Die Wärmewende erzwingt die Zukunftsfrage der Gasnetze
Die Rahmenbedingungen für die Wärmewende dürften in den kommenden Wochen durch den Beschluss des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und der kommunalen Wärmeplanung durch das Wärmeplanungsgesetz gelegt sein. Eine große Frage dürfte aber weiter offen sein, trotz Beschluss der gesetzlichen Rahmenbedingungen: Was wird aus unseren Erdgasnetzen? Zwar wissen wir nicht, wie viel Erdgas oder grüne Gase wir am Ende brauchen werden, eines dürfte aber ziemlich sicher sein, die Gasinfrastrukturkapazitäten dürften sinken, da der Trend der Elektrifizierung anhalten dürfte.
Für Gasnetzbetreiber ergeben sich dazu eine Vielzahl von Fragestellungen, wenn es um den Weiterbetrieb, die Stilllegung und den Rückbau der Netze geht, da diese natürlich mit erheblichen finanziellen Auswirkungen verbunden sind.
Aus diesem Grund wollen wir in diesem Blogbeitrag uns intensiver mit potentiellen Fragestellungen beschäftigen, welche im Zuge der Erdgasnetzstilllegung und des ggf. notwendigen Rückbaus ergeben. Die potentiellen Fragen spiegeln sicherlich nur einen Ausschnitt des Themenkomplexes wider, sollen aber eine erste Grundlage bilden. Im Fokus hierbei stehen sicherlich die Fragen, wer die Stilllegung und den Rückbau zu verantworten haben, mit welchen finanziellen Auswirkungen auf Seiten des Energieversorgungsunternehmen sowie der Kommune zu rechnen ist, aber auch, zu welchen Konsequenzen die Stilllegung in anderen Energiesektoren führt.
Die Verantwortungsfrage der Erdgasnetzstilllegung und des Rückbaus
Die erste Ausgangsfrage, wenn es um die Stilllegung des Erdgasnetzes geht, dürfte sein, ob der Netzbetreiber und somit das Energieversorgungsunternehmen oder die Kommune verantwortlich ist. Eine Frage, welche in der Praxis nicht so einfach zu beantworten ist.
Allgemein gilt in Deutschland, dass der Rückbau eines Erdgasnetzes in der Regel Sache des Netzbetreibers oder des Eigentümers des Gasnetzes ist. Diese Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, sicherzustellen, dass die stillgelegte Infrastruktur ordnungsgemäß demontiert und zurückgebaut wird. Der Rückbau eines Gasnetzes muss in Übereinstimmung mit den einschlägigen Gesetzen, Vorschriften und Umweltauflagen erfolgen. Die genauen Verantwortlichkeiten und Prozesse können jedoch je nach den Umständen und den örtlichen Bestimmungen variieren. In einigen Fällen kann es auch erforderlich sein, behördliche Genehmigungen einzuholen und Umweltauswirkungen zu berücksichtigen, insbesondere wenn das Gasnetz in der Nähe von Umweltschutzgebieten oder sensiblen Gebieten liegt.
Wichtig für die Klärung der Verantwortungsfrage ist jedoch der Zeitpunkt, in dem dieser stattfindet und welche Abstimmungen individuell mit der Kommune im Konzessionsvertrag getroffen wurden. Findet eine (Teil-)Stilllegung während der Laufzeit der Konzession mit einem Netzbetreiber statt, dürfte die Stilllegung und der Rückbau in den Aufgabenbereich des Netzbetreibers fallen. Läuft die Konzession jedoch aus und steht im Anschluss die Stilllegung des Erdgasnetzes an, dürfte die Kommune als Eigentümer des Netzes in die Verantwortung gezogen werden, sofern keine individuelle Vereinbarung mit dem Netzbetreiber geschlossen wurde.
Auf der anderen Seite wäre es auch denkbar, dass wenn im KA-Vertrag nichts bzgl. Rückbauverpflichtung geregelt ist, hätte die Kommune immer noch den Beseitigungsanspruch nach §1004 BGB, zumindest während der Verjährungsfrist von 3 Jahren – das sollte als mögliches Risiko beim Netzbetreiber beachtet werden. Im Ergebnis gilt somit das Prinzip, dass die Ausgestaltung des Konzessionsvertrages zwischen Kommune und Netzbetreiber im Einzelfall zu prüfen ist.
Die Fragen der finanziellen Auswirkungen des Erdgasnetzrückbaus
Die Frage der Verantwortung für die Stilllegung und den Rückbau der Erdgasnetze dürfte eng mit den finanziellen Auswirkungen auf den Netzbetreiber, die Kommune und den Endkunden verknüpft sein. Aus der ganzheitlichen Sicht des Energieversorgungsunternehmens stellt sich sicherlich die Frage, welche Auswirkungen der Wegfall einer Kernsparte auf die Unternehmenszahlen sowie deren Bewertung haben wird. Auf der einen Seite bricht der Gasvertrieb in der Marktrolle des Lieferanten ggf. vollständig weg, sofern kein Umstieg auf grüne Gase erfolgt. Die Einnahmeausfälle müssten entweder durch neue Geschäftsmodelle in anderen Energiesparten (Strom / Wasser / Fernwärme) kompensiert werden oder es müsste auch über eine Verkleinerung des Unternehmens nachgedacht werden.
Auf der anderen Seite gehen dem Energieversorgungsunternehmen stabile Gewinne aus dem Netzbetrieb verloren, welche oft zur Quersubventionierung von Aufgaben der kommunalen Daseinsfürsorge (ÖPNV / Schwimmbäder etc.) genutzt werden. Kann das EVU die Ausfälle nicht kompensieren, dürfte die Kommune einspringen müssen oder die Kürzung des Leistungsspektrums in die Wege leiten.
Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass die heutige Gasnetzinfrastruktur ein hohes Sachanlagevermögen ausweist und wesentlich zur Stabilität der Bilanz der Unternehmensstruktur beiträgt. Ein Wegfall der Assets durch Sonderabschreibungen, durch die Stilllegung der Netze vor 2045 dürfte zu einer deutlichen Verschlechterung der Unternehmensbewertung führen. In der Konsequenz würde die Bonität der Unternehmen sinken und sich damit die Finanzierungsmöglichkeiten verschlechtern, sofern die Kommune neue Kredite nicht zusätzlich absichert.
Allerdings geht es bei der Betrachtung nicht nur um den Wegfall von Einnahmen oder dem Abschreiben von Anlagegütern, sondern auch um die Klärung der Anschlussfinanzierung des Rückbaus und die Bildung möglicher Rückstellungen. Aus Netzbetreibersicht dürften die Kosten des Rückbaus erheblich sein, wenn die gesamte Erdgasnetzinfrastruktur zurückgebaut werden müsste. Einzelne Expertenmeinungen gehen sogar von höheren Rückbau- als Errichtungskosten aus. In der Konsequenz müsste der Netzbetreiber schon heute Rückstellungen bilden.
Hier besteht jedoch zum einen das Problem, dass der heutige Regulierungsrahmen die Bildung von Rückstellungen für den Rückbau nicht (ausreichend) berücksichtigt und ggf. binnen kurzer Zeit hohe finanzielle Mittel erforderlich wären. Vor allem, wenn die Stilllegung deutlich vor 2045 erfolgen sollte. Die Einnahmen müssten über die Netznutzungsentgelte generiert werden, welche somit für die Endkunden weiter steigen würden. Die Frage der Anschlussfinanzierung ist somit ein wesentlicher Punkt aus Sicht aller Beteiligten, wenn es um die Stilllegung des Erdgasnetzes geht.
Die Netznutzungsentgelte dürften auch weiter für die verblieben Netznutzer steigen, wenn es zu einer Teilstilllegung des Gasnetzes kommen sollte, da von sinkenden Skaleneffekten auszugehen ist, wodurch die Netzkosten stärker auf die Nutzer umgelegt werden müssten. Auch ist zu klären, welche Auswirkungen eine Netzverkleinerung auf den Effizienzvergleich hätten oder wenn ein Gasversorger in das vereinfachte Verfahren rutscht (unter der Einnahme, dass der Regulierungsrahmen in der jetzigen Form fortgeführt wird).
Die Auswirkung der Stilllegung auf andere Energieinfrastrukturen
Die Verringerung der Anschlussnutzerzahlen und des Absatzvolumens von Gas wird zwangsläufig zu einer Verlagerung der Nachfrage auf andere Energieträger führen. Durch den Trend der Elektrifizierung, das politische Ziel des Fernwärmenetzausbaus sowie die Umstellung konventioneller Wärme hin zu erneuerbarer Wärme, wird zu einer stärkeren Belastung der anderen Energieinfrastrukturen führen. Die zusätzliche Beanspruchung der anderen Energieinfrastrukturen muss zeitgleich mit der Stilllegung der Erdgasnetze berücksichtigt werden.
Mit Blick auf die kommunale Wärmeplanung, dürfte dies vor allem die Niederspannungsnetze treffen, wenn es u.a. um den Ausbau der Wärmepumpen geht, aber auch die Erweiterung der Fern- und Nahwärmenetze, wenn es um den Umstieg auf erneuerbares Heizen geht. Auf der anderen Seite dürfte der Ausbau der Fernwärme dazu führen, dass Fernwärmenetzbetreiber ihre Bemühungen intensivieren müssen, die Quoten für erneuerbare Energien zu erreichen, da der Zuwachs der Nachfrage zu einem Mehrbedarf an Erzeugungskapazitäten führt. Da schon jetzt einige Versorger vor der Herausforderung stehen ihre Fernwärme grün zu produzieren.
Die Stilllegung der Erdgasnetzinfrastruktur ist somit kein in sich geschlossenes Thema, sondern die Auswirkung sind sektorübergreifend zu betrachten. Dies gilt auch bei einer Umstellung auf grüne Gase, welche zu einer Verringerung der Nachfrage in den Bereichen Strom und Fernwärme führen. Genauso kann die Herstellung von grünen Gasen aber auch zu einer zusätzlichen Netzauslastung führen, falls lokale Elektroylsekapazitäten vor Ort aufgebaut werden sollten.
Fazit
Die Stilllegung unserer Erdgaskapazitäten ist mit einer Vielzahl von Fragestellungen und potentiellen Auswirkungen verbunden, welche in der Praxis noch zu einigen Umsetzungsdiskussionen führen dürften. Erheblich aus Netzbetreibersicht dürften sicherlich die finanziellen Auswirkungen auf das Geschäftsmodell sein sowie die die Frage der Verantwortung der Stilllegung und des Rückbaus der Netze.
Insgesamt müssen sich die Kommunen als auch die Netzbetreiber intensiv mit der Ausgestaltung der bisherigen, aber auch der zukünftigen Erdgasnetze auseinandersetzen. Gerade mittelfristig mit Blick auf das Jahr 2045 dürfte es aus Sicht der Kommune immer schwieriger werden einen Netzbetreiber zu finden, welcher den Erdgasnetzbetrieb übernimmt und gleichzeitig die Verantwortung des Rückbaus. Schon jetzt ist am Markt zu beobachten, dass einzelne Kommunen nur noch einen Bewerber auf eine Gasnetzkonzession erhalten oder keine mehr. Findet sich ein Bewerber sichern sich diese Netzbetreiber bereits jetzt die Möglichkeit die Verantwortung des Rückbaus auf die Kommune zu verlagern. Die Kommunen wiederum gehen diese Vereinbarung ein, damit der Netzbetrieb noch gewährleistet bleibt und nicht selbst die Verantwortung übernehmen muss.
Die Netzbetreiber und Kommunen müssen jedoch nicht nur die Wende im Gassektor managen, sondern auch die Auswirkungen auf alternative Energieinfrastrukturen berücksichtigen. Daher dürfte vor allem die kommunale Wärmewende stark mit der Entwicklung der Gasnetze verknüpft werden. Hier gibt es jedoch Bedarf den Regulierungsrahmen (ARegV und Co.) stärker an die Wärmeplanung anzupassen, da z. B. eine vorzeitige Stilllegung vor 2045 nicht möglich ist, da die kalkulatorischen Abschreibungen nur maximal auf das Jahr 2045 auf Neuinvestitionen begrenzt sind. Ein schnelleres Abschreiben ist nicht möglich, weswegen der Anreiz für Gasnetzbetreiber gering ist.