Zeitvariable Netzentgelte etablieren sich am Markt – Ausblick auf 2026
Vorhang auf: Nachdem im letzten Jahr die Generalprobe lief, tritt das Netzmanagement mit dem „Modul 3“ in eine neue Dramaturgie ein.
Nicht mehr nur technische Eingriffe sollen perspektivisch Lastspitzen glätten, sondern marktliche Anreize mit Hilfe von zeitvariablen Netzentgelten. Ziel ist es, über Preissignale Anreize zu schaffen, den Strombezug zeitlich zu verschieben und dadurch Lastspitzen im Netz zu vermeiden. Das Zusammenspiel von Netzentgeltsignalen, Strompreisen und Flexibilitätsdiensten wird damit komplexer, aber auch marktnäher.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das: Wer sein Auto oder seine Wärmepumpe nachts „auf die Bühne“ schickt, spart bares Geld. Voraussetzung bleibt jedoch die passende Technik und eine Steuerung, die weiß, wann der Vorhang aufgeht.
Für Netzbetreiber eröffnet sich ein neues Kapitel „passiver“ präventiver Netzführung, denn Modul 3 wirkt wie ein „Regiehinweis“ an Millionen dezentraler Akteure, den Strom dann zu beziehen, wenn die Bühne leer ist, also bei geringer Netzauslastung.
Für den Markt schließlich entstehen neue Rollen: Ladeinfrastrukturbetreiber und Anbieter dynamischer Tarife können Modul 3 in ihre Modelle integrieren. Damit wächst die Schnittmenge zwischen Regulierung und Marktmechanik. Dies deutet auf ein neues Ensemble, das künftig enger zusammenspielen muss.
Modul 3 braucht keine Souffleuse mehr, flüstert aber gern über Preise
Seit dem 15. Oktober haben wir Einblick in den zweiten Akt der zeitvariablen Netzentgelte. Hintergrund: Der § 14a EnWG, der steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen, Speicher oder Wallboxen regelt, bietet drei Möglichkeiten der Netzentgeltreduzierung als Ausgleich dafür, dass die jeweiligen Anlagen im Falle eines Netzengpasses seitens der Netzbetreiber gedimmt werden könne. Nachdem die Module 1 und 2 als pauschale bzw. anteilige Netzentgeltreduzierung bereits in einer Einführungsphase umgesetzt wurden, folgte mit dem 01. April 2025 ein weiterer Schritt mit dem Modul 3, das zeitvariable Netzentgelte einführte. Dafür haben die Netzbetreiber bereits im Oktober letzten Jahres mit der Veröffentlichung ihrer vorläufigen Preisblätter Preisindikationen für 2025 gesetzt.
Modul 3 ist nur umsetzbar in Kombination mit dem pauschalen Modul 1. Voraussetzung ist ein intelligentes Messsystem, das eine stundenscharfe Erfassung der Verbräuche erlaubt.
Konkret führt Modul 3 drei verschiedene Tarifstufen ein: Hochtarif (HT), Standardtarif (ST) und Niedertarif (NT). Diese Zeitfenster legen die Netzbetreiber eigenständig bereits im Vorjahr fest, so dass diese gut vorausplanbar sind. Der Hochlast- bzw. Niederlasttarif muss mindestens in zwei Quartalen des Jahres angewandt werden.
Zwischenapplaus: Preisblätter 2026 zeichnen ein ausdifferenzierteres Bild
Mit der Veröffentlichung der ersten vorläufigen Preisblätter zum 15. Oktober 2025 liegen nun konkrete Daten für das Abrechnungsjahr 2026 und damit erstmals belastbare Einblicke in die praktische Ausgestaltung dieses Instruments vor. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich die Struktur und Preislogik von den einzelnen Netzbetreibern ausgestaltet wird.
Um einen ersten Eindruck zu erhalten haben wir uns die zum 15. Oktober veröffentlichten vorläufigen Preisblätter der 12 größten Verteilnetzbetreiber angeschaut. Sie haben zusammen fast 45 % Marktanteil in Deutschland.
Wenn man exemplarisch die unterschiedlichen Tarifstufen im 3. Quartal 2025 und 2026 vergleicht, fällt auf, dass die Hochtarifstunden im Jahr 2026 deutlich günstiger sind als noch 2025. Während im Jahr 2025 die Spanne im HT noch bei 10 bis 17 ct pro kWh lag, werden für 2025 im gleichen Quartal für den HT über alle Netzbetreiber hinweg im Durchschnitt 8 bis 13 ct/kWh.:
Im Niedertarif lässt sich für 2026 ein geringerer Spread erkennen als im Vorjahr. War hier letztes Jahr noch eine Spanne zwischen 1 und 4 ct pro kWh veranschlagt, betrifft die Spannbreite für 2025 0,3 bis 2,3 ct pro kWh. Im Normaltarif pendelt sich ein Wert zwischen 4,3 ct und 7 ct pro kWh in 2026 ein, der 2025 noch bei 7 – 10 ct pro kWh.
Als Novum lässt sich feststellen, dass 2026 fast alle Verteilnetzbetreiber in jedem Quartal die drei Tarifstufen anbieten und damit einen ganzjährigen Ansatz fahren. Diesen Ansatz hat in 2025 nur ein Verteilnetzbetreiber angeboten. Interessant sind die im Vergleich unterschiedlich gewählten Zeiträume der einzelnen Tarifstufen über die 12 Verteilnetzbetreiber im Vergleich. Dies deutet auf eine individuelle Anpassung an die jeweilig erwarteten Netzzustände in den einzelnen Zeiträumen hin.
Saisonal fahren zum Beispiel die Bayernwerke und die Westfalen Weser Netz AG, in dem sie jeweils nur in Q2 und Q3 ein Modul 3 anbieten. Diese Unterschiede zeigen, dass die Netzbetreiber die Flexibilisierung zunehmend regional differenziert umsetzen. Im Durchschnitt der veröffentlichten Preisblätter liegen die Standardtarife zwischen 3,2 und 9,6 ct/kWh, der Hochlasttarif zwischen 5,5 und 14 ct/kWh.
Szenenwechsel: Noch nicht alles Textsicher
So überzeugend die Inszenierung wirkt, einige Passagen im Drehbuch sind noch erklärungsbedürftig:
- Die Vielzahl regionaler Preislogiken erschwert Transparenz, Vergleich und Akzeptanz. Eine zentrale Übersicht der Preisblätter wäre ein Service für alle Beteiligten.
- Der Umbau von Abrechnungssystemen, OBIS-Kennzahlen und Tariftypen war (und ist) komplex. Viele Netzbetreiber stehen mitten im IT-technischen Feinschliff.
- Es fehlt noch an Praxisnähe, denn das Stück ist keine leichte Kost, sondern erklärungsbedürftig. Das kann eine Herausforderung für den Vertrieb sein, gleichzeitig aber auch eine große Chance für Kundenbindung und die Öffnung hin zu neuen Geschäftsmodellen.
Finale: Verdienter, wenn auch noch verhaltener Applaus
Mit der Veröffentlichung der ersten Preisblätter hat Modul 3 seinen Platz im Ensemble der Netzentgeltsystematik gefunden. Es ist kein Probelauf mehr, sondern ein operativ wirksames Steuerungsinstrument. Immer mehr Netzbetreiber wenden die zeitvariablen Entgelte ganzjährig an, die Zeitfenster werden konsistenter, und die ökonomischen Signale für Flexibilitätsnutzung klarer. Damit entsteht ein zunehmend belastbarer Rahmen für netzdienliches Lastmanagement und dynamische Stromtarife.
Die ZuschauerInnen dürfen gespannt sein auf die Analyse in 2026 im Hinblick auf die Anzahl der tatsächlich in Anspruch genommenen Modul 3-Vergünstigungen. Noch ist kein großer „Run“ zu erwarten, aber zumindest eine steigende Aufmerksamkeit für diese Option, bedingt auch durch die MiSpeL-Festlegung der Bundesnetzagentur, die im kommenden Jahr voranschreiten wird. MiSpeL steht für „Marktintegration von Speichern und Ladepunkten“, das Speichern und auch Ladepunkten seine Marktblindheit nimmt und neue Möglichkeiten der Teilhabe am Strommarkt eröffnet. Gleichzeitig nimmt auch das bidirektionale Laden immer mehr Fahrt auf, was ebenfalls attraktiv werden könnte.
Vielleicht ist das Schönste an dieser Inszenierung, dass sie keinen lauten Schlussapplaus braucht. Modul 3 wirkt im Hintergrund – als leiser Regisseur der Flexibilität. Ob es letztlich massentauglich wird, hängt von der weiteren Standardisierung und der Akzeptanz im Markt ab. Doch eines ist bereits jetzt absehbar: Der dritte Baustein des § 14a EnWG ist gekommen, um zu bleiben, als leiser, aber wirkungsvoller Taktgeber im Stromnetz der Zukunft. Seien wir also gespannt auf den nächsten Akt im Jahr 2026.


