Die OPEX-Lücke bei der Finanzierung der Elektromobilität: Netzbetreibern drohen finanzielle Einbußen

Herausforderung Netzintegration der Elektromobilität

Der Durchbruch der Elektromobilität in der Gesellschaft steht unmittelbar bevor. Bedingt durch neue Förderprogramme und den Gesetzgeber als primären Förderer der Elektromobilität steht der Verkehrssektor vor einem zentralen Umbruch. Die neusten Zulassungszahlen und die Ankündigungen großer Automobilhersteller sollten auch den konservativsten Analytiker davon überzeugen, dass sich die Elektromobilität zu einem Grundpfeiler der alternativen Antriebstechnologien in Deutschland entwickelt.

Dabei stellt die Netzintegration der Elektromobilität eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre in der Versorgungswirtschaft dar. Verantwortlich hierfür sind vor allem die mehr als 900 Verteilnetzbetreiber in Deutschland. Diese haben sowohl die Integration als auch den Aufbau der Ladeinfrastruktur sicherzustellen und tragen einen Teil der Investitionskosten durch ihre Tätigkeit mit. Doch unter Berücksichtigung der geltenden Anreizregulierung steuern Netzbetreiber auf ein Kostendefizit im Bereich der Finanzierung der Elektromobilität zu. Dabei steht ein hoher Ausfall der OPEX-Kosten im Fokus. Daher möchten wir im Rahmen dieses Blogbeitrags erläutern, wie die Finanzierung der Kosten im Bereich Elektromobilität erfolgt, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können und wo die Probleme in der internen Unternehmensstrategie liegen.

Einflussfaktoren der Anreizregulierung auf die Elektromobilität

Grundsätzlich erwirtschaftet ein Netzbetreiber seine Einnahmen über seine betriebsnotwendigen Kosten, die durch den Letztverbraucher über die Netznutzungsentgelte (NNE) zu tragen sind. Im Kontext der Netzintegration der Elektromobilität ist jedoch zwischen verschiedenen Sachverhalten zu differenzieren.

Zum einen zwischen den kapitalgebundenen CAPEX-Kosten und den betriebsbedingten OPEX-Kosten. Aus diesem Grund ist zu betrachten, welche Auswirkungen die CAPEX- und OPEX-Kosten der Netzintegration auf den Verteilnetzbetreiber haben. Daneben ist zu untersuchen, wie und in welcher Form Baukostenzuschüsse (BKZ) für die Elektromobilität erhoben werden können. Ebenso sind die Auswirkungen hinsichtlich des Effizienzwertes zu betrachten. Eine historische Vorgehensweise von Netzbetreibern ist die Verstärkung des Netzes. Diese könnte sich jedoch langfristig auf den Effizienzwert auswirken, da das BMWi das Instrument der Spitzenlastglättung eingeführt hat, um die Kosten des Netzausbaus zu begrenzen.

Finanzierung der Elektromobilität über Baukostenzuschüsse

Die Finanzierung der Netzintegration der Elektromobilität ist über die Anschlusskosten und ggf. zusätzliche BKZ durch den Anschlussnehmer möglich. Die verbleibenden Kosten wären in diesem Fall über die NNE umzulegen. Dabei bilden die Anschlusskosten ein Lenkungsinstrument, um die Nachfrage des Anschlussnehmers nach zusätzlicher Leistung zu begrenzen. Die Erhebung von BKZ ist dem Netzbetreiber jedoch freigestellt.

Gemäß der Netzanschlussverordnung (NAV) sind dem Anschlussnehmer maximal 50 % der Kosten im Verteilnetz, die für die Durchführung einer Netzverstärkungsmaßnahme notwendig sind, in Rechnung zu stellen. Ein BKZ ist nur ab einer Leistung von 30 kW zulässig. Der Sockelfreibetrag von 30 kW bezieht sich hierbei auf das jeweilige Grundstück. Im Fall eines zweiten Netzanschlusses ist dieser dem bestehenden Anschluss des Grundstücks hinzuzurechnen, weswegen in der Regel auf einen zweiten Anschluss verzichtet wird.

Eine Finanzierung von Netzverstärkungsmaßnahmen über eine zusätzliche BKZ ist aus monetärer Sicht für einen Verteilnetzbetreiber unattraktiv, da diese als netzmindernde Erlöse gelten. Gemäß § 9 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) erfolgt die Abschreibung über 20 Jahre. Somit stellen BKZ eine kurzfristige Maßnahme zur Herstellung der Liquidität des Netzbetreibers da, sind jedoch nicht geeignet, um Wiederanschaffungsmaßnahmen zu finanzieren.

Finanzierung der Elektromobilität über die CAPEX-Kosten

Die regulatorischen Kapitalkosten stellen für einen Netzbetreiber das Herzstück der Finanzierung des eigenen Netzbetriebs dar. Da die Kapitalkosten nach der Anreizregulierung verzinst werden, sichern diese die langfristige Finanzierung des Netzbetriebs. Die CAPEX-Kosten, die zusätzlich durch die Netzintegration der Elektromobilität entstehen, fließen mit in die individuelle Erlösobergrenze (EOG) ein. Zusätzliche Investitionen nach dem Basisjahr fließen über den Kapitalaufschlag auch während der Regulierungsperiode mit ein. Eine Finanzierung der CAPEX-Kosten stellt für den Netzbetreiber somit kein Problem dar. Die Anerkennung der kalkulatorischen Kapitalkosten im Zusammenhang mit der Finanzierung der Elektromobilität sind somit ohne Zeitverzug anerkennungsfähig.

Finanzierung der Elektromobilität über die OPEX-Kosten

Die Betriebskosten des Netzbetreibers im Zusammenhang der Netzintegration für die Elektromobilität ist ebenfalls Teil der individuellen Erlösobergrenze. Allerdings können zusätzliche Betriebskosten, die nach dem Basisjahr anfallen, nicht im Laufe der Regulierungsperiode geltend gemacht werden.

Konkret bedeutet dies, dass die OPEX-Kosten im Gegensatz zu den CAPEX-Kosten nicht ohne Zeitverzug anerkennungsfähig sind. Steigende Betriebsausgaben sind erst zur nächsten Regulierungsperiode im nächsten Basisjahr anerkennungsfähig. Es gilt das Budgetprinzip für den Netzbetreiber im Zusammenhang mit der Planung der OPEX-Kosten. Somit gehen steigende OPEX-Ausgaben innerhalb einer Regulierungsperiode zu Lasten des Netzbetreibers.

Unter Berücksichtigung, dass in 2021 das nächste Basisjahr ansteht, drohen vielen Netzbetreibern für die kommenden Jahre finanzielle Einbußen. Viele Studien gehen von einer Hochlaufphase der Elektromobilität ab dem Jahr 2024 aus. Dies würde für den Netzbetreiber steigende Betriebsausgaben zur Integration der Elektromobilität bedeuten. Zusätzliche Ausgaben für den Steuerungs-, Planungs- und Monitoringbedarf sind somit nicht finanziert. Da das übernächste Basisjahr erst 2026 stattfindet und die darauffolgende 5. Regulierungsperiode erst 2029 beginnt, droht den Netzbetreibern eine OPEX-Lücke von mehreren Jahren!

Kostenanerkennung Netzintegration Elektromobilität Finanzierung
Kostenanerkennung Netzintegration Elektromobilität

Auswirkungen der Netzintegration auf den Effizienzwert

Zur Festlegung der individuellen EOG hat sich jeder Netzbetreiber, der sich nicht im vereinfachten Verfahren befindet, einem Effizienzvergleich nach §§12 bis 16 ARegV zu unterziehen. Auswirkungen auf den Effizienzfaktor und somit die EOG haben unterschiedliche Aufwands- und Strukturparameter, deren Festlegung zu jedem Effizienzvergleich von der Regulierungsbehörde neu erfolgt.

Bezüglich der Elektromobilität ist derzeit noch unklar, inwiefern sich die Netzintegration auf den Effizienzwert auswirkt. Daher ist zu prüfen, inwieweit der vorgezogene Aufbau eines nicht ausgelasteten Ladepunktes im Basisjahr Strom 2021 zu steigenden Werten auf Seiten der Aufwandsparameter führen kann, ohne dass dies auf Seiten der Vergleichsparameter (z. B. wenn die Jahresarbeit ein Parameter des Effizienzvergleiches wäre) seinen Niederschlag findet. Insbesondere bei öffentlicher Schnellladeinfrastruktur, die Leistungsanforderungen über 10 MW hat, kann dies der Fall sein und damit ein Lastmanagement erforderlich machen. Grundsätzlich sind Auswirkungen der Elektromobilität auf den Effizienzwert allerdings noch nicht absehbar. 

Maßnahmen gegen die OPEX-Lücke

Auf Grund der gerade erläuterten OPEX-Lücke sollten Netzbetreiber bereits ab dem Jahr 2021 mit der präventiven Planung bzgl. der Elektromobilität beginnen, um erste Aufwände in der 4. Regulierungsperiode anerkannt zu bekommen.

Ein erster wichtiger Meilenstein ist die Erhebung zusätzlicher Daten im Verteilnetz, um die langfristigen Auswirkungen der Elektromobilität abschätzen zu können. An welchen Stellen sind Schwerpunkte zu erwarten? Reicht die Kapazität heute aus? Dies sind nur zwei der vielen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Ausbau und der Finanzierung der Elektromobilität zu beantworten sind. Erste Projekte zur Erhebung zusätzlicher Informationen im Verteilnetz, wie z. B. die Überwachung von Trafostationen mittels LoRaWAN, sind somit aus Sicht des Regulierungsmanagements zu begrüßen. Neben der Erhebung der Daten sollten aber auch eigene Netzentwicklungsszenarien durchgeführt werden, um die Auswirkungen besser abschätzen zu können. Daneben bietet die Datengrundlage eine Basis, um gegenüber dem Anschlussnehmer dahingehend auskunftsfähig zu sein, ob die Umsetzung des von ihm gewünschten Ladepunktes möglich ist. Netzbetreiber sind nach § 19 NAV verpflichtet, hierüber binnen zwei Monaten Auskunft zu erteilen.

Neben der Datenerhebung und Analyse sollte es einen engen Austausch mit den jeweiligen Vertrieben geben, um vor allem den Vertrieb von Ladeinfrastruktur ohne Steuerungsmöglichkeiten zu verhindern. Da mittel- bis langfristig von einer hohen Ladepunktdichte auf einzelnen Verteilnetzsträngen auszugehen ist, ist von einer Erforderlichkeit von Steuerungstechnik zur Umsetzung eines netzweiten Lademanagements auszugehen. Die TAB eines Netzbetreibers ist umgehend anzupassen, sofern dies noch nicht erfolgt ist.

Darüber hinaus ist eine Digitalisierung der Prozesse des Netzbetreibers im zusammenhang mit der Elektromobilität zu empfehlen. So findet die verpflichtende Anmeldung von Ladepunkten oft manuell über ein händisch ausgefülltes Formular statt. Elektronisch gestützte Formulare, welche die Kommunikationseingangskanäle standardisieren, die internen Aufwände des Netzbetreibers und somit de OPEX-Kosten senken, sind zu empfehlen. Hier hat die items bereits ein Tool entwickelt, das Netzbetreiber im Mitteilungsprozess für Ladepunkte unterstützt.

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass Netzbetreiber in Bezug auf das Basisjahr 2021 schnellstmöglich tätig werden sollten. Das Ziel sollte sein einen Teil der OPEX-Kosten im Zusammenhang mit der Netzintegration der Elektromobilität anerkannt zu bekommen. Maßnahmen sollten zum einen eine Netzentwicklungsstudie zur frühzeitigen Erkennung von Schwerpunkten sein.

Ebenso sollte die Datenerhebung im Verteilnetz für die Argumentation der Auswirkungen der Elektromobilität gegenüber der Regulierungsbehörde angegangen werden, um Aussagen über die Auslastung des eigenen Netzes treffen zu können. items unterstützt hier bereits die ersten Kunden mit dem Monitoring von Trafostationen und KVS-Schränken, um eine erste Aussage bezüglich der Auslastung einzelner Netzstränge treffen zu können. Die Erzielung von Synergieffekten hinsichtlich des Projektes Redispatch 2.0 ist hier sicherlich möglich, was aber ebenfalls eine bessere Datenbasis zur Prognose der Netzkapazitäten benötigt.  

Die Standardisierung von Prozessen rund um das Thema Elektromobilität sollte ebenfalls jetzt angegangen werden, um die zusätzlichen OPEX-Kosten im Basisjahr 2021 ansetzen zu können. items bietet hier ein erstes Tool zur Registrierung von Ladepunkten und unterstützt Stadtwerke mit einer ganzheitlichen Beratung zur Ausarbeitung einer Elektromobilitätsstrategie. Denn diese sollte am Ende das Ziel eines jeden Stadtwerks sein:

Die Umsetzung einer eigenen Strategie, welche die Tätigkeiten des Vertriebs und des Netzbetreibers berücksichtigt, um mittelfristig auch finanziell vom Thema Elektromobilität profitieren zu können. Ein kurzfristiges Vorpreschen des Vertriebs z. B. in Form des Vertriebs nichtsteuerbarer Ladepunkteinrichtungen kann sich, wie in diesem Beitrag dargestellt, negativ auf das Finanzergebnis des Netzbetreibers und somit des gesamten Konzerns auswirken. Somit heißt es frühzeitig in die Umsetzung gehen, um die eigenen Kosten des Netzbetreibers anerkannt zu bekommen.