In diesem Beitrag geht es um das Projekt ‘Provisionierungsprozess 2.0’, das im vergangenen Jahr umgesetzt wurde. Das Projekt nutzt nicht nur klassische Methoden des Data Warehousings, sondern zeigt auch innovative Einsatzmöglichkeiten eines SAP BW/4HANA auf, die über die üblichen Anwendungen in Reportingprojekten hinausgehen.
Unser Fokus liegt auf einem speziellen Fall eines Stadtwerks, das im Energievertrieb innovative Wege geht. In Zusammenarbeit mit externen Vertriebspartnern und Beratern vertreiben wir Strom und Gas an Haus- und Wohnungsverwaltungen. Die Berater erhalten Provisionen, die sowohl Festpreise als auch variable Bestandteile beinhalten. Mit zunehmender Anzahl von Verträgen und Beratern wurde der bisherige Prozess auf Excel-Basis fehleranfälliger und arbeitsintensiver.
Daher war es notwendig, den Provisionierungsprozess zu überarbeiten und zu systematisieren, um die Effizienz zu steigern und Fehlerquellen zu minimieren. Die Entscheidung fiel auf die Implementierung von SAP BW/4HANA, das sich durch die Fähigkeit auszeichnet, Daten effizient zu sammeln und zu verarbeiten. Diese Wahl ermöglichte es, schnell eine solide Datenbasis aufzubauen und den Prozess signifikant zu optimieren.
In diesem Beitrag werden wir detailliert auf den Auswahlprozess des Systems, die Herausforderungen bei der Datengenerierung und die erfolgreiche Realisierung des Projekts eingehen. Ebenso werfen wir einen Blick auf das Administrations-Cockpit, welches in der SAP Analytics Cloud (SAC) erstellt wurde und das Projekt elegant abrundet sowie zusätzliche Effizienzsteigerungen ermöglicht. Das Projekt umfasst nicht nur technische Expertise und innovative Lösungsansätze, sondern zeigt auch, wie durch Digitalisierung und Automatisierung im Energievertrieb neue Maßstäbe gesetzt werden können.
Das Ausgangsszenario und die Herausforderungen
Unser Kunde und Auftraggeber ist ein Stadtwerk, das im Energievertrieb für Geschäftskunden tätig ist und dabei mit externen Vertriebsagenten zusammenarbeitet. Diese werden intern als Berater bezeichnet und vertreiben im Namen des Stadtwerks Strom und Gas an Haus- und Wohnungsverwaltungen sowie ähnliche Unternehmen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Gas für Zentralheizungen in Mehrfamilienhäusern oder um den Gemeinschaftsstrom, wie etwa die Treppenhausbeleuchtung. Der bestehende Markt ist damit ausreichend groß, um das Interesse von Stadtwerken zu wecken. Die eingesetzten externen Berater erhalten Provisionen auf die abgeschlossenen Verträge, welche sich aus Festpreisen zusammensetzen, wie zum Beispiel einem festen Betrag pro Monat pro Vertrag, sowie variablen Bestandteilen, also Beträgen pro verbrauchte Kilowattstunde (kWh). Diese Provisionen werden jedem Berater im Voraus gezahlt. Nach spätestens einem Jahr wird anhand der Verbrauchsdaten der zugrundeliegenden Verträge eine Gegenrechnung mit den realen Verbräuchen gegen die vorab gezahlten Provisionen erstellt. Die daraus resultierende Differenz wird bei Mehrverbrauch zusätzlich ausgezahlt oder im anderen Fall eines Minderverbrauchs zurückgefordert. Diese Auszahlungen und Rückforderungen werden pro Berater für alle Verträge ermittelt und mit der Provision für das folgende Lieferjahr verrechnet.
Bisher wurden die Vertriebsprozesse mithilfe von Excel verwaltet. Dabei wurden manuell unterschiedliche Daten aus verschiedenen Quellsystemen zusammengeführt, wie beispielsweise Stammdaten zu Verträgen, Provisionen und Verbrauchsdaten. Obwohl dies am Anfang gut funktionierte, wurde der Prozess mit einem wachsenden Stamm an Beraterinnen und Verträgen instabil und arbeitsaufwändig. Die Aktualisierung der Daten nahm immer mehr Zeit in Anspruch und es schlichen sich vermehrt Fehler in die Berechnungen ein. Dies ist eine typische Folge von unüberschaubarem Datenvolumen und der Tatsache, dass der Faktor Mensch als Fehlerquelle einen immer größeren Anteil einnimmt. Es handelte sich hier um eine Vertragsanzahl in fünfstelliger Höhe, die von einem kleinen Team von zwei bis drei Mitarbeitenden administriert werden musste. Es war an der Zeit, den Provisionierungsprozess zu verbessern und dabei auf systemische Unterstützung zu setzen, um manuelle Aufwände erheblich zu reduzieren.
Auswahl des System-Fundaments und Entscheidung für BW/4HANA
Vor Projektbeginn musste entschieden werden, welches der verfügbaren Systeme als Basis für den neuen Prozess dienen sollte. Es gibt verschiedene Systeme mit jeweiligen Vor- und Nachteilen für die Prozessabbildung; letztendlich standen drei Systeme zur Auswahl. Auf der einen Seite gibt es das SAP CRM-System, in dem der Großteil der Stammdaten wie Verträge, Berater, Hausverwaltungen, Geschäftspartner und Provisionsdaten gepflegt werden. Auf der anderen Seite gibt es das SAP IS-U-System, in dem die Verbrauchswerte und Stammdaten zu Abnahmestellen etc. verwaltet werden. Beide Systeme sind transaktional, was bedeutet, dass Daten erfasst und neu generiert werden können. Auf der anderen Seite steht das SAP BW/4HANA als Vertreter der reportingorientierten Data Warehouse-Systeme (DWH). Es zeichnet sich dadurch aus, dass es die Daten aus den beiden genannten Systemen zusammenführen und aufbereiten kann. Allerdings haben DWH-Systeme grundsätzlich Schwierigkeiten bei der Datenerfassung, da dies nicht im Scope solcher Systeme liegt. Man hängt schließlich auch keine Anhängerkupplung an einen Ferrari. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile fiel die Entscheidung auf BW/4HANA. Die für die Prozessabwicklung notwendigen Daten lagen bereits vor, was viel Aufwand in der Datenbereitstellung sparte. Die Datenbasis konnte in wenigen Schritten aufgebaut werden.
Realisierung des Projekts und Aufbau der zentralen Datenbasis
Die Realisierung begann mit dem Aufbau der zentralen Datenbasis. Hier kann BW/4HANA seine Stärken ausspielen. Das Ziel ist es, Daten aus SAP CRM- und SAP IS-U-Systemen sowie anderen Quellen automatisiert zusammenzutragen und immer auf dem aktuellen Stand zu halten. Es existiert ein Regelwerk, nach dem die Daten in die Datenbasis einfließen. Wenn beispielsweise ein Vertrag im CRM die richtigen Attribute hat, wird er automatisch in die Datenbank eingetragen. Die Teammitglieder müssen die Stammdaten nicht mehr manuell in den Excel-Listen aktualisieren, was zu einer erheblichen Entlastung führt. Die Pflege der Daten in den Quellsystemen bleibt jedoch unverzichtbar. Auch die Verbrauchswerte zu den gültigen Verträgen werden nun täglich im BW/4HANA auf Basis der extrahierten IS-U-Daten ermittelt. Dadurch stehen jederzeit die aktuellen Verbrauchswerte auf Knopfdruck zur Verfügung. Für den erfahrenen DWH-Entwickler ist dies business as usual.
On-Demand-Provisionierungsprozess und Herausforderungen bei der Datenerzeugung
Die Gestaltung des Provisionierungsprozesses wurde interessanter. Der Prozess wurde als ‘on demand’ Prozess entworfen, der von den Teammitgliedern je nach Bedarf gestartet werden kann. Vor einem Lauf müssen die Parameter für einen Provisionslauf gepflegt werden. Es muss festgelegt werden, ob Folgeprovisionen oder Gegenrechnungen erzeugt werden sollen und für welchen Berater und welchen Lieferzeitraum dies erstellt werden soll. Wenn alle Parameter gesetzt sind, kann ein neuer Provisionslauf per Knopfdruck gestartet werden. Dieser ruft im BW/4HANA technisch eine Prozesskette auf, die je nach Parametersetzung neue Daten generiert. Die neu erzeugten Daten werden mit einer Lauf-ID versehen und sind so für die Teammitglieder leichter administrierbar.
Eine große Herausforderung bei der Datenerzeugung war die Abbildung der unterschiedlichen Gültigkeitszeiträume. Nehmen wir als Beispiel die Erstellung der Gegenrechnung auf Basis der Verbrauchswerte des letzten Jahres. Bevor ein gültiger Datensatz erzeugt werden darf, muss geprüft werden, ob der zugrundeliegende Vertrag überhaupt eine vollständige oder Teilgültigkeit im Lieferzeitraum des Vorjahres hat. War der Vertrag also überhaupt noch im Jahr 2023 (teilweise) gültig? Gab es unterschiedliche Provisionswerte? Zum Beispiel galt Provisionswert A bis Juni für den Verbrauch und ab Juli der Provisionswert B zuzüglich einer monatlichen Pauschale in Höhe von C. Zusätzlich werden die Verbrauchswerte scharf auf das Ablesedatum geprüft. Zum Beispiel Verbrauchswert X bis Juni für Verbrauchswert Y ab Juli zuzüglich einer monatlichen Pauschale in Höhe von Z. Zusätzlich werden die Verbrauchswerte scharf auf das Ablesedatum geprüft. Für volle Monate wird jeweils ein Datensatz erzeugt. Bei einer Ablesung innerhalb eines Monats werden zwei Datensätze erzeugt. Zu guter Letzt wird auch die Zugehörigkeit eines Beraters zu einer Abrechnung berücksichtigt. Wenn eine Hausverwaltung den Berater wechselt und der neue Berater auch den Tarif unseres Kunden anbietet, müssen die Werte bis zum Zeitpunkt X zunächst auf den alten Berater und anschließend auf den neuen Berater übertragen werden. Es ist wichtig, dass diese Daten auf sehr granularer Ebene erfasst werden, um maximale Transparenz und Nachvollziehbarkeit gegenüber den Beratern zu gewährleisten.
Es gibt noch weitere Aspekte, die berücksichtigt werden müssen. Es wird schnell klar, dass diese Leistung manuell nicht sehr skalierbar ist. Daher ist eine systemische Unterstützung für ein Wachstum unverzichtbar. Während der Generierung der Daten werden auch unterschiedliche Plausibilitätsprüfungen durchgeführt. Zum Beispiel werden keine Provisionswerte erzeugt, wenn die letzte Abrechnung zu einem Vertrag länger als 400 Tage zurückliegt. Aus meiner Sicht ist es sehr einleuchtend, dass die Berücksichtigung des gesamten Regelwerks bei der manuellen Arbeit auf Basis von Excel, gerade bei der Menge an Verträgen, nicht fehlerfrei möglich ist. Die Umsetzung des Projekts schafft dringend benötigte Abhilfe und ermöglicht es den Teammitgliedern, sich auf die Betreuung der Berater zu konzentrieren und den im BW/4HANA vorliegenden Daten zu vertrauen.
Administrations-Cockpit in der SAP Analytics Cloud (SAC)
Als zusätzliches Schmankerl für die AnwenderInnen, aber auch für mich als Entwickler, haben wir in der SAC noch ein Administrations-Cockpit erstellt, das als zentrales Arbeitsmittel aufgebaut ist und in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll. Es bietet die Möglichkeit, auf einer Seite einen Überblick über die Provisionsläufe zu erhalten, die Parameter für neue Läufe einzustellen und diese dann auch zu starten.
Auch die während eines Provisionierungslaufs gefundenen Fehler werden in einer Protokollansicht dargestellt. Dies ist auch für die BeraterInnen hilfreich, da sie bei fehlenden Abrechnungsdaten eigenständig aktiv werden kann, um sicherzustellen, dass diese in die Systeme eingespeist werden. Ohne Abrechnungsdaten gibt es auch kein Geld.
Hilfreich für die Team-Mitglieder ist auch die Vertragsakte, die transparent jeden einzelnen Datensatz bei eventuellen Nachfragen darstellen kann.
Erfolge und Ausblick
Das Projekt “Provisionierungsprozess 2.0” hat den Energievertrieb eines Stadtwerks durch die Kombination klassischer Data-Warehousing-Methoden mit den erweiterten Funktionalitäten von SAP BW/4HANA grundlegend verändert. Der Fokus lag dabei auf der Automatisierung und Optimierung der Vertriebsprozesse, die zuvor durch manuelle Excel-Prozesse eingeschränkt und fehleranfällig waren. Die Implementierung von SAP BW/4HANA ermöglichte einen strukturierten und automatisierten Prozess, insbesondere durch den “On-Demand”-Provisionierungsprozess, der eine effektive Verwaltung und Minimierung manueller Fehler ermöglicht.
Ein wesentlicher Erfolg des Projekts war die Überführung von individuellem Wissen, das in unübersichtlichen Excel-Tabellen gespeichert war, in ein standardisiertes und transparentes System. Dies führte zu einer erheblichen Entlastung der Fachabteilungen. Das in der SAP Analytics Cloud (SAC) entwickelte Administrations-Cockpit dient als zentrale Schnittstelle und steigert die Effizienz und Transparenz des Prozesses, was das Projekt zu einem Musterbeispiel für erfolgreiche Digitalisierung und Automatisierung in der Geschäftswelt macht.
Insgesamt hat mir dieses Projekt große Freude bereitet! Das liegt zum einen daran, dass das Projektteam wirklich gut zusammengearbeitet hat. Jedem Mitglied war die Wichtigkeit und die Komplexität der Aufgabe, aber auch die Aussicht auf die notwendige Entlastung und Optimierung der Datenqualität bewusst. Dieses Ziel vor Augen hat zu einer großen Motivation im Team geführt. Da arbeitet es sich immer schöner. Zum anderen zeigte dieses Projekt mir und hoffentlich auch Ihnen als Leser, wie flexibel und mächtig ein BW/4HANA ist, wenn man ein bisschen über den klassischen Tellerrand aus Reporting und Planung hinausschaut. Gerne mehr davon! 😊