Ausgangspunkt Netznutzungsverträge
Der Zugang zu den Energieversorgungsnetzen steht in Deutschland jedem Marktakteur und Netznutzer frei. Sicherzustellen ist dies durch den Netzbetreiber, welcher in seiner Rolle als Monopolist das Stromnetz betreibt. Um einen einheitlichen diskriminierungsfreien Zugang zum Stromnetz zu gewährleisten gibt die Bundesnetzagentur (BNetzA) Standard-Netznutzungsverträge heraus, welche von jedem Netzbetreiber zu verwenden sind. Die derzeitigen Netznutzungsverträge für den Bereich Strom gelten jedoch nur für die Netznutzung über den Stromlieferanten (Lieferantenrahmenvertrag) und für letztverbrauchende Stromabnehmer. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Netznutzungsverträge plant die BNetzA eine Einführung eines neuen Vertrages für den Bereich Elektromobilität, welcher die Rolle des Ladesäulenbetreibers nach dem jetzigen Entwurf der BNetzA maßgeblich ändern wird.
Die BNetzA ändert die Rolle des Ladesäulenbetreibers
Ausgehend von den geltenden Regelungen war die Rolle des Ladesäulenbetreibers in den letzten Jahren mit der Anpassung des EnWGs und der Einführung der Ladesäulenverordnung klar. Es handelte sich im juristischen Sinne um einen Letztverbraucher nach §3 Nr.25 EnWG. Jedoch streitet sich die Branche, ob diese Definition wirklich zutreffend ist. Denn ein Ladesäulenbetreiber leitet den Strom an den Ladesäulennutzer weiter, weswegen der eigentliche Verbrauch erst im Rahmen des Ladevorgangs im Fahrzeug stattfindet. Es ist somit nicht eindeutig zuzuordnen, ob es sich bei einem Ladesäulenbetreiber um einen Letztverbraucher, Lieferanten oder eine neue Marktrolle handelt. Die BNetzA greift diese Thematik durch die Erweiterung der Netznutzungsverträge auf und versucht die bisherige Regelung zu überarbeiten.
Ladesäulennutzer erhalten das Lieferantenwahlrecht
Die bisherige angenommene Fiktion, dass es sich bei dem Ladesäulenbetreiber um einen Letztverbraucher handelt, führt dazu, dass die Rechte des Ladesäulennutzers stark eingeschränkt werden. So bestimmt der Ladesäulenbetreiber als Letztverbraucher von welchem Lieferanten seine Ladesäule beliefert wird. Ein Auswahlrecht des Ladesäulennutzers besteht hingegen nicht. Durch die Neufassung des Netznutzungsvertrages soll sich dies jedoch ändern.
Zukünftig soll der Netznutzungsvertrag E-Mob zwischen dem Netzbetreiber und dem Betreiber des Ladepunktes zur Versorgung von Elektromobilen mit elektrischer Energie geschlossen werden. Dabei werden sämtliche Ladepunkte des Betreibers in einem Netzgebiet zu einem virtuellen Ladepunktnetz zusammengefasst. Die in Anlage 1 geführten Ladepunkte des Netznutzers sind die physikalische Übergabestelle (Netzkopplungspunkte) zwischen dem Energieversorgungsnetz des Netzbetreibers und dem nachgelagerten Ladepunktnetz des Netznutzers. Technische Anlagen, die sich hinter dem Netzkopplungspunkt befinden, sind nicht mehr Teil eines Netzes der allgemeinen Versorgung.
Sämtliche Stromflüsse, welche zwischen dem Ladesäulenbetreiber und dem vorgelagerten Netz geliefert werden, sind bilanziell auszugleichen und abzurechnen. Dafür hat jeder Ladesäulenbetreiber ein virtuelles Bilanzierungsgebiet zu bilden. Auf dieser Basis und durch den Einsatz von intelligenten Messystemen, welche ab 2021 notwendig werden, können die entnommenen Strommengen letztverbraucherscharf zugeordnet werden. So soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass in Zukunft der Ladesäulennutzer das Auswahlrecht an der Ladesäule erhält.
Die Bilanzierung läuft in Zukunft über die MaBiS
Die Bilanzierung der Strommengen erfolgt nach §3 Netznutzungsvertrag E-Mob zwischen dem Ladesäulenbetreiber und dem Netzbetreiber über die MaBis. Der Netznutzer hat sicherzustellen, dass die Summe der übermittelten Summenzeitreihen bilanzkreisscharf erfolgt. Die Daten sind somit zu jedem Zeitpunkt vollständig und einem Bilanzkreis zugeordnet. Der Ladesäulenbetreiber übernimmt demnach jederzeit die bilanzielle Verantwortung für die entnommenen Strommengen. Zur Festlegung der Leistungswerte sind an den Netzkopplungspunkten registrierte Lastgangmessungen durchzuführen.
Der Netznutzer zahlt in diesem Zusammenhang für die Leistung die Entgelte nach Maßgabe der geltenden Preisblätter §5 Netznutzungsvertrag E-Mob des Netzbetreibers. Die Netzkopplungspunkte gelten als Lastgangkunden. Durch die Integration der öffentlichen Ladepunkte in die MaBiS sind die Auswirkungen auf den Wettbewerb kritisch zu prüfen, da jeder öffentliche Ladepunktbetreiber verpflichtet wäre, einen eigenen Bilanzkreis zu führen und Teil der MaBiS zu werden. Dies würde sogar öffentlich zugängliche und von einem größeren Personenkreis genutzten Ladepunkte an z. B. Supermärkten oder Restaurants einschließen. Hier bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber Ausnahmen vorsieht oder der Netznutzungsvertrag E-Mob verpflichtend wird.
Viele Fragen bleiben offen
Durch die Integration von öffentlichen Ladepunkten in die MaBis zur Bilanzierung und Abrechnung von Ladepunkten bleibt die Frage offen, welche Rolle in Zukunft Roamingdienstleister bei der Abrechnung spielen werden. Ebenfalls ist zu klären, wie mit alten Ladepunkten umgegangen werden soll, welche nicht mit einem iMsys erweiterbar sind oder dessen Umrüstung aus Zeitgründen nicht bis zum 01.01.2021 erfolgen kann. Ebenso ist der Prozess der Rechnungsstellung zu klären.
Durch die Annahme, dass es sich bei dem Ladesäulenbetreiber um einen Letztverbraucher nach §3 Nr. 25 EnWG handelt, gewinnt der Rechnungsstellungsprozess an Komplexität. Bislang war nach §40 ff. EnWG eine Rechnung zwischen dem Lieferanten und dem Ladesäulenbetreiber notwendig. Durch das mögliche Auswahlrecht des Lieferanten müsste der Lieferant dem Ladesäulennutzer energiewirtschaftliche Rechnung im Sinne des EnWGs stellen. Fraglich bleibt, ob der Ladesäulenbetreiber die Rechnung als Intermediär an den Nutzer weiterleitet oder wie der Ladesäulenbetreiber seine Kosten an den Ladesäulennutzer weiterrecht. Im negativsten Fall wäre eine zweite Rechnung erforderlich. Natürlich ist aber auch die Entwicklung neuer Dienstleistungen möglich, welche die Pflichten des Ladesäulenbetriebs evtl. übernehmen.
Außerdem muss bereits an der Ladesäule ermittelt werden, ob der gewählte Lieferant des Ladesäulennutzers über einen Lieferantenrahmenvertrag mit dem Netzbetreiber verfügt, um den Ladepunkt mit Strom beliefern zu können. Der Konsultationsprozess für den Netznutzungsvertrag E-Mob soll zum 22. Juli 2020 abgeschlossen sein. Auf Basis der Ergebnisse bleibt abzuwarten, welche Änderungen am Netznutzungsvertrag E-Mob noch vorgenommen werden müssen. Gerade für Roamingdienstleister dürfte die Entwicklung spannend sein, welche Rolle diese in der Zukunft einnehmen werden. Auch wenn die Option für einen Ladesäulenbetreiber freiwillig sein sollte, dürfte die Umsetzung des Netznutzungsvertrages E-Mob spannend werden.