Abschöpfungsmechanismus – Wie erfolgt die Abführung der Übergewinne?

Es vergeht wohl kaum ein Tag in Deutschland, bei dem auf politischer Ebene nicht über die Weiterentwicklung des deutschen Energiemarktes diskutiert wird. Die aktuell bekanntesten Themen sind vermutlich die Strompreisbremse, die Gaspreisbremse und Wärmepreisbremse sowie der Mechanismus zur Abführung von sog. „Übergewinnen“ oder „Zufallsgewinnen“ von Stromerzeugungsanlagen. In diesem Blogbeitrag legen wir den Fokus auf die Funktionsweise und die Regelungen des Abschöpfungsmechanismus von Stromerzeugungsanlagen, die unter die Regelungen des Strompreisbremsengesetzes fallen. Nach Willen des Gesetzgebers haben diese Anlage ab einem bestimmten Börsenpreis ihre zusätzlichen Einnahmen zu einem fest definierten Prozentsatz abzuführen.

Auslöser für die Einführung des Ausgleichsmechanismus ist die politische Debatte, dass durch den Anstieg der Energiepreise Kraftwerke mit niedrigen Grenzkosten (Energieträger + CO₂-Zertifikate) von hohen Mitnahmeeffekten profitieren würden. Grund hierfür ist das Merit-Order-Prinzip, nachdem das höchste Kraftwerk den Marktpreis für alle Kraftwerke setzen würde. Wie wir bereits in einem separaten Blogbeitrag zum Merit-Order-Modell geschrieben haben, ist diese Argumentation nur halb richtig und spiegelt nur bedingt die Preisentwicklung wider. 

Der Ausgleichsmechanismus selbst ist Teil des Instrumentenkastens, welcher den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU zur Verfügung steht und wurde ebenfalls in einem separaten Blogbeitrag detailliert erläutert. Somit ist der Ausgleichsmechanismus nur ein kleines Puzzleteil, welches sich in die staatlichen Maßnahmen zur Begrenzung der Energiepreise eingliedert und soll einen Teil der Maßnahmen wie die Strompreisbremse quer finanzieren. Zum aktuellen Zeitpunkt befindet sich der Abschöpfungsmechanismus noch im Gesetzgebungsverfahren. Mit einem offiziellen Gesetzesbeschluss wird aktuell zum 16. Dezember 2022 gerechnet. Der Mechanismus soll bereits zum 01. Januar 2023, also 14 Tage später, in Kraft treten. Deshalb ist noch mit Änderungen, sicherlich im Bereich der Erlösobergrenzen von Stromerzeugungsanlagen zu rechnen.

Wen betrifft der Abschöpfungsmechanismus?

Vom Abschöpfungsmechanismus für Stromerzeugungsanlagen sollen nicht alle Anlagen betroffen sein. Nicht betroffen sind Stromerzeugungsanlagen, welche Strommengen (bzw. Absicherungsgeschäfte) aus Basis der folgenden Energieträger erzeugen:

  • leichtem Heizöl
  • Flüssiggas
  • Erdgas
  • Biomethan
  • Steinkohle
  • Gichtgas
  • Hochofengas
  • Kokereigas
  • Sondergasen aus Produktionsprozessen der Chemie- und Rußindustrie
  • Strom aus EE- & KWK-Anlagen < 1MW
  • Sonstige Stromerzeugungsanlagen < 1MW
  • Zwischengespeicherter Strom (Bsp. Pumpkraftwerk)
  • Strom, der ohne Nutzung des öffentlichen Netzes verbraucht wird

Alle anderen Stromerzeugungsanlagen sind vom Abschöpfungsmechanismus betroffen. Mit den Ausschlusskriterien liegt der Fokus insgesamt auf erneuerbare Energien-Anlagen, denen aufgrund der geringen Grenzkosten eine hohe Gewinnmarge unterstellt wird. Kleinstanlagen sind jedoch aufgrund der Mindestanschlussleistung von 1 MW nicht betroffen.

Der Abschöpfungsmechanismus – Wie sieht das grundlegende Funktionsprinzip aus?

Mit Inkrafttreten der Strompreisbremse zum 01. Januar 2023 startet auch der Abschöpfungsmechanismus. Ausgangspunkt ist die Höhe des Spotmarktpreises. Liegt der Spotmarktpreis oberhalb der energieträgerspezifischen bzw. anlagenspezifischen Referenzkosten nach § 16 StromPBG, wird der Abschöpfungsmechanismus aktiviert. Hierzu wird im ersten Schritt ein fiktiver Stromerlös berechnet, den die Anlage mit dem Spotmarktpreis erzielt hätte. Durch die Multiplikation der Strommenge mit dem Spotmarktpreis ergeben sich die fiktiven Stromerlöse. Im nächsten Schritt erfolgt die Berechnung der zulässigen Stromerlöse. Hierzu wird dieselbe Strommenge mit dem Referenzpreis aus § 16 StromPBG multipliziert, sofern keine besonderen Ausnahmen bestehen. Durch die Bildung der Differenz aus dem fiktiven Stromerlös und den zulässigen Stromerlösen ergibt sich die Höhe des Übergewinns für den Anlagenbetreiber.  Von diesem Übergewinn hat der Betreiber der Stromerzeugungsanlage 90 % der Übergewinne an den zuständigen Netzbetreiber anzuführen, welcher die Erlöse an den Übertragungsnetzbetreiber der jeweiligen Regelzone weiterleitet. Der grundlegende Berechnungsmechanismus ist noch einmal auf der folgenden Abbildung dargestellt:

Grundprinzip der Strompreisbremse

Der Abschöpfungsmechanismus – Welche Referenzpreise sind anzusetzen?

Für die Höhe der Referenzpreise hat der Gesetzgeber ein umfangreiches Regelwerk vorgesehen, welches die einzelnen Erzeugungstechnologien und Vermarktungsstrategien berücksichtigen soll. Der Referenzpreis bildet sich hauptsächlich aus einem festgelegten staatlichen Wert, bei dem unterstellt wird, dass jede Erzeugungsanlage wirtschaftlich am Markt betrieben werden kann. Zusätzlich erfolgt ein Sicherheitsaufschlag. Die Summe der beiden Kostenbestandteile bildet den Referenzpreis.

Bei EE-Anlagen differenziert der Gesetzgeber zwischen Anlagen im Marktprämienmodell und der sonstigen Direktvermarktung. Befindet sich die Anlage im Marktprämienmodell, bilden sich die zulässigen Stromerlöse aus der erzeugten Strommenge, den energieträgerspezifischen Monatsmarktwerten am Spotmarkt zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 3 ct/kWh. EE-Anlagen in der sonstigen Direktvermarktung haben hingegen die Option, dass deren Referenzkosten nach dem gleichen Prinzip wie für EE-Anlagen im Marktprämienmodell festgelegt wird. Alternativ wird ein fester Wert von 10 ct/kWh zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 3 ct/kWh festgesetzt. Der Sicherheitszuschlag wird allerdings nicht gewährt, wenn es sich um eine ausgeförderte Anlage im Sinne des EEG handelt.

Bei Biogasanlagen wird mit 7,5 ct/kWh hingegen ein größerer Sicherheitsaufschlag gewährt, unabhängig vom Vermarktungsmodell. Zusätzliche Einnahmen, die sich z. B. aus dem Flexibilitätszuschlag ergeben, dürfen nicht in den Referenzpreis einbezogen werden. 

Bei Wind- und Solaranlagen in der Direktvermarktung liegt der Sicherheitsaufschlag um 6 % höher, da der Gesetzgeber den Betreibern mit dem Anstieg der Strompreise höhere Direktvermarkterkosten unterstellt, weil in der Praxis die Direktvermarkterkosten mit der Höhe des Börsenpreises gekoppelt sind. 

Für Off-Shore-Anlagen wird außerdem ein Mindestwert von 10 ct/kWh zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 3 ct/kWh festgesetzt. Ansonsten gelten die gleichen Regelungen für Off-Shore-Anlagen wie bei allen anderen EE-Anlagen im Marktprämienmodell oder der sonstigen Direktvermarktung.

Für Kernkraftwerke wurde der Wert für das Jahr 2022 auf 4 ct/kWh und ab 2023 bis zur Abschaltung der Kernkraftwerke auf 10 ct/kWh festgelegt. Hinzu kommt ein Sicherheitsaufschlag von 3 ct/kWh. Zusätzlich können bei Erfüllung bestimmter technischer Voraussetzungen weitere 2 ct/kWh als Aufschlag hinzukommen.

Komplizierter ist die Berechnung des Referenzpreises für Braunkohlekraftwerke. Hier setzt der Gesetzgeber einen Fixkostendeckungsbeitrag an. Dieser setzt sich im ersten Schritt aus einem Pauschalbetrag von 5,2 ct/kWh zusammen, wenn die Anlage nach dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz nach Anlage 2 bis 2030 vom Markt genommen wird. Hinzu kommt ein Aufschlag für die Kosten, welche sich aus den CO₂-Zertifikaten ergeben. Die genaue Höhe der Kosten errechnet sich aus einer Anlage, die Teil des Strompreisgesetzes ist. Außerdem ist noch ein Sicherheitsaufschlag von 3 ct/kWh hinzuzurechnen.

Für Ölkraftwerke sind die Referenzpreise deutlich niedriger. Hier setzt der Gesetzgeber Kosten von 0,25 ct/kWh an sowie einen Sicherheitsaufschlag von 3 ct/kWh. Es sind jedoch Ausnahmen nach § 13 Abs.3 Nr. StromPBG zu beachten. Alle weiteren sonstigen Stromerzeugungsanlagen (Bsp. Wasserkraft > 1MW) wurde ein Pauschalwert von 10 ct/kWh zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 3 ct/kWh zugewiesen. Handelt es sich hingegen um eine Anlage, die im Rahmen einer Innovationsausschreibung errichtet wurde, gilt nur ein Sicherheitsaufschlag von 1 ct/kWh.

Welche Möglichkeiten der Korrektur der Referenzpreise gibt es?

Betreiber von Stromerzeugungsanlagen haben die Möglichkeit, von den gerade dargestellten Werten der einzelnen Referenzpreise abzuweichen, primär, wenn die Anlage nicht auf dem Spotmarkt, sondern z. B. über den Terminmarkt vermarktet wird. Handelt es sich um eine anlagenbezogene Vermarktung, bei der ein fester Preis zwischen dem Betreiber der Anlage und dem Letztverbraucher geschlossen wurde, kann vom Referenzpreis nach § 16 StromPBG abgewichen werden.

Hierbei ist zwischen zwei unterschiedlichen Szenarien zu differenzieren. Handelt es sich um eine anlagenbezogene Vermarktung, dessen Vertrag vor dem 01.12.22 geschlossen wurde, können bis zum Ende der Laufzeit des bestehenden Vertrages als neue Referenzkosten die vertraglich vereinbarten Stromkosten zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 1 ct/kWh festgesetzt werden. Nach Ablauf des Vertrages sind die Referenzpreise nach § 16 StromPBG anzuwenden, auch wenn wieder eine anlagenbezogene Vermarktung erfolgt. Anderes gilt für Neuanlagen, welche nach dem 01.12.22 in Betrieb genommen wurden. Der Betreiber der Stromerzeugungsanlage hat bei dem Abschluss des ersten Vertrages zur anlagenbezogenen Vermarktung die Möglichkeit, als Referenzkosten die Kosten aus dem Vertrag mit dem Letztverbraucher anzusetzen. Nach Ablauf des Vertrages sind dann die Referenzkosten nach § 16 StromPBG anzusetzen, sofern das Gesetz noch Anwendung findet.

Auch bei Absicherungsgeschäften besteht die Möglichkeit, von den Referenzpreisen nach § 16 StromPBG abzuweichen. Hier wird zwischen Kontrakten nach und vor dem 01.12.22 differenziert. Die genaue Höhe zur Bestimmung des neuen Referenzpreises ergeben sich aus den Anlagen 4 und 5 des StromPBG.

Übersicht der Gewinnabschöpfung nach Erzeugungsanlagen

Wie sehen die Anspruchs- und Ausgleichsmechanismen aus?

Die zusätzlichen Einnahmen, welche sich aus dem Abschöpfungsmechanismus ergeben, sind von den Betreibern der Stromerzeugungsanlagen an die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) abzuführen. Der Verteilnetzbetreiber (VNB) agiert als Vermittler, bei dem die überschüssigen Erlöse vom Stromerzeuger zuerst an den Verteilnetzbetreiber überwiesen werden müssen. Die Überweisungen der Stromerzeuger sind vom VNB an den ÜNB weiterzuleiten. Dieser hat nach § 22 einen Anspruch auf die abgeschöpften Überschusserlöse innerhalb seiner eigenen Regelzone, die an den VNB überwiesen wurden.

Den ÜNBs fällt somit die Aufgabe zu, alle Erlöse aus dem Abschöpfungsmechanismus zu verwalten. Die zusätzlichen finanziellen Mittel können zur Querfinanzierung der Entlastung der Stromverbraucher genommen werden oder als Teil des einmaligen Bundeszuschusses zur Stabilisierung der Netznutzungsentgelte sein, wodurch sich der staatliche Zuschuss verringert. Ein mögliches Delta, welches sich aus den Einnahmen aus dem Abschöpfungsmechanismus und der Finanzierung der Entlastungen der Letztverbraucher ergibt, ist durch Steuergelder vom Bund auszugleichen. Nach § 20 hat der ÜNB einen finanziellen Erstattungsanspruch. Um nicht in finanzielle Engpässe zu geraten, haben die ÜNBs einen Anspruch auf Zwischenfinanzierung der Kosten durch den Bund nach § 25.

Auch der VNB hat einen finanziellen Erstattungsanspruch, die im Zusammenhang der Abwicklung des Abschöpfungsmechanismus entstehen. Im Fokus stehen hierbei Personalkosten, IT-Dienstleistungen oder Kapitalkosten, welche gegenüber dem ÜNB der eigenen Regelzone geltend gemacht werden können.   

Um die Einnahmen aus dem Abschöpfungsmechanismus von den gewöhnlichen Geschäftstätigkeiten abzugrenzen, sind die Netzbetreiber verpflichtet, ein eigenes Konto einzurichten, welches die Einnahmen verwaltet (§ 26). Hierfür muss eine Abgrenzung der Finanzströme aus der Strompreisbremse als sonstiger Tätigkeitsbericht erfolgen.

Fazit

Mit dem Abschöpfungsmechanismus hat der Gesetzgeber im Rahmen der Strompreisbremse einen komplizierten Mechanismus geschaffen, wie Gewinne oberhalb eines fest definierten Referenzwert aus Stromerzeugungsanlagen abgeschöpft werden können. Inwieweit das Konstrukt aus rechtlicher Sicht standhalten wird, bleibt abzuwarten, da bereits die ersten juristischen Gutachten veröffentlicht wurden, welche die Rechtmäßigkeit des Mechanismus bezweifeln. Da sicherlich vonseiten der Stromerzeuger mit Einsprüchen und Klagen zu rechnen ist, darf am Ende davon ausgegangen werden, dass die Zulässigkeit im Gerichtssaal entschieden wird.

Unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit sollte jedoch hinterfragt werden, ob es nicht alternative Instrumente zu dem vorgestellten Abschöpfungsmechanismus gegeben hätte, was im Gesetzentwurf zur Strompreisbremse als alternativlos verneint wurde. Mit der Festlegung eines festen Referenzwertes, bei dem die zusätzlichen Gewinne fast vollständig abgeschöpft werden müssen, macht der Gesetzgeber aus historischer Sicht eine Rolle rückwärts. Denn das Ergebnis ist, dass Stromerzeuger nur noch einen festen Preis (nach oben) für ihren Strom an der Börse erzielen können. Somit entspricht der Finanzierungsmechanismus für EE-Anlagen in der Direktvermarktung eigentlich wieder einer festen Einspeisevergütung wie in der Vergangenheit.

An dieser Stelle sollte hinterfragt werden, welchen Sinn das Marktprämienmodell eigentlich noch erfüllt, wenn die Anreize zur Erzielung zusätzlicher Gewinne an der Börse fallen. Hinzu kommt, dass viele Direktvermarkter aufgrund des Anreizsystems des Marktprämienmodells, zusätzliche Überschüsse in die Finanzierung der Anlage einkalkuliert haben und deswegen mit niedrigeren Geboten in der Ausschreibung gestartet sind. Jetzt bestünde zumindest eine Gefahr, dass genau diese Anlagen nicht mehr die zusätzlich einkalkulierten Einnahmen erzielen und in ihrer Wirtschaftlichkeit gefährdet sind.

Daher sollte aus Marktsicht die Frage gestellt werden, ob es nicht einfacher gewesen wäre, die Gewinne der Stromerzeuger nach dem Jahresabschluss zusätzlich zu besteuern, wie es auch bei Öl- und Gaskonzernen erfolgen soll. So hätte man sich das aufwendige Abschöpfungssystem und die hohen Verwaltungsaufwände gespart und gleichzeitig einen Anreiz gesetzt, Geld in neue Erzeugungskapazitäten zu investieren, statt zusätzliche Gewinne an den Staat abzuführen. Statt auf die Abschöpfung eines Umsatzteiles zu setzen, hätten auch Contracts-for-Difference (Differenzverträge) als neues Förderinstrument in Betracht gezogen werden sollen. Diese hätten ggf. sogar einen Teil der Anlagen im Marktprämienmodell zum Umstieg zwingen können. Beim Wechsel auf das Marktprämienmodell wurde dies teilweise gemacht. Denn: wären Differenzverträge bereits am Markt etabliert, hätten wir heute vermutlich nicht die Debatte über zu hohe Einnahmen bei Stromerzeugern von EE-Anlagen. 

Soforthilfegesetz – Wie erfolgt die Abschlagszahlung für Gas und Wärme? 

Soforthilfegesetz – Im Dezember soll es losgehen

Im Zuge der Energiekrise und der damit verbundenen Preisentwicklung bereitet der Gesetzgeber verschiedenste Maßnahmen vor, um die Kosten auf Wirtschaft und Gesellschaft abzufedern. Als erste Vorstufe gilt hierbei das Soforthilfegesetz, welches noch vor der Einführung einer Strom- und Gaspreisbremse im kommenden Jahr greifen soll. Das Gesetz sieht im Kern für kleinere und mittlere Energiekunden eine Entlastung mittels der Übernahme der Abschlagszahlung durch den Staat vor. Diese erfolgt einmalig für den Monat Dezember.

Bereits in der letzten Woche hat der Gesetzentwurf den Bundestag passiert, weswegen damit zu rechnen ist, dass das Soforthilfegesetz in Kürze in Kraft treten sollte. Für Stadtwerke bedeutet die kurzfristige Umsetzung eine enorme Kraftanstrengung. Binnen 14 Tagen ist das Konzept der erlassenen Abschlagszahlung umzusetzen und alle notwendigen Informationen zu ermitteln, damit die notwendigen Liquiditätsmittel vorangemeldet werden können und bereits zum 01.12.22 zur Verfügung stehen. So soll verhindert werden, dass Stadtwerke nicht in Vorleistung gehen müssen. Dies ist auch notwendig, damit diese nicht in einen Liquiditätsengpass laufen. Wir haben uns den aktuellen Gesetzesentwurf (Stand 11.11.) näher angeschaut und die wichtigsten Inhalte für euch zusammengefasst.

Wer ist laut Soforthilfegesetz anspruchsberechtigt?

Das Soforthilfegesetz richtet sich primär an alle kleineren und mittleren Letztverbraucher, welche Gas oder Wärme beziehen. Im Bereich Gas haben hauptsächlich alle Letztverbraucher mit einem Jahresverbrauch kleiner 1.500.000 kWh/a (SLP-Kunden) einen Anspruch auf den Erlass der Abschlagszahlung. Für alle anderen Kunden oberhalb von 1.500.000 kWh/a (RLM-Kunden) ist dies nicht der Fall. Diese Kundengruppe hat keinen Anspruch auf die Unterstützung des Soforthilfegesetzes.

Allerdings gibt es einzelne Ausnahmen für diese Kundengruppe. Hierzu zählen u. a. soziale Einrichtungen, Universitäten, Schulen oder Vorsorgeeinrichtungen. Allerdings gilt für diese Kunden, dass sie ihren Anspruch aktiv bei dem eigenen Lieferanten anmelden müssen. Keinen Anspruch haben Letztverbraucher, welche Erdgas im Zusammenhang mit einer gewerblichen Vermietung verbrauchen oder wenn Gas zur Verstromung verwendet wird.

Auf der Wärmeseite ist die Anspruchsgrundlage ähnlich geregelt. Hier haben alle Letztverbraucher bis zu einem Verbrauch von 1.500 kWh/a einen Anspruch. Es gelten ähnliche Ausnahmen für Verbraucher oberhalb dieser Schwelle. Hierzu zählen explizit auch Wohnungsunternehmen, welche bei vielen Wohnungen oberhalb der Schwelle liegen können. Der Anspruch von Kunden oberhalb 1.500 kWh/a ist ebenfalls schriftlich anzumelden.

Wie erfolgt die Berechnung der Abschlagshöhe?

Für die Berechnung der Abschlagshöhe im Bereich Gas sieht das Soforthilfegesetz ein differenziertes Vorgehen vor, zwischen SLP- und RLM-Kunden. Handelt es sich um einen SLP-Kunden, welcher erstmalig mit Erdgas zum 01.11.22 beliefert wurde, weil der Kunde z. B. eine neue Erdgasheizung installiert hat, dann ist 1/12 des Verbrauchs aus dem SLP-Profil mal den Arbeitspreis plus des monatlichen Grundpreises anzusetzen. Handelt es sich hingegen um einen SLP-Kunden, welcher vor dem 1.11.22 Erdgas bezogen hat, so errechnet sich der Abschlag auf Basis des Septemberprognosewertes. Grundlage hierfür ist, dass der gesamte Jahresverbrauch des Kunden vorliegt. Ist dies nicht der Fall, dann kann die Jahresprognose des Netzbetreibers nach § 24 GasNZV genutzt werden. Zusätzlich ist der monatliche Grundpreis in den Abschlag miteinzubeziehen.

Bei RLM-Kunden mit einem Verbrauch kleiner 1.500.000 kWh/a dient die gemessene Netzentnahme der Monate November 2021 bis einschließlich Oktober 2022 als Grundlage. Für RLM-Kunden oberhalb eines Jahresverbrauches >1.500.000 kWh/a, die zu der Ausnahmegruppe zählen, gilt die gleiche Berechnungslogik.

Einfacher sieht es hingegen in der Sparte Wärme aus. Hier ist allerdings zwischen einer direkten Wärmelieferung durch das Energieversorgungsunternehmen und Sonderkonstellationen wie einem Mieter-/Vermieterverhältnis oder einer Eigentümergemeinschaft zu differenzieren. Bei einer direkten Wärmelieferung errechnet sich die Höhe des Abschlags aus der monatlichen Abschlagszahlung von September mal einem Aufschlag von 20 %. Erfolgt keine monatliche Abschlagszahlung, ist diese auf Basis des bestehenden Abschlagsprinzips umzurechnen. Grundlage ist der Durchschnittsverbrauch, welcher sich aus dem letzten Jahresverbrauch geteilt durch 12 Monate ergibt. Generell gilt: sollten die jahreszeitlichen Schwankungen nicht ausreichend berücksichtigt sein, können Werte von vergleichbaren Kunden angesetzt werden. Bei einem Mieter-/Vermieterverhältnis gilt, dass die Entlastung an die Mieter in voller Höhe weiterzugeben ist. Das gleiche Prinzip ist bei Eigentümergemeinschaften anzuwenden.

Wie erfolgt die Antragsstellung für die Soforthilfe?

Zur Finanzierung der erlassenen Abschlagszahlung des Soforthilfegesetzes haben die Energielieferanten die notwendigen finanziellen Mittel bei der KfW-Bank zu beantragen. Der Antrag muss spätestens bis zum 31.03.23 abgegeben werden. Eine Auszahlung soll innerhalb von 14 Tagen erfolgen. Um die notwendige Liquidität schon im Dezember zu sichern, sollte daher der Antrag bereits im November abgegeben werden. Potenzielle Überzahlungen durch die KfW-Bank sind im Nachhinein zurückzuerstatten. Der Antrag soll für beide Sparten zusammengefasst werden können. Erdgaslieferanten sind außerdem verpflichtet, bis zum 31. Mai 2024 eine Rechnungsstellung durchzuführen, welche die Höhe des gutgeschriebenen Abschlags ausweist. Ansonsten sind die staatlichen Mittel in voller Höhe zurückzuzahlen.

Der Ablauf des Antragsverfahrens spielen wir im Folgenden einmal am Beispiel der Erdgaslieferung durch. Demnach muss der Lieferant ein Antragsformular ausfüllen und dieses an seine Hausbank versenden, die sein Konto verwaltet. Die Hausbank bestätigt die Identität des Antragsstellers, führt eine GWG-Prüfung durch und muss bestätigen, dass der Vorgang unkritisch ist. Anschließend erfolgt die Übersendung an den Beauftragten des Lieferanten. Der Beauftragte führt eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Angaben und der Höhe der Vorauszahlung durch. Der Beauftragte hat die Angaben zu bestätigen und die Zahlungsanweisung an die KfW-Bank zu übermitteln. Die Prüfungsfrist beträgt zwei Wochen. Der Erdgaslieferant hat in diesem Zusammenhang den Zahlungseingang zu überwachen und im letzten Schritt die Gutschrift der Abschlags- und Rechnungsstellung durchzuführen. Mögliche Differenzen, die sich durch die Vorauszahlung ergeben können, sind von einem Wirtschaftsprüfer zu bestätigen und später mit der Rechnungsstellung bis spätestens zum 31.05.24 auszugleichen.

Quelle BDEW
Quelle BDEW

Wie erfolgt der Erlass des Abschlags?

Die staatliche Unterstützung des Hilfepakets kann auf unterschiedliche Wege zum Letztverbraucher gelangen. Da die meisten (SLP-)Kunden auf das monatliche Lastschriftverfahren setzen, hat der Lieferant die Möglichkeit auf den Einzug des monatlichen Abschlags zu verzichten. Alternativ hat er die Möglichkeit, dem Kunden bis zum 31.12.22 den Abschlag auf sein Konto zurückzuüberweisen. Anders sieht dies bei Kunden aus, welche einen Dauerauftrag eingerichtet haben. Diese Kunden können die Abschlagszahlung für den Monat Dezember aussetzen. Überweist der Kunde trotzdem, so ist der Betrag am Ende in der Abrechnung gutzuschreiben. Ist für den Kunden hingegen im Monat Dezember kein Abschlag vorgesehen, weil dieser nicht monatlich erfolgt, so hat die Gutschrift im Folgemonat zu erfolgen.

Handelt es sich hingegen um einen RLM-Kunden, welcher monatlich abgerechnet wird, so hat die Verrechnung des Abschlags bereits in der Rechnung des Kunden zu erfolgen. Das gleiche Vorgehen gilt auch für die Kunden in der Sparte Wärme, welche üblicherweise im Dezember ihre Jahresabrechnung erhalten. Für die Kunden im Bereich Gas handelt es sich hingegen um einen vorläufigen Erlass des Abschlags, welcher am Ende mit der Endabrechnung gutgeschrieben wird. Ebenfalls im Soforthilfegesetz geregelt ist die Weitergabe der Kosten vom Vermieter an den Mieter, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

Welche Informationspflichten bestehen?

Damit alle Kunden von den Regelungen des Soforthilfegesetzes erfahren, haben alle Erdgaslieferanten auf Ihrer Homepage bis zum 21.11.22 über den Entlastungsbeitrag und Verrechnungsansätze zu informieren. Dies gilt für Sondertarife, aber nicht die Grundversorgung. In diesem Zusammenhang besteht ab dem 1.12.22 gegenüber dem Kunden eine Ausweispflicht bei der nächsten Endabrechnung, die spätestens bis zum 31. Mai 2024 durchzuführen ist.

Für Wärmelieferanten besteht ebenfalls eine Informationspflicht auf ihrer Homepage zwei Wochen nach Beschluss des Soforthilfegesetzes. Alternativ kann der Kunde auch schriftlich informiert werden. Für Vermieter gilt in diesem Zusammenhang, dass die Mieter unverzüglich zu informieren sind. Die genaue Entlastung sowie Aufschlüsselung der Entlastung sind in der nächsten Heizkostenabrechnung auszuweisen.

Übersicht Abschlagszahlung Gas des Soforthilfegesetzes
Übersicht Abschlagszahlung Wärme des Soforthilfegesetzes

Fazit

Das Soforthilfegesetz bildet die 1. Stufe für die kommende Gaspreisbremse im Jahr 2023. Es ist der Versuch der Politik, die Kunden kurzfristig zu entlasten, solange noch kein alternatives Instrument zur Verfügung steht. Für Versorger bedeutet das Soforthilfegesetz einen kurzfristigen hohen Umsetzungsaufwand, da binnen kürzester Zeit Mengen prognostiziert werden müssen und ein Antragsverfahren zu durchlaufen ist, um für den Monat Dezember die nötige Liquidität zu sichern. Gleichzeitig müssen die IT-Systeme ertüchtigt werden, die Vorgaben des Soforthilfegesetzes umzusetzen. Dabei stehen vor allem die Berechnung des genauen gutzuschreibenden Abschlags im Vordergrund wie auch die Anpassung auf der späteren Endabrechnung. Auf jeden Fall dürfte das Soforthilfegesetz nicht das letzte Gesetz gewesen sein, welches die Branche binnen kürzester Zeit umzusetzen hat. Ähnliche Herausforderungen stehen mit der Strom- und Gaspreisbremse vor der Tür.

Weitere Informationen zum Soforthilfegesetz findet ihr in der umfassenden Anwendungshilfe des BDEW.

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Der Werkzeugkasten zur Strompreisbremse – Was darf der Gesetzgeber?

Strompreisbremse – Wann kommt Sie endlich?

Es gibt vermutlich kein Tag, bei dem nicht ein Politiker eine neue Maßnahme zur Begrenzung der Energiepreise fordert und neue Ideen durch den Raum schwirren. Hinzu kommen die Vielzahl neuer Gesetze, welche Preise begrenzen sollen, die Energieeffizienz steigern oder die Versorgungssicherheit gewährleisten sollen. Eines der wesentlichen Eckpfeiler der Bundesregierung und EU ist jedoch die Begrenzung der Strompreise in Form einer „Strompreisbremse“.

Hier wurde bereits von der Bundesregierung angekündigt, schnell in die Umsetzung eines Mechanismus zur Begrenzung der Strompreise zu gehen, da aufgrund des Merit-Order-Modells zur Preisfindung die teuren Gaskraftwerke zu überdurchschnittlichen Gewinnen bei anderen Erzeugungstechnologien führten. Das Strommarktdesign sei daher anzupassen, um überdurchschnittliche Gewinne einzelner Betreiber anlässlich der aktuellen Energiemangellage zu vermeiden.  Auch wenn die Aussage, dass die Merit-Order mit dem Strommarktdesign und Preisbildungsmechanismus gleichzusetzen sei, aus fachlicher Sicht nicht korrekt ist, wie wir bereits in einem Blogbeitrag erläutert haben, ist kurzfristig ein Instrument zur Dämpfung der Strompreise erforderlich. Ansonsten ist davon auszugehen, dass Endkundenpreise von 1 €/ kWh keine Seltenheit mehr sein werden, wie Sie aktuell am Markt zu beobachten sind.

Allerdings hat die Bundesregierung bzw. der nationale Gesetzgeber nicht die Möglichkeit, alleine eine Strompreisbremse einzuführen, da sie nach dem Subsidiaritätsprinzip die Kompetenzen zur Stabilisierung des europäischen Energiebinnenmarkts nach Art.194 AEUV an die EU übertragen hat. Demnach muss eine Strompreisbremse mit dem EU-Recht vereinbar sein und möglichst einheitlichen, europäischen Regeln unterliegen, damit es zu keinen größeren Verzerrungen am europäischen Energiemarkt kommt. Hierfür hat die Kommission in Abstimmung mit den Energieministern der Mitgliedsstaaten einen Entwurf für eine Verordnung zur Einführung von „Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise“ vorgestellt, welcher sich aktuell im Gesetzgebungsprozess befindet.

Die Verordnung soll das Fundament für den Werkzeugkasten der einzelnen Mitgliedsstaaten bilden, um steigenden Strompreisen entgegenzuwirken. In diesem Blogbeitrag schauen wir uns den Werkzeugkasten einmal näher an.   

Strompreisbremse – Was sind die Ziele der EU?

Bevor wir uns die einzelnen Werkzeuge und Handlungsmöglichkeiten für die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU näher anschauen, betrachten wir zuerst die Motivation und Ziele der EU. Im Kern verfolgt die EU vier verschiedene Ziele, auf welche die einzelnen Werkzeuge einzahlen sollen. Hierzu zählt als primäres Ziel die Gewährleistung der Preisstabilität im EU-Binnenmarkt. Gleichzeitig soll die Energiearmut durch gezielte Maßnahmen bekämpft und eingedämmt werden, welche aktuell durch die Geschwindigkeit der steigenden Energiepreise in allen Mitgliedsstaaten deutlich schneller ansteigt.

Allerdings sollen die einzelnen Werkzeuge zur Begrenzung der Strompreise nicht nur darauf abzielen, kurzfristig die Strompreise zu stabilisieren, sondern auch langfristig zur Steigerung der Energieautonomie der EU beizutragen, um in künftigen Krisensituationen besser vorbereitet zu sein. Gleichzeitig soll aber auch der Bruttostromverbrauch durch Effizienzsteigerungen gesenkt werden, um den Bedarf an Energie zu senken. Zur Umsetzung der 4 Ziele zur Stabilisierung des Strommarktes hat sieht die EU unterschiedliche Werkzeuge vor, die von den einzelnen Mitgliedsstaaten angewandt werden können und teilweise auch müssen. 

Strompreisbremse – Was sind die einzelnen Werkzeuge?

Die Werkzeuge der EU können im ersten Schritt aus Sicht der Finanzflüsse klassifiziert werden. Dies kann in zwei Bereiche, einer Erlösseite und Ausgabenseite erfolgen. Bei der Erlösseite handelt es sich um Werkzeuge, welche vor allem darauf abzielen, überdurchschnittliche Gewinne einzelner Unternehmen durch die Verknappung des Energieangebots abzuführen oder zu begrenzen, um sie dann der Ausgabenseite zuzuführen. Auf der Ausgabenseite sollen die zusätzlichen Mittel dann für Maßnahmen eingesetzt werden, welche zur Entlastung auf dem Energiemarkt führen.

Auf der Erlösseite sind drei verschiedene Werkzeuge der EU zu beobachten. Zum einen verfolgt die EU die Einführung eines Solidaritätsbeitrags, der ursprünglich als Übergewinnsteuer bezeichnet wurde und speziell auf Unternehmen aus dem Energiebereich abzielt, welche mit konventionellen Energieträgern sehr hohe Gewinne erwirtschaften. Dazu zählen alle Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und im Raffinerie-Bereich tätige Energieunternehmen.

Das zweite Werkzeug ist die Einführung einer Markterlösobergrenze (EOG), die die Erlöse für einzelne Erzeugungsanlagen in Abhängigkeit des eingesetzten Energieträgers begrenzen soll, um überdurchschnittliche Gewinne schon bei der Entstehung am Markt in Form der Preisbildung zu unterbinden. Die EOG wird dabei ergänzt mit einem Preisdeckel oder Zuschüssen, der teilweise schon der Ausgabenseite zugeordnet werden kann. Der Preisdeckel sieht u.a. eine Begrenzung der Endkundenpreise vor, welche durch eine staatliche Quersubventionierung sichergestellt wird.

Auf der Ausgabenseite stehen hingegen Instrumente in Form von Investitionsmaßnahmen zur Verfügung, sowie Vorgaben zur Steigerung der Energieeffizienz. Ebenso sind Verlagerung von Lastspitzen (Spitzenlastmanagement) vorgesehen, um unnötige Nachfrage-Peaks zu vermeiden.

Alle Werkzeuge unterliegen gewissen Mindestkriterien, welche bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen sind. Hierzu hat sowohl die EU als auch ihre Mitgliedsstaaten folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

Alle Werkzeug

  1. sind verhältnismäßig und diskriminierungsfrei;
  2. dürfen Investitionssignale nicht gefährden;
  3. stellen sicher, dass die Investitions- und Betriebskosten gedeckt sind
  4. sind mit dem Unionsrecht vereinbar.

Trotz des vorgegebenen Handlungsrahmens haben die einzelnen Mitgliedsstaaten nach dem Verordnungsentwurf einen großen Handlungsspielraum. Um diesen genauer zu verstehen, werfen wir einen Blick auf die einzelnen Regelungen je Werkzeug:

Strompreisbremse – Wie funktioniert der Solidaritätsbeitrag?

Die zusätzliche Abgabe in Form des Solidaritätsbeitrages richtet sich ausschließlich an Energieunternehmen im Bereich Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffinerie. Mit der Eingrenzung der zusätzlichen Abgabe sollen ausschließlich Unternehmen besteuert werden, welche durch die Verknappung des Angebots auf dem Energiemarkt stark von steigenden Preisen partizipiert haben. Dabei legt der Verordnungsentwurf fest, dass es sich um einen Übergewinn handelt, wenn die Gewinne aus 2022 und/oder 2023, die mehr als 20 % über den durchschnittlichen steuerpflichtigen Gewinnen aus den vier am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnenden Haushaltsjahren liegen. Wird eine dieser Regelungen erfüllt, haben die jeweiligen Energieunternehmen die zusätzliche Abgabe zu bezahlen.

Wichtig hierbei ist, dass die Abgabe zusätzlich neben den üblichen Unternehmenssteuern anfällt! Zu versteuern ist bei dem Solidaritätsbeitrag der überdurchschnittliche Gewinn mit einem Mindesthöchstsatz von 33 %. Den Mitgliedsstaaten steht es jedoch frei, im Rahmen der nationalen Umsetzung den Mindesthöchstsatz nach oben anzupassen. Der Mindesthöchstsatz von 33 % darf jedoch nicht unterschritten werden. Die zusätzlichen Einnahmen sollen wie das Werkzeug der Markterlösobergrenze zur Finanzierung der Werkzeuge auf der Ausgabenseite beitragen.

Strompreisbremse – Wie funktioniert die Markterlösobergrenze?

Als zweites Instrument auf der Erlösseite sieht die EU eine Markterlösobergrenze (EOG) vor. Hierbei erfolgt die Abschöpfung von zusätzlichen Erlösen aus bestimmten Energieanlagen oberhalb eines Referenzwertes. Hier sieht die EU einen Referenzwert für die EOG von 180 €/ MWh vor. Die Obergrenze soll dabei für folgende Bereiche gelten: Wind-, Solar, Kernenergie, Braunkohle, Erdwärme, Wasserkraft ohne Speicher, Biomasse-Brennstoffe, Abfall, Torf, Erdölerzeugnisse.

Allerdings gibt es bestimmte Ausnahmen, wie von der EOG von 180 €/ MWh abgewichen werden kann, die im Ermessensspielraum der einzelnen Mitgliedsstaaten fällt. So haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für Steinkohle eine höhere EOG festzulegen, wenn die Erzeugungskosten für diese Anlagen nicht mit dem Referenzpreis übereinstimmen. Ein Abschalten von teureren Kohlekraftwerken soll so verhindert werden.  Daneben können die Staaten eine De-minimis-Regel einführen, bei den Anlagen mit einer Anlagenleistung kleiner 1 MWPeak nicht unter die Regelung des Referenzpreises fallen.

Ansonsten findet der Referenzpreis keine Anwendung für Anlagen mit langfristigen Verträgen unterhalb des Referenzwertes, für Anlagen, welche über Differenzverträge vermarktet werden oder staatlichen Einspeisetarifen unterliegen. Ebenso haben die Staaten die Möglichkeit, die Begrenzung der EOG nur auf 90 % der Markterlöse anzuwenden, sodass 10 % der verkauften Strommenge nicht dem Referenzpreis unterliegen. Vermarktet eine der Erzeugungsanlagen, welche der Markterlösobergrenze unterliegt, seine Energie oberhalb des Referenzpreises, so sind die zusätzlichen Gewinne abzuführen. Allerdings gibt es weitere Ausnahmen für Steinkohle-, Gas- und Biomethan-Anlagen sowie Technologien, die im Wettbewerb zu Gaskraftwerken stehen. Für diese soll die Markterlösobergrenze ebenfalls nicht angewandt werden.

Strompreisbremse – Wie funktioniert der Preisdeckel & Zuschüsse?

Als weiteres Instrument haben die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Preisdeckel und Zuschüsse einzuführen. Hierbei erlaubt der Verordnungsentwurf eine Deckelung der Energiepreise, welche zwischen dem Lieferanten mit dem Kunden abgeschlossen wurden, um die Privathaushalte und Unternehmen möglichst schnell zu entlasten. Haben die Energielieferanten höhere Preise, sollen diese durch staatliche Mittel vorfinanziert werden, bis die zusätzlichen Erlöseinnahmen aus der Markterlösobergrenze und dem „Solidaritätsbeitrag“ zur Verfügung stehen. Reichen diese Mittel jedoch nicht aus, kann der Mitgliedsstaat weitere, eigene Haushaltsmittel verwenden.

Neben der Deckelung der Energiepreise haben die Staaten auch die Möglichkeit direkt Zuschüsse und Subventionen einzuführen, welche unmittelbar beim Letztverbraucher ankommen. Hierzu zählen direkte staatliche Überweisungen, subventionierte Mengenkontingente oder gezielte Subventionen für energieintensive Industrien. Die genaue Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen obliegt den einzelnen Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene. 

Strompreisbremse – Welche Investitionsmaßnahmen sind vorgesehen?

Zusätzliche Erlöse, welche sich durch einzelne, umgesetzte Werkzeuge ergeben, können von den Mitgliedsstaaten auch für zusätzliche Investitionsmaßnahmen genutzt werden. Hierbei kann es sich um staatliche Investitionsprogramme zur Förderung der Energieautarkie handeln. In diesem Fall legt die EU großen Wert auf die Elektrifizierung des Energiesektors.

Daneben sind aber auch staatliche Investitionen zulässig, welche in Forschung und Entwicklung von Dekarbonisierungstechnologien fließen. Den Mitgliedsstaaten steht es frei, eine eigene Prioritätenliste zu entwickeln.

Strompreisbremse – Welche Energieeffizienzmaßnahmen sind vorgesehen?

Zur Steigerung der Energieautonomie legt die EU großen Wert auf den Aufbau eines finanziellen, nationalen Anreizsysteme zur Senkung des Energieverbrauchs. Die Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, Ausschreibungen zur Nachfragesenkung („Energieverzicht“) durchzuführen. Die Finanzierung erfolgt über die Einnahmen der EOG und des Solidaritätsbeitrages. Ziel ist hierbei den allgemeinen Energieverbrauch zu allen Stunden um 5 % zu senken.

Ebenso sollen die staatlichen Subventionen für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz heraufgefahren werden. Hierbei liegt der Fokus auf einer zunehmenden Elektrifizierung, um u.a. Umwandlungsverluste zu minimieren. Insgesamt sollen aber die Instrumente zur Steigerung der Energieeffizienz ausgebaut werden.

Strompreisbremse – Was ist unter dem Spitzenlastmanagement zu verstehen?

Als Ergänzung zur Steigerung der Energieeffizienz sieht der Verordnungsentwurf eine Verpflichtung zur Einführung eines nationalen Spitzenlastmanagements vor. Hierzu sollen die Mitgliedsstaaten in ihren Ländern die Zeiträume der Lastspitzen identifizieren und in Zeiträume mit einer niedrigeren Nachfrage verlagern. Als Folge dessen soll die Anzahl der Nachfrage-Peaks gesenkt werden, wodurch die Preise am Markt fallen sollen.

Unter das Zeitfenster der Spitzenlast fallen zehn Prozent der Zeiträume mit dem höchsten Energiebedarf. Hier gibt die EU das Ziel vor, dass die Spitzenlast um mindestens fünf Prozent durch Lastverlagerung abzusenken sind. Die Vorgabe soll vom 01. Dezember 2022 bis 31. März 2023 gelten. Die Mitgliedstaaten können allerdings für die Spitzenzeiten einen anderen Prozentsatz als den im genannten Ziel festlegen, sofern er sich mindestens auf 3 % der Spitzenzeiten erstreckt und die während der Spitzenzeiten eingesparte Energie mindestens der Energiemenge entspricht.

Übersicht der potenziellen EU-Notfallmaßnahmen gegen hohe Strompreise

Fazit

Der vorgesehene Instrumentenkasten für die einzelnen Mitgliedsstaaten kann als sehr breit betrachtet werden. Einzelne Vorgaben, wie die Einführung einer zusätzlichen Abgabe für bestimmte Energieunternehmen, die Markterlösobergrenze, die Verlagerung von Spitzenlasten oder Senkung des Energieverbrauchs werden zentral durch die EU vorgegeben. Dennoch haben die einzelnen Mitgliedsstaaten eine Vielzahl an Möglichkeiten entweder zusätzliche Instrumente einzuführen oder eine Feinjustierung an den Vorgaben der EU vorzunehmen, da ein gewisser Handlungsspielraum besteht.

Welche Möglichkeiten und Spielräume die Bundesregierung nutzt, bleibt abzuwarten, da hierzu noch keine einheitliche, verbindliche Stellungnahme vorliegt. Da die Regelungen der EU als Verordnung in Kraft treten werden, ist mit einer schnellen Umsetzung in Deutschland zu rechnen, was vor allem die Umsetzung der Markterlösobergrenze angeht.

Wichtig bei dem Entwurf ist jedoch zu verstehen, dass es sich lediglich um einen Werkzeugkasten handelt, bei dem nicht alle Instrumente genutzt werden müssen! Welches Instrument am Ende das geeignete ist und die größte Wirkung entfaltet, bleibt am Ende z.T. den Mitgliedsstaaten überlassen. Die Übersicht der Handlungsmöglichkeiten in diesem Blogbeitrag dürften jedoch für alle Leser eine gute Hilfestellung sein, ob einzelne geforderte Maßnahmen von politischer Seite auf nationaler Ebene wirklich umsetzbar sind und vor allem mit dem EU-Recht vereinbar.

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