Unbundling Wasserstoff: Die neuen EU-Vorschriften

29. Juni 2022

Unbundling Wasserstoff: Die neue Gasbinnenmarktrichtlinie und-verordnung

Die Transformation der Energiewirtschaft in Europa zur Erreichung der gemeinsamen EU-Klimaziele ist eines der obersten Ziele der EU-Kommission. Hierfür wird seit einigen Monaten fleißig an einer neuen europäischen Gesetzesgrundlage gearbeitet. Eine wesentliche Aufgabe zur Erreichung klimaneutralen, europäischen Kontinents stellt die Umstellung der Gaswirtschaft dar. Hierfür arbeitet die EU-Kommission an der Schaffung eines europäischen Rechts- und Regulierungsrahmen für erneuerbare und kohlenstoffarme Gase, insbesondere Wasserstoff. Aus diesem Grund erfolgt aktuell eine Überarbeitung der EU-Gasbinnenmarktrichtlinie und -verordnung in der auch das Thema Unbundling von Wasserstoff geregelt werden soll.

In der Verordnung / Richtlinie soll auch das Thema des Unbundlings für Wasserstoffnetzbetreiber angegangen werden, jedoch möchte die EU-Kommission die Regelung auf EU-Ebene vereinheitlichen. Hierfür sieht die EU-Kommission in ihrem Vorschlag eine horizontale Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebes vor. Wie diese genau aussieht und was der Entwurf für die Wasserstoffnetzbetreiber in Deutschland bedeuten könnte, wollen wir uns in diesem Blogbeitrag einmal näher anschauen. Zuvor werfen wir aber ein Blick auf die bestehende Regelung auf nationaler Ebene.

Unbundling Wasserstoff: Die Regelungen im EnWG

Die Entflechtung von Wasserstoffnetzen in Deutschland wurde mit der EnWG Novelle im Abschnitt 3b) im Sommer 2021 geregelt. Demnach hat jeder Netzbetreiber, welcher sich freiwillig nach Anmeldung bei der BNetzA, dem Regelwerk des EnWG unterwirft an die dort beschriebenen Unbundlingvorschriften zu halten. Der Abschnitt 3b) sieht im Kern wie bei Strom- und Gasnetzen auch eine buchhalterische und informatorische Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebes vor. Somit hat jeder Wasserstoffnetzbetreiber eine eigene Buchführung (Bilanz, GuV etc.) zu erstellen und eine informatorische Trennung seines Netzbetriebs sicherzustellen.

Nicht vorgesehen zum aktuellen Zeitpunkt ist eine operationelle oder rechtliche Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebs. Eine De-Minimis-Klausel ist ebenfalls nicht vorgesehen. Somit haben in Deutschland Wasserstoffnetzbetreiber zwei Möglichkeiten zum aktuellen Zeitpunkt ihr Netz zu entflechten. Entweder sie unterwerfen sich freiwillig der Regelung des EnWGs und müssen das Netz informatorisch und buchhalterisch entflechten oder sie unterwerfen sich den Regelungen des EnWGs nicht und müssen keine Entflechtung durchführen.

Unbundling Wasserstoff: Grundzüge der EU-Entflechtungsvorgaben

Um die in den folgenden Abschnitten geplanten Entflechtungsmöglichkeiten für Wasserstoffnetzbetreiber zu verstehen, ist ein notwendiges Verständnis für die allgemeinen, möglichen Entflechtungsmodelle erforderlich. Hierbei ist zu differenzieren zwischen drei Modellen: dem Ownership-Unbundling, dem Independent System Operator (ISO) und dem Independent Transmission System Operator (ITO). Hierfür sollen im Folgenden die Grundzüge der drei Modelle erläutert werden:

1. Ownership-Unbundling:

Bei dem Ownership-Unbundling handelt es sich um ein vertikales, integriertes Unternehmen, welche das Wasserstoffnetz in einer Gesellschaft aus dem Konzernverbund heraus durch eine Veräußerung löst. Die Gesellschaft für den Wasserstoffnetzbetrieb darf keine Kontrolle über Erzeugung/Produktion oder Vertrieb/Handel haben. Der Konzernverbund darf maximal eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht an der Gesellschaft des Wasserstoffnetzbetreibers halten. Es darf daher keinen gemeinsamen politischen Entscheidungsträger geben.

Das Ownership-Modell

2. Independent System Operator (ISO):

Bei dem Independent System Operator ist das vertikal integrierte Unternehmen Eigentümer des Wasserstoffnetzes. Der Systembetrieb und Entscheidung zum Wasserstoffnetzbetrieb liegen jedoch bei einem unabhängigen Systembetreiber (ISO). Bei dem unabhängigen Systembetreiber handelt es sich um eine dritte Gesellschaft außerhalb des Konzerns. Der ISO plant und entscheidet selbst über die Entwicklung des Wasserstoffnetzes. Die Investitionsentscheidungen liegen somit in seinem Verantwortungsbereich und kann diese dem Eigentümer des Wasserstoffnetzes auferlegen.  Der ISO haftet für alle Risiken des Systembetriebs, weswegen das Modell einem faktischen Verlust des wirtschaftlichen Eigentums für den Eigentümer des Wasserstoffnetzes gleichkommt.

Das Independent System Operator Modell (ISO-Modell)

3. Independent Transmission System Operator (ITO)

Im dritten Entflechtungsmodell steht das Wasserstoffnetz im Eigentum des ITO. Dieser entscheidet unabhängig über die Weiterentwicklung des Netzes. Der ITO ist mit ausreichendem Personal und finanziellen Mitteln auszustatten, um den Wasserstoffnetzbetrieb sicherzustellen. Eine gemeinsame Nutzung von Gebäuden und Ausstattung (z.B. IT) ist nicht zulässig. Services an den ITO aus dem Konzernverbund dürfen nicht erbracht werden, aber in Grenzen durch den ITO an den Konzernverbund.

Das Independent Transmission System Operator Modell (ITO-Modell)

Unbundling Wasserstoff: Anwendungsmöglichkeiten der Betriebsmodelle

Nach dem Entwurf der EU-Kommission soll für die Zukunft das Ownership-Unbundling für Wasserstoff das Standardmodell darstellen und ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie gelten. Für Verteilernetzbetreiber als vertikal integriertes Unternehmen würde dies zu einer Veräußerungspflicht des Wasserstoffnetzes führen mit der maximalen Möglichkeit eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht zu erhalten. Die Veräußerung aus dem Konzern ist dann Pflicht, wenn das Energieversorgungsunternehmen bereits ein Gas- oder Stromnetz betreibt.

Das ISO-Modell soll hingegen als dauerhafte Ausnahme angewandt werden können, dürfte aber in Deutschland eine untergeordnete Rolle spielen, da die Regelung auf Bestandsnetze spielt und aktuell nur wenige reine Wasserstoffnetze in Deutschland betrieben werden.

Das ITO-Modell ist hingegen als befristete Ausnahme bis Ende 2030 geplant und wäre für Fernleitungsnetzbetreiber anwendbar. Ob die Befristung jedoch einen Anreiz zur Umrüstung von bestehenden Erdgasnetzen auf Wasserstoffnetzen schafft, darf bezweifelt werden.

Im Ergebnis müssten Fernleitungsnetzbetreiber von Wasserstoffnetzen wie bei Betreiber von Verteilnetzen von Wasserstoff das Wasserstoffnetz spätestens ab 2031 veräußert haben und dürften nur noch eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht behalten. Fast alle FNB in Deutschland müssten damit ihren H2-Betrieb ausgliedern.

Konkret soll die Regelungen an den folgenden zwei Beispielen noch einmal deutlich werden:

Unbundling Wasserstoff: Entflechtungsbeispiele nach der EU-Vorgabe

Für das Unbundling ist aus deutscher Sicht zu differenzieren zwischen den Auswirkungen der EU-Unbundlingvorschriften auf vertikalintegrierte Verteilnetzbetreiber und für Fernleitungsnetzbetreiber.

Für Verteilnetzbetreiber würde diese Regelung bei bereits bestehendem Betrieb eines Gas- oder Stromnetzes einem Betriebsverbot eines Wasserstoffnetzes innerhalb des Konzernverbundes gleichkommen. Der Betrieb und der Aufbau des Wasserstoffnetzes müsste im Ownership-Modell erfolgen, was nur bei einem Verkauf des Netzes möglich ist. Es bliebe lediglich eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht. Diese Regelung greift aber erst, wenn es sich um ein reines Wasserstoffnetz handelt. Beimischung von Wasserstoff in das bestehende Erdgasnetz nach den Vorschriften des DfGW ist problemlos möglich. Ebenso, wenn der Wasserstoff methanisiert wird und in das bestehende Erdgasnetz eingespeist wird. Für den Betrieb eines reinen Wasserstoffnetzes wäre aber eine eigene Gesellschaft zu gründen und zu veräußern.

Fernleitungsnetzbetreiber hätten die Möglichkeit befristet bis Ende 2030 ihr reines Wasserstoffnetz im ITO-Modell zu betreiben. Danach müsste ebenfalls wie bei Verteilnetzbetreibern das Netz veräußert werden. Das Onwership-Modell ist anzuwenden. Die Zumischung von Wasserstoff oder die Methanisierung ist ebenfalls möglich ohne das bestehende Methan-/Erdgasnetz veräußern zu müssen.

Beurteilung des Vorschlages der Kommission

Der Vorschlag dürfte aus deutscher Sicht für den Aufbau und Betrieb von Wasserstoffnetzen einige Fragen aufwerfen. Da die drei Modelle wenig Anreize bieten bestehende Gasnetze auf Wasserstoff umzurüsten, da der Wasserstoffnetzbetrieb vollständig ausgegliedert und veräußert werden müsste. Dies entspricht völlig dem Gegensatz der Zielsetzung der Politik im EnWG und der nationalen Wasserstoffstrategie des Gesetzgebers.

Bei dem Vorschlag der EU ist jedoch zu berücksichtigen, dass die EU eine vollständig andere Vorstellung für den Einsatz und Betrieb von Wasserstoffnetzen hat als dies auf nationaler Ebene der Fall ist. So differenziert die EU in ihrem Gesetzesvorschlag nicht zwischen Fernleitungsnetzbetreibern und Verteilnetzbetreibern. Die Besonderheiten des deutschen Rechtes bleiben so unberücksichtigt. Auch setzt die EU in Ihrer Strategie nicht auf eine großflächige Umrüstung von bestehender Erdgasnetzinfrastruktur auf Wasserstoff. Vielmehr setzt die EU ihren Schwerpunkt auf die Herstellung klimaneutraler Gase, welche methanisiert und in das bestehende Erdgasnetz eingespeist werden. Der Betrieb von Wasserstoffnetzen wird eher als Ergänzung zum bestehenden Methannetz gesehen, während Deutschland reine Wasserstoffnetze als Standard ansieht.

Für den zukünftigen Betrieb und die Errichtung von reinen Wasserstoffnetzen wird daher entscheidend sein, welche Änderungen sich beim Unbundling von Wasserstoffnetzen auf europäischer Ebene noch ergeben. Die Problematik der unterschiedlichen Strategieansätze zur Dekarbonisierung des Gassektors wird aktuell zwischen Deutschland und der EU diskutiert. Für Energieversorgungsunternehmen bedeuten die Vorschläge der EU jedoch eine Investitionsunsicherheit in eine neue Energiesparte. Ob der Schwerpunkt klimaneutraler Gase nun auf grünem Wasserstoff oder klimaneutralen methanisiertem Gas liegt, sollte daher schnellstmöglich geklärt werden. Zum aktuellen Zeitpunkt besteht für Netzbetreiber nur eine Sicherheit, wenn der Wasserstoff zugemischt oder methanisiert wird.

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Marcel Linnemann

Leitung Innovation & Grundsatzfragen Energiewirtschaft
Marcel Linnemann, Wirt. Ing. Energiewirtschaft, Netzingenieur, ist Leiter Innovation und regulatorische Grundsatzfragen bei items und Autor diverser Fachbücher und -artikel rund um die Thematiken der Energiewirtschaft und der Transformation