbände (u. a. DIN, CEN, ISO, VDI) bereits seit einigen Jahren mit der Normung und Standardisierung von BIM-Prozessen.
Trotz der vielfältigen Vorteile BIM-basierter Arbeitsmethoden und der lauten Forderungen nach einer beschleunigten Digitalisierung des Bauwesens kommt die flächendeckende Einführung in Deutschland bislang nur schleppend voran. Insbesondere auf regionaler und kommunaler Ebene gibt es bislang nur vereinzelte Pilotprojekte, wie z. B. BIM-Ruhr. Dabei zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern, dass die erfolgreiche Umsetzung von BIM maßgeblich von der Einführung in die lokale Praxis und damit auch vom öffentlichen Sektor abhängt. Ein wesentlicher Grund für die Umsetzungsschwierigkeiten ist sicherlich der erhebliche Mangel an kompetentem und erfahrenem Personal in den betroffenen Organisationen und in den Verwaltungen selbst. Hinzu kommen das Fehlen standardisierter BIM-Prozesse für das kommunale Bauwesen, Unsicherheiten bei der Finanzierung des (anfänglichen) Mehraufwandes und die oft mangelnde Datenverfügbarkeit und -qualität.
BIM ist eine infrastrukturelle Herausforderung
Wie der Name Building Information Modeling bereits beschreibt, sind BIM-Modelle in erster Linie Informationsmodelle, die das Bauwerk, Prozesse, Aufgaben, Systeme, Eigenschaften und Beziehungen in digitaler Form beschreiben. Da BIM aber auch ein Prozess ist, der maßgeblich auf Kooperation, Zusammenarbeit und Kommunikation verschiedener Fachdisziplinen basiert, sind Absprachen zwischen den Projektbeteiligten über einzuhaltende Standards für Modellinhalte, Datenmanagement und Koordination erforderlich. Eine leistungsfähige Modellierungssoftware allein reicht daher nicht aus. Vielmehr müssen die eingesetzten Systeme auch in der Lage sein, Daten aus unterschiedlichen Quellen zu verarbeiten und in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen. Die Herausforderung besteht insbesondere darin, durch klare Regeln und einen abgestimmten Softwareeinsatz einen strukturierten Datenaustausch zwischen den Planungsbeteiligten und eine passgenaue Bereitstellung der benötigten Informationen zu ermöglichen.
Hierbei spielen zum einen praxistaugliche, hersteller- und gewerkeunabhängige Austauschformate eine Rolle, wie sie beispielsweise im Bereich BIM unter dem Stichwort „openBIM“ von nationalen und internationalen Organisationen, Fachverbänden und Vereinen (u. a. buildingSMART, VDI, DIN, CEM u. v. m.) vorangetrieben werden.
Darüber hinaus müssen aber auch geeignete Dateninfrastrukturen für die Erfassung, Speicherung, Integration, Verwaltung, Bereitstellung und Analyse der relevanten Daten aus unterschiedlichsten Quellen geschaffen werden. Insgesamt handelt es sich aufgrund der Heterogenität der Ausgangsdaten im Kontext von BIM um eine oftmals außerordentlich umfangreiche Aufgabe, deren Aufwand die erzielten Effizienzvorteile häufig schnell neutralisiert.
Angesichts des starken Wachstums datengetriebener Prozesse im kommunalen Umfeld und der Zunahme datenkonsumierender und -produzierender Fachanwendungen auch über BIM hinaus (z. B. im Kontext von Verkehrsplanung, Energieleitplanung, Umweltmonitoring etc.) kann es durchaus sinnvoll sein, auf lokaler Ebene übergreifende Dateninfrastrukturen in Form interoperabler Datenmanagementsysteme aufzubauen, die kommunale Daten an zentraler Stelle bündeln, für verschiedene Anwendungszwecke und Nutzer verwalten und damit Skaleneffekte ermöglichen. Unter der Bezeichnung „Urbane Datenplattform“ werden derzeit in einigen Städten bereits Pilotplattformen aufgebaut, die zukünftig als zentrale Drehscheibe für die Verwaltung kommunaler Daten dienen sollen.
Von statischen BIM-Modellen zu intelligenten Digitalen Zwillingen
BIM-Modelle sind ein n-dimensionales digitales Abbild eines Bauwerks mit seinen physikalischen und funktionalen Eigenschaften und damit grundsätzlich zumindest eine erste Evolutionsstufe des Digitalen Zwillings im Sinne einer digitalen Repräsentation eines Objekts. Da die allgemeine Definition eines Digitalen Zwillings inzwischen jedoch über die reine Abbildung hinaus auch Interaktionsmöglichkeiten zwischen virtueller und physischer Welt, d.h. einen dynamischen Echtzeit-Datenfluss sowie Steuerungsmöglichkeiten vorsieht, können die bislang meist statischen BIM-Modelle nur als erster Schritt in Richtung Digitaler Zwilling betrachtet werden. Hinzu kommt, dass der BIM-Ansatz in der Regel auf einzelne Bauwerke fokussiert ist und die Abhängigkeiten zu Nachbargebäuden, geschweige denn zum gesamten Stadtgebiet, bisher kaum berücksichtigt werden bzw. aufgrund der lückenhaften Datenbasis nicht betrachtet werden können. Von einer vollständigen virtuellen Abbildbarkeit ganzer Städte mit all ihren Wirkungszusammenhängen sind wir in Deutschland (aber auch international) wohl noch weit entfernt.
Ungeachtet dessen können die geometrisch-semantischen Datenstrukturen eines BIM-Modells ein Referenzmodell bilden, auf dem digitale Zwillinge aufbauen können und das kontinuierlich um dynamische Daten zum Gebäudeverhalten ergänzt und durch die Integration angrenzender Datenströme erweitert werden kann.