Energiepolitik als Treiber der Energiewirtschaft
Die Energiewirtschaft ist wie kaum ein anderer Markt staatlichen Regelungen und Vorschriften unterworfen. Als Schlagader der Gesellschaft trägt sie wesentlich zu ihrem Erhalt und als kritische Infrastruktur zu unseren gewohnten Lebensbedingungen bei. Daher sind politische Entscheidungen, welche die Entwicklung der Branche maßgeblich beeinflussen, oft mit gesellschaftlichen Fragen verbunden und. Die Energiepolitik ist also ein bedeutsamer Einflussfaktor, den es bei energiewirtschaftlichen Entscheidungen zu berücksichtigen gilt.
Mit diesem und in Folge zwei weiteren Blogartikeln wollen wir einmal verschiedene Aspekte rund um das Thema Energiepolitik unter die Lupe nehmen, mit dem Ziel, energiepolitische Entscheidungen besser verstehen und einordnen zu können. Mit der gewonnenen Erkenntnis kann es leichter werden, zukünftige politische Entscheidungen zu antizipieren. Den Auftakt macht dieser Beitrag, in dem die verschiedenen Dimensionen der Energiepolitik betrachtet werden, welche Adressaten Ziel der Politik sind und welche Motivationen hinter der Politik stecken. Im zweiten Beitrag werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Ebenen, auf denen Energiepolitik gemacht werden kann. Im finalen Teil gehen wir auf die Zeitpunkte und Ansätze ein, zu denen und mit denen die Energiepolitik gestaltet werden kann.
Am Ende der Reihe haben wir euch hoffentlich in die Lage versetzt, Entscheidungen der Energiepolitik einzuordnen und deren Motivation und Ausgestaltung genauer zu verstehen. Wir haben uns dabei bewusst auf die Theorie konzentriert. Somit lässt sich das Modell auf verschiedenste energiepolitische Entwicklungen anwenden.
Steuerungsansätze der Energiewirtschaft: Der (Energie-)Politikbegriff als Steuerungsausgangspunkt
Am Anfang neuer Entwicklungen in der Energiewirtschaft stehen oft politische Entscheidungen. Diese lassen sich aus den drei Dimensionen des (Energie-) Politikbegriffs, Policy, Politics und Polity, ableiten. Je nach Dimension unterscheiden sich die Diskussionen und Entscheidungen der politischen Akteure.
Die erste Dimension des Energiepolitikbegriffs ist die normative Dimension, auch Policy genannt. Bei dieser Dimension dominieren die Grundsatzfragen und Wertevorstellungen der politischen Entscheidungsträger. Oft kommen diese durch normative Aussagen bei der Festlegung eines Zielbildes zur zukünftigen Entwicklung der Energiewirtschaft zustande. Eine einfache Aussage, wie z. B. die Energiewirtschaft müsse grün und frei von Atomkraft werden, ist eine solche Aussage.
Bei der zweiten, der prozessualen, handelt es sich um die Dimension der Staatskunst – Politics. Hier erfolgt die Erarbeitung eines Konsenses bzw. der Durchsetzung einer einzelnen Position einer Interessengemeinschaft. Die Konsensbildung kann dabei in unterschiedlichen Formaten stattfinden. Als Beispiele können hierbei u. a. das Atommoratorium oder die große Verhandlungsrunde zur Vereinbarung des Atomausstiegs aufgeführt werden.
Erst auf der dritten Dimension des Energiepolitikbegriffs, der institutionellen Dimension, auch Polity genannt, erfolgt der Beschluss der konkreten Gesetze, der Verordnungen etc.
Steuerungsansätze der Energiewirtschaft: Treiber Steuerungsverlustpotenziale
Damit es auf einer der Dimensionen der Energiepolitik zur Bewegung kommt, bedarf es einer Ursache, welche die Verantwortlichen auf der politischen Ebene zur Handlung zwingt. Ursachen hierfür sind oft Ereignisse und Entwicklungen, die das Potenzial zum Steuerungsverlust haben. Es können in der Regel drei Arten von Steuerungsverlustpotenzialen unterschieden werden.
Als Erstes sind Trigger-Ereignisse zu nennen, welche die Politik überraschend treffen und zu einem plötzlichen Kurswechsel zwingen. Die zwei bekanntesten Ereignisse der Vergangenheit dürften zum einen die Katastrophe von Fukushima sein, die zu einem abrupten Ausstieg aus der Atomkraft führte, und zum anderen der Russland-Ukraine-Konflikt, der die Thematik der Versorgungssicherheit in den Vordergrund rückte.
Neben Trigger-Ereignissen können aber auch Akzeptanzverluste in der Bevölkerung zu politischen, energiewirtschaftlichen Veränderungen führen. So hat sich die Einstellung der Deutschen zu Technologien wie der Atomkraft oder zum Braunkohletagebau in den vergangenen Jahrzehnten deutlich geändert, weswegen die Politik über die Jahre einen Kurswechsel hin zu regenerativen Energien eingeleitet hat.
Als dritter Verursacher für Steuerungsverlustpotenziale können Distributed Technologies angesehen werden, die den Markt durch ihre Innovationskraft maßgeblich beeinflussen. In der Informationstechnologie ist das z. B. das Smartphone, das die Entwicklung von Apps und die Nutzung des mobilen Internets massiv beschleunigt hat. In der Energiewirtschaft ist es z. B. die Elektromobilität, die schrittweise konventionelle Antriebe vom Markt verdrängt.
Steuerungsadressaten und Steuerungsumfang der Energiepolitik
Wenn der Staat die Notwendigkeit zu handeln aufgrund von Steuerungsverlustpotenzialen sieht und sich auf der prozessualen Ebene mit der Konsensbildung beschäftigt, ist dabei zu klären, wen und wie die Maßnahme der energiepolitischen Entscheidung beeinflussen soll; es sind Steuerungsadressat und Steuerungsumfang zu betrachten.
Der Begriff Steuerungsadressat bezieht sich auf die Frage, wer von der politischen Entscheidung betroffen sein soll. Hierbei kann es sich einerseits um einen generellen Adressatenkreis handeln, dabei können alle Marktteilnehmer von einer Regelung betroffen sein, wie z. B. der Pflicht für alle Lieferanten, einen eigenen Bilanzkreis zu führen (generell). Andererseits können auch Entscheidungen getroffen werden, die individuell auf einzelne Unternehmen abzielen. Hierzu zählt beispielsweise die Entscheidung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), die deutsche Gasprom-Tochter unter staatliche Verwaltung zu stellen (individuell).
Der Steuerungsumfang kann dann für die Steuerungsadressaten entweder abstrakt oder konkret ausfallen. Bei einer konkreten Regelung handelt es sich, wie schon der Name sagt, um eine konkrete Vorgabe des Staates. Hierzu könnten verbindliche CO₂-Quoten für die Stahlindustrie zählen, bei der alle Stahlproduzenten eine verbindliche Menge CO₂ sparen müssen (generell, konkret). Die Gesetze können aber auch abstrakt gehalten werden. Beispielsweise sollen sich Unternehmen bemühen, ein Energiemanagement (EnMS) einzuführen, wobei die Umsetzung der Maßnahmen aus dem EnMS dem Unternehmen überlassen wird (generell, abstrakt).
Zwischenfazit
Fassen wir einmal zusammen: Für die Beurteilung eines politischen energiewirtschaftlichen Sachverhalts als Steuerungsausgangspunkt können die drei Dimensionen des Energiepolitikbegriffs – Policy, Politics, Polity – betrachtet werden. Handlungen auf politischer Ebene beruhen meist auf Steuerungsverlustpotenzialen, die sich in die drei Kategorien Trigger-Ereignis, Akzeptanzverlust oder Distributed Technologies einteilen lassen. Bei der Umsetzung eines energiepolitischen Vorhabens ist immer darauf zu achten, dass zwischen dem Steuerungsadressaten (generell oder individuell) und dem Steuerungsumfang (abstrakt oder konkret) zu differenzieren ist.
Mit den Erkenntnissen über die verschiedenen Dimensionen, potenzielle Adressaten und Motivationen schauen wir uns im nächsten Beitrag an, auf welchen (Steuerungs-)Ebenen energiepolitische Entscheidungen getroffen werden können.
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Anmerkung: Wer sich gerne ausführlicher mit dem Thema Grundlagen der Energiewirtschaft beschäftigen möchte, empfehle ich das Buch Energiewirtschaft für (Quer-)Einsteiger – das 1 × 1 der Stromwirtschaft.