Wasserstoffnetzfinanzierung: Das Amortisationsmodell als Starthilfe

Wasserstoffnetzfinanzierung: Das Problem der hohen Netznutzungsentgelte

Zuerst der Wasserstoff oder zuerst die Wasserstoff-Infrastruktur? Oder besser beides gleichzeitig? Es ist ein bisschen wie bei der Elektromobilität und dem Henne-Ei-Problem: Was kommt zuerst, das Elektroauto oder die Ladeinfrastruktur? Ähnlich dürfte die Diskussion beim Wasserstoff verlaufen, da eine ganze Wertschöpfungskette parallel aufgebaut werden muss, da eine einzelne Wertschöpfungsstufe kaum eine Existenzberechtigung haben wird. Ein wesentlicher Baustein der Wasserstoff-Infrastruktur dürfte das Wasserstoffnetz sein, das die Wertschöpfungsstufen der Wasserstofferzeugung, -speicherung und -nutzung miteinander verbindet.

Eine wesentliche Frage ist jedoch, wie die Finanzierung des Wasserstoffnetzes und insbesondere die Anschubfinanzierung erfolgen soll. Gerade in der Anfangsphase besteht aus Sicht der Netznutzer die Situation, dass eine kleine Anzahl von Nutzern an eine kapitalintensive Infrastruktur angeschlossen wird. In der Konsequenz muss genau diese kleine Gruppe mit ihren Netznutzungsentgelten die gesamte Netzfinanzierung tragen, wodurch die Netznutzungsentgelte besonders hoch ausfallen dürften. Die wirtschaftliche Attraktivität der Netznutzung sinkt dadurch erheblich, weshalb ein Wasserstoffhochlauf nicht gelingen kann.

Es bedarf daher eines Mechanismus, der den Kostendruck auf die Netznutzer auf ein erträgliches Maß reduziert und den Hochlauf fördert. Wie ein möglicher Mechanismus aussehen könnte, hat die dena in einem Diskussionspapier in Form eines Amortisationsmodells untersucht, das in einem zweiten Schritt von der Kanzlei BBH rechtlich geprüft wurde. In diesem Blogbeitrag soll daher die Funktionsweise des vorgeschlagenen Modells – des sogenannten Amortisationsmodells – sowie die allgemeinen Einflussfaktoren auf die Wirtschaftlichkeit eines Energienetzes näher beleuchtet werden.

Wasserstoffnetzfinanzierung: die Einflussfaktoren im Überblick

Der wirtschaftliche Betrieb einer Energienetzinfrastruktur ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für die langfristige Gewährleistung des Ziels der Versorgungssicherheit, um das jeweilige Energienetz sicher, zuverlässig und effizient betreiben zu können. Insgesamt spielen eine Vielzahl von wesentlichen Faktoren eine Rolle, die sich auf die Wirtschaftlichkeit auswirken können. In diesem Abschnitt wollen wir uns jedoch auf drei wesentliche Säulen konzentrieren, die eine große Hebelwirkung auf die Wirtschaftlichkeit des Energienetzes haben.

Die erste Säule ist die Abnahmemenge pro Netzlänge. Für den wirtschaftlichen Betrieb eines Netzes ist es entscheidend, dass eine ausreichende Anzahl von Anschlussnehmern vorhanden ist, die eine ausreichende Menge an Energie verbrauchen. Dabei wirkt es sich positiv aus, wenn das Netz in seiner Struktur möglichst kompakt aufgebaut ist. Kurze Wege und eine hohe Energiedichte mit einer breiten Nutzergruppe zur Abfederung des Risikos bei Ausfall eines Kunden ist hier die Devise.

Die zweite Säule stellt der Aufwand für den zukünftigen Netzbetrieb dar. Hervorzuheben sind hier die Kosten für die Instandhaltung des Netzes. Je höher die Kosten, desto höher die Netznutzungsentgelte. Gerade bei der Umnutzung bestehender Erdgasnetzinfrastrukturen ist davon auszugehen, dass die Instandhaltungskosten höher sind als bei einem kompletten Neubau. Dabei spielen das Alter und natürlich der Zustand eine entscheidende Rolle.

Als dritte Säule sind die regulatorischen Rahmenbedingungen zu betrachten. Sie bestimmen, unter welchen Rahmenbedingungen eine Kostenwälzung und Refinanzierung der Energienetzinfrastruktur überhaupt möglich ist. Mit Blick auf die (noch) geltende Anreizregulierung dürften die Eigenkapitalverzinsung, die Höhe der Restbuchwerte sowie die Bewertung der Effizienz des Netzbetriebs eine wesentliche Rolle spielen.

Wasserstoffnetzfinanzierung: das Amortisationsmodell als Brückenhilfe

Um das Problem der hohen Netzentgelte aufgrund der anfangs geringen Kundenzahl zu vermeiden, hat die dena ein sogenanntes Amortisationsmodell vorgeschlagen. Bei Anwendung dieses Modells erfolgt die Finanzierung des Wasserstoffnetzes in zwei Phasen. In Phase I werden die Netznutzungsentgelte gedeckelt. Dadurch soll die finanzielle Belastung der Netznutzer nicht zu stark ansteigen. Für den Wasserstoffnetzbetreiber entsteht durch die Deckelung der Netznutzungsentgelte eine Finanzierungslücke. Ein wirtschaftlicher Netzbetrieb kann so nicht aufrechterhalten werden. An dieser Stelle greift das Amortisationskonto. Die entstehende Finanzierungslücke wird über die ersten Jahre kumuliert, auf einem Amortisationskonto festgehalten und vom Staat mit finanziellen Mitteln ausgeglichen. Damit sinkt das Finanzierungsrisiko für den Wasserstoffnetzbetreiber.

In Phase II, wenn genügend Netznutzer an das Wasserstoffnetz angeschlossen sind und eine Deckelung der Netznutzungsentgelte nicht mehr erforderlich ist, wird für alle Netznutzer ein Aufschlag auf die tatsächlichen Netznutzungsentgelte aus dem Amortisationskonto erhoben. Der finanzielle Aufschlag fließt an den Wasserstoffnetzbetreiber, der mit der zusätzlichen Liquidität die staatliche Vorfinanzierung zurückzahlt. Insgesamt handelt es sich beim Amortisationsmodell also um ein staatliches Umlageverfahren zur Anschubfinanzierung.

Wasserstoffnetzfinanzierung: die gesetzlichen Voraussetzungen des Amortisationsmodells

Da es sich bei dem Amortisationsmodell um eine staatliche Beihilfe handelt, stellt sich die Frage, inwieweit das Amortisationsmodell mit dem geltenden EU-Recht vereinbar ist. Hierzu hat die Kanzlei BBH ein umfassendes Gutachten erstellt, welches sich mit der Frage der rechtlichen Umsetzung auf Basis des EU-Regelwerks beschäftigt hat. Dabei hat BBH verschiedene Möglichkeiten wie z. B. die Möglichkeit einer Investitionsbeihilfe in Energieinfrastruktur nach Art. 48 AGVO oder die Inanspruchnahme einer Einzelfallgenehmigung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV auf der Grundlage verschiedener Leitlinien untersucht.

Dabei differenzierte das Gutachten zwischen den beiden Ansätzen einer Einzelfallgenehmigung auf der Grundlage des Temporary Crisis Framework (TCF – Ziel: Beschleunigte Verringerung der Abhängigkeit von russischem Erdgas im Sinne der REPowerEU-Strategie) oder der Inanspruchnahme der Leitlinien für staatliche Beihilfen für Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (Beihilfen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen) – KUEBLL. Im Kern der Studie kommt BBH zu dem Ergebnis, dass nur eine Einzelfallgenehmigung auf Basis der Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen eine Möglichkeit darstellt. Allerdings sind auch hier bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen:

Daher muss das Amortisationsmodell eine Förderung von Investitionen in die Energieinfrastruktur für erneuerbare oder CO₂-arme Energie sein. Somit wäre das Amortisationsmodell nur für Wasserstoffnetze für den Transport von CO₂-armem und erneuerbarem Wasserstoff umsetzbar. Zudem muss die Ausgleichszahlung aus dem Amortisationskonto so ausgestaltet sein, dass es nicht zu einer Überkompensation kommt.  Die staatliche Absicherung des Amortisationsrisikos ist daher auf ein Minimum zu beschränken. Darüber hinaus darf das Amortisationskonto nicht dazu führen, dass der Netzbetreiber in Projekte investiert, die er auch ohne Absicherung nicht getätigt hätte, oder dass Risiken finanziert werden, die der Netzbetreiber auch im normalen Verlauf des Netzausbaus, also ohne staatliche Finanzierung, zu tragen hätte.

Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass sich die H2-Netzbetreiber der Kostenregulierung durch die BNetzA unterwerfen. Ein diskriminierungsfreier Netzzugang muss gewährleistet sein. Darüber hinaus muss eine schnellere Umsetzung der Treibhausgasminderung durch das Amortisationskonto erreicht werden. Eine transparente Veröffentlichung der Förderrichtlinie, d. h. wie das Amortisationskonto genutzt werden kann, ist notwendig.

Fazit

Das Amortisationsmodell kann ein mögliches Instrument sein, wie eine Anschubfinanzierung des Wasserstoffnetzes in Deutschland gelingen kann. Es bietet den Netzbetreibern die Möglichkeit, ihre Netznutzer gerade in der Anfangszeit nicht mit zu hohen Netznutzungsentgelten zu belasten und damit die Möglichkeit eines Wasserstoffhochlaufs zu ermöglichen.

Nach dem Rechtsgutachten von BBH erscheint auch die Einführung eines Abschreibungsmodells auf Basis des EU-Rechtsrahmens möglich. Dabei sind jedoch einige Einschränkungen zu beachten. Problematisch könnte hier vor allem sein, dass nur die Förderung von Netzen möglich ist, die ausschließlich erneuerbare oder kohlenstoffarme Gase transportieren. Gerade in der Anfangszeit könnte es aber sein, dass nicht genügend Kapazitäten dieser Art von Wasserstoff zur Verfügung stehen. Es wäre zu untersuchen, ob z.B. blauer Wasserstoff aus Norwegen bei Anwendung des Amortisationsmodells nutzbar wäre.

Darüber hinaus gibt es noch einige offene Fragen, die im Zuge einer Umsetzung der Förderung in Form des Amortisationsmodells zu klären wären. Unter anderem wäre zu klären, nach welchen Kriterien Netzbetreiber eine Förderzusage erhalten? Ob und wie wird zwischen der Förderung des Netzneubaus und der Umrüstung bestehender Gasnetze unterschieden? Und wie soll zwischen der Förderung des Netzneubaus und der Umrüstung bestehender Gasnetze unterschieden werden? Darüber hinaus sollte untersucht werden, wie die potenzielle Nachfrage nach Zugang zu Wasserstoffnetzen und Wasserstoffversorgung (Netzausbauszenarien) überhaupt aussieht.

Insgesamt sind also noch einige Fragen zu klären, sollte das Amortisationsmodell umgesetzt werden. Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich die Rahmenbedingungen für das Thema Wasserstoff / Grüne Gase entwickeln werden, da nicht nur die Frage der Anschubfinanzierung, sondern auch viele andere Themen wie z. B. das Unbundling ungeklärt sind.

Wie H2-ready sind unsere LNG-Terminals?

Streitfrage LNG-Terminals: Wie viele brauchen wir wirklich?

Zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland bedingt durch den Ausfall von russischem Pipelinegas werden seit dem vergangenen Jahr LNG-Terminals in Deutschland errichtet. Aktuell handelt es sich meist um schwimmende Terminals, die ab 2025 durch drei feste in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade ergänzt werden sollen. Insgesamt sind 7 Standorte als LNG-Terminalplätze vorgesehen, um einen Teil des russischen Gases in Deutschland ersetzen zu können.

Politisch wird die Errichtung der LNG-Terminals z. T. sehr kritisch gesehen, da eine neue Infrastruktur für konventionelle Energieträger mit viel Steuergeld errichtet werde, obwohl wir bis 2045 klimaneutral sein wollen. Ein häufiges Gegenargument, was neben der kurzfristigen Sicherung der Versorgungssicherheit gegeben wird, ist, dass die LNG-Terminals auch perspektivisch für den Transport von flüssigen (grünem) Wasserstoff verwendet werden können. Und genau um diese Frage soll es auch in diesem Blogbeitrag gehen. Was müssen wir tun, damit ein LNG-Terminal H2-ready wird bzw. sind sie es schon? Ganz wichtig an dieser Stelle ist zu erwähnen, dass der Beitrag sich ausschließlich mit der technischen Ebene beschäftigt. Eine politische Betrachtung, welche LNG-Kapazitäten erforderlich sind, erfolgt hier nicht. Um zu verstehen, welche Anforderungen ein LNG-Terminal erfüllen muss, um flüssigen Wasserstoff statt Erdgas verarbeiten zu können, schauen wir uns daher im ersten Abschnitt einmal an.

Verflüssigung H2 im Vergleich

Schon heute haben wir Erfahrungen mit dem Transport von flüssigen Gasen. Allerdings handelt es sich dabei in der Regel um flüssiges Erdgas (2. Gasfamilie). Der Transport von Wasserstoff (5. Gasfamilie) ist im Feld noch relativ neu. Außerdem wird als Alternative noch der Transport von flüssigem Ammoniak diskutiert. Um alle drei Gase im flüssigen Zustand zu „verarbeiten“ zu können, sind daher die Eigenschaften der drei Energieträger zu betrachten:

  1. Wasserstoff:
  2. Kritische Temperatur: -240,17°C
  3. Verflüssigungstemperatur bei Normaldruck (1 bar): -252,87 °C
  4. Verflüssigungstemperatur bei erhöhtem Druck (z. B. 700 bar): ca. -253 °C bis -259 °C, abhängig vom Druck
  5. Ammoniak:
  6. Kritische Temperatur: 132,4°C
  7. Verflüssigungstemperatur bei Normaldruck (1 bar): -33,35°C
  8. Verflüssigungstemperatur bei erhöhtem Druck (z. B. 10 bar): ca. -58°C bis -50°C, abhängig vom Druck
  9. Erdgas:
  10. Kritische Temperatur: variiert je nach Zusammensetzung (meistens zwischen -82°C und -116°C)
  11. Verflüssigungstemperatur bei Normaldruck (1 bar): variiert je nach Zusammensetzung (meistens zwischen -162°C und -182°C)
  12. Verflüssigungstemperatur bei erhöhtem Druck: variiert je nach Zusammensetzung (meistens zwischen -30°C und -70°C), abhängig vom Druck

Wir erkennen somit für den Transport von flüssigem Wasserstoff müssen wir deutlich tiefere Temperaturen erreichen. Damit ein LNG-Terminal für flüssigen Wasserstoff verwendet werden kann, müssen die Materialien die besonders tiefen Temperaturen verkraften sowie mit den anderen chemischen / physikalischen Eigenschaften umgehen können (Bsp. Explosionsschutz).

Die LNG-Terminals sind i. d. R. noch nicht auf die tiefen Temperaturen und Materialanforderungen eingestellt, aktuell fehlt es auch an Schiffen, welche den Wasserstoff in flüssiger Form transportieren können, daher gibt es die Diskussion auf Ammoniak auszuweichen. Somit ist klar, unsere LNG-Terminals sind nicht unbedingt H2-ready und müssen auf die neuen „Betriebstemperaturen“ vorbereitet werden. Außerdem gibt es ggf. eine Alternative mit flüssigem Ammoniak. Aus diesem Grund werden wir uns im nächsten Kapitel einmal schauen, welches die Vor- und Nachteile von flüssigem Ammoniak gegenüber zu Wasserstoff sind.

Vorteile des flüssigen Ammoniaks

Flüssiges Ammoniak oder flüssiger Wasserstoff? Was sind die Vor- und Nachteile für LNG-Terminals? Hierzu ist ein Vergleich zwischen den beiden Energieträgern erforderlich. Die Diskussion ist auch deswegen interessant, weil die Initiative H2-Global in ihrer ersten Ausschreibung den Import von flüssigem Ammoniak fördern möchte. Vergleicht man die Vor- und Nachteile von flüssigem Ammoniak, kommt man zu folgendem Ergebnis:

Vorteile der Verflüssigung von Ammoniak:

  1. Höhere Verflüssigungstemperatur: Ammoniak verflüssigt sich bei höheren Temperaturen im Vergleich zu Wasserstoff (-33,35 °C bei Normaldruck für Ammoniak, -252,87 °C für Wasserstoff). D. h. die Verflüssigung von Ammoniak ist weniger energieintensiv und erfordert weniger anspruchsvolle Kühlsysteme.
  2. Etablierte Technologie: Die Technik zur Verflüssigung von Ammoniak ist etablierte, die bereits in großem Maßstab für industrielle Anwendungen genutzt wird (Kältemittel / Düngemittelproduktion).
  3. Hohe Energiedichte: Ammoniak hat eine hohe Energiedichte, was bedeutet, dass es eine große Menge an Energie in einem kompakten Volumen speichern kann. Erleichterte Transport- und Lagerungsbedingungen.

Nachteile der Verflüssigung von Ammoniak:

  1. Hoher Siedepunkt: Ammoniak hat im Vergleich zu Wasserstoff einen höheren Siedepunkt. Bei normalen Temperaturen ist es gasförmig. Dies kann den Umgang mit verflüssigtem Ammoniak anspruchsvoller machen, da es bei höheren Temperaturen verdampfen kann und spezielle Vorkehrungen für die Handhabung und Lagerung getroffen werden müssen.
  2. Toxisch und korrosiv: Ammoniak ist giftig und korrosiv, was spezielle Vorsichtsmaßnahmen erfordert, um eine sichere Handhabung zu gewährleisten. Ein durchdachtes Sicherheitskonzept und geschultes Personal erforderlich.
  3. Geringere Energiedichte im Vergleich zu Wasserstoff: Obwohl Ammoniak eine hohe Energiedichte hat, ist sie im Vergleich zu Wasserstoff geringer. Das bedeutet, dass eine größere Menge an verflüssigtem Ammoniak benötigt wird, um die gleiche Energiemenge wie Wasserstoff zu speichern. Mehr Lagerungskapazitäten nötig.

Wir erkennen, gerade die höhere Verflüssigungstemperatur von Ammoniak kann ein Argument für den Einsatz von verflüssigtem Ammoniak sein. Auf der anderen Seite ist die Energiedichte von Ammoniak geringer, es sind größere Transportvolumina nötig. Außerdem stehen bereits heute Transportkapazitäten für verflüssigten Ammoniak (wenn auch im begrenzten Umfang) zur Verfügung, für flüssiges H2 gibt es nur Test-LNG-Tanker.

Materialien Verflüssigung H2:

Neben den chemischen Eigenschaften der verschiedenen Gase sind auch die Wechselwirkungen mit den unterschiedlichen Materialien zu beachten, damit das LNG-Terminal nicht beschädigt wird. Die Verflüssigung von Wasserstoff erfordert extrem niedrige Temperaturen, da Verflüssigungstemperatur bei Normaldruck (1 bar) bei -252,87 °C liegt. Daher sind nicht alle Materialien für die Handhabung und Lagerung von verflüssigtem Wasserstoff geeignet. Denn nur, wenn die Materialeigenschaften für flüssigen Wasserstoff geeignet sind, ist ein sicherer Betrieb für Mensch und Umwelt gewährleistet. Daher können nur spezielle Materialien eingesetzt werden, wie z. B.:

  • Edelstahl: Einige hochwertige Edelstahlsorten können für die Verflüssigung von Wasserstoff bei tiefen Temperaturen verwendet werden, insbesondere bei kurzzeitiger Exposition. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass der Edelstahl eine geringe Austenitbildungstemperatur und gute Zähigkeitseigenschaften bei niedrigen Temperaturen aufweist, um Kältebrüche zu vermeiden.
  • Aluminiumlegierungen: Einige Aluminiumlegierungen können bei tiefen Temperaturen für die Verflüssigung von Wasserstoff verwendet werden. Aluminium weist eine hohe Wärmeleitfähigkeit und geringe Anfälligkeit für Kältebrüche auf, was es zu einer geeigneten Wahl für Kryotechnikanwendungen machen kann.
  • Kupfer und Kupferlegierungen: Kupfer und einige Kupferlegierungen können bei tiefen Temperaturen für die Verflüssigung von Wasserstoff verwendet werden. Jedoch kann Kupfer bei niedrigen Temperaturen spröde werden, daher ist eine sorgfältige Materialauswahl und Konstruktion erforderlich, um Kältebrüche zu minimieren.
  • Spezielle Kunststoffe: Einige spezielle Kunststoffe, wie z. B. Polyethylen (PE) oder Polytetrafluorethylen (PTFE), können bei tiefen Temperaturen für die Verflüssigung von Wasserstoff verwendet werden. Diese Kunststoffe weisen eine gute Beständigkeit gegenüber niedrigen Temperaturen und Wasserstoff auf, können jedoch in einigen Fällen spröde werden und müssen daher sorgfältig ausgewählt und getestet werden.

Wir sehen also, es gibt durchaus heute schon Materialien, welche für flüssigen Wasserstoff geeignet sind, jedoch ist eine sorgfältige Auswahl zu beachten.

(Erläuterung Austenit: ist eine spezielle Struktur von Eisen oder Eisenlegierungen, die bei hohen Temperaturen existiert. Es hat eine regelmäßige Anordnung von Atomen und wird oft in Stahllegierungen wie rostfreiem Stahl gefunden. Austenitische Stähle sind bekannt für ihre Korrosionsbeständigkeit, Festigkeit und Schweißbarkeit.)

Umrüstung LNG-Terminals auf Wasserstoff

In den ersten Kapiteln des Beitrages haben wir also gelernt, dass LNG-Terminals für die Verarbeitung von flüssigem Wasserstoff noch vorbereitet werden müssen. Die Umrüstung bestehender LNG-Terminals auf flüssigen Wasserstoff ist technisch möglich, erfordert aber umfassende Anpassungen an den bestehenden Anlagen. Beispielhaft sind hier zu nennen:

  1. Speichertanks: Die Speichertanks in LNG-Terminals sind in der Regel für die Lagerung von verflüssigtem Erdgas bei sehr niedrigen Temperaturen ausgelegt. Wasserstoff hat jedoch eine viel niedrigere kritische Temperatur von -240,17 °C im Vergleich zu Erdgas. Die Speichertanks sind daher anzupassen, um die extrem niedrigen Temperaturen von flüssigem Wasserstoff handhaben zu können. Beispielsweise durch den Einsatz von speziellen Isolationsmaterialien und Kühlsystemen.
  2. Verladung und Entladung: LNG-Terminals verfügen über komplexe Verladungs- und Entladungseinrichtungen, die speziell für Erdgas ausgelegt sind. Da Wasserstoff jedoch geringere Dichten und unterschiedliche physikalische Eigenschaften im Vergleich zu Erdgas aufweist, müssten die Verladungs- und Entladungseinrichtungen angepasst werden, um mit flüssigem Wasserstoff umzugehen. Beispielsweise durch den Einsatz von speziellen Düsen, Ventilen und Kontrollsystemen.
  3. Sicherheit: Aufgrund der Eigenschaften von Wasserstoff und der höheren Reaktionsfreudigkeit muss das Sicherheitskonzept überarbeitet werden. Mögliche Maßnahmen sind z. B. die Verbesserung von Brand- und Explosionsschutzmaßnahmen, die Installation von Wasserstoff-Detektionssystemen und die Schulung von Personal umfassen.
  4. Infrastruktur: Wasserstoff benötigt spezielle Infrastruktur für die Kühlung, Lagerung, Verladung und den Transport. Die Umrüstung von bestehenden LNG-Terminals auf flüssigen Wasserstoff könnte daher auch den Aufbau oder die Anpassung von zusätzlicher Infrastruktur umfassen, einschließlich Wasserstoffproduktionseinrichtungen, Wasserstofftransportleitungen und Wasserstofftankstellen.

Insgesamt sollte mit dem Beitrag hoffentlich ersichtlich gewesen sein, dass ein LNG-Terminal nicht sofort H2-ready ist, sondern Anpassungen und auf jeden Fall Überprüfungen der Tauglichkeit durchzuführen sind. Neben den Terminals bedarf es auch noch einem weiteren Ausbau der Infrastruktur, um den flüssigen Wasserstoff per Schiff zum LNG-Terminal transportieren können sowie das erforderliche Gasnetz. Ein Beispiel für ein spezialisiertes Wasserstoff-Tankerschiff ist das Projekt “Hydrogenia”, das von der norwegischen Reederei Wilhelmsen entwickelt wird. Es ist geplant, dass dieses Schiff eine Kapazität von etwa 9.000 Kubikmetern flüssigem Wasserstoff haben wird. Insgesamt bleibt also noch viel zu tun, wenn in Zukunft unsere LNG-Terminals Wasserstoff verarbeiten sollen.

Wasserstoffeinspeisung ins Gasnetz: Was ist zu beachten?

Gastransformationspläne als Treiber der Wasserstoffeinspeisung

Die Planungen für einen Wasserstoffhochlauf in Deutschland sind im vollen Gange. Viele Gasnetzbetreiber sind dabei, ihre Gasnetztransformationspläne zu grünen Gasen zu erstellen und führen erste Analysen für die Transporttauglichkeit ihrer Netze durch. Welche Rolle Wasserstoff in unserem Energiesystem spielen wird, ist sicherlich noch offen, da ein Blick in die Zukunft über mehrere Jahrzehnte notwendig ist. Klar dürfte jedoch sein, dass der Wasserstoff als Energieträger für bestimmte Sektoren benötigt werden dürfte, da eine vollständige Elektrifizierung nicht in allen Sektoren möglich ist. Klar ist jedoch, für den Transport und die Bereitstellung von (grünem) Wasserstoff durch unsere Gasnetze muss die Verfügbarkeit des Energieträgers gewährleistet sein.

Zwar wird der Großteil des Wasserstoffs importiert werden müssen, doch ist bereits jetzt klar, dass wir in Deutschland auch über eigene Elektrolysekapazitäten verfügen werden. So setzt sich die nationale Wasserstoffstrategie u. a. zum Ziel, mindestens Elektrolyseanlagen mit einer Kapazität von 10 GW zu errichten. Daneben existieren noch zahlreiche Biomethan- und Biogasanlagen in Deutschland, deren Gas auch in das Gasnetz eingespeist werden könnte. Die Einspeisung von Wasserstoff oder Biogas dürfte also für einige Gasnetzbetreiber ein Thema werden.

Aus diesem Grund stellt sich die Frage, was bei einem Anschlussbegehren einer Wasserstofferzeugungsanlage zu beachten ist. Welche rechtlichen und technischen Fragestellungen sind zu beantworten und vor allem welche Auswirkungen hat die Wasserstoff-Netzeinspeisung auf die Gasqualität? In diesem Blogbeitrag beschäftigen wir uns daher ausführlich mit der Thematik der Wasserstoff-Netzeinspeisung.

Die rechtliche Grundlage der Wasserstoffeinspeisung

Die rechtliche Grundlage für das Thema Wasserstoff findet sich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Nach § 1 sind Zweck und Ziele des Gesetzes, die Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff sicherzustellen. Nach der Biogasdefinition des EnWG sind dies Biomethan, Gas aus Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Grubengas sowie Wasserstoff, der durch Wasserelektrolyse erzeugt worden ist. Soll das Biogas oder der Wasserstoff in das Wasserstoffnetz eingespeist werden, findet sich der Anwendungsbereich zur Regulierung von Wasserstoffnetzen in § 28j. Netzbetreiber erklären sich (unwiderruflich) bereit, dass ihr Netz der Regulierung unterliegen soll. Zur Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs sind die Entflechtungsvorschriften nach § 28m einzuhalten. Die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von der Wasserstofferzeugung, -speicherung und -vertrieb soll hierdurch sichergestellt werden.

Der Anschluss und der Zugang zu den Wasserstoffnetzen ist in § 28n geregelt. Demnach haben Netzbetreiber Dritten den Anschluss und den Zugang zu ihren Wasserstoffnetzen zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen zu gewähren. Es besteht somit eine Anspruchsgrundlage für Wasserstofferzeuger, ihren Wasserstoff in das reine Wasserstoffnetz einzuspeisen, sofern sich der Netzbetreiber der Regulierung des EnWG unterworfen hat.

Neben dem EnWG ist auch die GasNZV zu beachten. Wirft man jedoch einen Blick in die Verordnung, ist der Begriff Wasserstoff nicht enthalten. Eine eigene WasserstoffNZV existiert jedoch auch nicht. Somit muss Wasserstoff derzeit unter dem Begriff Biogas in der GasNZV betrachtet werden. Der § 33 GasNZV regelt die Netzanschlusspflicht für Biogasanlagen, die auch auf grünen Wasserstoff übertragen werden können. Nach § 19 GasNZV ist allerdings die Gasbeschaffenheit im Rahmen Einspeisung zu beachten. Maßgeblich ist hier das Arbeitsblatt G260 des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Ist eine ausreichende Gasqualität nicht gegeben, muss der Netzbetreiber ein Angebot zur Herstellung der Kompatibilität unterbreiten. Ansonsten ist eine Ablehnung durch ihn zu begründen.

Wichtige Punkte des Anschlussbegehrens

Damit eine Wasserstoffnetzanlage in ein Gasnetz einspeisen kann, muss ein Antrag auf ein Netzanschlussbegehren gestellt werden. Die Prüfung des Netzanschlussbegehrens hat binnen 3 Monaten mit einem Entscheid des Netzbetreibers zu erfolgen.

Aus technischer Sicht ist zu differenzieren, ob der Anlagenbetreiber Biomethan oder Wasserstoff in das Gasnetz einspeisen möchte. Hier sind u. a. unterschiedliche Qualitätsanforderungen am Einspeisepunkt zu beachten: eine notfalls erforderliche Mengenregelung, bestimmte Anforderungen zur Kontrolle der Gasqualität, der Odierung etc. Eine gute Übersicht über die zu beachtenden Regelungen gibt ein Bericht des DBI – Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg:

Tabellarische Auflistung der Unterschiede zwischen Wasserstoff und Biomethan bei der Wasserstoffeinspeisung

Unterschiede der Wasserstoffeinspeisung aus regulatorischer Sicht

Aus Sicht des Netzbetreibers kann es unterschiedliche Möglichkeiten bzw. Herausforderungen geben, wenn Wasserstoff in ein Gasnetz eingespeist werden soll. Maßgeblich ist hier neben der Art des Gases auch der regulatorische Rechtsrahmen. Handelt es sich um ein bestehendes Erdgasnetz, gilt als rechtliche Basis die GasNZV. Zur Sicherstellung der Gasqualität und einer ordnungsgemäßen Abrechnung sind die Arbeitsblätter G260 und G685 zu berücksichtigen. Hierdurch ist eine Wasserstoffeinspeisung nur in einem begrenzten Umfang möglich. Größere Volumenströme können somit nicht eingespeist werden.

Handelt es sich hingegen um ein reines Wasserstoffnetz, welches der Regulierung des EnWG unterliegt, besteht noch keine eigene rechtliche Basis in Form einer WasserstoffNZV, wie die Einspeisung zu erfolgen hat. Einen Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Netzzugang gibt es durch das EnWG aber bereits. Komplizierter wird es, wenn das Wasserstoffnetz nicht der Regulierung des EnWG unterliegt. In diesem Fall muss der Anlagenbetreiber in bilaterale Verhandlungen mit dem Netzbetreiber gehen.

Auswirkungen der Wasserstoffeinspeisung aus technischer Sicht

Die Einspeisung von Wasserstoff führt zu einer Änderung der Gasqualität, wobei der Anteil des Wasserstoffs maßgeblich ist. Aktuell transportieren die Gasnetze i. d. R. Erdgas, welches der 2. Gasfamilie (methanreiche Gase) zuzuordnen ist. Wasserstoff wird hier als Zusatzgas gesehen, welches dem Erdgas beigemischt werden kann. Hierbei sind die Veränderungen der brenntechnischen Kenndaten (Wobbeindex, Dichteverhältnis etc.) zu berücksichtigen und einhalten. Eine strikte Wasserstoff-Obergrenze ist somit nicht definiert. Es geht lediglich darum, die Gasqualität einzuhalten. Somit muss der Netzbetreiber bei einer Wasserstoff-Beimischung sicherstellen, dass eine Eignung der Netze, Messgeräte, Verbrauchseinrichtungen etc. vorliegt.

Exkurs: Analogiebetrachtung Gasumstellung Wasserstoff und die L-/H-Gas-Umstellung

Der Wechsel von Erdgas auf Wasserstoff ist jedoch kein Schalter, der einfach über Nacht umgelegt werden kann. Vielmehr sind die Gasnetzbetreiber gefragt, ihre Netze wasserstofftauglich zu machen. Zwar ist schon heute eine Wasserstoff-Beimischung von bis zu 10 Vol.-% technisch möglich und soll demnächst auf 20 Vol-% angehoben werden, jedoch sind die Netze aktuell nicht in der Lage reinen Wasserstoff zu transportieren, da sich die physikalischen Eigenschaften und Verhaltensweisen dessen im Vergleich zum konventionellen Erdgas unterscheiden. Was es für eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur bedarf, ist u. a. eine Marktraumumstellung von Erdgas auf Wasserstoff.

Mehr dazu im eigenen Blogbeitrag.

Erreicht der Wasserstoffanteil einen signifikanten Anteil, erfolgt nach G260 ein Wechsel auf die 5. Gasfamilie. Hier bildet Wasserstoff und nicht mehr Erdgas das Grundgas. Der Wasserstoff lässt sich in zwei Kategorien unterteilen. Die erste Kategorie hat einen Anteil von mind. 98mol% und die zweite von mind. 99,97mol%. Letzteres ist speziell für den Verkehrssektor erforderlich.

Eine Beimischung von Wasserstoff kann im Netz zur Unterschreitung der unteren Grenze der relativen Dichte führen. Ein Unterschreiten ist nur zulässig nach G260, wenn vorab eine Prüfung der Kompatibilität und Interoperabilität mit der Gasinfrastruktur und den Gasanwendungen erfolgt ist. Bei Einspeisung >10mol% ist eine Herstellerbescheinigung nötig.

Ebenso ist eine Brennwertnachverfolgung erforderlich, da der Brennwert von Wasserstoff deutlich unter dem von Erdgas bzw. Methan liegt und nur so eine ordnungsgemäße Abrechnung möglich ist. Hier ist zu differenzieren zwischen einer 1-Seitigen- und 2-Seitigen-Einspeisung. Bei ersterem erhält der betroffene Netzabschnitt den gleichen Abrechnungsbrennwert, wenn der Wasserstoff direkt am Einspeisepunkt erfolgt. Bei einer 2-Seitigen-Einspeisung ist die 2%-Grenze nach dem Verfahren von G685 einhalten. Ist der Brennwert von H2 kleiner als 3,54 kWh/Nm3 ist keine 2-Seiten-Einspeisung größer 3 % H2 möglich. Dies ist nur relevant bei H2 als Zusatzgas, sonst ist ein fester Brennwert von 3,543 kWh/m3 (Anteil mind. 99,9 % H2) anzuwenden.

Fazit

Die Wasserstoffeinspeisung ist somit kein einfaches, sondern ein durchaus komplexeres Thema. Zum einen ist zu klären, in welche Art von Gasnetz aus technischer, aber auch regulatorischer Sicht der Wasserstoff eingespeist werden soll. Zum Teil fehlt aktuell auch noch die rechtliche Grundlage bzw. die Vereinfachung. Eine eigene Wasserstoffnetzzugangsverordnung wäre hier sicherlich wünschenswert. Aus technischer Sicht sind vor allem die Auswirkungen auf die Gasqualität zu beachten sowie die Auswirkungen auf die Veränderung des Brennwertes für die spätere Abrechnung. Die beiden Arbeitsblätter G260 und G685 sind somit für das Thema Wasserstoffeinspeisung eine wesentliche Grundlage.

Da in den Anfangszeiten vermutlich noch wenig reine Wasserstoffnetze vorhanden sein werden, in welche die Anlagenbetreiber ihren Wasserstoff einspeisen können, dürfte der Blick sich vermutlich erst einmal auf die Erdgasnetze und erste Mischgasnetze (Erdgas, Biomethan, Biogas, Wasserstoff) richten. Mit Spannung dürfte auch die Entwicklung zu beobachten sein, ob Versorgungsgebiete entstehen, bei der der Gasnetzbetreiber sein bestehendes Gasnetz zurückbauen möchte, sich aber Wasserstofferzeuger ansiedeln möchten. Da insgesamt die Ausgestaltung des Regulierungsrahmens für das Thema Wasserstoff nicht am Ende sein wird, ist weiterhin zu beobachten, welche Änderungen von rechtlicher Seite noch erfolgen werden. Es bleibt also spannend beim Thema Wasserstoff.

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Wie sehen die neuen Vorschriften für grünen Wasserstoff aus?

Hintergrund zu den delegierten Rechtsakten

Mitte Februar hat die Europäische Kommission gemäß den Vorgaben der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zwei Rechtsakte erlassen, welche sich mit der Herstellung von grünen Gasen im Verkehrssektor beschäftigen sowie mit der Bilanzierung der Treibhausgasmengen bei der Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs). Die beiden Rechtsakte sind auch für Deutschland maßgeblich, unter welchen Bedingungen Kraftstoffe als erneuerbar gelten.

Der erste delegierte Rechtsakt legt fest, unter welchen Bedingungen Wasserstoff, wasserstoffbasierte Kraftstoffe oder andere Energieträger als RFNBO betrachtet werden können. Das Gesetz präzisiert den Grundsatz der “Zusätzlichkeit” für Wasserstoff, der in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU verankert ist. Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff müssen an neue erneuerbare Stromerzeugung angeschlossen werden. Mit diesem Grundsatz soll sichergestellt werden, dass die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff Anreize für eine Erhöhung des Volumens erneuerbarer Energie schafft, das im Netz verfügbar ist, verglichen mit dem, was bereits vorhanden ist. Auf diese Weise wird die Wasserstoffproduktion die Dekarbonisierung unterstützen und die Elektrifizierungsbemühungen ergänzen, während gleichzeitig Druck auf die Stromerzeugung vermieden werden soll.

Der zweite delegierte Rechtsakt enthält eine Methode zur Berechnung der Lebenszyklustreibhausgasemissionen für RFNBO. Die Methode berücksichtigt Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus der Brennstoffe, einschließlich vorgelagerter Emissionen, Emissionen im Zusammenhang mit der Entnahme von Strom aus dem Netz, aus der Verarbeitung und solchen, die mit dem Transport dieser Kraftstoffe zum Endverbraucher verbunden sind. Die Methodik klärt auch, wie die Treibhausgasemissionen von erneuerbarem Wasserstoff oder seinen Derivaten berechnet werden können, wenn er in einer Anlage zur Herstellung fossiler Brennstoffe koproduziert wird.

In unserem Blogbeitrag wollen wir uns einmal die Regelungen des ersten Rechtsaktes zur Erzeugung von erneuerbaren Kraftstoffen näher anschauen, um zu verstehen, wie und in welchen Umfang erneuerbarer Kraftstoff mithilfe von Strom aus EE-Anlagen hergestellt werden kann.

Herstellung von erneuerbarem Kraftstoff über eine direkt angeschlossene Erzeugungsanlage

Der erste delegierte Rechtsakt präzisiert zwei Möglichkeiten, wie erneuerbare, strombasierte Kraftstoffe erzeugt werden können. Möglichkeit 1 ist der Bezug von elektrischer Energie aus dem öffentlichen Stromnetz unter bestimmten regulatorischen Auflagen. Die andere Möglichkeit ist die direkte Produktion der Kraftstoffe vor Ort über den gleichen Anschluss. Die EE-Stromerzeugungsanlage und die Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe stehen somit in räumlicher Nähe und verfügen über eine direkte Leitung, ohne dass das öffentliche Stromnetz der allgemeinen Versorgung genutzt werden muss. 

Hierfür muss der Betreiber nach Artikel 3 einen Nachweis erbringen, dass die Elektrolyseanlage und die EE-Stromerzeugungsanlage über einen direkten Anschluss verfügen. Außerdem darf die EE-Stromerzeugungsanlage maximal 36 Monate vor der Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe installiert worden sein. Die EE-Stromerzeugungsanlage darf nicht an das allgemeine Versorgungsnetz angeschlossen sein oder, mithilfe des Messkonzeptes ist nachzuweisen, dass keine Einspeisung in das öffentliche Stromnetz erfolgt, wenn die Produktionsanlage den Kraftstoff produziert.

Herstellung von Kraftstoff mit bezogenem Strom aus dem Netz der allgemeinen Versorgung

Nicht immer besteht die Möglichkeit, dass der Strom direkt vor Ort neben der Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe produziert werden kann. In diesem Fall muss die Produktionsanlage Strom aus dem öffentlichen Stromnetz beziehen. Damit dieser Strom als erneuerbar gilt und damit der produzierte Kraftstoff, hat der Betreiber der Produktionsanlage zwei Möglichkeiten.

Möglichkeit 1 setzt voraus, dass der EE-Anteil in der Gebotszone, in der sich die Produktionsanlage befindet, einen Anteil regenerativer Energien am Strommix von über 90 % beträgt. In diesem Fall gilt der Strom grundsätzlich ohne Nachweisverpflichtungen als erneuerbar und somit auch der produzierte Kraftstoff. Wird der Schwellwert erstmalig von 90 % EE-Anteil am Strommix in der Gebotszone überschritten, wird pauschal für die nächsten 5 Jahre vorausgesetzt, dass der Wert immer über 90 % liegt.

Daneben ist das Kriterium der Zusätzlichkeit zu beachten, welches vorsieht, dass die Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe den Strom dann zu nutzen hat, wenn die EE-Stromerzeugungsanlage diese auch produziert. Es ist ein maximaler zeitlicher Unterschied von 1h erlaubt (Es existieren bestimmte Ausnahmen und Übergangsfristen, auf die noch eingegangen wird). Außerdem darf eine maximale Stundenzahl überschritten werden. Diese wird berechnet, indem die Gesamtstundenzahl in jedem Kalenderjahr mit dem Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen multipliziert wird.

Die Möglichkeit 2 findet hingegen dann Anwendung, wenn der Gesamtstrommix in der Gebotszone noch nicht den Schwellwert von 90 % überschritten hat. In diesem Fall ist die Emissionsintensität in der jeweiligen Gebotszone zu beachten. Diese darf nach Artikel 4 bei Strom bei maximal 18 gCO2eq/MJ liegen. Wird der Wert erstmalig erreicht, wird pauschal angenommen, dass der Grenzwert für die nächsten 5 Jahre eingehalten wird. Daneben sind folgende Kriterien aus Sicht des Betreibers der Produktionsanlage zu beachten:

  • Die Berechnung der Emissionsintensität erfolgt auf Basis des zweiten delegierten Rechtsaktes zur Berechnung der Treibhausgasemissionseinsparungen aus flüssigen und gasförmigen erneuerbaren Kraftstoffen nicht biologischen Ursprungs und aus recycelten Kohlenstoffkraftstoffen bestimmt der gemäß Artikel 28 Absatz 5 der Richtlinie (EU) 2018/2001
  • Der Betreiber der Produktionsanlage muss einen oder mehrere Stromlieferverträge mit Anlagen geschlossen haben, welche erneuerbaren Strom produzieren

Sollte die EE-Stromerzeugungsanlage aufgrund einer Anweisung des Netzbetreibers abgeriegelt werden (bspw. Redispatchmaßnahme), darf der Betreiber der Produktionsanlage auch Graustrom verwenden. In diesem Fall gilt sein Kraftstoff weiterhin als erneuerbar.

Unabhängig von den beiden Herstellungsmöglichkeiten haben die Betreiber (gewisse Ausnahmen ausgeklammert) bestimmte, weitere Kriterien zu erfüllen. Hierzu gehören primär die Kriterien der Zusätzlichkeit, des zeitlichen Zusammenhangs und der geografischen Korrelation, auf welche im nächsten Kapitel eingegangen werden soll.

Das Kriterium der Zusätzlichkeit 

Damit eine EE-Stromerzeugungsanlage für die Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen eingesetzt werden kann, ist das Kriterium der Zusätzlichkeit zu beachten. Das Kriterium bedeutet, dass der Strom aus einer EE-Stromerzeugungsanlage nur genutzt werden kann, wenn die Anlage maximal 36 Monate vor der Kraftstoffproduktionsanlage in Betrieb genommen ist. Ausnahmen gelten, wenn die EE-Stromerzeugungsanlage bereits eine andere Kraftstoffproduktionsanlage mit elektrischer Energie versorgt hat und das bestehende Stromlieferverhältnis endet.   

Daneben ist zu berücksichtigen, dass bei einer Erweiterung der Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe gilt, dass die Erweiterung gleichgesetzt wird mit dem Zeitpunkt der in Betrieb genommen Erstanlage, sofern die Erweiterung in den nächsten 36 Monaten stattfindet. 

Außerdem ist zu beachten, dass die EE-Stromerzeugungsanlage keine finanzielle Unterstützung in Form von Beihilfen/ Investitionshilfen erhalten darf. Eine EEG-Förderung wäre somit nicht zulässig! Ausnahmen für staatliche Beihilfen und Investitionszuschüsse gelten für das Repowering, finanzielle Unterstützung für Grundstücke oder Netzanschlüsse.  

Nach Artikel 11 gibt es zudem noch einen Bestandsschutz für Elektrolyseanlage, die vor dem 1.1.2028 in Betrieb gegangen sind. Für diese Anlagen gilt das Kriterium der Zusätzlichkeit erst ab dem 1.1.2038.  

Das Kriterium des zeitlichen Zusammenhanges 

Neben dem Kriterium der Zusätzlichkeit ist das Kriterium des zeitlichen Zusammenhangs zu beachten. Demnach muss ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Stromerzeugung und der Kraftstoffproduktion bestehen. Als Zeitfenster sieht der delegierte Rechtsakt eine 1h vor, in der der erzeugte Strom verwendet werden muss.  

Allerdings gilt eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2029. Bis zu diesem Zeitpunkt reicht es aus, wenn die Produktion des erneuerbaren Kraftstoffs und der Strommenge im selben Monat stattfindet. Die Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, die Übergangsfrist zu verkürzen auf den 1. Juli 2027. Ab dem 1. Januar 2030 ist dann der zeitliche Abstand von 1h anzusetzen. Ausnahmen dann nur möglich, wenn der EE-Strom zwischengespeichert wird und direkt hinter dem gleichen Netzanschlusspunkt zu einem späteren Zeitpunkt umgewandelt wird.  

Das Kriterium der geografischen Korrelation 

Als drittes und letztes Kriterium ist die geografische Korrelation zu beachten. Diese gilt nach Artikel 7 als erfüllt, wenn einer der drei Punkte erfüllt ist: 

  1. Die EE-Stromerzeugungsanlage und die Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe befinden sich in der gleichen Gebotszone 
  2. Die EE-Stromerzeugungsanlage und die Produktionsanlage für erneuerbare Kraftstoffe sind in einer gleichen Verbundangebotszone (heißt die Anlagen stehen in unterschiedlichen Mitgliedsländern) und der Strompreis in der Gebotszone der EE-Stromerzeugungsanlage muss am day-ahead-Markt höher oder gleich hoch sein wie in der Gebotszone der Kraftstoffproduktionsanlage 
  3. Der Stromabnahmevertrag für erneuerbare Energien und die zugehörige EE-Stromerzeugungsanlage befindet sich in einer Offshore-Gebotszone, die mit der Gebotszone verbunden ist, in der sich der Kraftstoffproduktionsanlage befindet 

Informationspflichten für (erneuerbare) Kraftstoffhersteller 

Im Rahmen der Produktion von erneuerbarem Kraftstoff haben die Kraftstoffhersteller nach Artikel 8 zuverlässige Informationen vorlegen, welche den Anforderungen der Artikel 3 bis 7 (im Kern die dargestellten Kriterien), einschließlich für jede Stunde soweit relevant vorzulegen: 

  • die aus dem Netz bezogene Strommenge, die nicht als vollständig erneuerbar gilt, sowie der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen; 
  • die Strommenge, die als vollständig erneuerbar gilt, weil sie aus einem direkten Anschluss an eine Anlage bezogen wurde, die Strom aus erneuerbaren Quellen gemäß Artikel 3 erzeugt; 
  • der Anteil der Strommengen gemäß der unterschiedlichen Möglichkeiten nach § 4 getrennt ausgewiesen 
  • die Menge an erneuerbarem Strom, die von den Anlagen erzeugt wird, die erneuerbaren Strom erzeugen, unabhängig davon, ob sie direkt an einen Elektrolyseur angeschlossen sind und unabhängig davon, ob der erneuerbare Strom für die Herstellung des erneuerbaren flüssigen und gasförmigen Verkehrskraftstoffs, nicht biologischen Ursprungs oder für andere Zwecke 
  • die vom Kraftstoffhersteller produzierten Mengen an erneuerbaren und nicht erneuerbaren, flüssigen und gasförmigen Verkehrskraftstoffen nicht biologischen Ursprungs. 

Nach Artikel 9 können Kraftstoffhersteller ihren Kraftstoff als nachhaltig klassifizieren, wenn sie nachweisen, dass ihr erneuerbarer Kraftstoff nach den Vorgaben des Rechtsaktes auch im europäischen Ausland produziert worden ist.  

Fazit 

Wie evtl. schon beim Lesen des Blogbeitrags ersichtlich geworden ist, dürfte die Produktion von erneuerbarem Kraftstoff mit einigen rechtlichen Hürden verknüpft sein. Da die EU unbedingt ausschließen will, dass es einen Verteilungskampf um die EE-Erzeugungsanlagen gibt, führen die eingeführten Kriterien zu einem höheren Nachweisaufwand. Positiv zu sehen ist, dass ein Übergangszeitraum gewährt, wird gerade im Hinblick auf die Kriterien der Zusätzlichkeit und des zeitlichen Zusammenhanges. Falls es einzelnen Mitgliedsstaaten auch gelingen sollte, bis 2030 einen EE-Anteil im Strommix von mindestens 90 % vorzuweisen, könnte die Produktion von erneuerbarem Kraftstoff deutlich leichter werden, da dann jeder bezogene Strom aus dem öffentlichen Netz der allgemeinen Versorgung als erneuerbarer Strom gilt. Setzt man die deutschen Klimaziele als Maßstab voraus, ist dieser Zeitpunkt mit einem 90 % EE-Anteil noch nicht definiert. Lediglich für 2030 wurde die Zielmarke mit 80 % festgelegt.  

Kritisch ist jedoch zu setzen, dass ausgeförderte EE-Anlagen eine geringe Chance haben von den Neuregelungen zu akzeptieren, wenn das Kriterium der Zusätzlichkeit greift, da die Inbetriebnahme deutlich vor den festgelegten 36 Monaten erfolgt ist. Somit hätten diese Anlagen nur eine Chance, wenn ein Repowering durchgeführt werden würde.  

Interessant könnte es auch werden, die Gebotszonen neu zu bewerten, da lokale Gebiete mit einem hohen EE-Anteil einen Wettbewerbsvorteil generieren könnten, wenn für diese Gebiete die Auflagen sinken, da ein 90 % EE-Anteil vorliegt. Vielleicht könnte dies die Debatte noch einmal verschärfen, ob es in Deutschland nicht mehrere Gebotszonen – Bsp. Nord-/Südgebotszonen – geben sollte. Insgesamt positiv zu werten ist, dass der Rechtsakt endlich erschienen ist und nun wenigstens Planungssicherheit für die Unternehmen besteht. Ob die delegierten Rechtsakte am Ende wirklich eine Hilfe sind, das Thema erneuerbare Kraftstoffe und speziell Wasserstoff zu pushen, bleibt sicherlich in der Praxis noch abzuwarten.   

Analogiebetrachtung Gasumstellung Wasserstoff und die L-/H-Gas-Umstellung

Die Dekarbonisierung des Gas- und Wärmesektors bis 2045 ist eine der größten Herausforderungen für die Energiewirtschaft in Deutschland. Zur Erreichung der nationalen Klimaziele peilt der Gesetzgeber an, dass ab 2045 ausschließlich grüne Gase durch die deutschen Netze fließen sollen. Als neuer Gamechanger steht hier der Energieträger Wasserstoff besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Dieser soll Erdgas zukünftig ersetzen.

Der Wechsel von Erdgas auf Wasserstoff ist jedoch kein Schalter, der einfach über Nacht umgelegt werden kann. Vielmehr sind die Gasnetzbetreiber gefragt, ihre Netze wasserstofftauglich zu machen. Zwar ist schon heute eine Wasserstoff-Beimischung von bis zu 10 Vol.-% technisch möglich und soll demnächst auf 20 Vol-% angehoben werden, jedoch sind die Netze aktuell nicht in der Lage reinen Wasserstoff zu transportieren, da sich die physikalischen Eigenschaften und Verhaltensweisen dessen im Vergleich zum konventionellen Erdgas unterscheiden. Was es für eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur bedarf, ist u. a. eine Marktraumumstellung von Erdgas auf Wasserstoff.

Eine Marktraumumstellung wird auch heute noch in Form der Umstellung von L(ow)-Gasnetzen auf H(igh)-Gasnetzen durchgeführt. Die Umstellung läuft noch bis 2029 in Deutschland (Schwerpunkt Westdeutschland). Hintergrund ist die sinkende Verfügbarkeit von L-Gas, vor allem durch die Förderreduktion der Niederlande. In diesem Zusammenhang bedeutet die Marktraumstellung einen Wechsel von L- auf H-Gas innerhalb der gleichen Gasfamilie, wobei das H-Gas einen höheren Methananteil und somit höheren Energiegehalt gegenüber dem L-Gas aufweist. Durch die Änderung der Gasbeschaffenheit ist im Rahmen der Marktraumumstellung eine Anpassung der Gasgeräte innerhalb des umzustellenden Verteilnetzes erforderlich.

Da direkt im Anschluss die nächste Marktraumumstellung mit dem Energieträger Wasserstoff ansteht, haben sich die Fernleitungsnetzbetreiber in Deutschland bereits erste Gedanken dazu gemacht, welche Analogien aus der aktuellen Marktraumumstellung für die Marktraumumstellung auf Wasserstoff gezogen werden können und welches Wissen aus vergangenen Projekten übertragbar ist. Das Ganze ist neben weiteren Wasserstoffthemen detailliert im Wasserstoffbericht vom 10. September 2022 aufgeführt. In unserem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die Schlüsse, die Fernleitungsnetzbetreiber zu diesem Thema gezogen haben.

Grundsätzliche Bedeutung beim Wechsel der Gasfamilie

Bei einem Wechsel von dem Energieträger Erdgas auf den Energieträger Wasserstoff würde es zu einem Wechsel der Gasfamilie kommen, wodurch eine neue Marktraumumstellung für ganz Deutschland erforderlich wäre, wenn reiner Wasserstoff durch das Erdgasnetz transportiert werden soll.

Dies bedingt eine gute Abstimmung zwischen den Netzbetreibern und Anschlussnehmern bei der Umstellung zu einem vereinbarten Stichtag, so dass die bewährten Schritte zur Durchführung einer Marktraumumstellung nach G680 vermutlich übernommen werden können: Ankündigung, Erhebung, Umstellung und Qualitätssicherung. Grundvoraussetzung ist, dass alle Geräte nach Umstellung auf den Energieträger Wasserstoff auch wasserstofftauglich sind. Dies bedeutet, dass bereits im Vorhinein eine Analyse erfolgt sein muss, welche Geräte umzurüsten sind. Bei der L-/H-Gasumstellung war dies recht einfach, da bei 95 % aller Geräte kein Austausch erforderlich war.

Der Anteil dürfte bei Wasserstoff jedoch deutlich darüber liegen, da sich die chemische Zusammensetzung von Wasserstoff deutlich von Erdgas unterscheidet. Dazu zählt zum einen der deutlich geringere Energiegehalt, aber auch andere Verbrennungseigenschaften. „Bei der Bewertung dieses Aspektes muss jedoch auch der Aufwand möglicher Alternativen, z. B. ein Wechsel des Energieträgers, einschließlich des Installationsaufwands und der Kosten für eine Umstellung auf eine andere Heiztechnik berücksichtigt werden.“ [FNB-Wasserstoffbericht].

Maßgeblich für die Zeitdauer der Umstellung dürfte sein, wie hoch der Aufwand der technischen Anpassung ist und wie viel qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass weniger Geräte als bei einer L-/ H-Gas-Umstellung pro Schaltung umgestellt werden können, da die Umschaltung schneller erfolgen muss. In vergangenen Projekten konnten noch 10.000 Geräte pro Schaltung erreicht werden. Die Anzahl dürfte bei Wasserstoff darunter liegen und auch der Zeitbedarf dürfte somit wesentlich größer sein, da eine Marktraumumstellung auch jetzt schon mehrere Monate benötigt. Zudem dürfte die Anzahl der Umstellungszonen merklich steigen.

Auch ist damit zu rechnen, dass Umstellungsfahrpläne zwischen den Fernleitungsnetzbetreibern (FNBs) und Verteilnetzbetreibern (VNBs) eine deutlich längere Vorlaufzeit benötigen, wenn der VNB einen Bedarf anmeldet. Aktuell liegt in der Kooperationsvereinbarung Gas die Vorlauffrist bei 2 Jahren und 8 Monaten. Die größte Effizienz kann dann gehoben werden, wenn mehrere VNBs entlang einer Versorgungsstrecke des FNB gemeinsam einen Bedarf anmelden und sich die VNBs in Arbeitsgruppen organisieren können. Das Vorgehen wurde auch bei der L-/H-Gas-Umstellung angewandt. Im Ausnahmefall kann der FNB durch ein Veranlassungsrecht den VNB auch dazu zwingen, auf Wasserstoff umzustellen (§ 19a EnWG).

Exkurs: Rechtslage

Ohne allzu tief in die gesetzliche Regelung in die Marktraumumstellung einsteigen zu wollen, sind für den Umgang mit der aktuellen Marktraumumstellung ein Gesetz und eine technische Richtlinie des DVGW relevant, die auch für die Marktraumumstellung Wasserstoff (mit ein paar Anpassungen) genutzt werden kann. Die gesetzliche Grundlage für die aktuelle Marktraumumstellung ist in § 19a EnWG geregelt. Hier sind die gesetzlichen Anforderungen und Umsetzungsfristen für die Umstellung zu finden.  Spezifische Hilfestellung vom DVGW ist in G680 Erhebung, Umstellung und Anpassung von Gasgeräten zu finden. 

Schritte der H2-Marktraumumstellung

Der höhere Aufwand in Kombination mit der mangelnden Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal bedingt eine deutlich höhere Vorlaufzeit für das umzustellende Marktgebiet. Im Rahmen der L-/H-Gas-Umstellung erfolgt die Ankündigung (Schritt 1: G680) gemäß § 19a EnWG zwei Jahre vorher. Die längeren Ankündigungsfristen können sich hingegen wieder auf die Netzplanungsprozesse auswirken, welche auch zwischen dem FNB und VNB abzustimmen sind, um eine spätere Marktraumumstellung zu ermöglichen.

Zur Umsetzung der Marktraumumstellungen empfehlen die FNBs im Wasserstoffbericht vier durchzuführende Schritte, die erforderlich sind:

  1. Erhebung der häuslichen, gewerblichen und industriellen Gasgeräte plus Prüfung der Wasserstofftauglichkeit
  2. Trennung vom Netz und Umstellung der Endgeräte auf den neuen Energieträger
  3. Wiederinbetriebnahme von Netz und Endgeräten mit dem neuen Energieträger
  4. stichprobenartige und unabhängige Qualitätssicherung

Die vier Schritte gelten allerdings nur für den Betrieb von reinen Wasserstoffnetzen und nicht für Erdgasnetze, welchen Wasserstoff nach den Richtlinien des DVGW beigemischt wird. Hier gilt aktuell ein Schwellwert von maximal 10 Vol-% (demnächst 20 Vol-%) Wasserstoff zu Methan im Erdgasnetz. In diesem Fall ist keine Anpassung der Geräte erforderlich, wobei eine stichprobenartige Überprüfung anzuraten wäre.

Grundsätzlich können für die Durchführung der Marktraumumstellung die Strukturen aus vergangenen Projekten übernommen werden. Hierzu gehören u. a.:

  • Der Aufbau einer Projektstruktur und -organisation (Projektphasen, Teilprojekte)
  • Entwicklung eines Kommunikationskonzepts
  • Abstimmung mit vorgelagerten Netzbetreibern
  • Ermittlung von Umstellbezirken
  • Auswahl von Dienstleistern

Bereiche der H2-Marktraumumstellung

Bei der Umsetzung der Marktraumumstellung Wasserstoff ist nach Ansicht der FNBs zwischen zwei verschiedenen Ebenen zu differenzieren: der Umstellung der Gasnetze und der Umstellung der Gasinstallation.

Umstellung des Gasnetzes

Die Umstellung der Erdgasnetze auf Wasserstoff müsste vor allem durch einen gemeinsamen Gasnetztransformationsplan erfolgen, der sowohl die Entwicklung des Energieträgers Erdgas als auch Wasserstoff berücksichtigt, wodurch die Reihenfolge der Gebiete zur Marktraumumstellung Wasserstoff planbar wären, wie es auch für L- auf H-Gas der Fall war. 

Punkte, die u. a. bei der Umstellung des Erdgasnetzes zu berücksichtigen sind, wären z. B. die Auswirkungen auf die verbauten Materialien, Werkstoffe, Funktionalitäten von Bauteilen, die Kapazitäten und Leistungsfähigkeit sowie strömungsmechanische Aspekte.

Die Initiative H2vorOrt entwickelt dazu derzeit einen Standardleitfaden, wie ein koordinierter und standardisierter Planungsprozess erfolgen kann. Das Ergebnis soll ein einheitlicher Transformationspfad für alle Gasnetzbetreiber hin zum Energieträger Wasserstoff sein. Dabei soll der Planungsprozess nicht nur eine sofortige Umstellung von Erdgas auf reinen Wasserstoff beinhalten, sondern auch Wege zur stetigen höheren Beimischung von Wasserstoff. Eine erste Grundlage soll bis spätestens 2025 stehen. Ausführliche Informationen hierzu wurden im DVGW Rundschreiben DVGW G 02/2022 versendet. Den Transformationspfad hin zu grünen Gasnetzen stellen die FNBs in der folgenden Grafik beispielhaft dar:

Schematische prozessuale Darstellung der Gasumstellung Wasserstoff

Vor der Umstellung des Gasnetzes hat jedoch jeder Gasnetzbetreiber für sich eine Einspeiseanalyse, Kapazitätsanalyse, Kundenanalyse und technische Analyse durchzuführen. Auf Basis der Analysen muss jeder Netzbetreiber für sich entscheiden, wo Übergabepunkte zu vor- und nachgelagerten Netzen und wo dezentrale Einspeisepunkte erforderlich sind sowie welche Kunden primär angeschlossen werden unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit.

Umstellung der Gasinstallationen (Gasgeräte und -anwendungen)

Für die Umsetzung einer erfolgreichen Marktraumumstellung Wasserstoff bedarf es nicht nur einer Anpassung der Netze, sondern auch der Gasinstallationen. Hierzu gehören u. a. die Gasgeräte und Betrachtung der Gasanwendungen.

Hierfür ist der Aufbau einer Datenbank von Geräteherstellern hinsichtlich der Wasserstofftauglichkeit sowie geeignete Materialien beinhaltet. Der DVGW ist hierbei federführend tätig.

Zu berücksichtigen sind die neuen Anforderungen für Heizungsanlagen ab 2024, wonach der EE-Anteil von neuen Heizungsanlagen bei mind. 65 % liegen muss. Hierbei können auch grüne Gase angerechnet werden. Die Gasinstallation ist jedoch darin zu ertüchtigen sowohl mit Gasgemischen als auch 100 % prozentigen grünen Gasen wie Wasserstoff umgehen zu können. Dies umfasst nicht nur das Gasgerät, sondern auch weitere Komponenten wie die eingesetzten Gaszähler oder Gasströmungswächter.

Umwidmung der Leitung

Damit aus einer Erdgasleitung eine Wasserstoffleitung wird, ist diese durch die BNetzA in Form eines Genehmigungsverfahrens umzuwidmen (§ 28p EnWG). Hierbei prüft die BNetzA die Bedarfsgerechtigkeit. Grundlage könnten hierfür die Netzentwicklungspläne sein. Um den Zeitbedarf bis zur Umstellung zu reduzieren, bietet es sich an, möglichst parallel zum Abstimmungsprozess zwischen dem FNB und VNB die Bestätigung der BNetzA einzuholen, da dies die Marktraumumstellung in die Länge treibt.

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Industrieemissions-Richtlinie: Bremse für den Wasserstoffhochlauf?

Industrieemissions-Richtlinie: der nächste Baustein des Green Deals

Mit klarem Kurs für ein klimaneutrales Europa bis 2050 treibt die EU-Kommission die Vielzahl an Richtlinien- und Verordnungsvorgaben des Green Deal weiter voran, welche auch den Wasserstoffhochlauf betreffen. Hierzu plant die Kommission eine Novellierung der Industrieemissions-Richtlinie, um die Umweltvorschriften innerhalb der EU zu verschärfen. Dadurch soll eine geringere Belastung der Umwelt mit Schadstoffen in der Luft, Wasser und Böden erreicht werden. Hinzu sollen bessere Informationsmöglichkeiten für den einzelnen Bürger gegenüber seiner zuständigen Behörde geschaffen werden.

Im Zuge der Novellierung der Industrieemissions-Richtlinie plant die Kommission eine Erweiterung des Geltungsbereiches für Industrieunternehmen. Hierzu ist u.a. eine Erweiterung für Batteriehersteller, die Landwirtschaft, aber auch für Betreiber von Elektrolyseuren geplant. Den Entwurf hierzu hat die Kommission erst kürzlich am 5. April dieses Jahres mit der Industrial Emissions Directive vorgelegt. Welche Einstufung die Kommission für Elektrolyseure vorgenommen hat und welche Auswirkungen dies für den Wasserstoffhochlauf haben könnte, wollen wir uns in diesem kurzen Blogbeitrag ansehen.

Industrieemissions-Richtlinie: Wesentliche Anforderungen für Anlagenbetreiber

Die Industrieemissions-Richtlinie ist für Betreiber von besonderer Bedeutung, da sie wesentliche Fragen der Genehmigungserfordernisse und Pflichten für Betreiber von Wasserstofferzeugungsanlagen klärt, welche diese zu erfüllen haben. Die Grundlage hierbei bildet auf nationaler Ebene vor allem das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die zugehörigen Rechtsverordnungen (Bsp. BImSchV).

Die Industrieemissionsrichtlinie verfolgt primär das Ziel, den Umweltschutz zu stärken und Emissionen zu vermeiden (Art. 1 IE-RL). Dafür haben die Anlagenbetreiber je nach Art der Anlage bestimmte Anforderungen umzusetzen, zu der auch eine Genehmigungspflicht (Art. 4 IE-RL) zählt sowie eine Öffentlichkeitsbeteiligung (Art. 24 in Verbindung mit Anhang IV IE-RL).  Um einen hohen Umweltschutz zu garantieren, werden Betreiber außerdem verpflichtet, die bestmögliche, verfügbare Technik am Markt einzusetzen (Art. 11 IE-RL). Ggf. ist zusätzlich ein Bericht über den Zustand des Bodens zu erstellen (Ausgangszustandsbericht, Art. 22 Abs. 2 IE-RL).

Industrieemissions-Richtlinie: Behandlung von Elektrolyseuren

In der Zukunft soll für Betreiber von Elektrolyseanlagen nach dem Entwurf der Industrieemissionsrichtlinie der europäischen Kommission eine Elektrolyseanlage grundsätzlich als Industrieemissionsanlage eingestuft werden. Dies bedeutet für Elektrolyseure, dass jede Elektrolyseanlage ein förmliches immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren zu durchlaufen hat. Die Folge wären deutlich längere und aufwendigere Genehmigungsverfahren für Elektrolyseanlagen.

Konkret ordnet der Entwurf der Industrieemissionsrichtlinie die Elektrolyse der Herstellung anorganischer Chemikalien nach Nr. 4.2 lit. a Anhang I IE-RL zu. Voraussetzung hierfür ist eine industrielle Nutzung der Elektrolyseanlage. Bei Beschluss der Richtlinie in seiner jetzigen Form würde die Definition eins zu eins übernommen werden als chemischen Anlage nach Nr. 4.1.12 Anhang 1 4. BImSchV. Somit wäre für jede Elektrolyseanlage ein Genehmigungsverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich. Hinzu sind weitere Pflichten wie ein Ausgangszustandsbericht oder der Einsatz der bestmöglichen Technik zu erfüllen.

Kritisch ist hierbei zu sehen, dass der Entwurf eine Gleichstellung der Wasserstoffherstellungsverfahren vorsieht und keine Differenzierung zwischen einem Elektrolyseverfahren oder zum Beispiel einer Dampfreformierung vorgenommen wird. Das IKEM kritisiert in diesem Zusammenhang die Gleichstellung, da die Elektrolyse nicht mit dem Verfahren der Dampfreformierung gleichzusetzen sei. Auch wird in der Richtlinie keine Differenzierung vorgenommen, welche Art / Farbe von Wasserstoff produziert wird. Grüner Wasserstoff wird so beispielsweise mit blauem Wasserstoff gleichgesetzt, obwohl unterschiedliche Emissionswerte anfallen.

Industrieemissions-Richtlinie: Abgestufte Genehmigungspflicht als Kompromiss?

Um den nationalen Rechtsrahmen für Betreiber von Elektrolyseuren flexibler zu gestalten, schlägt das IKEM in seinem Positionspapier ein abgestuftes Genehmigungsverfahren vor. Hierbei lehnt sich das IKEM an den Vorschlag des Landesverbandes Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein an. Demnach schlagen die beiden Parteien eine Befreiung von der Genehmigungspflicht für kleinere Anlagen von unter 1 MW bis maximal 2 MW Erzeugungsleistung vor.

Für Anlagen bis 10 MW sollte hingegen ein vereinfachtes Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden. Somit wäre ein förmliches immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren erst ab einer Leistung von 10 MW und mehr durchzuführen. Die Abstufung sollte nach dem Willen der IKEM auch für die Umweltverträglichkeitsprüfung gelten, die ebenfalls zu hohe Hürden für kleine und mittlere Elektrolyseure aufstelle. Außerdem gibt das IKEM zu bedenken, dass mit wachsender Anlagengröße bedingt durch Skaleneffekte auch die Schwellwerte für Elektrolyseanlagen ansteigen sollten (Bsp. 50 MW statt 10 MW).

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Unbundling Wasserstoff: Die neuen EU-Vorschriften

Unbundling Wasserstoff: Die neue Gasbinnenmarktrichtlinie und-verordnung

Die Transformation der Energiewirtschaft in Europa zur Erreichung der gemeinsamen EU-Klimaziele ist eines der obersten Ziele der EU-Kommission. Hierfür wird seit einigen Monaten fleißig an einer neuen europäischen Gesetzesgrundlage gearbeitet. Eine wesentliche Aufgabe zur Erreichung klimaneutralen, europäischen Kontinents stellt die Umstellung der Gaswirtschaft dar. Hierfür arbeitet die EU-Kommission an der Schaffung eines europäischen Rechts- und Regulierungsrahmen für erneuerbare und kohlenstoffarme Gase, insbesondere Wasserstoff. Aus diesem Grund erfolgt aktuell eine Überarbeitung der EU-Gasbinnenmarktrichtlinie und -verordnung in der auch das Thema Unbundling von Wasserstoff geregelt werden soll.

In der Verordnung / Richtlinie soll auch das Thema des Unbundlings für Wasserstoffnetzbetreiber angegangen werden, jedoch möchte die EU-Kommission die Regelung auf EU-Ebene vereinheitlichen. Hierfür sieht die EU-Kommission in ihrem Vorschlag eine horizontale Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebes vor. Wie diese genau aussieht und was der Entwurf für die Wasserstoffnetzbetreiber in Deutschland bedeuten könnte, wollen wir uns in diesem Blogbeitrag einmal näher anschauen. Zuvor werfen wir aber ein Blick auf die bestehende Regelung auf nationaler Ebene.

Unbundling Wasserstoff: Die Regelungen im EnWG

Die Entflechtung von Wasserstoffnetzen in Deutschland wurde mit der EnWG Novelle im Abschnitt 3b) im Sommer 2021 geregelt. Demnach hat jeder Netzbetreiber, welcher sich freiwillig nach Anmeldung bei der BNetzA, dem Regelwerk des EnWG unterwirft an die dort beschriebenen Unbundlingvorschriften zu halten. Der Abschnitt 3b) sieht im Kern wie bei Strom- und Gasnetzen auch eine buchhalterische und informatorische Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebes vor. Somit hat jeder Wasserstoffnetzbetreiber eine eigene Buchführung (Bilanz, GuV etc.) zu erstellen und eine informatorische Trennung seines Netzbetriebs sicherzustellen.

Nicht vorgesehen zum aktuellen Zeitpunkt ist eine operationelle oder rechtliche Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebs. Eine De-Minimis-Klausel ist ebenfalls nicht vorgesehen. Somit haben in Deutschland Wasserstoffnetzbetreiber zwei Möglichkeiten zum aktuellen Zeitpunkt ihr Netz zu entflechten. Entweder sie unterwerfen sich freiwillig der Regelung des EnWGs und müssen das Netz informatorisch und buchhalterisch entflechten oder sie unterwerfen sich den Regelungen des EnWGs nicht und müssen keine Entflechtung durchführen.

Unbundling Wasserstoff: Grundzüge der EU-Entflechtungsvorgaben

Um die in den folgenden Abschnitten geplanten Entflechtungsmöglichkeiten für Wasserstoffnetzbetreiber zu verstehen, ist ein notwendiges Verständnis für die allgemeinen, möglichen Entflechtungsmodelle erforderlich. Hierbei ist zu differenzieren zwischen drei Modellen: dem Ownership-Unbundling, dem Independent System Operator (ISO) und dem Independent Transmission System Operator (ITO). Hierfür sollen im Folgenden die Grundzüge der drei Modelle erläutert werden:

1. Ownership-Unbundling:

Bei dem Ownership-Unbundling handelt es sich um ein vertikales, integriertes Unternehmen, welche das Wasserstoffnetz in einer Gesellschaft aus dem Konzernverbund heraus durch eine Veräußerung löst. Die Gesellschaft für den Wasserstoffnetzbetrieb darf keine Kontrolle über Erzeugung/Produktion oder Vertrieb/Handel haben. Der Konzernverbund darf maximal eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht an der Gesellschaft des Wasserstoffnetzbetreibers halten. Es darf daher keinen gemeinsamen politischen Entscheidungsträger geben.

Das Ownership-Modell

2. Independent System Operator (ISO):

Bei dem Independent System Operator ist das vertikal integrierte Unternehmen Eigentümer des Wasserstoffnetzes. Der Systembetrieb und Entscheidung zum Wasserstoffnetzbetrieb liegen jedoch bei einem unabhängigen Systembetreiber (ISO). Bei dem unabhängigen Systembetreiber handelt es sich um eine dritte Gesellschaft außerhalb des Konzerns. Der ISO plant und entscheidet selbst über die Entwicklung des Wasserstoffnetzes. Die Investitionsentscheidungen liegen somit in seinem Verantwortungsbereich und kann diese dem Eigentümer des Wasserstoffnetzes auferlegen.  Der ISO haftet für alle Risiken des Systembetriebs, weswegen das Modell einem faktischen Verlust des wirtschaftlichen Eigentums für den Eigentümer des Wasserstoffnetzes gleichkommt.

Das Independent System Operator Modell (ISO-Modell)

3. Independent Transmission System Operator (ITO)

Im dritten Entflechtungsmodell steht das Wasserstoffnetz im Eigentum des ITO. Dieser entscheidet unabhängig über die Weiterentwicklung des Netzes. Der ITO ist mit ausreichendem Personal und finanziellen Mitteln auszustatten, um den Wasserstoffnetzbetrieb sicherzustellen. Eine gemeinsame Nutzung von Gebäuden und Ausstattung (z.B. IT) ist nicht zulässig. Services an den ITO aus dem Konzernverbund dürfen nicht erbracht werden, aber in Grenzen durch den ITO an den Konzernverbund.

Das Independent Transmission System Operator Modell (ITO-Modell)

Unbundling Wasserstoff: Anwendungsmöglichkeiten der Betriebsmodelle

Nach dem Entwurf der EU-Kommission soll für die Zukunft das Ownership-Unbundling für Wasserstoff das Standardmodell darstellen und ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie gelten. Für Verteilernetzbetreiber als vertikal integriertes Unternehmen würde dies zu einer Veräußerungspflicht des Wasserstoffnetzes führen mit der maximalen Möglichkeit eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht zu erhalten. Die Veräußerung aus dem Konzern ist dann Pflicht, wenn das Energieversorgungsunternehmen bereits ein Gas- oder Stromnetz betreibt.

Das ISO-Modell soll hingegen als dauerhafte Ausnahme angewandt werden können, dürfte aber in Deutschland eine untergeordnete Rolle spielen, da die Regelung auf Bestandsnetze spielt und aktuell nur wenige reine Wasserstoffnetze in Deutschland betrieben werden.

Das ITO-Modell ist hingegen als befristete Ausnahme bis Ende 2030 geplant und wäre für Fernleitungsnetzbetreiber anwendbar. Ob die Befristung jedoch einen Anreiz zur Umrüstung von bestehenden Erdgasnetzen auf Wasserstoffnetzen schafft, darf bezweifelt werden.

Im Ergebnis müssten Fernleitungsnetzbetreiber von Wasserstoffnetzen wie bei Betreiber von Verteilnetzen von Wasserstoff das Wasserstoffnetz spätestens ab 2031 veräußert haben und dürften nur noch eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht behalten. Fast alle FNB in Deutschland müssten damit ihren H2-Betrieb ausgliedern.

Konkret soll die Regelungen an den folgenden zwei Beispielen noch einmal deutlich werden:

Unbundling Wasserstoff: Entflechtungsbeispiele nach der EU-Vorgabe

Für das Unbundling ist aus deutscher Sicht zu differenzieren zwischen den Auswirkungen der EU-Unbundlingvorschriften auf vertikalintegrierte Verteilnetzbetreiber und für Fernleitungsnetzbetreiber.

Für Verteilnetzbetreiber würde diese Regelung bei bereits bestehendem Betrieb eines Gas- oder Stromnetzes einem Betriebsverbot eines Wasserstoffnetzes innerhalb des Konzernverbundes gleichkommen. Der Betrieb und der Aufbau des Wasserstoffnetzes müsste im Ownership-Modell erfolgen, was nur bei einem Verkauf des Netzes möglich ist. Es bliebe lediglich eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht. Diese Regelung greift aber erst, wenn es sich um ein reines Wasserstoffnetz handelt. Beimischung von Wasserstoff in das bestehende Erdgasnetz nach den Vorschriften des DfGW ist problemlos möglich. Ebenso, wenn der Wasserstoff methanisiert wird und in das bestehende Erdgasnetz eingespeist wird. Für den Betrieb eines reinen Wasserstoffnetzes wäre aber eine eigene Gesellschaft zu gründen und zu veräußern.

Fernleitungsnetzbetreiber hätten die Möglichkeit befristet bis Ende 2030 ihr reines Wasserstoffnetz im ITO-Modell zu betreiben. Danach müsste ebenfalls wie bei Verteilnetzbetreibern das Netz veräußert werden. Das Onwership-Modell ist anzuwenden. Die Zumischung von Wasserstoff oder die Methanisierung ist ebenfalls möglich ohne das bestehende Methan-/Erdgasnetz veräußern zu müssen.

Beurteilung des Vorschlages der Kommission

Der Vorschlag dürfte aus deutscher Sicht für den Aufbau und Betrieb von Wasserstoffnetzen einige Fragen aufwerfen. Da die drei Modelle wenig Anreize bieten bestehende Gasnetze auf Wasserstoff umzurüsten, da der Wasserstoffnetzbetrieb vollständig ausgegliedert und veräußert werden müsste. Dies entspricht völlig dem Gegensatz der Zielsetzung der Politik im EnWG und der nationalen Wasserstoffstrategie des Gesetzgebers.

Bei dem Vorschlag der EU ist jedoch zu berücksichtigen, dass die EU eine vollständig andere Vorstellung für den Einsatz und Betrieb von Wasserstoffnetzen hat als dies auf nationaler Ebene der Fall ist. So differenziert die EU in ihrem Gesetzesvorschlag nicht zwischen Fernleitungsnetzbetreibern und Verteilnetzbetreibern. Die Besonderheiten des deutschen Rechtes bleiben so unberücksichtigt. Auch setzt die EU in Ihrer Strategie nicht auf eine großflächige Umrüstung von bestehender Erdgasnetzinfrastruktur auf Wasserstoff. Vielmehr setzt die EU ihren Schwerpunkt auf die Herstellung klimaneutraler Gase, welche methanisiert und in das bestehende Erdgasnetz eingespeist werden. Der Betrieb von Wasserstoffnetzen wird eher als Ergänzung zum bestehenden Methannetz gesehen, während Deutschland reine Wasserstoffnetze als Standard ansieht.

Für den zukünftigen Betrieb und die Errichtung von reinen Wasserstoffnetzen wird daher entscheidend sein, welche Änderungen sich beim Unbundling von Wasserstoffnetzen auf europäischer Ebene noch ergeben. Die Problematik der unterschiedlichen Strategieansätze zur Dekarbonisierung des Gassektors wird aktuell zwischen Deutschland und der EU diskutiert. Für Energieversorgungsunternehmen bedeuten die Vorschläge der EU jedoch eine Investitionsunsicherheit in eine neue Energiesparte. Ob der Schwerpunkt klimaneutraler Gase nun auf grünem Wasserstoff oder klimaneutralen methanisiertem Gas liegt, sollte daher schnellstmöglich geklärt werden. Zum aktuellen Zeitpunkt besteht für Netzbetreiber nur eine Sicherheit, wenn der Wasserstoff zugemischt oder methanisiert wird.

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