Novellierung Strom- und GasGVV: EnWG-Novelle als Antreiber
Anfang August hat der Gesetzgeber den Referentenentwurf zur Änderung der Strom- und GasGVV veröffentlicht, der bis zum 17. August diskutiert werden sollte. Nun soll die Neufassung der Strom- und GasGVV schnell auf den finalen Gesetzgebungsweg gebracht werden. Bedingt durch die Novelle des EnWG im Juni, die u. a. eine Anpassung der Energieverträge und z. T. Neuausgestaltung der Energieabrechnung zur Einhaltung der EU-Vorschriften für Sonderverträge, aber auch für die Grundversorgung vorsieht, findet nun mit der Neufassung der Strom- und GasGVV eine Umsetzung der Anforderungen der EnWG-Novelle in den entsprechenden Verordnungen zur Grundversorgung statt.
Im Rahmen der Neufassung werden zum einen Vorschriften zur Einhaltung der neuen Anforderungen des EnWG definiert und zum anderen neue Aufgaben und Pflichten für den Grundversorger, vor allem im Zusammenhang mit der Sperrung von Letztverbrauchern, festgelegt. Dies bringt die Notwendigkeit der Umsetzung neuer Prozesse für den Grundversorger bis zum 1. Januar 2022 mit sich. Aus diesem Grund wollen wir in diesem Blogartikel einen Blick auf die wesentlichen Änderungen der Neufassung der Strom- und GasGVV werfen.
Neufassung der Strom- und GasGVV: neues Wahlrecht für den Kunden
Eine wesentliche Änderung in der Neufassung der Strom- und GasGVV ist die Anpassung des Wahlrechts des Kunden hinsichtlich der Auswahl des Messstellenbetreibers. In der Vergangenheit wurde die Aufgabe des Messstellenbetriebs in der Grundversorgung grundsätzlich vom grundzuständigen Messstellenbetreiber im jeweiligen Versorgungsgebiet des Kunden übernommen. Der Letztverbraucher in der Grundversorgung hatte somit keine Möglichkeit, sich frei für einen Messstellenbetreiber seiner Wahl zu entscheiden. Anders sah dies bei Letztverbrauchern aus, die bereits einen Sondervertrag mit einem Energielieferanten abgeschlossen hatten. Hier besteht schon seit längerem die Möglichkeit, neben einem Energielieferanten den Messstellenbetreiber zu wählen.
Mit der Neufassung der Strom- und GasGVV haben nun auch Letztverbraucher in der Grundversorgung die Möglichkeit, sich frei für einen Messstellenbetreiber zu entscheiden. Somit können Letztverbraucher zwischen einem reinen Energieliefervertrag, bei dem der Grundversorger nicht die Aufgabe bzw. Auswahl des Messstellenbetriebs für den Kunden übernimmt, und einem All-inklusive-Vertrag, bei dem der Grundversorger sämtliche Aufgaben für den Letztverbraucher übernimmt, wählen.
Neufassung der Strom- und GasGVV: neue Anforderungen vor der Kundensperrung
Im Zuge der Neufassung der Strom- und GasGVV wurden die Anforderungen an den Grundversorger für die Sperrung eines Letztverbrauchers aufgrund ausstehender Zahlungen zum Schutz der Letztverbraucher noch einmal deutlich verschärft. Neu ist in diesem Zusammenhang die verpflichtende Zustellung einer Musterabwendungsvereinbarung vor Durchführung der Sperrung. Hier ist dem Letztverbraucher u. a. eine Ratenzahlung als Tilgungsoption anzubieten, durch die er eine mögliche Sperrung vermeiden kann. Auch sind verschiedene Zahlungsmethoden anzubieten.
Pflichtinhalte der Vereinbarung sind u. a. das Angebot einer zinsfreien Ratenzahlung und eine Weiterversorgung auf Basis eines Vorkassesystems. Aus Sicht der Strom- und GasGVV ist eine Ratenzahlung über einen Zeitraum von 6-18 Monaten als zumutbar für den Grundversorger anzusehen. Die Verpflichtung zum Versand einer Musterabwendungsvereinbarung gilt ab dem 1. Januar 2022.
Zusätzlich wurde in der Neufassung eine neue Festlegung getroffen, ab wann ein Grundversorger zur Sperrung des Letztverbrauchers berechtigt ist. Eine Sperrung ist demnach nur dann möglich, wenn der Letztverbraucher mindestens zwei Raten in Höhe des doppelten Abschlags im Verzug liegt, wenn es sich um mehr als 100,- € handelt oder wenn ein Verzug in Höhe eines Sechstels des Jahresvertrags vorliegt.
Um eine Sperrung zu vermeiden, sind allerdings in dem Schreiben zur Durchführung der Sperrung des Letztverbrauchers zusätzliche Informationen zur Abwendung der Sperrung oder zukünftigen Prävention anzugeben. Hierzu zählen Hilfsangebote zur Abwendung der Versorgungsunterbrechung, Inanspruchnahme von Vorauszahlungssystemen, Energieaudits und Energieberatung, staatliche Unterstützungsmöglichkeiten, Schuldnerberater etc. Die Ankündigung der Sperrmaßnahme ist nun nicht mehr 3 Tage vorab mitzuteilen, sondern 8 Werktage vorher. Die Mitteilung kann auf postalischem oder elektronischem Wege erfolgen. In §21 der Neufassung der Strom- und GasGVV ist außerdem neu definiert worden, ab wann ein Grundversorger dauerhaft eine Lieferstelle nicht mehr versorgen muss, wann also die Grundversorgung gekündigt werden kann.
Neufassung der Strom- und GasGVV: neues Prüfverfahren zum Schutz von Leib und Leben
Neben der Musterabwendungsvereinbarung wurden weitere Verschärfungen der Anforderungen an die Sperrung eines Kunden festgelegt. Im Detail sind diese im Referentenentwurf in §19 der Strom- und GasGVV geregelt. Vor die Durchführung einer Sperrung wurde eine neue Verhältnismäßigkeitsprüfung gestellt. Die Prüfung dient der Feststellung, ob Leib und Leben des Letztverbrauchers durch die Sperrung bedroht werden und eine Sperrung aus diesem Grund nicht durchgeführt werden kann. Ein möglicher Grund kann z. B. der Betrieb eines Beatmungsgeräts des Letztverbrauchers sein, das zwandsläufig elektrische Energie benötigt. Aus diesem Grund hat der Grundversorger in seinem Schreiben zur Sperrung des Kunden auf das Prüfverfahren für Leib und Leben hinzuweisen. Gibt ein Kunde einen Grund gegenüber dem Grundversorger an, warum eine Sperrung des Hausanschlusses nicht möglich ist, ist dies vom Versorger hinsichtlich der Gefährdungslage zu prüfen. Der Prüfprozess hat in der Praxis mit hoher Wahrscheinlichkeit manuell zu erfolgen und ist auf den Einzelfall bezogen durchzuführen.
Neufassung der Strom- und GasGVV: weitere kleinere Änderungen
Neben vielen kleinen Änderungen in der Neufassung der Strom- und GasGVV gibt es noch zwei wesentliche Punkte, die vom Grundversorger anzupassen sind. Wie schon bei Sonderverträgen sind nun auch Grundversorger verpflichtet, Hinweise zur Inanspruchnahme der Schlichtungsstelle Energie in ihren AGBs zu veröffentlichen. Bislang war dies in der Strom- und GasGVV noch nicht verpflichtend. Hinzu kommt die Möglichkeit des Letztverbrauchers, bei Zweifel an der Richtigkeit der Messergebnisse eine Prüfung des Grundversorgers zu verlangen. Der Grundversorger hat nach Bekanntgabe der Zweifel durch den Letztverbraucher die Richtigkeit des Zählers zu prüfen, ohne Erhebung einer Sicherheitsleistung durch den Grundversorger gegenüber dem Kunden. Hierdurch soll dem Letztverbraucher eine einfache Möglichkeit ohne finanzielle Hindernisse geboten werden, bei Zweifel an der Richtigkeit der erhobenen Verbrauchswerte die Prüfung durch den Grundversorger zu fordern.
Ein letzter Änderungspunkt der Neufassung der Strom- und GasGVV betrifft speziell die GasGVV. Demnach sind Grundversorger im Bereich Gas verpflichtet, die entstandenen Kosten nach dem nationalen Emissionshandel nach BEHG zukünftig auf der Energieabrechnung auszuweisen, um die Mehrkosten gegenüber dem Letztverbraucher transparent darzustellen.
Fazit zum Referentenentwurf
Mit Blick auf die Neufassung der Strom- und GasGVV und der geplanten Umsetzungspflicht ab 1. Januar 2022 haben Energieversorgungsunternehmen neben anderen Themen, wie der Umsetzung der EnWG-Novelle oder der FFVAV, eine weitere Aufgabe bekommen, die es bis Jahresende umzusetzen gilt. Allerdings handelt es sich wie Anfangs beschrieben momentan noch um den veröffentlichten Referentenentwurf zur Neufassung der Strom- und GasGVV, weswegen noch keine rechtlich bindende Umsetzung erfolgt ist. Da das Konsultationsverfahren hierzu aber bereits abgeschlossen wurde, ist von einer zeitigen Umsetzung, auch unter Berücksichtigung der Anpassung der Änderungen der EnWG-Novelle, auszugehen. In diesem Zuge haben Grundversorger mit Blick auf die geforderten Änderungen der Strom- und GasGVV mindestens vier neue Prozesse innerhalb des EVUs zu implementieren.
Hierzu gehört die Anpassung des Schreibens im Zusammenhang mit einer angedrohten Versorgungsunterbrechung. Hierzu zählt ergänzend der neue Prozess zur Zustellung der Musterabwendungsvereinbarung der Sperrung gegenüber dem Letztverbraucher. Darüber hinaus kommt der Aufbau des neuen Prüfprozesses zur Abwendung von Gefahr für Leib und Leben in Zusammenhang mit einer möglichen Sperrung des Kunden. Gerade die Durchführung der Einzelfallbetrachtung kann einen höheren Aufwand für das EVU bedeuten, um auch wirklich eine potenzielle Gefahr für den Letztverbraucher auszuschließen. Und zu guter Letzt sind die neuen Möglichkeiten zur Abwendung der Sperrung in Form von Ratenzahlung, verschiedenen Zahlungsmethoden o. ä. in die bestehenden Prozesse und Schreiben mitaufzunehmen.
Da sich das Jahresende unaufhaltsam nähert, empfiehlt es sich für Energielieferanten, sich zeitnah mit den Änderungen der Strom- und GasGVV zu beschäftigen und eine Anpassung der Prozesse vorzubereiten, um die neuen gesetzlichen Anforderungen ab dem 1. Januar 2022 einhalten zu können.
Bei Fragen zu diesem Blogartikel meldet euch gerne. Wenn euch dieser Beitrag gefallen hat, abonniert gerne unseren Blog.