Teil 2: Business Process Outsourcing – Kooperation als sicherer Hafen

“Outsourcing und der Wechsel auf SaaS-Lösungen mögen auf den ersten Blick helfen, um die Cost-to-Serve (CtS) zu senken und damit dem steigenden Kostendruck zu begegnen. Eine skalenorientierte Kooperation auf Augenhöhe verwirklicht schon heute Synergien und bietet die Möglichkeit Prinzipien moderner IT-Architekturen kontinuierlich zu realisieren.“

Andreas Mönter, Enterprise Solution Architect, items GmbH

Wir haben euch bereits vor ein paar Tagen vorgestellt, welche Herausforderungen Business Process Outsourcing bewältigen muss, um tatsächlich die Cost-to-Serve reduzieren zu können. Heute zeigen wir euch, wie serviceorientierte Architekturen die Ziele einer Kooperation weiter fördern können. Wenn ihr den ersten Teil verpasst habt, könnt ihr ihn hier nochmal nachlesen.

Technologiewandel und neue Betreibermodelle

Die fortschreitende Digitalisierung und die Entwicklung zu Cloudanwendungen machen neue Betreibermodelle möglich. Dadurch sind in den letzten Jahren neue Akteure auf den Markt der Systemanbieter gekommen, die den Wunsch nach Standardisierung und Verschlankung aufgegriffen haben. Parallel entwickelt die SAP SE als größter Anbieter auf dem Systemanbietermarkt für Energieversorger mit dem S/4HANA Utilities die nächste Generation ihrer Abrechnungslösung. Dabei folgt auch sie dem Trend, das Kernsystem effizient bereitzustellen und kundeneigene Anpassungen über unterschiedliche Methoden außerhalb dieses Kerns abzubilden. Der Wandel auf dem Markt der Systemanbieter ist jedoch noch im Gange und eine Entscheidung für oder gegen eine Lösung ist aktuell mit einer signifikanten Unsicherheit verbunden.

Mit der sich verändernden Architektur und dem Auftritt neuer Akteure haben sich auch die Betreibermodelle gewandelt, es sind neue Formen entstanden. In der Vergangenheit unterschieden sich die Modelle nur im Betrieb von On-Premise-Lösungen, d. h. lokaler und individueller Installationen, im eigenen oder einem fremden Rechenzentrum. Die Pflege und Weiterentwicklung der Systeme lagen in den Händen der eigenen IT oder eines Dienstleisters. Als ein wesentliches, neues Modell zeichnen sich cloudbasierte Software-as-a-Service-Lösungen ab. Hierbei ist der Funktionsumfang des Systems sehr stark standardisiert und wird vom Hersteller mehr oder weniger vorgegeben. Durch diese Standardisierung kann die Infrastruktur von mehreren Kunden parallel genutzt werden und auch die Wartung ist einfacher zu realisieren. Notwendige Erweiterungen lassen sich durch Apps von Drittherstellern und die Nutzung von webbasierten Schnittstellen (API) ergänzen. Auch die Preismodelle unterscheiden sich maßgeblich und sind in der Regel mengenbasiert als Pay-as-you-grow-Verfahren realisiert. Im ersten Vergleich zur bestehenden Systemlandschaft erscheinen diese Modelle als günstiger bzw. transparenter und werden vermehrt nachgefragt.

Kooperation als sicherer Hafen und starke Gemeinschaft

Die Entwicklung von Template-Lösungen wie das Billing4us (s. Erläuterungsfeld) nahmen diese Entwicklung vorweg und boten den beteiligten Partnern, die Möglichkeit sich Infrastruktur, Pflege und Weiterentwicklung zu teilen. Hierdurch konnten auch die Cost-to-Serve trotz wachsender Komplexität stabil gehalten werden und liegen für das o. g. Beispiel gleichauf mit aufkommenden SaaS-Lösungen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Kooperations- und SaaS-Modell aktueller Prägung liegt in der Verantwortung für den Funktionsumfang. Im Template bestimmt diesen die Gemeinschaft, während dies im SaaS-Modell durch den Hersteller vorgegeben wird.

Billing4us

Die Trennung des Netzbetreibers und des Lieferanten nahmen vor etwa zehn Jahren vier Stadtwerke (Münster, Osnabrück, Kassel und Lübeck) und die items zum Anlass ein gemeinsames Template zu entwickeln. In den Folgejahren wuchs die Gemeinschaft auf insgesamt acht Netzbetreiber und sechs Lieferanten. In der Template-Lösung basierend auf SAP IS-U werden aktuell ca. 4 Millionen Zählpunkte abgebildet. Die Kooperation wurde 2016 mit dem Stadtwerke Award des VKU ausgezeichnet.

Der technologische Wandel und der Trend weg von monolithischen Strukturen machen aber auch vor Template-Lösungen nicht halt. Serviceorientierte Architekturen (Abbildung 2) können das Ziel einer Kooperation – Standardisierung wo möglich, Individualität wo nötig – begünstigen und ermöglichen es, diese für die Zukunft zu rüsten. Das Abrechnungssystem bildet den Kern dieser zukünftigen Architekturen. Dieser Nukleus ist möglichst stabil zu halten und bietet ein hohes Maß an Effizienz und Automatisierung in der Prozessbearbeitung. Wettbewerbsdifferenzierende Fähigkeiten werden außerhalb in einem Application Layer abgebildet. Dieser Layer ist auch der Ort für Experimente und „Schnellboote“. Eine Integrationsschicht verbindet den Kern horizontal mit dem Application Layer, während das Processmanagement die Prozesskontinuität über die Systeme sicherstellt.

Das zukünftige Betriebsmodell eines Templates orientiert sich ebenfalls an SaaS-Modellen. Der Wunsch der Partner ist in einem ersten Schritt beispielsweise, die Marktkommunikation in einem „as-a-Service-Ansatz“ abzubilden und die regelmäßigen Formatwechsel und regulatorischen Anpassungen zentral durch die items als Dienstleister zu konzeptionieren, umzusetzen und zu testen. In der Vergangenheit konnten die externen Kosten für die Umsetzung von regulatorischen Projekten (wie z. B. die halbjährlichen Formatänderungen) in der Kooperation auf breite Schultern verteilt werden. In Zukunft sollen durch den „as-a-Service-Ansatz“ interne Ressourcen noch stärker entlastet werden.

Der Wechsel zu einer serviceorientierten Architektur und die Umstellung hin zu einem „as-a-Service-Ansatz“ lassen sich im Verbund schrittweise entwickeln und ein früher Systemwechsel ist damit nicht zwingend notwendig. Somit bietet die Kooperation einen sicheren Hafen, um die Entwicklungen auf dem Systemanbietermarkt zu beobachten und im richtigen Moment den Technologiewechsel im Kernsystem anzugehen. Markus Suckau, Bereichsleiter Kundenmanagement und Abrechnung der Städtischen Werke Kassel, betont dies aus Sicht eines Partners: „Aus der Branche sind mir unterschiedliche Ansätze und Betriebsmodelle bekannt. Eine Kooperation auf Augenhöhe wie Billing4us ist dabei ein guter Weg, die Vorteile verschiedener Optionen zu kombinieren und die Bedürfnisse des einzelnen Stadtwerks in die zukünftige Entwicklung mit einzubringen.“

Ein Template, mit dem eine enge Kooperation der Partner verbunden ist, bietet über den reinen Systembetrieb noch weitere Mehrwerte. Der Austausch über Strategien, Geschäftsmodelle und Erfahrungen bei der Umsetzung kann auf allen Seiten bereichernd sein, ohne Individualität aufzugeben. Gerade der gemeinsame Weg auf ein „as-a-Service-Modell“ kann dabei helfen, das notwendige Umdenken zu meistern.

Fazit

Die steigende Kostensensibilität bei den Energieversorgen rückt die Cost-to-Serve der IT in den Fokus. Mit dem Outsourcing und dem Wechsel zu einem anderen Betreibermodell werden die Hoffnungen verbunden, diese signifikant zu senken. Gleichzeitig steigen aber die Anforderungen an Schnelligkeit und Flexibilität in der Umsetzung von neuen Produkten und Lösungen, um so neue Geschäftsmodelle bedienen zu können.

Vor dem Auslagern der IT sollte allerdings die Analyse der Kostenstrukturen im Unternehmen stehen und die eigenen Prozesskosten miteinschließen, um ein Gesamtbild zu erhalten und Potenziale einschätzen und entlang der gesamten Prozesskette bewerten zu können.

Eine Kooperation auf Augenhöhe aller Beteiligten ermöglicht es schon heute den „as-a-Service-Effekt“ wirksam werden zu lassen. Serviceorientierte Architekturen können die Ziele einer Kooperation weiter fördern, ohne dies voreilig mit einem Systemanbieterwechsel verbinden zu müssen. Darüber hinaus bietet die Gemeinschaft die Chance, auch in anderen Feldern zusammenzuarbeiten und die Herausforderungen der Zukunft proaktiv anzupacken.

Teil 1: Business Process Outsourcing – gemeinsam die Cost-to-Serve reduzieren

Templatelösungen und Kooperation als integrale Bestandteil des Outsourcing

“Outsourcing und der Wechsel auf SaaS-Lösungen mögen auf den ersten Blick helfen, um die Cost-to-Serve (CtS) zu senken und damit dem steigenden Kostendruck zu begegnen. Eine skalenorientierte Kooperation auf Augenhöhe verwirklicht schon heute Synergien und bietet die Möglichkeit Prinzipien moderner IT-Architekturen kontinuierlich zu realisieren.“

Andreas Mönter, Enterprise Solution Architect, items GmbH

Die Energieversorgung unterliegt einem stetigen und sich beschleunigenden Wandel. Auf der einen Seite steigt der Kostendruck aufgrund des weiterhin zunehmenden Wettbewerbs und der schnellen Taktfolge umfangreicher regulatorisch bedingter Projekte. Auf der anderen Seite sind Investitionen in Digitalisierung und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder notwendig. Die IT ist hierbei sowohl Enabler für Neues als auch vermeintlicher Kostentreiber im Unternehmen. Zur Senkung der Cost-to-Serve gerade in nicht wettbewerbsdifferenzierenden Funktionen erscheint ein – wie auch immer gestaltetes – Outsourcing des IT-Betriebs als ein mögliches Mittel.

Inhaltsverzeichnis

1. Vom Groben zum Feinen – Potenziale ermitteln
2. Unterschiedliche Motive für Prozessauslagerungen
3. IT im Wandel der Zeit und der Anforderungen

1. Prozessauslagerung – Potenziale ermitteln

Vor der Entscheidung „Make-or-Buy“ steht die Erfassung bzw. Aufbereitung der Kosten-strukturen im Unternehmen und der sich anschließende Vergleich mit den potenziellen Outsourcingpartnern. Um hier das ganze Bild zu erhalten und die Kostentreiber vollständig zu identifizieren, sollte dies nicht nur den IT-Systembetrieb umfassen, sondern auch die Prozesskosten einschließen. Unabhängig von Quelle und Betrachtung ist zu konstatieren, dass die IT-Kosten zwar im Regelfall die leichter zu erfassende Größe darstellen, diese aber mit ca. 10-30% den kleineren Anteil an den gesamten Prozesskosten ausmachen. Den größeren Anteil macht die Prozessausführung bzw. Sachbearbeitung aus. Gleichzeitig besteht idealerweise eine Interdependenz zwischen diesen Größen: Höhere IT-Kostenanteile dienen in diesen Fällen zur Senkung der manuellen Prozessanteile. Anders ausgedrückt: Was nützen niedrige IT-Kosten, wenn diese durch intensiveren Personaleinsatz am System kompensiert werden müssen?

Um diesem Effekt gerecht zu werden, bietet das Standardleistungsverzeichnis (SLV) des BEMD eine gute Orientierungshilfe für den Meter-2-Cash-Prozess. Das SLV zeigt Standardprozesse auf und ermöglicht einen gezielten Benchmark mit einer standardisierten Anfrage von Vergleichswerten am Markt. Das Mapping der eigenen gewachsenen Prozess- und Organisationsstrukturen auf einen Standardkatalog setzt voraus, dass auf beiden Seiten detailliertes Wissen über die Prozessinhalte und -kosten vorhanden ist.

Standardleistungsverzeichnis (SLV)

Das Standardleistungsverzeichnis wurde vom Bundesverband der Energiemarktdienstleister e.V. (BEMD) erarbeitet. Es umfasst Leistungsmodule der Standardprozesse für die Marktrollen Lieferant, Netzbetreiber und Messstellenbetreiber. Das SLV dient als Grundlage bei Ausschreibungen und Marktanfragen sowohl von Dienstleistern als auch Versorgern.

Auf der Seite des Systembetriebes sind gleichermaßen verschiedene Faktoren für eine umfassende Bewertung ausschlaggebend. Dies umfasst eine quantitative Betrachtung der Kosten für Betrieb, Wartung, Weiterentwicklung und Lizenzen auf der einen, aber auch den qualitativen Abgleich des Leistungsumfangs zwischen Eigen- und Fremdbetrieb auf der anderen Seite.

Sowohl bei dem Vergleich der IT- als auch der Prozesskosten empfiehlt es sich, iterativ vorzugehen und das Bild vom Groben zum Feinen zu schärfen, bis der notwendige Detailierungsgrad erreicht wurde. Im Ergebnis dieser Analysen lässt sich das Potenzial einer möglichen System- und/oder Prozessauslagerung abschätzen.

2. Unterschiedliche Motive für Prozessauslagerungen

Beim Heben des Kostenpotenzials kann das Business Process Outsourcing (BPO) auf verschiedenen Wegen unterstützen. Die Herausgabe von ganzen Prozessketten an einen spezialisierten Dienstleister sollte gut abgewogen werden, können hier doch gerade am Anfang Reibungsverluste entstehen. In einem ersten Schritt sollte die Motivation bei dem Einsatz von BPO zunächst in der Entlastung der Mitarbeiter, dem Freiwerden von eigenen hochqualifizierten Ressourcen für neue Tätigkeiten, dem Ersatz von ausgeschiedenen Mitarbeitern oder der Steigerung der Qualität liegen. Gleichzeitig ist zu prüfen, welche Maßnahmen zur Prozess- und Organisationsverbesserungen im Unternehmen getroffen werden können. Idealerweise sollte schon während der Potenzialanalyse offen über die Ziele gegenüber den Mitarbeiter:innen kommuniziert werden, um Vorbehalte abzubauen bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen. Bei der Abschätzung des Potenzials für das Business Process Outsourcing ist immer zu berücksichtigen, dass die Steuerung eines Dienstleisters eigene Ressourcen bedarf. Aufgrund der zum Teil hohen Standardisierung in den Prozessen der Energiewirtschaft ist der Einsatz eines externen Dienstleisters zeitweise oder dauerhaft denkbar. Die Abrechnung der Leistungen ist zeit- oder stückbasiert möglich.

3. Die IT im Wandel der Zeit und der Anforderungen

Die Systemarchitekturen in der Energieversorgerbranche sind bis heute durch zusammenhängende und untrennbare  Strukturen geprägt. Das Abrechnungssystem deckte in der Vergangenheit den Großteil der Prozesse ab. Mit der Zeit wuchs die Anzahl der umgebenden Systeme und somit auch die Vielschichtigkeit der Systemlandschaften. Dennoch verblieben die Abrechnung und die Marktkommunikation als Kernfunktionen in einem zentralen, aber auch häufig „ungeliebten“ System.

Durch die Notwendigkeit, kundenspezifische Anforderungen und die regulatorischen Vorgaben mit nur geringen Vorleistungen des Herstellers in diesem zentralen System umzusetzen, war ein branchenspezifischer Standard nicht zu erreichen und die Komplexität stieg auch innerhalb des Systems. Die wachsende Vielfalt der Anforderungen innerhalb und außerhalb des zentralen Abrechnungssystems hatte zu Folge, dass auch die Kosten für die Wartung und Weiterentwicklung des Systems immer weiter stiegen. Aufgrund der sich verändernden Rahmenbedingungen geraten die Cost-to-Serve (CtS) immer mehr in den Fokus der Systemkostenträger in den Unternehmen und werden zu einer entscheidenden Kenngröße für den Systembetrieb.

Die steigenden Bedarfe an die Systeme und der Fachkräftemangel führten schon in der Vergangenheit dazu, dass Anforderungen und Projekte nicht mehr im eigenen Hause realisiert werden konnten und zwangsläufig IT-Dienstleistungen ausgelagert wurden. Das Outsourcing des gesamten IT-Betriebs ist der nächste logische Schritt. Mit der Vergabe des Systembetriebs wird der Wunsch verknüpft, die Individualität in den Systemen zu senken und die Automatisierung zu steigern. Dadurch erhofft man sich die Cost-to-Serve der Abrechnungssysteme wieder in den Griff zu bekommen. Heute gehen die Einschätzungen so weit, dass die Abrechnung nicht mehr wettbewerbsdifferenzierender Faktor ist. Die Effizienz in der Bearbeitung von Massenprozessen steht mittlerweile im Vordergrund.

Wie sieht also ein Kooperations-Modell aus, das den Anforderungen gerecht wird und die Cost-to-Serve tatsächlich reduzieren kann? Und welche Vorteile hat ein solches Modell gegenüber einer Einzellösung? Diese Fragen beantworten wir euch in wenigen Tagen in unserem zweiten Teil. Wenn euch dieser Beitrag gefallen hat und ihr den zweiten Teil nicht verpassen wollt, abonniert gerne unseren Blog.