Ab 2024 soll das Niederspannungsnetz im Rahmen des § 14a EnWG schrittweise zu einem Smart-Grid ausgebaut werden. Die erste Ausbaustufe für jeden Verteilnetzbetreiber stellt das statische Steuern von abschaltbaren Lasten auf der Niederspannungsnetzebene dar, welche bis spätestens 2029 durch das dynamische Steuern abgelöst werden soll.
Unter dem Begriff abschaltbare Lasten werden im Niederspannungsnetz alle Verbraucher mit einer Anschlussleistung größer 3,7 kW verstanden. Darunter fallen primär Wärmepumpen, elektrische Speicher, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge oder Klimaanlagen.
Statisches und dynamisches Steuern von abschaltbaren Lasten
Alle diese Assets soll der Verteilnetzbetreiber schrittweise im Niederspannungsnetz an- und abschalten dürfen, um die Wirkleistung im Netz zu steuern und kritische Netzsituationen zu vermeiden. Im Rahmen des statischen Steuerns im Kontext des § 14a EnWG muss der Netzbetreiber zur Vermeidung kritischer Netzsituationen eine rechnerische Simulation zur Ermittlung der Netzauslastung durchführen. Auf Basis der Ergebnisse hat der Verteilnetzbetreiber Schaltmaßnahmen für den Folgetag zu definieren und die Schaltanweisung in Form von Schaltprofilen in die Systeme der jeweiligen Steuerungstechnik zu hinterlegen in Form eines Schaltprofils.
Die Steuerungsanweisung kann aus Sicht des Netzbetreibers über zwei Wege erfolgen. Entweder steuert er jede einzelne abschaltbare Anlage des Kunden, wobei für jede Anlage eine Mindestleistung von 3,7 kW weiterhin garantiert werden muss. Oder er weist den Hausanschluss des Kunden an, dass die Leistung für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren sei und das Energiemanagement im Hausanschluss des Kunden legt selbstständig fest, wie die Leistung der Anlagen reduziert wird.
Umsetzungsbedarf für Verteilnetzbetreiber
Was auf den ersten Blick so unspektakulär klingt, bedeutet für den Netzbetreiber in der Praxis einen erheblichen Umsetzungsbedarf. Er muss ein Netzmodell seines Verteilnetzes aufsetzen. Hierfür müssen notwendige Informationen aus bestehenden IT-Systemen (Bsp. GIS oder ERP-System) zusammengeführt oder neu ermittelt werden. Beispielsweise haben viele Netzbetreiber keine Information über die reale Anschlussleistung des Hausanschlusses. Zwar gibt es eine vertraglich vereinbarte maximale Leistung, aber ob diese wirklich installiert wurde, ist etwas anderes. So bleibt dem Netzbetreiber nichts anders übrig, als die Leistung des Hausanschlusses auf Basis der DIN-Norm zu schätzen oder messtechnisch zu ermitteln, wenn ihm keine exakten Informationen vorliegen.
Genauso muss der Netzbetreiber einen Mechanismus ermitteln, wie abschaltbare Lasten gleichmäßig und diskriminierungsfrei gesteuert werden können, während zeitgleich Mess- und Steuerungstechnik in das Netz installiert werden muss, damit überhaupt Steuerungssignale versendet werden können. Hier gilt es, das CLS-Management über das intelligente Messsystem weiter aufzubauen oder Prozesse in der Zählerfernauslesung (ZFA) zu nutzen. Alles in allem ein sportliches Projekt für Netzbetreiber, wenn die neuen Prozesse 2024 binnen 1 Jahres schon an den Start gehen sollen. Von dynamischen Steuern haben wir hier ja noch gar nicht gesprochen😊 – Kurz um, das Verteilnetz dürfte vor seinem größten Umbau stehen und der Verteilnetzbetreiber vor einem seiner größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. Vor allem, da er ab 2024 den Anschluss von neuen Assets im Netz nicht mehr verweigern darf, sondern das Netz ertüchtigen muss und die Verpflichtungen aus dem § 14a EnWG umzusetzen sind.
Herausforderungen für Verteilnetzbetreiber
Somit steht der Netzbetreiber gleich vor mehreren Herausforderungen. Er muss das Netzmodell aufsetzen und gleichzeitig mit fehlenden Daten kämpfen. Daneben muss er für sich definieren, mit welcher Steuerungstechnik er ab 2024 das statische und später das dynamische Schalten durchführen will. Genannt wird hier oft das Schalten über das intelligente Messsystem mithilfe einer Steuerbox über den CLS-Kanal. Doch aktuell befindet sich das CLS-Management noch im Entwicklungsstadium, weswegen ggf. auf die bereits bestehende ZFA zurückgegriffen werden muss.
Viele Aufgaben also, die ein Verteilnetzbetreiber umzusetzen hat. Zur Minimierung des Aufwandes könnte es sich daher anbieten, das eigene Verteilnetz in einzelne Abschnitte zu unterteilen, um die kritischen Netzabschnitte zu analysieren. Maßgeblicher Indikator könnte die Dichte der EE-Anlagen im Netz sein, die bereits im Marktstammdatenregister registriert und auch im System des Verteilnetzbetreibers hinterlegt sein müssen.
Status Quo Steuerung im Niederspannungsnetz
Einen guten Überblick über den Status Quo zum Stand der Steuerung im Niederspannungsnetz bietet auch der aktuelle Monitoringbericht der Bundesnetzagentur. Demnach haben vergangenes Jahr von 809 Netzbetreibern 675 Gebrauch von der Möglichkeit steuerbarer Lasten im Verteilnetz gemacht. Vor allem Netzbetreiber in NRW und Baden-Württemberg bedienen sich dem Steuerungsinstrument.
Bei den steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, die von reduzierten Netznutzungsentgelten profitieren, handelt es sich primär um Nachtspeicherheizungen (60 %) und Wärmepumpen (37 %). Nur 1 % der Ladepunkte profitieren von reduzierten Netznutzungsentgelten. Die durchschnittliche Reduzierung lag 2022 bei 3,84 ct/kWh, wobei die Spannbreite des Rabattes zwischen 3 % bis 85 % lag. Insgesamt gab es 2022 ca. 1,8 Mio. steuerbare Verbrauchsanlagen, die das reduzierte Netzentgelt in Anspruch genommen haben.
Der Monitoringbericht bietet ebenfalls Antworten, welcher Steuerungstechnik sich die Netzbetreiber bedienen, wenn sie eine Verbrauchsanlage steuern wollen. Die Abbildung aus dem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur zeigt somit nicht den gesamten Anteil der gesteuerten Verbrauchseinrichtungen! Bei Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen setzen Netzbetreiber primär auf die etablierte Rundsteuertechnik und Zeitschaltungen. Allerdings existieren auch Netzbetreiber, die grundsätzlich die Assets nicht steuern. Besonders bei Ladepunkten ist der Anteil deutlich höher ausgeprägt. Unter den Bereich sonstige Anlagen fallen primär Stromdirektheizungen, die meistens über die Rundfunksteuertechnik gesteuert werden.
Intelligente Messsysteme spielen somit bei der Netzsteuerung noch keine Rolle, wobei der Anteil bestimmt zunehmen wird, wenn das CLS-Management seine Marktreife erlangt hat. Insofern bleibt es abzuwarten, auf welchen Instrumentenbaukasten Netzbetreiber zur Steuerung des Netzes zukünftig setzen werden.
Was meint denn ihr zum Thema § 14a EnWG? Wie groß schätzt ihr den Aufwand und den Mehrwert ein? Schreibt uns gerne unter kontakt@itemsnet.de, was ihr von dem Thema haltet oder welche Herausforderungen ihr bei der Entwicklung des Netzmodells seht. Reichen die bestehenden Simulationsmodelle Neplan, PowerFactory und Co. aus oder brauchen wir neue Simulationsansätze, gerade dann, wenn das dynamische Steuern ab spätestens 2029 kommen soll?