Während die deutsche Energiewende in Vergangenheit vor allem eine Stromwende war, hinkt der Wärmesektor weit hinterher. In Zeiten von Energie- und Klimakrisen wächst daher der Bedarf an effektiven Strategien zur zukunftsfähigen Umgestaltung der Wärmeversorgung. Wie wir um letzten Beitrag schon zeigen konnten, stellt der Wärmesektor mit einem Anteil von über 50 % am Gesamtenergieverbrauch und 40 Prozent an den energiebedingten Treibhausgasemissionen einen Schlüsselbereich für die Substitution fossiler Energiequellen dar.
Im Gegensatz zur Stromversorgung sind Wärmeströme meist kleinteiliger und heterogener, weil sie von vielzähligen Akteuren, Technologien und örtlichen Gegebenheiten geprägt sind. So gehören zu den relevanten Akteuren der lokalen Energiewende neben Politik und Verwaltung, Energieversorger, Netzbetreiber, Baugewerbe, Wohnungsunternehmen, private Eigentums- und Mietparteien, Gewerbetreibende, Industriebetriebe, Rechenzentren, Ver- und Entsorgungsbetriebe. Außerdem sind Bürgerinnen und Bürger mit ihren privaten Verbräuchen und Einspeisungen zu berücksichtigen.
Die Wärmewende ist daher nur bedingt zentral steuerbar, weshalb neben bundespolitischen Weichenstellungen lokale Transformationspfade notwendig sind, um die oftmals unkoordiniert verlaufenden Maßnahmen vor Ort in ein strategisches Gesamtkonzept einzubinden. Hinzu kommt, dass für eine flächendeckende Wärmewende vielfältige, zumeist private Investitionen in Heizungsanlagen, Gebäude, Erzeugungskapazitäten und Netze mit hohem Kapitalaufwand und vergleichsweise langen Refinanzierungsräumen getätigt werden müssen. Planungssicherheit spielt für die Beteiligten daher eine große Rolle. Anstelle universeller Blaupausen braucht es vor allem festgelegte, lokale Ausbauszenarien, die Investitionsanreize und -sicherheit schaffen sowie ein abgestimmtes, sektorübergreifendes Handeln befördern. In Debatten um den Umbau des Wärmesektors rücken daher derzeit vermehrt kommunale Planungsbedarfe ins Blickfeld.
Die kommunale Wärmeplanung als Instrument zur Umsetzung der lokalen Wärmewende
Mit einer umfassenden klima- und energiepolitischen Zielarchitektur hat die Bundesregierung bereits wesentliche Weichen für den zukunftsgerichteten Umbau der deutschen Wärmeversorgung gestellt. Wie aktuelle Daten verdeutlichen, werden die Zielsetzungen bislang jedoch mit mäßigem Erfolg verfolgt.
Häufig mangelt es gerade auf lokaler Ebene, wo die Wärmewende maßgeblich vorangetrieben werden müsste, an Orientierung und einem abgestimmten Verhalten von Beteiligten. Neben der nationalen muss somit eine weitere Maßstabsebene einbezogen werden, wo die erforderlichen Entscheidungen getroffen und Koordinierungsaufgaben stattfinden. Nur kleinräumig lassen sich die übergeordneten Zielsetzungen in konkrete Transformationspläne übersetzen, die kohärente, ineinandergreifende Investitionsentscheidungen und ein zielgerichtetes, sektorenübergreifendes von Akteuren ermöglichen. jedoch in der Bundespolitik bislang wenig bis keine Beachtung. Diese Planungsebene zwischen den klima- und energiepolitischen Zielsetzungen und konkreten Maßnahmen auf Gebäudeebene findet in der Bundespolitik jedoch bislang wenig bis keine Beachtung.
Anders als in Deutschland stellt sich die Situation beispielsweise in Dänemark dar. Seit 1979 sind Kommunen hier durch das Wärmeversorgungsgesetz zu einer sogenannten Wärmeplanung verpflichtet. Nach den Ölkrisen von 1973 und 1979 sollte hierdurch die stark von Erdölimporten abhängige dänische Wärmeversorgung durch die Planung und den Bau von Fernwärmenetzen nachhaltig umgebaut werden. Durch eine effizientere Nutzung von Brennstoffen in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen erhoffte man sich einen Abbau der Importabhängigkeit und eine Stabilisierung der nationalen Wirtschaft. Der dänische Ansatz basiert dabei auf einer klaren Kompetenzaufteilung zwischen der nationalen Ebene, wo politische und technischen Rahmenbedingungen bereitgestellt werden und der kommunalen Ebene, wo die Gestaltungshoheit über die konkrete Ausgestaltung der lokalen Wärmesysteme liegt. Auch wenn es zu dieser Zeit noch weniger um die Nachhaltigkeitsaspekte ging, wurde Dänemark zum mit dieser Initiative europäischen Vorreiter der Wärmewende. Inzwischen werden 63 Prozent der Haushalte mit Fernwärme versorgt. Über 60 Prozent dieser Wärme stammt aus erneuerbaren Quellen.
Landespolitische Vorreiter der kommunalen Wärmeplanung in Deutschland
Während die wesentliche klimapolitische Gesetzgebungskompetenz im föderalen Deutschland auf Bundesebene liegt, sind erste Bundesländer innerhalb ihrer Vollzugszuständigkeit aktiv geworden und haben nach dänischem Vorbild die kommunale Wärmeplanung als zentrales Koordinierungsinstrument für die lokale Wärmewende eingeführt.
Im Zuge der Novelle des Klimaschutzgesetzes Ende 2021 verpflichtete. das Land Baden-Württemberg als erstes Bundesland alle Gemeinden ab 20.000 Einwohnern zur Erstellung eines kommunalen Wärmeplans bis Dezember 2023. Mit Schleswig-Holstein, Hessen und Niedersachsen folgten bereits weitere Flächenländer und verankerten das strategisch-planerische Instrument als kommunale Pflichtaufgaben in den Landesgesetzgebungen. Ziel der kommunalen Wärmeplanung ist die Entwicklung gesellschaftlich und wirtschaftlich tragfähiger lokaler Transformationspfade zur nachhaltigen Wärmeversorgung und zur Lösung bisheriger Koordinations- und Interessensprobleme im Zuge der Wärmewende.
Hierfür wurde die Wärmeplanung in den betreffenden Bundesländern als langfristiger Multiakteur-Prozess angelegt, der stufenweise in einer Abfolge aus Bestandsanalyse, Potenzialanalyse, Aufstellung eines Zielszenarios und Maßnahmenkonkretisierung erfolgt. Zunächst werden aktuelle Wärmebedarfe, daraus resultierende Emissionen und Informationen zu Gebäuden, Wärmequellen und Infrastrukturen erfasst. Anschließend werden Wärmepotenziale (Einsparmöglichkeiten durch Sanierung, Abwärmenutzung) untersucht, um hierauf aufbauend ein Zielszenario bzw. -szenarien zu entwickeln, die in eine übergreifende Strategie und konkrete Detailplanungen überführt werden können.
Die Qualität und Aussagekraft eines kommunalen Wärmeplans hängt dabei maßgeblich und unmittelbar von der zur Verfügung stehenden Datengrundlage ab. Für eine fundierte Wärmeplanung müssen zahlreiche Daten beschafft und verarbeitet werden. Hierzu zählen nicht nur räumlich aufgelöste Gebäudeinformationen (z. B. Gebäudetypen, Baualtersklasse, Sanierungszustand, Geschosszahl, Wärmeerzeugungsanlagen), Bedarfe, Verbräuche und Emissionen sowie Informationen zur Versorgungsinfrastruktur. Sondern auch Daten zur Nutzung der Gebäude (z. B. Anzahl der Personen bzw. Haushalte, Gewerbeart), Daten zur Erfassung möglicher Wärmequellen (z. B. Solarthermische Potenziale, Abwärmepotenziale, Erdwärme aus tiefer Geothermie) und ggf. sogar Sozialdaten spielen eine entscheidende Rolle. Um eine substantiierte Wärmeplanung zu ermöglichen, wurden Kommunen in den Ländern mit Wärmeplanungspflicht Freiheiten für die Beschaffung, Erhebung, Zusammenführung, Auswertung und Verwendung der zur Planerstellung erforderlichen personenbezogenen Daten, sicherheitskritischen Informationen und Unternehmensgeheimnisse eingeräumt.
Mangels bundeseinheitlicher Standards besteht durch das Vorpreschen einzelner Länder aktuell jedoch die Gefahr, dass unterschiedliche Regelungen getroffen werden und uneinheitliche Lösungen entstehen. Eine Standardisierung und Vergleichbarkeit sowie ein Ausschöpfen der damit verbundenen Synergiepotenziale wird hierdurch konterkariert.
Aktuelle Beratungen für ein Bundesgesetz zur Kommunalen Wärmeplanung
Die Bedeutung der Kommunalen Wärmeplanung und einheitlicher Vorgehensweisen wurde auf Bundesebene erkannt und im Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode eine flächendeckende Einführung der Kommunalen Wärmeplanung angekündigt. Zur Verhinderung eines methodischen Flickenteppichs, laufen hierauf aufbauend aktuell Vorbereitungen für ein Bundesgesetz auf Grundlage der bestehenden Landesgesetze. Auf Basis von Länder- und Stakeholder-Konsultationen wurden erste Eckpunkte für das Gesetz zur Wärmeplanung bekannt gegeben:
So soll das Gesetz Länder zur Durchführung einer Wärmeplanung verpflichten und unter Berücksichtigung nationaler Ziele einen groben Orientierungsrahmen für die Durchführung vorgeben, den Planenden gleichzeitig aber möglichst große Gestaltungsspielräume einräumen. Es ist zu erwarten, dass die Aufgabe in den meisten Ländern auf die Kommunen übertragen wird. Zu den bislang bekannt gegebenen Bestandteilen des Bundesgesetzes zählen einheitliche Fristen für die Erstellung, inhaltliche Anforderungen sowie spezielle Datenerhebungsermächtigungen für personenbezogene Daten.
Auch wenn diese Standardisierungsbestrebungen zu begrüßen sind, gibt es noch operative Lücken, wenn es um Fragen der Finanzierung von Mehraufwänden, der Verbindlichkeit von Wärmeplänen sowie dem Verhältnis zu bestehenden Rechtsordnungen, Verträgen und Zielsetzungen geht. Zumal für eine fundierte Wärmeplanung städtebauliche und energiewirtschaftliche Zusammenhänge eng abzustimmen sind, überrascht es zudem, dass die kommunale Energiebranche bislang nur im Rahmen von Datenbereitstellungspflichten berücksichtigt wird.
Die Rollen von Kommunen und Stadtwerken
Die Bereitstellung und der Betrieb leitungsgebundener Energieinfrastrukturen zählen seit jeher zu den Kernaufgaben der Stadtwerke. Im Prozess der Kommunalen Wärmeplanung können und müssen sie neben Kommunen daher eine zentrale Rolle einnehmen – Und das nicht nur als Datenlieferanten, sondern auch als Vorbilder, Akteure, Beratende sowie in koordinierender und steuernder Funktion.
Gerade kleinere Kommunen werden perspektivisch mit der komplexen Kommunalen Wärmeplanung an ihre personellen und fachlichen Grenzen stoßen. Für die Erstellung sind sie daher meist zwingend auf externe Unterstützung angewiesen. Um die operativen Lücken zu schließen und zugleich ineffiziente Parallelplanungen zu verhindern, bietet sich daher eine enge partnerschaftliche Einbindung kommunaler Versorger mit ihren Interessen, Ressourcen und ihrem Wissen in den Prozess der Wärmeplanung an.
Energieversorgungsunternehmen besitzen durch ihr traditionell breites Aufgabenportfolio und jahrelange Erfahrung im kommunalen Kontext spartenübergreifendes Spezialwissen, das sie gezielt einbringen können. Gemeinsam mit der Kommunalverwaltung verwalten sie zudem ohnehin einen Großteil der für die Wärmeplanung relevanten Daten und stehen zugleich als Betreiber von kritischen Infrastrukturen für Vertrauenswürdigkeit und Beständigkeit im Umgang mit sensiblen Daten.
Umgekehrt birgt die Wärmeplanung auch für die lokale Energiewirtschaft zentrale Chancen, wenn es um Planungs- und Investitionssicherheit für den Aus- und Umbau lokaler Energie- und Wärmenetze geht. Das wirtschaftliche Risiko bei der erforderlichen Infrastrukturplanung, welches durch hohe Kapitalaufwendungen und lange Abschreibungszeiträume befördert wird, kann so minimiert werden.
Aufgrund des zuletzt gestiegenen Bedarfs haben viele Stadtwerke, die große Wärmenetze betreiben, bereits aus eigener Motivation Wärmepläne erstellt, um im eigenen Verantwortungsbereich Maßnahmen zur Energieeffizienz und/oder zur Dekarbonisierung der Erzeugung umzusetzen. Hinsichtlich der aktuellen Energie- und Klimakrise werden weitere notwendigerweise folgen müssen. Über Kooperations- und Austauschplattformen wie Civitas Connect e. V. wird hierzu der Wissenstransfer zwischen Versorgungsunternehmen und Kommunen auch überregional befördert. Das Vorwissen aus anderen Kommunen kann so gezielt für lokale Strategien für die Wärmewende genutzt werden.
Fazit
Die Kommunale Wärmeplanung bietet den Kommunen und der kommunalen Energiewirtschaft ein strategisch-planerisches Instrumentarium, um die Erfüllung nationaler Zielsetzungen mit lokalen Zugewinnen zu verbinden. So sorgt die Kommunale Wärmeplanung einerseits für Versorgungssicherheit, Dekarbonisierung, Klimaschutz und Importunabhängigkeit, bietet zusätzlich aber auch die Möglichkeit den lokalen Daseinsvorsorgeauftrag der Kommune zu unterstützen. Die im Zuge der Kommunale Wärmeplanung erarbeiteten integrierten und strategischen Flächen- und Infrastrukturplanungen tragen zu einer vorausschauenden Stadtentwicklungsplanung bei und erlauben es, soziale Aspekte wie Milieuschutz mit der sanierungsbezogenen Aufwertung von Wohnungen zu verbinden. Unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung eröffnet eine systematische Wärmeplanung somit auch für kleinere Kommunen erhebliches Potenzial für Kosteneinsparungen und die effiziente Umsetzung von Klimaschutzzielen.
Perspektivisch sollten bundeseinheitliche Regelung die Vergleichbarkeit kommunaler Wärmeplanungen sowie eine Übertragbarkeit von Instrumenten ermöglichen. Um eine effiziente und fundierte Wärmeplanung zu befördern, gilt es auf bundespolitischer Ebene jedoch noch zentrale operative Lücken im Hinblick auf die Finanzierung, von Mehraufwänden, die Verbindlichkeit von Wärmeplänen, dem Verhältnis zu bestehenden Rechtsordnungen, Verträgen und Zielsetzungen sowie das Zusammenwirken mit kommunalen Versorgungsunternehmen zu schließen.
Veranstaltungsempfehlung
Beim kommenden CIVI/TALK geht es um das Thema „kommunale Wärmekonzepte“. Im Webinar wird ein Überblick zur aktuellen Lage der kommunalen Wärmeplanung (gesetzlicher Rahmen, Fördermöglichkeiten etc.) vorgestellt und durch Praxisbeispiele aus zwei Bundesländern ergänzt.
Die Online-Veranstaltung wird durch die Landesagentur NRW.Energy4Climate und Civitas Connect, unterstützt durch die EE Energy Engineers, durchgeführt.
Die Zielgruppe sind Mitarbeiter von Kommunen und Stadtwerken.