Energiesharing in der Energiewirtschaft – ein aktueller Überblick 

24. April 2024

In einer Welt, in der Nachhaltigkeit immer wichtiger wird und die Dezentralisierung der Energieerzeugung an Bedeutung gewinnt, wird das Konzept des Energiesharings immer relevanter. Energiesharing ermöglicht es Einzelpersonen, Gemeinschaften und Unternehmen, elektrische Energie direkt miteinander zu teilen, was nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch zu einer nachhaltigeren Energiezukunft beiträgt.

In diesem Blogbeitrag werden wir das Konzept des Energiesharings näher beleuchten und einen Blick auf die aktuelle regulatorische Situation werfen. Die Idee hinter Energy Sharing ist es, elektrische Energie direkt zwischen verschiedenen Energieerzeugern und -verbrauchern zu teilen, oft innerhalb einer lokalen Gemeinschaft oder eines Netzwerks. Dies ermöglicht eine effizientere Nutzung erneuerbarer Energiequellen, indem überschüssige Energie, die beispielsweise von Solaranlagen erzeugt wird, mit anderen geteilt wird, die sie gerade benötigen. Durch den Einsatz von Smart-Grid- und Plattform-Technologien können Energie-Sharing-Systeme den Energiefluss in Echtzeit verfolgen, steuern und die Abrechnung automatisieren.

Voraussetzung für eine Energiesharing-Community ist eine Erweiterung des Endverbraucherbegriffs, der nicht mehr nur den physischen Netzanschluss, sondern auch die Nutzung des öffentlichen Stromnetzes umfasst. Auf die Entwicklung des Letztverbraucherbegriffs sind wir bereits in einem früheren Blogbeitrag eingegangen: https://itemsnet.de/itemsblogging/die-evolution-des-stromkunden-vom-passiven-abnehmer-zur-aktiven-marktteilnahme/  

Die Vorteile von Energie-Sharing sind vielfältig. Zum einen trägt es zur Dezentralisierung der Energieerzeugung bei, indem es die Abhängigkeit von zentralen Energieversorgern verringert und lokale Energiegemeinschaften stärkt. Darüber hinaus fördert es die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und reduziert CO2-Emissionen, da überschüssige erneuerbare Energie effizient genutzt wird, anstatt verloren zu gehen oder ins Netz eingespeist zu werden. Energiesharing kann auch die Energiekosten der Teilnehmer senken, indem es ihnen den Zugang zu kostengünstigen lokalen Energiequellen ermöglicht und ihre Energiekosten insgesamt reduziert.

Mehrwert von Energiesharing und wichtige Aspekte bei der Umsetzung

Energiesharing bietet eine Vielzahl von Mehrwerten, die über die bloße effiziente Nutzung erneuerbarer Energiequellen hinausgehen. Um diese Potenziale voll ausschöpfen zu können, sind jedoch einige wichtige Aspekte bei der Umsetzung zu beachten. Zu den Vorteilen des Energiesharings zählen u.a. folgende Punkte

  • Optimierung der Energienutzung: Energiesharing ermöglicht es, überschüssige Energie aus dezentralen erneuerbaren Energieerzeugern effizient zu nutzen, anstatt sie ungenutzt zu lassen oder ins Netz einzuspeisen. Dies trägt zu einer besseren Auslastung erneuerbarer Energiequellen bei und reduziert gleichzeitig den Bedarf an konventionellen Kraftwerken.
  • Stärkung der lokalen Gemeinschaften: Energiesharing fördert die Bildung lokaler Energiegemeinschaften, in denen die Teilnehmer aktiv am Energiemanagement beteiligt sind. Dies stärkt das Gemeinschaftsgefühl und fördert den Zusammenhalt, da sich die Mitglieder gegenseitig unterstützen und voneinander profitieren.
  • Senkung der Energiekosten: Durch den direkten Austausch von Energie innerhalb einer Gemeinschaft können die Teilnehmer ihre Energiekosten durch den Zugang zu kostengünstigen lokalen Energiequellen senken. Dies ist besonders relevant in Regionen mit hohen Energiepreisen oder unzuverlässigen Versorgungsnetzen.
  • Förderung der Energiewende: Energiesharing leistet einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Energiewende, indem es die Nutzung erneuerbarer Energien vorantreibt und dazu beiträgt, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Durch die Förderung der dezentralen Energieerzeugung verringert es auch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und trägt zur Sicherheit und Belastbarkeit des Energieversorgungssystems bei.

Bei der Umsetzung von Energiesharing-Initiativen sind mehrere Schlüsselfaktoren zu berücksichtigen. Einer davon ist der regulatorische Rahmen. Es ist wichtig, klare und transparente Regelungen für das Energiesharing zu schaffen, um allen Beteiligten Rechtssicherheit zu bieten. Dies umfasst Aspekte wie Netzzugang, Abrechnung, Haftung und Datenschutz.

Darüber hinaus ist eine zuverlässige technologische Infrastruktur für die erfolgreiche Umsetzung von Energiesharing unerlässlich. Die Entwicklung von Smart Grid-Technologien, IoT-Geräten, Energiemanagement-Software und Blockchain-Plattformen spielt eine entscheidende Rolle, um einen sicheren und effizienten Energieaustausch zu ermöglichen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Datenschutz und die Datensicherheit. Energie-Sharing-Plattformen verarbeiten sensible persönliche Daten der Nutzer, daher ist es von größter Bedeutung, strenge Datenschutzrichtlinien und Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren, um die Privatsphäre und Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten.

Schließlich ist die Beteiligung und Aufklärung der Öffentlichkeit von entscheidender Bedeutung. Umfassende Aufklärungs- und Informationskampagnen sind notwendig, um das Verständnis für die Vorteile des Energiesharings zu fördern und die Akzeptanz für neue Energiesharingmodelle zu erhöhen. Die Einbeziehung der Bürger in Planungs- und Entscheidungsprozesse ist ebenfalls unerlässlich, um sicherzustellen, dass Energiesharing-Initiativen die Bedürfnisse und Anliegen der Gemeinschaft berücksichtigen und unterstützen.

Insgesamt zeigt sich, dass Energiesharing eine transformative Kraft für die Energiewende sein kann, wenn es erfolgreich umgesetzt wird. Durch die Maximierung der Vorteile erneuerbarer Energien, die Stärkung lokaler Gemeinschaften und das Vorantreiben der Energiewende trägt Energiesharing dazu bei, eine nachhaltigere und widerstandsfähigere Energiezukunft zu schaffen.

Energiesharing Konzepte: Bürgerenergiegemeinschaft, EE-Gemeinschaft & gemeinsam agierender Versorger – Was ist der europäische Rechtsrahmen?

Mittlerweile schwirren einige Begriffe durch den energiewirtschaftlichen Raum, wenn es um die gemeinsame Nutzung von elektrischer Energie innerhalb einer Gemeinschaft geht. Häufig werden dabei die drei oben genannten Begriffe genannt, die ich in diesem Beitrag kurz erläutern möchte.

Gemeinsam handelnde Eigenversorger, Art. 2 Satz 2 Nr. 15 EE-RL

Ist eine Gruppe von mindestens zwei gemeinsam handelnden EE-Eigenversorgern, die sich im selben Gebäude oder Mehrfamilienhaus befinden. Der Eigenversorger bleibt im rechtlichen Sinne ein normaler Letztverbraucher, der aber sowohl Energie erzeugt als auch verbraucht. Dies schließt auch die Speicherung und den Verkauf des Stroms in einem lokalen Bereich innerhalb des Gebäudes ein. Für gemeinschaftlich handelnde Eigenversorger gibt es keine Anforderungen an die Rechtsform oder ein bestimmtes Ziel.

Erneuerbare-Energien-Gemeinschaft, Art. 2 Satz 2 Nr. 16 EE-RL

Ist eine unabhängige juristische Person, die auf der offenen und freiwilligen Beteiligung von Anteilseignern/Mitgliedern beruht. Dies können natürliche Personen, Gebietskörperschaften oder kleine und mittlere Unternehmen sein. Eine Beteiligung von Privatpersonen ist nur möglich, wenn es sich nicht um die Haupttätigkeit der Privatperson handelt. Außerdem müssen alle Beteiligten in der Nähe der Projekte angesiedelt sein (lokale Komponente). „Unter den Begriff der EE-Gemeinschaft fällt die Vereinigung nur, wenn nicht vorrangig das Erwirtschaften eines finanziellen Gewinns verfolgt wird, sondern das Ziel, ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile für die Mitglieder herbeizuführen (Art. 2 Satz 2 Nr. 16 lit. c EE- RL).“

Bürgerenergiegenossenschaft, Art. 2 Nr. 11 EBM-RL

Wird wie die EE-Gemeinschaft als Rechtsperson definiert, die auf der offenen und freiwilligen Beteiligung der Mitglieder oder Anteilseigner beruht und der tatsächlichen Kontrolle dieser Personen unterliegt. Sie besteht aus natürlichen Personen, Gebietskörperschaften einschließlich Kommunen oder kleinen Unternehmen. Im Gegensatz zur EE-Gemeinschaft gibt es keine örtliche Begrenzung, so dass sich der Tätigkeitsbereich auf das gesamte Gebiet der EU erstrecken kann. „Der Hauptzweck der Gemeinschaft besteht nicht in der Erzielung eines finanziellen Gewinns, sondern darin, ihren Mitgliedern oder Anteilseignern oder der örtlichen Gemeinschaft, in der sie tätig ist, einen ökologischen, wirtschaftlichen oder sozialen Nutzen zu bringen (Art. 2 Nr. 11 lit. b EBM-RL)“.

In Deutschland werden die Freiheiten des Energiesharings noch zurückhaltend genutzt, weshalb sich die Umsetzung noch schwierig gestaltet und häufig mit hohen regulatorischen Anforderungen verbunden ist. Aus diesem Grund sind Energiesharing-Gemeinschaften eher selten anzutreffen oder befinden sich in einem Pilotumfeld. Mit Blick auf die neue Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie wird sich dies jedoch ändern.

Das Recht auf Energiesharing für aktive Kunden kommt – die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EBM-RL) leitet die nächste Phase ein

Theoretisch ist eine Energiesharing-Gemeinschaft in Deutschland zwar schon heute möglich, rechtlich gesehen würde die Gemeinschaft jedoch als Energieversorger gelten und alle Pflichten eines Energieversorgers müssten erfüllt werden. Eine zu hohe Hürde, weshalb Energiesharing in dieser Form in Deutschland nicht anzutreffen ist.

Dies soll sich nach dem Willen der EU mit der neuen Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie ändern. War bisher Energy Sharing nur innerhalb von Gemeinschaften möglich (vgl. Art. 21 Abs. 4, 22 EE-RL, Art. 16 EBM-RL), bei denen die Möglichkeit besteht, gemeinsam eine Anlage zu betreiben und den erzeugten Strom unter den Mitgliedern aufzuteilen, soll das Energy Sharing außerhalb von Gemeinschaften zwischen aktiven Kunden (Prosumern) ausgeweitet werden.

Nach Art. 15a EBM-RL soll das Recht auf Energiesharing für alle Haushalte, KMU und öffentliche Einrichtungen kommen. Die Mitgliedstaaten (MS) können Energiesharing bis 6 MW auch für größere Akteure ermöglichen. Auch die Einbeziehung Dritter als Dienstleister ist möglich. Für Haushalte bis 10,8 kW bzw. 50 kW bei Mehrfamilienhäusern besteht keine Versorgerpflicht, wobei die MS abweichende Schwellenwerte festlegen können. Der Anspruch auf Verrechnung des geteilten Stroms mit dem Eigenverbrauch muss innerhalb der Bilanzkreisabrechnungsperiode erfolgen.

Die EBM-RL führt somit zu einer weiteren Öffnung des Energiesharings und durch den Rechtsanspruch der Prosumer wird Deutschland gezwungen sein, die bisherigen Möglichkeiten zu erweitern. Eine wirklich spannende Entwicklung, bei der die Rolle der klassischen Energieversorger hinterfragt und diskutiert werden muss.

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass Energiesharing eine vielversprechende Lösung für die Herausforderungen der Energiewende und einer nachhaltigen Energieversorgung darstellt. Es fördert nicht nur die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und reduziert CO2-Emissionen, sondern stärkt auch lokale Gemeinschaften und fördert eine dezentrale Energieinfrastruktur. Durch den Einsatz von Technologien wie Smart Grids und Blockchain wird Energiesharing immer effizienter und zugänglicher.

Einer der Hauptvorteile von Energy Sharing ist seine Fähigkeit, die Nutzung erneuerbarer Energien zu optimieren, indem überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen in lokalen Netzwerken geteilt wird. Dies reduziert nicht nur den Bedarf an fossilen Brennstoffen, sondern trägt auch zur Stabilität und Belastbarkeit des Energieversorgungssystems bei. Darüber hinaus ermöglicht Energiesharing eine bessere Integration dezentraler Energieerzeuger wie Solaranlagen und Windparks, was die Abhängigkeit von großen, zentralen Kraftwerken verringert und die lokale Wirtschaft stärkt.

Dennoch gibt es einige Herausforderungen bei der Nutzung von Energiesharing. Dazu gehören regulatorische Hürden, Datenschutzbedenken und technologische Komplexität. Insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Energiesharing sind oft noch unklar und können je nach Land oder Region stark variieren. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Datenschutz, da Energiesharing-Plattformen sensible persönliche Daten der Nutzer verarbeiten müssen, um den Energiefluss zu optimieren. Daher ist es entscheidend, robuste Datenschutzrichtlinien und Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren, um das Vertrauen der Nutzer zu gewährleisten.

Trotz dieser Herausforderungen ist das Potenzial von Energiesharing enorm, und mit dem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Innovation im Energiesektor könnten wir eine Zukunft sehen, in der Energiesharing eine zentrale Rolle in unserem Energieökosystem spielt. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung von Technologien und regulatorischen Rahmenbedingungen können wir die Vorteile von Energiesharing voll ausschöpfen und gemeinsam eine nachhaltigere Energiezukunft gestalten.

Marcel Linnemann

Leitung Innovation & Grundsatzfragen Energiewirtschaft
Marcel Linnemann, Wirt. Ing. Energiewirtschaft, Netzingenieur, ist Leiter Innovation und regulatorische Grundsatzfragen bei items und Autor diverser Fachbücher und -artikel rund um die Thematiken der Energiewirtschaft und der Transformation