Die kommunale Wärmewende – Fakten & Hintergründe  

14. Dezember 2022

Durch die Energie- und Klimakrise wächst der Bedarf an effektiven Konzepten und Maßnahmen zur Steigerung von Energieeffizienz und zur Dekarbonisierung der Strom- und Wärmeversorgung. Während im Stromsektor diesbezüglich bereits deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind, stagniert der Wärmesektor auf niedrigem Niveau. Zumal mehr als ein Drittel des gesamten Energiebedarfs in Deutschland zur Deckung des Wärmebedarfs in Gebäuden entfällt, ist das Dekarbonisierungspotenzial hier besonders groß. Da Wärme jedoch nicht beliebig weit transportiert werden kann, sind für die Dekarbonisierung des Wärmebereichs neben energiepolitischen Anpassungserfordernissen lokale Strategien auf Ebene von Kommunen, Ortsteilen, Quartieren und Gebäuden wichtig. Für Kommunen entstehen hieraus neue Planungserfordernisse, um unausgeschöpfte Effizienz- und Einsparpotenziale sichtbar zu machen, realistische Szenarien zu entwickeln und lokal abgestimmte Maßnahmen abzuleiten.  

(Geo-)Politische Hintergründe 

Im Zuge der Änderung des Klimaschutzgesetzes vom 31. August 2021 hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben mit Blick auf die europäischen Klimaziele verschärft und das Ziel der Treibhausneutralität auf 2045 vorgezogen. Bis 2030 sollen die Emissionen bereits um 65 % gegenüber dem Jahr 1990 sinken. Die Dekarbonisierung des Strom- und Wärmesektors wird hierbei als elementarer Baustein zur Erreichung der Treibhausgasminderungsziele hervorgehoben. Dies ist wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass energiebedingte Emissionen im Jahr 2020 etwa 83 % der deutschen Treibhausgas-Emissionen ausmachten. Anknüpfend an das Bundes-Klimaschutzgesetz wurden zahlreiche Beschlüsse und Reformpakete auf den Weg gebracht, welche die formulierten Ziele mit Maßnahmen konkretisieren. Insbesondere wird hierbei auf eine forcierte Nutzung von erneuerbaren Energien und eine Steigerung der Energieeffizienz durch sektorenspezifische Grenzwerte und Minderungsziele sowie verbindliche Vorgaben für den Ausstoß, Handel und Ausgleich von Emissionen abgezielt. 

Trotz ambitionierter Zielsetzungen wächst jedoch die Umsetzungslücke in der nationalen Energie- und Klimapolitik. Nach einem pandemiebedingten Abfall steigt der Energieverbrauch im Zuge einer wirtschaftlichen Teilerholung im Jahr 2021 gegenüber den Vorjahren wieder deutlich. Erstmals verzeichnete Deutschland zudem sogar einen Rückgang der erneuerbaren Energien im Strommix bei gleichzeitig deutlichem Anstieg der Treibhausgasemissionen. Zuletzt belastete der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine und der damit einhergehende Zusammenbruch von geopolitischen Handelsbeziehungen die ohnehin angespannte Lage auf den Energiemärkten erheblich. Große Preissprünge und Lieferengpässe auf dem Energiemarkt führten nicht nur zur Verunsicherung auf den Finanzmärkten und damit zu einer Verschlechterung des Investitionsklimas, sie machten auch auf schmerzliche Weise die immense Importabhängigkeit und Verwundbarkeit der europäischen Energieversorgung deutlich. Eine zeitnahe Abkehr von fossilen Energieträgern zur Verringerung der Abhängigkeit von Energieimporten wird somit auch als Faktor zur Erhöhung der Versorgungssicherheit wichtiger.   

Die Wärmewende als zentraler Baustein zur Erreichung der Klima- und Energieziele

Während die Energiewende bislang vorrangig eine „Stromwende“ war, hinken der Wärmesektor ebenso wie der Verkehrssektor weit hinterher. So heizt nach wie vor fast die Hälfte der deutschen Haushalte (49,5 %) mit fossilem Erdgas, ein weiteres Viertel (24,8 %) mit Heizöl. Bei den neu installierten Heizungen macht Erdgas sogar rund 70 % aus. Erneuerbare Energien machen in Wärmenetzen einen Anteil von knapp 18 % aus. Zum Vergleich: Der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor lag zuletzt bei 41 Prozent (2020: > 45 %).   

Mit einem Anteil von über 50 % am gesamten Endenergieverbrauch und 40 % an den energiebedingten CO₂-Emissionen, stellt der Wärmesektor in Deutschland einen zentralen Schlüsselbereich zur Substitution fossiler Energieträger dar. In den privaten Haushalten werden sogar über 90 % der Endenergie für Wärmeanwendungen verbraucht, im Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen über 60 % und auch in der Industrie hat Prozesswärme mit über 60 % den größten Anteil am Endenergieverbrauch. Analog zur Energiewende muss daher dringend die Transformation der Wärmeversorgungssysteme in den Fokus gerückt werden. Entscheidend hierfür ist ein Umbau der Wärmeversorgung auf Basis von erneuerbaren Energien, Energieeinsparungen und Energieeffizienz. 

Übersicht Endenergieverbrauch erneuerbarer Energien

Angesichts stetig wachsender Energiebedarfe, steigender Emissionen, hoher Preisvolatilität steht der Wärmesektor vor einem größeren Transformationsdruck. Dies betrifft nicht nur die Erschließung regenerativer Energieträger, sondern auch Technologien und Infrastrukturen für die Bereitstellung. Mit der Abkehr von fossilen Brennstoffen und dem damit einhergehenden Ausbau volatiler erneuerbarer Energien gehen zahlreiche neue Planungs- und Investitionserfordernisse einher. Diese betreffen neben kostenintensiven Sanierungen im Gebäudebereich insbesondere auch infrastrukturelle Anpassung der Wärmenetze zur Gewährleistung einer stabilen und zugleich klimafreundlichen Wärmeversorgung.

Jüngste geopolitische Ereignisse werfen zudem energiepolitische Fragen der Versorgungssicherheit und -gerechtigkeit auf und zeigen, dass bei einer Transformation der Energieversorgung neben technischen Aspekten immer auch räumliche, zeitliche, wirtschaftliche, soziale sowie kulturelle Dimensionen des Umbaus mitzudenken sind.  

Die Einbindung dezentraler, regenerativer Erzeugungsanlagen, neuer Verbrauchsarten (z. B. E-Mobilität), Energiequellen und Technologien (Stichwort: Power-to-X) sowie der Ausbau von Sektorenkopplung sind nur einige von vielen neue Anforderungen an eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung des lokalen Wärmenetzes, die eine umfassende Wärmewende zu einer komplexen und sektorenübergreifenden Aufgabe machen.

Nationale Umsetzung der Wärmewende hinkt hinterher 

Um den Umsetzungsstand der Energiewende im Wärmebereich zu beleuchten, ist neben der Betrachtung des Status Quo ein Abgleich mit Zielvorgaben des Bundesklimaschutzgesetzes (KSG) belangreich, welches nationale Klimaschutzziele und maximale Treibhausgasemissionsmengen für die einzelnen Sektoren festlegt. Auffällig ist, dass der Wärmesektor trotz seines hohen Anteils an Endenergieverbrauch und energiebedingten CO₂-Emissionen nicht als eigener Sektor mit eigenen Zielkorridoren aufgeführt wird, sondern lediglich als Schnittmenge insbesondere der Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Gebäude auftaucht. Minderungsziele für den Wärmebereich finden sich entsprechen in verschiedenen Gesetzen auf, u. a.: 

  • im Gebäudeenergiegesetz (GEG), das Ende 2020 die Energieeinsparverordnung (EnEV) ablöste, 
  • im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG), das im Januar 2009 in Kraft trat
  • im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) mit der CO₂-Bepreisung fossiler Energieträger 

Wie aktuelle Daten verdeutlichen, wird den klima- und energiepolitischen Zielsetzungen im Wärmesektor bislang zudem mit mäßigem Erfolg nachgegangen. Das im Energiekonzept 2010 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) formulierte Ziel, den Wärmebedarf in Gebäuden bis 2020 um 20 % gegenüber 2008 zu reduzieren, wurde nach einem Anstieg 2019 mit einem Minus von 10,9 % nur knapp zur Hälfte erreicht.  

Auch die Entwicklung der erneuerbaren Energien im Wärmesektor zeigte sich in den vergangenen Jahren noch wenig dynamisch, wie bspw. Daten zeigen, die die Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat) seit 2004 regelmäßig erfasst. Zwar stieg der Anteil erneuerbarer Energien für Wärme und Kälte im Jahr 2021 um 1,2 Prozentpunkte auf 16,5 %, jedoch wird die erneuerbare Wärmeversorgung stark von verschiedenen Formen der Biomasse dominiert. Von diesen macht die feste Biomasse – sprich Holz – und damit ein potenziell begrenzter, bedingt nachhaltiger Rohstoff den weitaus größten Anteil aus. Hierbei zeigen sich auch langfristige Pfadabhängigkeiten, die sich aufgrund jahrzehntelanger Anreize bildeten.  

Lokale Umsetzung der Wärmewende 

Bei der Suche nach Ursachen für eine mangelnde Zielerreichung fällt der Blick schnell auf die lokale Ebene, wo es bspw. gilt, die energetische Sanierung im Gebäudebestand voranzutreiben, dezentrale Energiequellen einzubinden, Abwärme-Potenziale zu erschließen und Wärme-Verteilnetze zu entwickeln.  

Im Vergleich zum Strommarkt ist die Wärmeversorgung jedoch wesentlich kleinteiliger und von heterogenen Akteuren und Infrastrukturen geprägt. Hinzu kommt, dass die Energiewende im Wärmebereich hierbei bislang überwiegend unter der Zielsetzung eines klimaneutralen Gebäudebestands durch energetische Sanierung diskutiert wird. Mit Sanierungsquoten, EE-Vorgaben für Heizungsanlagen oder Anreizprogramme für Renovierungsmaßnahmen werden fast ausschließlich öffentliche und private Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden als zentrale Akteure der Wärmewende adressiert. Neben vielen Millionen Gebäudeeigentümer:innen gibt es jedoch unzählige Möglichkeiten den Wärmebedarf zu decken – vom Ölkessel im Keller über Gasheizungen bis hin zur Wärmepumpe oder Solarthermieanlage. Nicht selten verlaufen die für die Wärmewende notwendigen Planungs- und Investitionsmaßnahmen vor Ort daher unkoordiniert und unabgestimmt. Gerade in Ballungsräumen, die naturgemäß von starken Interdependenzen geprägt sind, kommt es so zu ineffizienten Lösungen und unausgeschöpften Synergiepotenzialen. Ohne eine übergeordnete Koordinierung sind die bundespolitischen Zielsetzungen in Anbetracht der Komplexität lokaler Wärmesysteme somit kaum erreichbar. 

Die Ebene zwischen den zu erreichenden klima- und energiepolitischen Zielsetzungen und konkreten Maßnahmen – die Planungsebene – wo überordnete Vorgaben in lokalspezifische Zielpfade übertragen und kohärente, strategische Entscheidungen über die zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen getroffen werden, findet jedoch in der Bundespolitik bislang wenig bis keine Beachtung.  

Im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung sollte es hierbei den Kommunen obliegen, die Maßnahmen im Gemeindegebiet gemeinsam mit zentralen Akteuren im Gemeindegebiet zu koordinieren, bspw. mit rechtsverbindlichen Festsetzungen in Kommunalverfassungen, Gemeindeordnungen oder Bebauungsplänen. Bestenfalls geschieht dies auf Grundlage ausgereifter, sektorübergreifender Konzepte, die die jeweilige Situation vor Ort bestmöglich berücksichtigen und Planungs- und Investitionssicherheit für alle Akteure schaffen. 

Fazit  

Mit einem Anteil von über 50 % am gesamten Endenergieverbrauch und 40 % an den energiebedingten CO₂-Emissionen, stellt der Wärmesektor in Deutschland einen zentralen Schlüsselbereich zur Substitution fossiler Energieträger dar. Jedoch wird den klima- und energiepolitischen Zielsetzungen im Wärmesektor bislang nur mit mäßigem Erfolg nachgegangen.  

Bei der Suche nach Gegenstrategien wird schnell klar, dass der Weg zu einer nachhaltigen, bundesweiten Wärmewende nicht über pauschale Lösungen verläuft, sondern unweigerlich lokale Konzepte erforderlich sind, die örtliche Gegebenheiten und Akteure berücksichtigen und eine strategische Abstimmung zischen Einzelmaßnahmen ermöglichen. Aufgrund der heterogenen räumlichen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, mit denen jeder Haushalt und jede Kommune arbeiten muss und der föderalen Strukturen in Deutschland wird eine zentrale Steuerung durch den Bund wie im Stromsektor kaum möglich sein. Somit obliegt es den Kommunen, den Transformationsprozess vor Ort koordiniert zu gestalten und eine langfristige Planbarkeit zu schaffen.  

Anna-Lena Meiners

Projektleitung Digitale Kommune - Civitas Connect
Bereits während ihres Studiums der Stadt- und Regionalentwicklung hat Anna-Lena Meiners ihr besonderes Faible für transformative Prozesse in großen und kleinen Raumkulissen entwickelt. Neben und nach der Hochschulausbildung sammelte sie interdisziplinäre Erfahrungen im breiten Feld der räumlichen Planung sowie als wissenschaftliche Hochschulmitarbeiterin. Dies hilft ihr heute dabei, stets die vielfältigen planerischen, sozialen, technischen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen an unsere Lebensräume zusammenzudenken.Vor ihrer Tätigkeit bei items war sie in leitender Position in der Kommunalverwaltung tätig und verantwortete hier die Initiierung und Umsetzung verschiedenster "Smart City"-Projekte. Moderne Technologien als Vehikel für eine nachhaltige, integrierte Entwicklung von Kommunen und Regionen nutzbar zu machen, fasst Anna-Lena Meiners als wesentliche Zukunftsaufgabe auf und freut sich daher umso mehr diese aktiv begleiten zu dürfen.Seit August 2022 ergänzt sie als Projektleitung das Team des Vereins Civitas Connect mit kommunalen Themen und unterstützt die Mitglieder bei der Entwicklung innovativer Lösungen für lebenswerte Kommunen.