Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik: Wo findet Energiepolitik statt?
Im ersten Beitrag dieser Reihe haben wir damit begonnen, uns die Dimensionen der Energiepolitik zur Steuerung der Energiewirtschaft näher anzuschauen. Wir haben dargestellt, wie der Anfang einer Analyse energiewirtschaftlicher Sachverhalte aussehen kann. Kurz zusammengefasst: Steuerungsausgangspunkte können anhand der drei Dimensionen des Energiepolitik-Begriffs betrachtet werden, Steuerungsverlustpotenziale sind oft als Ursache einzuordnen und eine Unterscheidung zwischen Steuerungsadressat und Steuerungsumfang ist bei der Betrachtung zu berücksichtigen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wollen wir nun den nächsten Schritt machen und uns der Frage widmen, auf welcher Ebene Steuerungsinstrumente der Energiewirtschaft durch die Politik angesetzt werden können. In diesem Zusammenhang wollen wir uns mit dem Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik beschäftigen:
Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik: Eine Einordnung
Grundgedanke des Mehrebenen-Ansatzes der Energiepolitik ist, auf welcher Ebene Energiepolitik gemacht wird und wie sich diese auf den Gesamtprozess auswirkt. Wichtig ist dabei das Verständnis, dass Energiepolitik nicht auf einer einzelnen Ebene gemacht wird, sondern auf mehreren unterschiedlichen Ebenen. Energiepolitik wird oft mit Klimaschutz synonym verwendet, Klimaschutz stellt aber nur das zentrale Ziel der Energiepolitik dar.
Die erste Differenzierung der unterschiedlichen Ebenen der Energiepolitik kann zwischen der nationalen und internationalen Ebene gemacht werden. Die internationale Ebene bezieht sich – aus deutscher Sicht – zum einen auf Beschlüsse auf Weltebene und zum anderen auf europäische Beschlüsse. Diese beeinflussen die Ziele und Handlungsmöglichkeiten der nationalen Gesetzgebung. Auf der Weltebene bildet das Pariser Klimaabkommen das Kernstück, welches das Ziel der globalen Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad verfolgt. Darauf aufbauend hat die EU ihre Klimaziele für 2030 und 2050 definiert und ein Monitoring-System mit der Governance-Verordnung geschaffen, gestützt von etlichen weiteren Richtlinien und Verordnungen, wie z. B. dem Klimapaket saubere Energien.
Die Ziele der EU dienen wiederum als Vorgabe bzw. Richtlinie für den Bund, die deutschen Klimaziele mindestens auf dem Niveau der EU-Standards zur Einhaltung der Pariser Klimaziele umsetzen. Ein eigeninitiatives, höheres Klimaziel ist natürlich möglich. Maßnahmen des Bundes stellen u. a. das Klimapaket und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie weitere Gesetze dar. Die Länder und Kommunen beschließen wiederum eigene Gesetze und Verordnung, die im jeweiligen Bundesland bzw. der eigenen Kommune umzusetzen sind.
Was auf den ersten Blick nach einem Top-Down-Ansatz aussieht, entpuppt sich in der Praxis als Mischverfahren, bei dem sich unterschiedliche Ebenen sich gegenseitig beeinflussen. So können Initiativen auf kommunaler Ebene dazu genutzt werden, neue, schärfere Ziele auf einer höheren Ebene, wie der europäischen, zu bewirken. Beispielsweise gibt es einen Zusammenschluss einzelner europäischer Städte, die deutlich schärfere Klimaziele als die der Europäischen Union verfolgen, um so schneller die Pariser Klimaziele einzuhalten.
Mehrebenen-Ansatz der Energiepolitik: Nutzen in der Praxis
Bei der Analyse energiewirtschaftlicher Sachverhalte auf der energiepolitischen Ebene hilft das Modell des Mehrebenen-Ansatzes bei der Einordnung, welche Auswirkung ein politischer Beschluss haben kann.
Bottom-Up
Die Initiative von deutschen Städten innerhalb eines Bundeslandes kann dazu beitragen, dass es auf Landesebene zu einer besseren Förderung der Ladeinfrastruktur für Elektromobile kommt. Falls diese aktiv vor Ort gefördert wird, erhöht sich der politische Druck im entsprechenden Landtag aufgrund des Akzeptanzverlusts von Verbrennungsmotoren. So kann dieses neue Steuerungsverlustpotenzial dazu führen, dass es auf Landesebene unter Umständen zu Änderungen in der Energiepolitik kommt.
Middle-Out
Genauso wie beim Bottom-Up können Initiativen von Nationalstaaten dazu genutzt werden, einheitliche Standards auf europäischer Ebene zu erreichen oder Subventionen für bestimmte Bereiche zu erwirken. Gleiches gilt für Bundesländer, die einheitliche Standards implementieren, um Änderungen auf nationaler Ebene durchzubringen.
Top-Down
Gleichzeitig können Beschlüsse der EU zu massiven Änderungen des heimischen Energiemarktes führen, in dem z. B. Kunden der eigenständige Handel mit Energie ermöglicht wird, welcher bislang vielleicht im jeweiligen Mitgliedsstaat nicht erlaubt war.
Fazit
Der Mehrebenen-Ansatz hilft dabei, ein besseres Verständnis zu erlangen, welcher Akteur auf energiepolitischer Ebene gerade handelt und ob bzw. welche Auswirkungen dies auf einzelne Ebenen haben kann. Die Erkenntnisse sollten genutzt werden, das eigene Unternehmen bzw. Geschäftsmodell darauf auszurichten. Allerdings setzt dies das Verständnis darüber voraus, in welcher Phase sich die Maßnahme der Politik befindet und welche Art von Steuerungsinstrument zur Weiterentwicklung des Energiemarktes genutzt wird. Die Steuerungszeitpunkte und -ansätze schauen wir uns im nächsten, finalen Blogbeitrag dieser Reihe an.
Anmerkung: Wer sich gerne mehr mit dem Thema Grundlagen der Energiewirtschaft beschäftigen möchte, dem empfehle ich mein Buch – Energiewirtschaft für (Quer-)Einsteiger – das 1 × 1 der Stromwirtschaft.