FFVAV: Neue Anforderungen für Fernwärmenetzbetreiber

FFVAV – und plötzlich ist sie da

Kurz vor der Sommerpause war die FFVAV, die neue Verordnung zur Fernauslesung von Wärmemengenzählern (WMZ) und neuen Anforderungen an die Abrechnung, in aller Munde. Tiefgreifende Veränderungen mit der Verpflichtung zur Fernauslesung, der monatlichen Informationsbereitstellung sowie Anpassungen in der AVBFernwärmeV wurden angekündigt. Nach einigen Änderungswünschen des Bundesrates kam die Verordnung dann doch nicht auf die politische Beschlussagenda und geriet mit der Sommerpause und den nun anstehenden Sondierungsgesprächen der Parteien in Vergessenheit. Unerwartet von der Branche und ohne große Vorankündigung wurde die FFVAV jedoch am 4. Oktober beschlossen und trat einen Tag darauf, am 5. Oktober, in Kraft. Die neuen Regelungen für Fernwärmenetzbetreiber gelten somit unmittelbar. Inhaltliche Veränderungen wurden an dieser Stelle nicht mehr aufgenommen, sodass alle diskutierten Fristen, wie z. B. die monatliche Verbrauchsinformation, bis zum 01. Januar 2022 umzusetzen sind.

Für Fernwärmenetzbetreiber bedeutet der Beschluss der FFVAV eine große Herausforderung, welche die Ebenen der Messtechnik, der Integration in die Abrechnung, der Anpassung der Rechnungsstellung sowie der Bereitstellung der Informationen an den Kunden umfasst. Für Fernwärmenetzbetreiber stellt sich nun die Frage, welche Handlungsoptionen bestehen, um die Fristen der FFVAV bis zum Anfang des kommenden Jahres erfolgreich umzusetzen. Welche Möglichkeiten es gibt und welche zentralen Fragestellungen zu beantworten sind, soll in einem groben Abriss im Rahmen dieses Blogbeitrags beantwortet werden.

FFVAV: Worum es eigentlich geht

Als kurze Wiederholung zu bereits veröffentlichten Blogbeiträgen gehen wir noch einmal kurz auf die wesentlichen Beschlüsse der FFVAV ein. Im Kern besteht die Anforderung aus drei zentralen Bausteinen, welche verpflichtend umzusetzen sind:


Erstens nimmt die FFVAV Einfluss auf die Konnektivität und Messtechnik, da ab sofort nur noch Messtechnik verbaut werden darf, welche aus der Ferne auslesbar ist. Da dies in der Vergangenheit oft analog durch manuelles Ablesen vor Ort erfolgte, steht für Fernwärmenetzbetreiber die Auswahl der geeigneten Messtechnik an.


Zweiter Aspekt der FFVAV ist eine Standardisierung der bereitgestellten Messdaten erforderlich, welche aufbereitet werden müssen, um eine Verarbeitung im Abrechnungssystem zu ermöglichen.


Drittens ist damit eine Anpassung der Abrechnung und der Ausgestaltung der Verbrauchsinformation nach den Vorgaben der FFVAV vorgesehen. Die Bereitstellung der Verbrauchsinformation hat nach der FFVAV ab dem 01. Januar 2022 für alle fernauslesbaren Zähler kostenlos und monatlich zu erfolgen. Die Bereitstellung der Verbrauchsinformation kann postalisch (als Standard) oder auf elektronischem Wege erfolgen. Auf Wunsch des Kunden ist die unentgeltliche elektronische Bereitstellung sogar verpflichtend. Eine Umrüstung sämtlicher Wärmemengenzähler WMZ ist bis zum 31. Dezember 2026 verpflichtend umzusetzen. Ein grober Überblick der Inhalte der FFVAV ist der folgenden Grafik zu entnehmen:

FFVAV - Zentrale Änderungen im Überblick
FFVAV – Zentrale Änderungen im Überblick

FFVAV – Smart Meter Gateway (SMGW)-Pflicht: ja oder nein?

Ein wesentlicher Knackpunkt bei der Umsetzung der FFVAV ist die Auswahl und Zulassung geeigneter Messtechnik. Hier schreibt die Verordnung fernauslesbare Messtechnik vor, die nach den Vorschriften der BSI funktioniert. Da es nur die technischen Richtlinien des BSI für das Smart Meter Gateway (SMGW) gibt, liegt die Vermutung nahe, dass eine SMGW-Anbindungspflicht von WMZ an das SMGW besteht. Allerdings lassen sich Abschnitte der FFVAV sowohl in die Richtung interpretieren, dass eine generelle SMGW-Pflicht besteht oder nur dann, wenn der Kunde dies wünscht bzw. sich der Fernwärmenetzbetreiber hierfür aktiv entscheidet.

Welche der beiden Auslegungen korrekt ist und wie die genaue Auslegung in der Praxis erfolgt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Am Markt sind bislang beide Varianten zu finden, sodass einzelne Häuser auf das SMGW warten oder bereits auf alternative Techniken, wie NB-IoT oder LoRaWAN, setzen.

Aus Kreisen des BSI bzw. der zuständigen Ministerien ist die grundsätzliche Tendenz zu erkennen, das SMGW zu einer Art „Energiewirtschaftlicher Bundesrouter“ weiterzuentwickeln, der alle Energiedaten sicher transportiert. Perspektivisch ist es also wahrscheinlich, dass die WMZ an das SMGW angebunden werden müssen. Hierzu haben wir eine Anfrage an das BSI mit der Bitte einer Stellungnahme zur FFVAV und der Interpretation der SMGW-Pflicht gestellt, bislang ohne Rückmeldung.

Definitiv besteht aber die Pflicht für den Kunden, welche nach § 6 MsbG (Liegenschaftsmodell) einen Anschluss des WMZ an das SMGW verlangen. Neben der noch etwas unklaren Auslegung der neuen Rechtslage besteht zudem die Frage, welche weiteren Hindernisse bei dem Einsatz der Anbindung von WMZ an das SMGW bestehen und wie mögliche Handlungsoptionen für Fernwärmenetzbetreiber aussehen können.

FFVAV: Handlungsoptionen zur kurzfristigen Umsetzung

Durch die Pflicht zum Einbau fernauslesbarer Zähler ab dem 5. Oktober 2021 ist der laufende Turnuswechsel zu unterbrechen und anzupassen. Unter Berücksichtigung der Unklarheiten bzgl. des SMGW stehen jedem Fernwärmenetzbetreiber zwei Optionen zur Verfügung, wie eine kurzfristige Umsetzung der FFVAV erfolgen kann.

In der ersten Option wartet der Fernwärmenetzbetreiber auf das SMGW bis zu dem Zeitpunkt, wo eine Anbindung technisch möglich ist. An dieser Anbindung arbeiten bereits erste Hersteller, es ist jedoch davon auszugehen, dass dies noch nicht für jeden fernauslesbaren WMZ gelten wird. Der Turnuswechsel ist so lange unterbrochen, bis die technische Anbindung realisiert werden kann. Je länger der Prozess des Wartens jedoch dauert, desto schneller muss am Ende eine Umrüstung der gesamten Messtechnik bis zum 31.12.2026 erfolgen. Hinzu kommt die Problematik, dass die Messwerte der WMZ über die sternförmige Marktkommunikation verschickt werden müssten. Es mangelt aktuell aber an den standardisierten Marktprozessen für diesen Bereich, welche bislang nur für die Sparten Strom und Gas umgesetzt wurden. So lange ist eine Abrechnung von WMZ am SMGW schwer möglich, vor allem dann, wenn es sich bei dem iMSB nicht um den eigenen MSB im integrierten EVU handelt.

Da die Erstellung von einheitlichen, standardisierten Marktprozessen selten in wenigen Wochen erfolgt, ist mit einer weiteren Verzögerung bis zum Einsatz der intelligenten Messsysteme für WMZ zu rechnen. Da viele FVU ihren jährlichen Turnuswechsel bereits durch Corona pausiert haben, würde bei einem weiteren Aussetzen des Turnuswechsels die Anzahl der WMZ mit abgelaufener eichrechtlicher Zulassung steigen. Ob diese Zähler weiterhin abgerechnet werden dürfen, ist dabei stark anzuzweifeln.

Aus diesem Grund bedarf es einer Übergangstechnologie (die ggf. zu einem späteren Zeitpunkt vollständig zugelassen werden könnte), welche das FVU einsetzen sollte, um die Anforderung der Fernauslesbarkeit der FFVAV einzuhalten und eine monatliche Bereitstellung der Verbrauchsinformationen zu gewährleisten. Sobald Klarheit über den genauen Einsatzpunkt und des Umfangs der WMZ-Anbindung an das SMGW herrscht, sowie die standardisierten Marktprozesse vorliegen, kann mit der flächenmäßigen Anbindung begonnen werden.

FFVAV – Mögliche Übergangstechnologien

Die Auswahl der geeigneten Übergangstechnologie zur Fernauslesung von WMZ sollte möglichst in die automatisierten Abrechnungsprozesse integriert werden, um den manuellen Aufwand, gerade in Anbetracht der monatlichen Bereitstellung von Verbrauchsinformationen, gering zu halten. Hierbei bietet sich an, dass der Fernwärmenetzbetreiber auf bereits bestehende Technologien, wie z. B. die Auslesung über das Mobilfunknetz oder bereits durchgeführte Innovationsprojekte im Bereich der Zählerfernauslesung, zurückgreift. U. a. sind die Technologien LoRaWAN und NB-IoT bereits mit etlichen WMZ-Herstellern kompatibel.

Gerade zu Beginn ist von einem Technologiemix auszugehen, da sicherlich bereits ein Teil der WMZ des Fernwärmeversorgers aus der Ferne ausgelesen wird. Somit stellt sich für Fernwärmenetzbetreiber die Frage, welche Technologie weiter genutzt werden soll. Aufgrund der monatlichen Verpflichtung zur Bereitstellung von Verbrauchsinformationen bietet sich das Ablesen der WMZ über Walk-by-Lösungen weniger an, da es durch die entstehenden csv-Dateien höheren manuellen Aufwand bedarf, bevor die Messwerte dem Abrechnungssystem bereitgestellt werden können. Daher empfiehlt es sich auf das bestehende Mobilfunknetz zurückzugreifen und somit bereits vorhandene Infrastruktur zu nutzen. Da viele Fernwärmenetzbetreiber über ein eigenes LoRaWAN-Netz verfügen, ist der Einsatz von LoRaWAN-WMZ in der Startphase geeignet. Verfügt der Betreiber nicht über ein LoRaWAN-Netz oder bestehen erhebliche Abdeckungslücken, so kann als Alternative auf NB-IoT zurückgegriffen werden. Kunden die bereits die IoT-Plattform von Digimondo der items nutzen können hier mit ihrem System bei der Umsetzung aufsetzen. Parallel sollte aber intern schon mit den ersten Tests zur Anbindung von WMZ an das SMGW begonnen werden, um später über die nötige Praxiserfahrung zu verfügen.

FFVAV – Beispiel einer Rolloutstrategie

Die Rolloutstrategie hinsichtlich der Messtechnik ist individuell je Fernwärmenetzbetreiber zu bewerten, wobei ein mögliches Beispiel der folgenden Abbildung zu entnehmen ist. Im vorliegenden Beispiel erfolgt ein Großteil der Messwerterhebung analog. Ein geringer Teil wird über Walk-by-Lösungen oder die bestehende Zählerfernauslese (ZFA) ausgelesen. Mit dem Start der FFVAV entscheidet sich der Fernwärmenetzbetreiber für den Einsatz von LoRaWAN- und NB-IoT-WMZ sowie dem Ausbau der ZFA. In der Übergangsphase kommen dann erste intelligente Messsysteme hinzu. Zum Ende des Rollouts besteht dann ein Technologiemix aus WMZ mit einer SMGW-Anbindung sowie dem Einsatz von LoRaWAN- und NB-IoT-WMZ über das Jahr 2026 hinaus.

FFVAV Rolloutszenario
FFVAV Rolloutszenario

Die Abrechnung der Messwerte sollte stets automatisiert erfolgen, gerade mit dem Blick auf die Pflicht zur Bereitstellung monatlicher Verbrauchswerte. Aus diesem Grund ist die Kette von der Messtechnik, über die Aufbereitung der Daten, der Bereitstellung an das Abrechnungssystem, bis hin zur Rechnungsstellung an den Kunden im Gesamten zu betrachten. Gerade bei dem Einsatz von IoT-Zählern ist die Anwendung eines Zwischensystems erforderlich, welches die Daten aus der „IoT-Welt“ in die Sprache der ERP-Systeme zur Vorbereitung auf die Verbrauchsinformation bzw. Abrechnung übersetzt. Bei der items GmbH laufen hier bereits erste Projekte mit der Einführung der IoT-ERP-Bridge, die die Messwerte aus den IoT-Zählern dem Abrechnungssystem bereitstellt.

Synergiepotentiale im Blick behalten

Auch wenn die FFVAV eine kurzfristige und große Herausforderung darstellt, welche es bis Ende des Jahres zu bewerkstelligen gilt, sollte jeder Fernwärmenetzbetreiber nicht nur das Pflichtprogramm erfüllen, sondern auch die Mehrwerte im Auge behalten. Durch die Installation von fernauslesbaren WMZ im Netz steht dem Fernwärmenetzbetreiber eine deutlich höhere Datengrundlage zur Verfügung, welche er zur Optimierung des Netzes nutzen kann. In einem vergangenen Blogbeitrag haben wir zu diesem Thema ausführlicher berichtet. Im Kern befähigt die Informationen aber eine Datengrundlage, das eigene Fernwärmenetz zu monitoren sowie bestehende Wärmemengenprognosen zu verbessern, wie auch eine höhere Effizienz des Kraftwerkparks zu gewährleisten. So kann bereits kurzfristig Primärenergie eingespart und die Kosten des Netzbetriebs gesenkt werden.

Über ein entsprechendes Projekt gemeinsam mit den Stadtwerken Iserlohn u. a. zur Optimierung von Gaslastspitzen haben wir bereits in der Heat and Power berichtet. Da die Aufwände zur Zählerfernauslesung aus Sicht der Abrechnung die Marge eines Fernwärmenetzbetreibers mittelfristig sinken lassen, sollte bereits bei der Konzeption über die Nutzung der Daten zur Netzoptimierung nachgedacht werden, um zu einem späteren Zeitpunkt die Messtechnik nicht austauschen zu müssen.

Fazit zur Vorgehensweise

Fernwärmenetzbetreiber sind in Bezug auf die FFVAV in einer misslichen Lage. Durch die Unklarheiten hinsichtlich der SMGW-Anbindungspflicht und der fehlenden Marktprozesse zur Abrechnung ist ggf. keine Umsetzung möglich, welche nach dem BSI dem Stand der Technik entspricht. Ein Warten auf die SMGW-Anbindung sowie Marktprozesse würde im Zweifel zu viel Zeit in Anspruch nehmen, sodass sich dadurch der Rollout bis Ende 2026 massiv verkürzen müsste und schließlich die Aufwände enorm steigen. Zudem besteht die Gefahr, WMZ mit einer abgelaufenen Eichfrist im Netz zu haben, da der Einbau konventioneller WMZ untersagt ist. Alternativ ergibt sich der Einsatz von Brückentechnologien, welche aber ggf. nicht den Anforderungen des BSI entsprechen, dafür aber deren WMZ fernauslesbar sind, die DSGVO erfüllen und dessen Messwerte abrechenbar sind.

Um weiter handlungsfähig zu bleiben, scheint es daher ratsam, nicht auf das SMGW zu warten, sondern für mindestens das erste Jahr den Einsatz einer Brückentechnologie zu präferieren. Wenngleich die Konnektivitätslösung in Verbindung mit den WMZ zu einem späteren Zeitpunkt durch das SMGW abgelöst werden müssen, können die WMZ mindestens bis Ende 2026 im Netz bleiben. Durch die teilweise fehlende Anbindungsmöglichkeit an das SMGW und die noch zu definierenden Marktprozesse, wäre auch eine Argumentation denkbar, dass eine SMGW-Anbindung noch nicht dem Stand der Technik entspräche, womit der Einsatz von Brückentechnologien als zulässig anzunehmen wäre.

Aus diesem Grund raten wir unseren Kunden sich schnell und aktiv mit der FFVAV auseinanderzusetzen, geeignete Messtechnik als Brückentechnologie für mindestens die nächsten 12 Monate mit der Option eines längeren Weiterbetriebes auszuwählen sowie eine Anpassung der Abrechnung, welche die Messwerte automatisiert verarbeitet und dem Kunden die verpflichteten Informationen bereitstellt. Von einer manuellen Bearbeitung der Messwerte ist aufgrund des hohen Aufwands abzuraten.

Bei Fragen zu diesem Blogbeitrag und laufenden Umsetzungsprojekten zur FFVAV meldet euch gerne. Folgt auch gerne unserem Blog, wenn euch der Beitrag gefallen hat.

Grüne Fernwärmenetze – Die Herausforderung der Transformation der Wärmenetze

Grüne Fernwärmenetze: Klimaziele 2045

Die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft zur Erreichung der Klimaziele stellt eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft da. Nach dem neuen Klimaschutzgesetz bedeutet dies die Erreichung der Treibhausgasneutralität für Deutschland bis zum Jahr 2045. Eine gewaltige Herausforderung, wenn man einen Blick auf den aktuellen deutschen Primärenergiebedarf wirft, der gerade einmal zu ca. 20 % mit Erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Um in den nächsten gut 20 Jahren die Umstellung von 20 auf 100 % zu erreichen, ist eine grundlegende Transformation aller Energiesektoren erforderlich. Hierbei liegt der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung meist nur auf der Sparte Strom, die bereits mit über 50 % einen hohen EE-Anteil aufweist.

Ein Großteil des Energiebedarfs in Deutschland entsteht jedoch in den Sektoren Verkehr und Wärme. Neben dezentralen Heizungssystemen wurden in den letzten Jahrzehnten in Deutschland eine Vielzahl von Fernwärmenetzen errichtet, die eine Vielzahl von Verbrauchern über eine oder mehrere zentrale Wärmeerzeugungsanlagen mit Energie versorgen. Dabei erfolgt die Energieerzeugung meist konventionell. Zur Erreichung der Klimaziele ist jedoch auch im Bereich der Fernwärme eine Transformation hin zu grünen Fernwärmenetzen erforderlich.

Zur Erreichung von grünen Fernwärmenetzen stehen die Betreiber der Netze vor unterschiedlichen Herausforderungen und sind mit unterschiedlichen, lokalen Klimazielen über unterschiedliche Zeitachsen bis zum Jahr 2045 konfrontiert. Die Festlegung zur Erreichung der grünen Fernwärme erfolgt meist über einen Mehrebenenansatz. Zum einen über die Festlegung auf Bundesebene, dass der Enegiesektor bis 2045 keine Emissionen mehr ausstoßen darf, sowie auf lokaler Ebene, wo bereits schärfere Klimaziele gelten können.

Im Rahmen dieses Blogbeitrags wollen wir uns einmal näher anschauen, welchen strategischen und operativen Herausforderungen ein Fernwärmenetzbetreiber zur Erreichung des grünen Fernwärmenetzes gegenübersteht und welche ersten Projekte in der Kundenwelt der items GmbH umgesetzt werden.

Grüne Fernwärmenetze: strategische Herausforderungen

Auf strategischer Ebene stehen die Fernwärmenetzbetreiber vor mindestens drei verschiedenen Herausforderungen, die es zur Umsetzung eines grünen Fernwärmenetzes zu erreichen gilt. Wichtigster Baustein ist die Umstellung der meist noch konventionellen Erzeugung auf Erneuerbare Energien. Dies ist zum einen notwendig, um die Klimaziele auf bundes- oder lokaler Ebene zu erreichen, aber auch den stetigen Energiepreisanstieg für den Kunden zu begrenzen. Denn durch die Einführung eines steigenden CO2-Preises für den Sektor Wärme mit der Einführung des BEHG im Jahr 2021 ist für jede emittierte Tonne CO2 ein Aufschlag auf den Energiepreis zu erheben. Steigende CO2-Zertifikatspreise, verbunden mit einer konventionellen Wärmeerzeugung führen demnach zu jährlich steigenden Preisen. Die Umstellung auf Erneuerbare Energien ist somit ein Muss, auch um die steigenden Kosten der Letztverbraucher zu begrenzen.

Eine der meistgestellten Fragen auf den Weg zu grünen Fernwärmenetzen ist jedoch, wie die Umstellung auf Erneuerbare Energien erfolgen soll. Als Erzeugungstechnologien stehen den Fernwärmenetzbetreibern meist Solarthermie-, Biogasanlagen und Wärmepumpen in Form von Geothermieanlagen zur Verfügung. Für größere Solarthermieanlagen, die ein konventionelles Kraftwerk ersetzen müssen, fehlen jedoch meist die Flächen. Ähnliches gilt für Biogasanlage, die über ausreichend Anbauflächen für die Bereitstellung des Substrats verfügen müssen. Da sich Fernwärmenetze aber meist im städtischen Raum befinden, ist eine ausreichende Fläche Mangelware. Tiefen-Geothermie ist hingegen sehr kapitalintensiv und Bedarf langer Vorstudien, um geeignete Punkte zur Erzeugung der Wärme zu finden.

Eine Alternative könnte auch die Nutzung von Abwärme aus dem Industriebereich darstellen, die jedoch nicht in allen Netzgebieten ausreichend vorhanden ist. Somit stehen viele Fernwärmenetzbetreiber vor der Herausforderung, über wenige bis keine Optionen zur Umstellung auf Erneuerbare Energien zu verfügen. Somit steht das Thema der Energieeffizienz im Vordergrund, um durch geringeren Wärmebedarf eine geringere Erzeugungsleistung zu erzielen. Hierfür ist es wichtig, das Fernwärmenetz transparent zu machen und den operativen Betrieb zu optimieren.

Herausforderungen für Fernwärmenetzbetreiber

Grüne Fernwärmenetze: operative Herausforderungen

Das Grundproblem der Fernwärme stellt die in der Praxis oft noch fehlende Informationsbasis dar. Das Fernwärmenetz wird meist als Blackbox betrieben. Informationen gibt es häufig nur an den Erzeugungspunkten und an einzelnen ausgewählten Messpunkten im Netz. Ein Monitoring aller Wärmeübergabestationen und Werte der Vor- und Rücklauftemperaturen findet nicht statt. Aus diesem Grund steuern Fernwärmenetzbetreiber ihre Netze meist blind und oft mit zu hohen Vorlauftemperaturen (auch um die Bildung von Legionellen im Netz zu verhindern), wodurch der Primärenergiebedarf steigt. Grüne Fernwärmenetze können jedoch nur erreicht werden, wenn die Energieeffizienz des Netzes massiv gesteigert wird.

Ein Absenken der Vor- und Rücklauftemperaturen, wie auch eine Minimierung der Hilfsenergiekosten, wie z. B. den Stromeinsatz für die Pumpen, sind auf das Minimum zu reduzieren, das eine Versorgungssicherheit des Kunden weiterhin sicherstellt. Voraussetzung hierfür ist der Ausbau von Sensoren im Netz und das Monitoren wichtiger Assets wie z. B. Wärmemengenzähler, die bislang nur einmal pro Jahr im Rahmen der Verbrauchsmengenermittlung zur Erstellung der Abrechnung ausgelesen werden. Die zusätzlichen Informationen können z. B. in Form einer Wärmemengenprognose genutzt werden, um die richtige Erzeugungsleistung für den jeweiligen Tag bereitzustellen. Aber es können auch die Auswirkungen von sich verändernden Anschlussleistungen auf die Effizienz des Wärmenetzes analysiert werden. Die neue AVBFernwärmeV gibt dem Kunden das Recht, seine Anschlussleistung selbst zu minimieren.

Durch eine Analyse des Wärmebedarfs und das Monitoring der Wärmemengenflüsse in Echtzeit wird es zum einen ermöglicht, eine Produktionsoptimierung durchführen, die Gaslastspitzen vermeidet und so effektiv Netzentgelte einspart, und zum anderen Erzeugungsanlagen im Sektorenkopplungsbereich besser zu vermarkten, indem die Wärme- und Stromerzeugungskapazitäten unter Berücksichtigen der Preissignale und Gestehungskosten miteinbezogen werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, das Netz auf Leckagen zu analysieren, um den Verlust von Wärmeenergie zu vermeiden, aber auch die Kosten für die zusätzliche Aufbereitung des Wassers als Transportmedium zu senken.

Grüne Fernwärmenetze: Zwischenfazit

Unter Betrachtung der strategischen und operativen Herausforderungen ist die Umstellung konventioneller Fernwärmenetze auf grüne Fernwärmenetze eine vielschichtige Herausforderung und abhängig von den lokalen Gegebenheiten. Einzelne Fernwärmenetzbetreiber verfügen über die Kapazitäten, größere EE-Erzeugungsanlagen zu errichten oder industrielle Abwärme im großen Maßstab zu benutzen, andere aber nicht. Grundvoraussetzung für grüne Fernwärmenetze ist jedoch immer das Auflösen der Blackbox Fernwärme und die Generierung zusätzlicher Informationen, so dass ein Echtzeitmonitoring der Wärmemengenflüsse ermöglicht wird. Die Steigerung der Energieeffizienz bildet eine zentrale Grundlage zur Erreichung grüner Fernwärmenetze, da ein geringerer Primärenergiebedarf mit einer geringeren EE-Erzeugungsleistung gedeckt werden kann.

Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung sich zum aktuellen Zeitpunkt noch auf die Sparte Strom konzentriert, ist davon auszugehen, dass sich dies im Zuge der erforderlichen Transformation des gesamten Energiesystems in Deutschland auf die Fernwärme erweitern wird. Kommunale Beschlüsse, dass ein Mindestanteil grüner Fernwärme bis 2030 erreicht werden muss, nimmt tendenziell eher zu. Darum ist es bereits heute erforderlich, dass sich Fernwärmenetzbetreiber damit beschäftigen, wie in den nächsten Jahren das Ziel eines grünen Fernwärmenetzes erreicht werden kann. Gerade unter dem Blickwinkel der langen Investitionszyklen im Bereich Fernwärme sind Investitionsentscheidungen bereits heute unter dem Aspekt der Klimaneutralität zu treffen. Entsprechend neuer gesetzlicher Anforderungen, wie z. B. die FFVAV, welche die verpflichtende Fernauslesbarkeit von Wärmemengenzähler vorsieht, sollte bereits heute so geplant werden, dass nicht nur die Abrechnung in einer höheren Frequenz erfolgt, sondern die zusätzlichen Daten zur Optimierung des technischen Betriebs des Netzes genutzt werden.

Ausblick in die Praxis

In der Praxis sind im Bereich der Fernwärme unterschiedliche Strategien der Fernwärmenetzbetreiber hin zu grünen Fernwärmenetzen zu beobachten. So setzen größere Fernwärmenetzbetreiber wie Vattenfall in Berlin auf den Einsatz von Smart Metern, Wasserstofferzeugungsanlagen und die Nutzung von Abwärme im größeren Maßstab. Dies ist jedoch mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Viele Fernwärmenetzbetreiber stehen jedoch noch vor der Aufgabe und der Ausgangsfrage, wie sinnvoll mit einer Optimierung der Fernwärmenetze begonnen werden kann.

Im Kundenkreis der items GmbH sind vor allem Projekte im Bereich des Echtzeitmonitorings zu beobachten, um im ersten Schritt die Transparenz im Fernwärmenetz zu steigern. So setzen bereits einige Kunden LoRaWAN-Wärmemengenzähler ein, um die Anforderungen der FFVAV zu erfüllen und gleichzeitig die Daten zur Netzoptimierung zu nutzen. Mit den SW Iserlohn wurde 2021 ein umfangreiches Softwareentwicklungsprojekt mit dem Namen Grid Insight: Heat durchgeführt, das Daten aus unterschiedlichen Systemen konsumiert und den Stadtwerken eine Wärmemengenprognose sowie Produktionsoptimierung bereitstellt. Durch die Vermeidung von Lastspitzen und die Erstellung von Erzeugungsfahrplänen auf Basis der Prognosen und Kostenfunktionen konnten bereits früh Einsparungen im höheren Bereich erzielt werden. Die zusätzliche Bereitstellung einer Monitoringlösung unterstützt dabei den Transformationsprozess.

Insgesamt hat sich in den letzten 12 Monaten bei unseren Kundenprojekten im Bereich Fernwärme gezeigt, dass eine Vorgehensweise zur Steigerung der Transparenz im Fernwärmenetz, verbunden mit zusätzlichen Werkzeugen wie einer Wärmemengenprognose oder Produktionsoptimierung, einen ersten guten Schritt zur Erreichung des Ziels grüne Fernwärmenetze darstellt. Der Primärenergiebedarf kann gesenkt und ein besseres Netzverständnis erreicht werden, auf dessen Basis Investitionsentscheidungen für die Erreichung eines grünen Fernwärmenetzes getroffen werden können.

Über das Projekt Grid Insight: Heat werden wir demnächst in einem weiteren Blogbeitrag berichten. Bei Fragen zu diesem Blogbeitrag meldet euch gerne. Wenn euch der Artikel gefallen hat, abonniert gerne unseren Blog.