Passen dynamische Netznutzungsentgelte nicht zu größeren Industriekunden?

Im Zuge der Überarbeitung des Strommarktdesigns und der besseren Integration erneuerbarer Energien in das Niederspannungsnetz ist in den letzten Monaten eine Diskussion über die Überarbeitung der Netzentgeltsystematik entbrannt. Hintergrund ist die Diskussion, wie eine bessere Flexibilisierung der Nachfrage im Strommarkt gelingen kann, damit nicht ein volatiles Angebot auf eine unelastische Nachfrage trifft. Stattdessen streben Politik und Energiewirtschaft eine Flexibilisierung der Nachfrageseite an, damit Strom aus volatilen erneuerbaren Energien dann verbraucht wird, wenn er benötigt wird.

Einen Lösungsbaustein für eine flexiblere Nachfrage sieht die Politik in der Schaffung von Marktanreizen durch die Einführung dynamischer Netzentgelte und Tarife. Gerade in Stunden mit hoher EE-Einspeisung sollen die Verbraucher von besonders günstigen Energiepreisen und Netzentgelten profitieren und ihren Verbrauch in Stunden mit hoher Stromproduktion verlagern. Dazu wurden bereits erste Instrumente auf den Weg gebracht, wie die verpflichtende Einführung dynamischer Tarife ab 2025, die aber bereits heute am Markt verfügbar sind und langsam hochgefahren werden.

Es wird auch darüber diskutiert, ab 2024 Erleichterungen für SLP-Kunden einzuführen, die auf der Niederspannungsebene agieren. Diese Verbraucher nutzen flexible Verbrauchsgeräte wie Elektroautos oder Wärmepumpen, deren Energiebezug in Zeiten von Netzengpässen reduziert werden kann. Als Anreiz für diese Flexibilität sollen diese Kunden von einem reduzierten Netzentgelt profitieren.

Generell ist zu beobachten, dass sich die Diskussion um dynamische Marktanreize sehr stark auf SLP- und Haushaltskunden konzentriert und die Auswirkungen auf Industrieebene weniger betrachtet werden. Dabei hat der Industriestrombereich einen signifikanten Anteil am deutschen Stromverbrauch, sodass sich die Frage stellt, ob die Kunden von den neuen Regelungen profitieren können bzw. einen Anreiz haben, dynamische Netzentgelte oder Tarife zu nutzen. In diesem Blogbeitrag wollen wir uns insbesondere mit der Frage beschäftigen, was passiert, wenn (energieintensive) Industriekunden an einer Lastverschiebung teilnehmen und ob es dafür überhaupt einen Anreiz gibt. Zuvor wollen wir jedoch einen Blick auf den aktuellen regulatorischen Status Quo werfen.

Die heutige Regelung der Netzentgelte

Für den normalen Haushaltskunden ist die Abrechnung der Netznutzungsentgelte (NNE) sehr einfach, da er direkt vom Arbeitspreis abhängig ist und dafür einen Preis pro kWh bezahlt. Bei RLM-Kunden ist dies im Gegensatz zu SLP-Kunden nicht der Fall, da zusätzlich ein Leistungspreis für die Nutzung des Stromnetzes zu zahlen ist.

Hinzu kommt, dass viele Industriekunden bereits heute von reduzierten NNE profitieren. Im Fokus steht hier vor allem die Regelung des § 19 StromNEV, die eine Reduzierung bei atypischer Netznutzung oder hoher gleichmäßiger Netznutzung vorsieht. Eine atypische Netznutzung liegt vor, wenn die individuelle Jahreshöchstlast außerhalb des vom Netzbetreiber definierten Zeitfensters der Netzhöchstlast liegt, z. B. im Sommer oder nachts. Kunden erhalten dann einen Nachlass von bis zu 80 Prozent auf die Netzentgelte. Eine gleichmäßige Netznutzung liegt vor, wenn Kunden mindestens 7.000 Benutzungsstunden aufweisen. Ab einem Jahresverbrauch von zehn Gigawattstunden erhalten sie dann einen Nachlass von bis zu 80 Prozent auf die Netzentgelte. Bei mehr als 8.000 Benutzungsstunden kann der Rabatt sogar auf bis zu 90 Prozent steigen. Insgesamt sind rund 70 TWh (Stand 2021) von den beiden Regelungen betroffen, was etwa einem Drittel des Industriestroms entspricht.

Herausforderungen bei einem Wechsel auf dynamische Marktanreize

Da viele Industriekunden bereits heute von reduzierten NNE profitieren, müssen diese die Auswirkungen der NNE bzw. der dynamischen Tarife auf die aktuelle Förderung nach § 19 StromNEV berücksichtigen. Eine reine Betrachtung auf einen günstigeren Arbeitspreis ist daher nicht ausreichend, da zum einen die Auswirkungen auf die Förderung, aber auch die Auswirkungen auf den Leistungspreis berücksichtigt werden müssen. So muss sich ein Industriekunde bei einer Lastverschiebung immer die Frage stellen, ob eine Lastverschiebung Auswirkungen auf die Höhe des Leistungspreises hat.

Bei einer gleichmäßigen Netznutzung ist u. a. zu berücksichtigen, dass bei einer flexiblen Anlagenauslegung mit schwankendem Stromverbrauch und damit geringen Benutzungsstunden die Netzentgelte deutlich höher sind als bei einer Auslegung mit hohen Benutzungsstunden und damit unflexiblem Grundlastbetrieb. Bei einer atypischen Netznutzung ist u. a. zu berücksichtigen, dass bei einem Strombezug unterhalb der Spitzenlast nur der Arbeitspreis anfällt, da die Leistungszahlung durch eine andere Stunde bestimmt wird. Liegt der aktuelle Stromverbrauch jedoch bereits in der Spitzenlast, führt eine Verbrauchserhöhung zu einer höheren Leistungszahlung. Industriekunden müssen daher genau abwägen, wie sie auf dynamische Marktanreize reagieren.

Ein Rechenbeispiel aus Sicht eines Industriekunden

Welche monetären Auswirkungen eine Lastverschiebung im Industriekundenbereich für einen Industriekunden haben kann, hat z. B. Agora Energiewende in einer Studie berechnet. Im konkreten Beispiel wurden sowohl die atypische als auch die gleichmäßige Netznutzung im Stromnetz der Region Berlin untersucht.

In einem Beispiel würde der Mehrbezug von einer MWh in einer Viertelstunde im Mittelspannungsnetz zu einer Erhöhung des Leistungspreises um 240.000 € p. a. führen. Selbst wenn sich die MWh auf 100 Stunden verteilt, steigt der Leistungspreis um 600 € pro Jahr. In einem anderen Beispiel, in dem eine gleichmäßige Lasterhöhung über alle Stunden mit Spitzenlastbezug von 9 bis 17 Uhr angenommen wurde, stiegen die Kosten pro MWh von 26 € auf 46 € bei 2.920 Stunden.

In der Konsequenz wäre es für die beiden Industriekunden im Rechenbeispiel unattraktiv, eine Lastverschiebung durchzuführen, weshalb die Auswirkungen auf den Leistungspreis im Kontext dynamischer Marktanreize derzeit immer berücksichtigt werden müssten.

Reformbedarf und Perspektiven dynamischer Netzentgelte im Strommarkt

Die Rechenbeispiele zeigen, dass eine Lastverschiebung durch dynamische NNE oder Tarife für RLM-Kunden teuer werden kann. Eine Reform der NNE ist daher notwendig. Die Neuregelung im Niederspannungsnetz (§ 14a EnWG) kann hier nur ein Anfang sein. Die Reform der Netzentgelte dürfte daher ein Dauerbrenner bleiben und wird auch im Rahmen des neuen Strommarktdesigns diskutiert.

Bei Beibehaltung des derzeitigen Regulierungsrahmens könnte sich eine Entwicklung ergeben, bei der dynamische NNE und Tarife primär für SLP-Kunden interessant sind. Eine grundsätzliche Diskussion über eine Anpassung der § 19 StromNEV-Regelung ist daher notwendig, wenn alle Verbrauchsgruppen von dynamischen Marktanreizen profitieren sollen. Erste Vorschläge hierzu liegen bereits auf dem Tisch, sind aber noch nicht entschieden. So schlägt u. a. Agora Energiewende vor, dass bei Lastverschiebungen der zusätzliche Verbrauch von der Höchstlast ausgenommen oder nur anteilig berechnet werden soll.

Diskutiert werden muss aber auch, ab welcher Auslöseschwelle reduzierte Netznutzungsentgelte angeboten werden sollen. Eine Möglichkeit wäre ein Schwellenwert der potenziell abzuregelnden Last, der im Redispatch ermittelt wird. Wird der Schwellenwert überschritten, könnten die Netzbetreiber 24 h oder 48 h im Voraus für ein bestimmtes Gebiet befristet niedrigere Netzentgelte veröffentlichen.

Bei einer regionalen Begrenzung entsteht allerdings ein Zielkonflikt, der nach Ansicht von Agora Energiewende genau definiert werden muss: „Je kleiner die Regionen sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mehrverbrauch die Abregelungsmenge reduziert. Andererseits reduzieren wenige größere Regionen (z. B. das Gebiet eines Verteilnetzbetreibers) die Komplexität, was die Abrechnung der Netzentgelte erleichtert und die Transparenz über Zeitfenster mit reduzierten Entgelten erhöht.“

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es nicht ausreicht, die NNE im Arbeitspreis zu reduzieren. Vielmehr muss das Netzentgeltsystem insgesamt auf den Prüfstand gestellt und ein neues Modell entwickelt werden, in dem Arbeits- und Leistungspreise mit dynamischen Marktanreizen zusammenspielen können, ohne dass der Verbraucher finanzielle Sanktionen befürchten muss. Aus diesem Grund gehen wir davon aus, dass es 2024/25 zu einer Novellierung der Netzentgelte für die nächsten Jahre kommen wird. Die neuen Regelungen für die Niederspannung (§ 14a EnWG) waren hier nur der Anfang.

Wasserstoffnetzfinanzierung: Das Amortisationsmodell als Starthilfe

Wasserstoffnetzfinanzierung: Das Problem der hohen Netznutzungsentgelte

Zuerst der Wasserstoff oder zuerst die Wasserstoff-Infrastruktur? Oder besser beides gleichzeitig? Es ist ein bisschen wie bei der Elektromobilität und dem Henne-Ei-Problem: Was kommt zuerst, das Elektroauto oder die Ladeinfrastruktur? Ähnlich dürfte die Diskussion beim Wasserstoff verlaufen, da eine ganze Wertschöpfungskette parallel aufgebaut werden muss, da eine einzelne Wertschöpfungsstufe kaum eine Existenzberechtigung haben wird. Ein wesentlicher Baustein der Wasserstoff-Infrastruktur dürfte das Wasserstoffnetz sein, das die Wertschöpfungsstufen der Wasserstofferzeugung, -speicherung und -nutzung miteinander verbindet.

Eine wesentliche Frage ist jedoch, wie die Finanzierung des Wasserstoffnetzes und insbesondere die Anschubfinanzierung erfolgen soll. Gerade in der Anfangsphase besteht aus Sicht der Netznutzer die Situation, dass eine kleine Anzahl von Nutzern an eine kapitalintensive Infrastruktur angeschlossen wird. In der Konsequenz muss genau diese kleine Gruppe mit ihren Netznutzungsentgelten die gesamte Netzfinanzierung tragen, wodurch die Netznutzungsentgelte besonders hoch ausfallen dürften. Die wirtschaftliche Attraktivität der Netznutzung sinkt dadurch erheblich, weshalb ein Wasserstoffhochlauf nicht gelingen kann.

Es bedarf daher eines Mechanismus, der den Kostendruck auf die Netznutzer auf ein erträgliches Maß reduziert und den Hochlauf fördert. Wie ein möglicher Mechanismus aussehen könnte, hat die dena in einem Diskussionspapier in Form eines Amortisationsmodells untersucht, das in einem zweiten Schritt von der Kanzlei BBH rechtlich geprüft wurde. In diesem Blogbeitrag soll daher die Funktionsweise des vorgeschlagenen Modells – des sogenannten Amortisationsmodells – sowie die allgemeinen Einflussfaktoren auf die Wirtschaftlichkeit eines Energienetzes näher beleuchtet werden.

Wasserstoffnetzfinanzierung: die Einflussfaktoren im Überblick

Der wirtschaftliche Betrieb einer Energienetzinfrastruktur ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für die langfristige Gewährleistung des Ziels der Versorgungssicherheit, um das jeweilige Energienetz sicher, zuverlässig und effizient betreiben zu können. Insgesamt spielen eine Vielzahl von wesentlichen Faktoren eine Rolle, die sich auf die Wirtschaftlichkeit auswirken können. In diesem Abschnitt wollen wir uns jedoch auf drei wesentliche Säulen konzentrieren, die eine große Hebelwirkung auf die Wirtschaftlichkeit des Energienetzes haben.

Die erste Säule ist die Abnahmemenge pro Netzlänge. Für den wirtschaftlichen Betrieb eines Netzes ist es entscheidend, dass eine ausreichende Anzahl von Anschlussnehmern vorhanden ist, die eine ausreichende Menge an Energie verbrauchen. Dabei wirkt es sich positiv aus, wenn das Netz in seiner Struktur möglichst kompakt aufgebaut ist. Kurze Wege und eine hohe Energiedichte mit einer breiten Nutzergruppe zur Abfederung des Risikos bei Ausfall eines Kunden ist hier die Devise.

Die zweite Säule stellt der Aufwand für den zukünftigen Netzbetrieb dar. Hervorzuheben sind hier die Kosten für die Instandhaltung des Netzes. Je höher die Kosten, desto höher die Netznutzungsentgelte. Gerade bei der Umnutzung bestehender Erdgasnetzinfrastrukturen ist davon auszugehen, dass die Instandhaltungskosten höher sind als bei einem kompletten Neubau. Dabei spielen das Alter und natürlich der Zustand eine entscheidende Rolle.

Als dritte Säule sind die regulatorischen Rahmenbedingungen zu betrachten. Sie bestimmen, unter welchen Rahmenbedingungen eine Kostenwälzung und Refinanzierung der Energienetzinfrastruktur überhaupt möglich ist. Mit Blick auf die (noch) geltende Anreizregulierung dürften die Eigenkapitalverzinsung, die Höhe der Restbuchwerte sowie die Bewertung der Effizienz des Netzbetriebs eine wesentliche Rolle spielen.

Wasserstoffnetzfinanzierung: das Amortisationsmodell als Brückenhilfe

Um das Problem der hohen Netzentgelte aufgrund der anfangs geringen Kundenzahl zu vermeiden, hat die dena ein sogenanntes Amortisationsmodell vorgeschlagen. Bei Anwendung dieses Modells erfolgt die Finanzierung des Wasserstoffnetzes in zwei Phasen. In Phase I werden die Netznutzungsentgelte gedeckelt. Dadurch soll die finanzielle Belastung der Netznutzer nicht zu stark ansteigen. Für den Wasserstoffnetzbetreiber entsteht durch die Deckelung der Netznutzungsentgelte eine Finanzierungslücke. Ein wirtschaftlicher Netzbetrieb kann so nicht aufrechterhalten werden. An dieser Stelle greift das Amortisationskonto. Die entstehende Finanzierungslücke wird über die ersten Jahre kumuliert, auf einem Amortisationskonto festgehalten und vom Staat mit finanziellen Mitteln ausgeglichen. Damit sinkt das Finanzierungsrisiko für den Wasserstoffnetzbetreiber.

In Phase II, wenn genügend Netznutzer an das Wasserstoffnetz angeschlossen sind und eine Deckelung der Netznutzungsentgelte nicht mehr erforderlich ist, wird für alle Netznutzer ein Aufschlag auf die tatsächlichen Netznutzungsentgelte aus dem Amortisationskonto erhoben. Der finanzielle Aufschlag fließt an den Wasserstoffnetzbetreiber, der mit der zusätzlichen Liquidität die staatliche Vorfinanzierung zurückzahlt. Insgesamt handelt es sich beim Amortisationsmodell also um ein staatliches Umlageverfahren zur Anschubfinanzierung.

Wasserstoffnetzfinanzierung: die gesetzlichen Voraussetzungen des Amortisationsmodells

Da es sich bei dem Amortisationsmodell um eine staatliche Beihilfe handelt, stellt sich die Frage, inwieweit das Amortisationsmodell mit dem geltenden EU-Recht vereinbar ist. Hierzu hat die Kanzlei BBH ein umfassendes Gutachten erstellt, welches sich mit der Frage der rechtlichen Umsetzung auf Basis des EU-Regelwerks beschäftigt hat. Dabei hat BBH verschiedene Möglichkeiten wie z. B. die Möglichkeit einer Investitionsbeihilfe in Energieinfrastruktur nach Art. 48 AGVO oder die Inanspruchnahme einer Einzelfallgenehmigung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV auf der Grundlage verschiedener Leitlinien untersucht.

Dabei differenzierte das Gutachten zwischen den beiden Ansätzen einer Einzelfallgenehmigung auf der Grundlage des Temporary Crisis Framework (TCF – Ziel: Beschleunigte Verringerung der Abhängigkeit von russischem Erdgas im Sinne der REPowerEU-Strategie) oder der Inanspruchnahme der Leitlinien für staatliche Beihilfen für Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (Beihilfen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen) – KUEBLL. Im Kern der Studie kommt BBH zu dem Ergebnis, dass nur eine Einzelfallgenehmigung auf Basis der Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen eine Möglichkeit darstellt. Allerdings sind auch hier bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen:

Daher muss das Amortisationsmodell eine Förderung von Investitionen in die Energieinfrastruktur für erneuerbare oder CO₂-arme Energie sein. Somit wäre das Amortisationsmodell nur für Wasserstoffnetze für den Transport von CO₂-armem und erneuerbarem Wasserstoff umsetzbar. Zudem muss die Ausgleichszahlung aus dem Amortisationskonto so ausgestaltet sein, dass es nicht zu einer Überkompensation kommt.  Die staatliche Absicherung des Amortisationsrisikos ist daher auf ein Minimum zu beschränken. Darüber hinaus darf das Amortisationskonto nicht dazu führen, dass der Netzbetreiber in Projekte investiert, die er auch ohne Absicherung nicht getätigt hätte, oder dass Risiken finanziert werden, die der Netzbetreiber auch im normalen Verlauf des Netzausbaus, also ohne staatliche Finanzierung, zu tragen hätte.

Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass sich die H2-Netzbetreiber der Kostenregulierung durch die BNetzA unterwerfen. Ein diskriminierungsfreier Netzzugang muss gewährleistet sein. Darüber hinaus muss eine schnellere Umsetzung der Treibhausgasminderung durch das Amortisationskonto erreicht werden. Eine transparente Veröffentlichung der Förderrichtlinie, d. h. wie das Amortisationskonto genutzt werden kann, ist notwendig.

Fazit

Das Amortisationsmodell kann ein mögliches Instrument sein, wie eine Anschubfinanzierung des Wasserstoffnetzes in Deutschland gelingen kann. Es bietet den Netzbetreibern die Möglichkeit, ihre Netznutzer gerade in der Anfangszeit nicht mit zu hohen Netznutzungsentgelten zu belasten und damit die Möglichkeit eines Wasserstoffhochlaufs zu ermöglichen.

Nach dem Rechtsgutachten von BBH erscheint auch die Einführung eines Abschreibungsmodells auf Basis des EU-Rechtsrahmens möglich. Dabei sind jedoch einige Einschränkungen zu beachten. Problematisch könnte hier vor allem sein, dass nur die Förderung von Netzen möglich ist, die ausschließlich erneuerbare oder kohlenstoffarme Gase transportieren. Gerade in der Anfangszeit könnte es aber sein, dass nicht genügend Kapazitäten dieser Art von Wasserstoff zur Verfügung stehen. Es wäre zu untersuchen, ob z.B. blauer Wasserstoff aus Norwegen bei Anwendung des Amortisationsmodells nutzbar wäre.

Darüber hinaus gibt es noch einige offene Fragen, die im Zuge einer Umsetzung der Förderung in Form des Amortisationsmodells zu klären wären. Unter anderem wäre zu klären, nach welchen Kriterien Netzbetreiber eine Förderzusage erhalten? Ob und wie wird zwischen der Förderung des Netzneubaus und der Umrüstung bestehender Gasnetze unterschieden? Und wie soll zwischen der Förderung des Netzneubaus und der Umrüstung bestehender Gasnetze unterschieden werden? Darüber hinaus sollte untersucht werden, wie die potenzielle Nachfrage nach Zugang zu Wasserstoffnetzen und Wasserstoffversorgung (Netzausbauszenarien) überhaupt aussieht.

Insgesamt sind also noch einige Fragen zu klären, sollte das Amortisationsmodell umgesetzt werden. Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich die Rahmenbedingungen für das Thema Wasserstoff / Grüne Gase entwickeln werden, da nicht nur die Frage der Anschubfinanzierung, sondern auch viele andere Themen wie z. B. das Unbundling ungeklärt sind.

Wasserstoffeinspeisung ins Gasnetz: Was ist zu beachten?

Gastransformationspläne als Treiber der Wasserstoffeinspeisung

Die Planungen für einen Wasserstoffhochlauf in Deutschland sind im vollen Gange. Viele Gasnetzbetreiber sind dabei, ihre Gasnetztransformationspläne zu grünen Gasen zu erstellen und führen erste Analysen für die Transporttauglichkeit ihrer Netze durch. Welche Rolle Wasserstoff in unserem Energiesystem spielen wird, ist sicherlich noch offen, da ein Blick in die Zukunft über mehrere Jahrzehnte notwendig ist. Klar dürfte jedoch sein, dass der Wasserstoff als Energieträger für bestimmte Sektoren benötigt werden dürfte, da eine vollständige Elektrifizierung nicht in allen Sektoren möglich ist. Klar ist jedoch, für den Transport und die Bereitstellung von (grünem) Wasserstoff durch unsere Gasnetze muss die Verfügbarkeit des Energieträgers gewährleistet sein.

Zwar wird der Großteil des Wasserstoffs importiert werden müssen, doch ist bereits jetzt klar, dass wir in Deutschland auch über eigene Elektrolysekapazitäten verfügen werden. So setzt sich die nationale Wasserstoffstrategie u. a. zum Ziel, mindestens Elektrolyseanlagen mit einer Kapazität von 10 GW zu errichten. Daneben existieren noch zahlreiche Biomethan- und Biogasanlagen in Deutschland, deren Gas auch in das Gasnetz eingespeist werden könnte. Die Einspeisung von Wasserstoff oder Biogas dürfte also für einige Gasnetzbetreiber ein Thema werden.

Aus diesem Grund stellt sich die Frage, was bei einem Anschlussbegehren einer Wasserstofferzeugungsanlage zu beachten ist. Welche rechtlichen und technischen Fragestellungen sind zu beantworten und vor allem welche Auswirkungen hat die Wasserstoff-Netzeinspeisung auf die Gasqualität? In diesem Blogbeitrag beschäftigen wir uns daher ausführlich mit der Thematik der Wasserstoff-Netzeinspeisung.

Die rechtliche Grundlage der Wasserstoffeinspeisung

Die rechtliche Grundlage für das Thema Wasserstoff findet sich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Nach § 1 sind Zweck und Ziele des Gesetzes, die Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff sicherzustellen. Nach der Biogasdefinition des EnWG sind dies Biomethan, Gas aus Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Grubengas sowie Wasserstoff, der durch Wasserelektrolyse erzeugt worden ist. Soll das Biogas oder der Wasserstoff in das Wasserstoffnetz eingespeist werden, findet sich der Anwendungsbereich zur Regulierung von Wasserstoffnetzen in § 28j. Netzbetreiber erklären sich (unwiderruflich) bereit, dass ihr Netz der Regulierung unterliegen soll. Zur Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs sind die Entflechtungsvorschriften nach § 28m einzuhalten. Die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von der Wasserstofferzeugung, -speicherung und -vertrieb soll hierdurch sichergestellt werden.

Der Anschluss und der Zugang zu den Wasserstoffnetzen ist in § 28n geregelt. Demnach haben Netzbetreiber Dritten den Anschluss und den Zugang zu ihren Wasserstoffnetzen zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen zu gewähren. Es besteht somit eine Anspruchsgrundlage für Wasserstofferzeuger, ihren Wasserstoff in das reine Wasserstoffnetz einzuspeisen, sofern sich der Netzbetreiber der Regulierung des EnWG unterworfen hat.

Neben dem EnWG ist auch die GasNZV zu beachten. Wirft man jedoch einen Blick in die Verordnung, ist der Begriff Wasserstoff nicht enthalten. Eine eigene WasserstoffNZV existiert jedoch auch nicht. Somit muss Wasserstoff derzeit unter dem Begriff Biogas in der GasNZV betrachtet werden. Der § 33 GasNZV regelt die Netzanschlusspflicht für Biogasanlagen, die auch auf grünen Wasserstoff übertragen werden können. Nach § 19 GasNZV ist allerdings die Gasbeschaffenheit im Rahmen Einspeisung zu beachten. Maßgeblich ist hier das Arbeitsblatt G260 des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Ist eine ausreichende Gasqualität nicht gegeben, muss der Netzbetreiber ein Angebot zur Herstellung der Kompatibilität unterbreiten. Ansonsten ist eine Ablehnung durch ihn zu begründen.

Wichtige Punkte des Anschlussbegehrens

Damit eine Wasserstoffnetzanlage in ein Gasnetz einspeisen kann, muss ein Antrag auf ein Netzanschlussbegehren gestellt werden. Die Prüfung des Netzanschlussbegehrens hat binnen 3 Monaten mit einem Entscheid des Netzbetreibers zu erfolgen.

Aus technischer Sicht ist zu differenzieren, ob der Anlagenbetreiber Biomethan oder Wasserstoff in das Gasnetz einspeisen möchte. Hier sind u. a. unterschiedliche Qualitätsanforderungen am Einspeisepunkt zu beachten: eine notfalls erforderliche Mengenregelung, bestimmte Anforderungen zur Kontrolle der Gasqualität, der Odierung etc. Eine gute Übersicht über die zu beachtenden Regelungen gibt ein Bericht des DBI – Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg:

Tabellarische Auflistung der Unterschiede zwischen Wasserstoff und Biomethan bei der Wasserstoffeinspeisung

Unterschiede der Wasserstoffeinspeisung aus regulatorischer Sicht

Aus Sicht des Netzbetreibers kann es unterschiedliche Möglichkeiten bzw. Herausforderungen geben, wenn Wasserstoff in ein Gasnetz eingespeist werden soll. Maßgeblich ist hier neben der Art des Gases auch der regulatorische Rechtsrahmen. Handelt es sich um ein bestehendes Erdgasnetz, gilt als rechtliche Basis die GasNZV. Zur Sicherstellung der Gasqualität und einer ordnungsgemäßen Abrechnung sind die Arbeitsblätter G260 und G685 zu berücksichtigen. Hierdurch ist eine Wasserstoffeinspeisung nur in einem begrenzten Umfang möglich. Größere Volumenströme können somit nicht eingespeist werden.

Handelt es sich hingegen um ein reines Wasserstoffnetz, welches der Regulierung des EnWG unterliegt, besteht noch keine eigene rechtliche Basis in Form einer WasserstoffNZV, wie die Einspeisung zu erfolgen hat. Einen Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Netzzugang gibt es durch das EnWG aber bereits. Komplizierter wird es, wenn das Wasserstoffnetz nicht der Regulierung des EnWG unterliegt. In diesem Fall muss der Anlagenbetreiber in bilaterale Verhandlungen mit dem Netzbetreiber gehen.

Auswirkungen der Wasserstoffeinspeisung aus technischer Sicht

Die Einspeisung von Wasserstoff führt zu einer Änderung der Gasqualität, wobei der Anteil des Wasserstoffs maßgeblich ist. Aktuell transportieren die Gasnetze i. d. R. Erdgas, welches der 2. Gasfamilie (methanreiche Gase) zuzuordnen ist. Wasserstoff wird hier als Zusatzgas gesehen, welches dem Erdgas beigemischt werden kann. Hierbei sind die Veränderungen der brenntechnischen Kenndaten (Wobbeindex, Dichteverhältnis etc.) zu berücksichtigen und einhalten. Eine strikte Wasserstoff-Obergrenze ist somit nicht definiert. Es geht lediglich darum, die Gasqualität einzuhalten. Somit muss der Netzbetreiber bei einer Wasserstoff-Beimischung sicherstellen, dass eine Eignung der Netze, Messgeräte, Verbrauchseinrichtungen etc. vorliegt.

Exkurs: Analogiebetrachtung Gasumstellung Wasserstoff und die L-/H-Gas-Umstellung

Der Wechsel von Erdgas auf Wasserstoff ist jedoch kein Schalter, der einfach über Nacht umgelegt werden kann. Vielmehr sind die Gasnetzbetreiber gefragt, ihre Netze wasserstofftauglich zu machen. Zwar ist schon heute eine Wasserstoff-Beimischung von bis zu 10 Vol.-% technisch möglich und soll demnächst auf 20 Vol-% angehoben werden, jedoch sind die Netze aktuell nicht in der Lage reinen Wasserstoff zu transportieren, da sich die physikalischen Eigenschaften und Verhaltensweisen dessen im Vergleich zum konventionellen Erdgas unterscheiden. Was es für eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur bedarf, ist u. a. eine Marktraumumstellung von Erdgas auf Wasserstoff.

Mehr dazu im eigenen Blogbeitrag.

Erreicht der Wasserstoffanteil einen signifikanten Anteil, erfolgt nach G260 ein Wechsel auf die 5. Gasfamilie. Hier bildet Wasserstoff und nicht mehr Erdgas das Grundgas. Der Wasserstoff lässt sich in zwei Kategorien unterteilen. Die erste Kategorie hat einen Anteil von mind. 98mol% und die zweite von mind. 99,97mol%. Letzteres ist speziell für den Verkehrssektor erforderlich.

Eine Beimischung von Wasserstoff kann im Netz zur Unterschreitung der unteren Grenze der relativen Dichte führen. Ein Unterschreiten ist nur zulässig nach G260, wenn vorab eine Prüfung der Kompatibilität und Interoperabilität mit der Gasinfrastruktur und den Gasanwendungen erfolgt ist. Bei Einspeisung >10mol% ist eine Herstellerbescheinigung nötig.

Ebenso ist eine Brennwertnachverfolgung erforderlich, da der Brennwert von Wasserstoff deutlich unter dem von Erdgas bzw. Methan liegt und nur so eine ordnungsgemäße Abrechnung möglich ist. Hier ist zu differenzieren zwischen einer 1-Seitigen- und 2-Seitigen-Einspeisung. Bei ersterem erhält der betroffene Netzabschnitt den gleichen Abrechnungsbrennwert, wenn der Wasserstoff direkt am Einspeisepunkt erfolgt. Bei einer 2-Seitigen-Einspeisung ist die 2%-Grenze nach dem Verfahren von G685 einhalten. Ist der Brennwert von H2 kleiner als 3,54 kWh/Nm3 ist keine 2-Seiten-Einspeisung größer 3 % H2 möglich. Dies ist nur relevant bei H2 als Zusatzgas, sonst ist ein fester Brennwert von 3,543 kWh/m3 (Anteil mind. 99,9 % H2) anzuwenden.

Fazit

Die Wasserstoffeinspeisung ist somit kein einfaches, sondern ein durchaus komplexeres Thema. Zum einen ist zu klären, in welche Art von Gasnetz aus technischer, aber auch regulatorischer Sicht der Wasserstoff eingespeist werden soll. Zum Teil fehlt aktuell auch noch die rechtliche Grundlage bzw. die Vereinfachung. Eine eigene Wasserstoffnetzzugangsverordnung wäre hier sicherlich wünschenswert. Aus technischer Sicht sind vor allem die Auswirkungen auf die Gasqualität zu beachten sowie die Auswirkungen auf die Veränderung des Brennwertes für die spätere Abrechnung. Die beiden Arbeitsblätter G260 und G685 sind somit für das Thema Wasserstoffeinspeisung eine wesentliche Grundlage.

Da in den Anfangszeiten vermutlich noch wenig reine Wasserstoffnetze vorhanden sein werden, in welche die Anlagenbetreiber ihren Wasserstoff einspeisen können, dürfte der Blick sich vermutlich erst einmal auf die Erdgasnetze und erste Mischgasnetze (Erdgas, Biomethan, Biogas, Wasserstoff) richten. Mit Spannung dürfte auch die Entwicklung zu beobachten sein, ob Versorgungsgebiete entstehen, bei der der Gasnetzbetreiber sein bestehendes Gasnetz zurückbauen möchte, sich aber Wasserstofferzeuger ansiedeln möchten. Da insgesamt die Ausgestaltung des Regulierungsrahmens für das Thema Wasserstoff nicht am Ende sein wird, ist weiterhin zu beobachten, welche Änderungen von rechtlicher Seite noch erfolgen werden. Es bleibt also spannend beim Thema Wasserstoff.

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Unbundling Wasserstoff: Die neuen EU-Vorschriften

Unbundling Wasserstoff: Die neue Gasbinnenmarktrichtlinie und-verordnung

Die Transformation der Energiewirtschaft in Europa zur Erreichung der gemeinsamen EU-Klimaziele ist eines der obersten Ziele der EU-Kommission. Hierfür wird seit einigen Monaten fleißig an einer neuen europäischen Gesetzesgrundlage gearbeitet. Eine wesentliche Aufgabe zur Erreichung klimaneutralen, europäischen Kontinents stellt die Umstellung der Gaswirtschaft dar. Hierfür arbeitet die EU-Kommission an der Schaffung eines europäischen Rechts- und Regulierungsrahmen für erneuerbare und kohlenstoffarme Gase, insbesondere Wasserstoff. Aus diesem Grund erfolgt aktuell eine Überarbeitung der EU-Gasbinnenmarktrichtlinie und -verordnung in der auch das Thema Unbundling von Wasserstoff geregelt werden soll.

In der Verordnung / Richtlinie soll auch das Thema des Unbundlings für Wasserstoffnetzbetreiber angegangen werden, jedoch möchte die EU-Kommission die Regelung auf EU-Ebene vereinheitlichen. Hierfür sieht die EU-Kommission in ihrem Vorschlag eine horizontale Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebes vor. Wie diese genau aussieht und was der Entwurf für die Wasserstoffnetzbetreiber in Deutschland bedeuten könnte, wollen wir uns in diesem Blogbeitrag einmal näher anschauen. Zuvor werfen wir aber ein Blick auf die bestehende Regelung auf nationaler Ebene.

Unbundling Wasserstoff: Die Regelungen im EnWG

Die Entflechtung von Wasserstoffnetzen in Deutschland wurde mit der EnWG Novelle im Abschnitt 3b) im Sommer 2021 geregelt. Demnach hat jeder Netzbetreiber, welcher sich freiwillig nach Anmeldung bei der BNetzA, dem Regelwerk des EnWG unterwirft an die dort beschriebenen Unbundlingvorschriften zu halten. Der Abschnitt 3b) sieht im Kern wie bei Strom- und Gasnetzen auch eine buchhalterische und informatorische Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebes vor. Somit hat jeder Wasserstoffnetzbetreiber eine eigene Buchführung (Bilanz, GuV etc.) zu erstellen und eine informatorische Trennung seines Netzbetriebs sicherzustellen.

Nicht vorgesehen zum aktuellen Zeitpunkt ist eine operationelle oder rechtliche Entflechtung des Wasserstoffnetzbetriebs. Eine De-Minimis-Klausel ist ebenfalls nicht vorgesehen. Somit haben in Deutschland Wasserstoffnetzbetreiber zwei Möglichkeiten zum aktuellen Zeitpunkt ihr Netz zu entflechten. Entweder sie unterwerfen sich freiwillig der Regelung des EnWGs und müssen das Netz informatorisch und buchhalterisch entflechten oder sie unterwerfen sich den Regelungen des EnWGs nicht und müssen keine Entflechtung durchführen.

Unbundling Wasserstoff: Grundzüge der EU-Entflechtungsvorgaben

Um die in den folgenden Abschnitten geplanten Entflechtungsmöglichkeiten für Wasserstoffnetzbetreiber zu verstehen, ist ein notwendiges Verständnis für die allgemeinen, möglichen Entflechtungsmodelle erforderlich. Hierbei ist zu differenzieren zwischen drei Modellen: dem Ownership-Unbundling, dem Independent System Operator (ISO) und dem Independent Transmission System Operator (ITO). Hierfür sollen im Folgenden die Grundzüge der drei Modelle erläutert werden:

1. Ownership-Unbundling:

Bei dem Ownership-Unbundling handelt es sich um ein vertikales, integriertes Unternehmen, welche das Wasserstoffnetz in einer Gesellschaft aus dem Konzernverbund heraus durch eine Veräußerung löst. Die Gesellschaft für den Wasserstoffnetzbetrieb darf keine Kontrolle über Erzeugung/Produktion oder Vertrieb/Handel haben. Der Konzernverbund darf maximal eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht an der Gesellschaft des Wasserstoffnetzbetreibers halten. Es darf daher keinen gemeinsamen politischen Entscheidungsträger geben.

Das Ownership-Modell

2. Independent System Operator (ISO):

Bei dem Independent System Operator ist das vertikal integrierte Unternehmen Eigentümer des Wasserstoffnetzes. Der Systembetrieb und Entscheidung zum Wasserstoffnetzbetrieb liegen jedoch bei einem unabhängigen Systembetreiber (ISO). Bei dem unabhängigen Systembetreiber handelt es sich um eine dritte Gesellschaft außerhalb des Konzerns. Der ISO plant und entscheidet selbst über die Entwicklung des Wasserstoffnetzes. Die Investitionsentscheidungen liegen somit in seinem Verantwortungsbereich und kann diese dem Eigentümer des Wasserstoffnetzes auferlegen.  Der ISO haftet für alle Risiken des Systembetriebs, weswegen das Modell einem faktischen Verlust des wirtschaftlichen Eigentums für den Eigentümer des Wasserstoffnetzes gleichkommt.

Das Independent System Operator Modell (ISO-Modell)

3. Independent Transmission System Operator (ITO)

Im dritten Entflechtungsmodell steht das Wasserstoffnetz im Eigentum des ITO. Dieser entscheidet unabhängig über die Weiterentwicklung des Netzes. Der ITO ist mit ausreichendem Personal und finanziellen Mitteln auszustatten, um den Wasserstoffnetzbetrieb sicherzustellen. Eine gemeinsame Nutzung von Gebäuden und Ausstattung (z.B. IT) ist nicht zulässig. Services an den ITO aus dem Konzernverbund dürfen nicht erbracht werden, aber in Grenzen durch den ITO an den Konzernverbund.

Das Independent Transmission System Operator Modell (ITO-Modell)

Unbundling Wasserstoff: Anwendungsmöglichkeiten der Betriebsmodelle

Nach dem Entwurf der EU-Kommission soll für die Zukunft das Ownership-Unbundling für Wasserstoff das Standardmodell darstellen und ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie gelten. Für Verteilernetzbetreiber als vertikal integriertes Unternehmen würde dies zu einer Veräußerungspflicht des Wasserstoffnetzes führen mit der maximalen Möglichkeit eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht zu erhalten. Die Veräußerung aus dem Konzern ist dann Pflicht, wenn das Energieversorgungsunternehmen bereits ein Gas- oder Stromnetz betreibt.

Das ISO-Modell soll hingegen als dauerhafte Ausnahme angewandt werden können, dürfte aber in Deutschland eine untergeordnete Rolle spielen, da die Regelung auf Bestandsnetze spielt und aktuell nur wenige reine Wasserstoffnetze in Deutschland betrieben werden.

Das ITO-Modell ist hingegen als befristete Ausnahme bis Ende 2030 geplant und wäre für Fernleitungsnetzbetreiber anwendbar. Ob die Befristung jedoch einen Anreiz zur Umrüstung von bestehenden Erdgasnetzen auf Wasserstoffnetzen schafft, darf bezweifelt werden.

Im Ergebnis müssten Fernleitungsnetzbetreiber von Wasserstoffnetzen wie bei Betreiber von Verteilnetzen von Wasserstoff das Wasserstoffnetz spätestens ab 2031 veräußert haben und dürften nur noch eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht behalten. Fast alle FNB in Deutschland müssten damit ihren H2-Betrieb ausgliedern.

Konkret soll die Regelungen an den folgenden zwei Beispielen noch einmal deutlich werden:

Unbundling Wasserstoff: Entflechtungsbeispiele nach der EU-Vorgabe

Für das Unbundling ist aus deutscher Sicht zu differenzieren zwischen den Auswirkungen der EU-Unbundlingvorschriften auf vertikalintegrierte Verteilnetzbetreiber und für Fernleitungsnetzbetreiber.

Für Verteilnetzbetreiber würde diese Regelung bei bereits bestehendem Betrieb eines Gas- oder Stromnetzes einem Betriebsverbot eines Wasserstoffnetzes innerhalb des Konzernverbundes gleichkommen. Der Betrieb und der Aufbau des Wasserstoffnetzes müsste im Ownership-Modell erfolgen, was nur bei einem Verkauf des Netzes möglich ist. Es bliebe lediglich eine Minderheitsbeteiligung mit eingeschränktem Stimmrecht. Diese Regelung greift aber erst, wenn es sich um ein reines Wasserstoffnetz handelt. Beimischung von Wasserstoff in das bestehende Erdgasnetz nach den Vorschriften des DfGW ist problemlos möglich. Ebenso, wenn der Wasserstoff methanisiert wird und in das bestehende Erdgasnetz eingespeist wird. Für den Betrieb eines reinen Wasserstoffnetzes wäre aber eine eigene Gesellschaft zu gründen und zu veräußern.

Fernleitungsnetzbetreiber hätten die Möglichkeit befristet bis Ende 2030 ihr reines Wasserstoffnetz im ITO-Modell zu betreiben. Danach müsste ebenfalls wie bei Verteilnetzbetreibern das Netz veräußert werden. Das Onwership-Modell ist anzuwenden. Die Zumischung von Wasserstoff oder die Methanisierung ist ebenfalls möglich ohne das bestehende Methan-/Erdgasnetz veräußern zu müssen.

Beurteilung des Vorschlages der Kommission

Der Vorschlag dürfte aus deutscher Sicht für den Aufbau und Betrieb von Wasserstoffnetzen einige Fragen aufwerfen. Da die drei Modelle wenig Anreize bieten bestehende Gasnetze auf Wasserstoff umzurüsten, da der Wasserstoffnetzbetrieb vollständig ausgegliedert und veräußert werden müsste. Dies entspricht völlig dem Gegensatz der Zielsetzung der Politik im EnWG und der nationalen Wasserstoffstrategie des Gesetzgebers.

Bei dem Vorschlag der EU ist jedoch zu berücksichtigen, dass die EU eine vollständig andere Vorstellung für den Einsatz und Betrieb von Wasserstoffnetzen hat als dies auf nationaler Ebene der Fall ist. So differenziert die EU in ihrem Gesetzesvorschlag nicht zwischen Fernleitungsnetzbetreibern und Verteilnetzbetreibern. Die Besonderheiten des deutschen Rechtes bleiben so unberücksichtigt. Auch setzt die EU in Ihrer Strategie nicht auf eine großflächige Umrüstung von bestehender Erdgasnetzinfrastruktur auf Wasserstoff. Vielmehr setzt die EU ihren Schwerpunkt auf die Herstellung klimaneutraler Gase, welche methanisiert und in das bestehende Erdgasnetz eingespeist werden. Der Betrieb von Wasserstoffnetzen wird eher als Ergänzung zum bestehenden Methannetz gesehen, während Deutschland reine Wasserstoffnetze als Standard ansieht.

Für den zukünftigen Betrieb und die Errichtung von reinen Wasserstoffnetzen wird daher entscheidend sein, welche Änderungen sich beim Unbundling von Wasserstoffnetzen auf europäischer Ebene noch ergeben. Die Problematik der unterschiedlichen Strategieansätze zur Dekarbonisierung des Gassektors wird aktuell zwischen Deutschland und der EU diskutiert. Für Energieversorgungsunternehmen bedeuten die Vorschläge der EU jedoch eine Investitionsunsicherheit in eine neue Energiesparte. Ob der Schwerpunkt klimaneutraler Gase nun auf grünem Wasserstoff oder klimaneutralen methanisiertem Gas liegt, sollte daher schnellstmöglich geklärt werden. Zum aktuellen Zeitpunkt besteht für Netzbetreiber nur eine Sicherheit, wenn der Wasserstoff zugemischt oder methanisiert wird.

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Unbundling: Die Entflechtungsregeln der Energiewirtschaft

Unbundling: Hintergrund der Entflechtungsregeln

Die Sicherstellung eines funktionierenden Energiemarktes, welcher nach wettbewerblichen Kriterien funktioniert, ist eine der obersten Prioritäten der europäischen Energieziele. Voraussetzung hierfür sind die gleichen Chancen für alle Marktteilnehmer innerhalb der Energiewirtschaft. Die Lieferung von Energie muss jedem Marktakteur nach den gleichen Regeln möglich sein, um einen Wettbewerb zu ermöglichen bei der jeder Letztverbraucher von marktgerechten Preisen profitiert. Ein Ausnutzen einer Vormachtstellung soll so vermieden werden.

Jedoch gibt es in der Energiewirtschaft mit der Netzinfrastruktur ein Bottleneck, welches bis heute als Monopol von der Marktrolle des Netzbetreibers betrieben wird. Da jeder Strom- und Gaslieferant die Netzinfrastruktur benötigt, um seine Kunden mit Energie beliefern zu können, ist eine neutrale Rolle des Netzbetreibers sicherzustellen, welcher allen Lieferanten die Nutzung des Netzes zu gleichen Bedingungen ermöglicht. Dies gilt gerade dann, wenn der Netzbetreiber in einem integrierten Energieversorgungsunternehmen angesiedelt ist, welcher auch über einen eigenen Lieferanten verfügt. Um eine Bevorzugung des eigenen Lieferanten innerhalb des Konzernverbundes zu verhindern und eine Neutrale Stellung des Netzbetreibers zu gewährleisten wurden die Entflechtungsregeln, in der Branche auch das Unbundling genannt, entwickelt. Aus diesem Grund wollen wir uns in diesem Blogbeitrag mit den Unbundling im Detail beschäftigen und schauen was sich hinter dem Begriff verbirgt:

Grundzüge des Unbundlings

Das Unbundling für den Netzbetrieb besteht insgesamt auf vier Säule der Entflechtung: dem buchhalterischen, dem informatorischen, den operationellen und dem rechtlichen Unbundling. Die Unbundlingvorschriften sind im Detail im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelt und können dort im Detail nachgeschlagen werden. Die Regeln beruhen im Das Unbundling für den Netzbetrieb besteht insgesamt auf vier Säule der Entflechtung: dem buchhalterischen, dem informatorischen, den operationellen und dem rechtlichen Unbundling. Die Unbundlingvorschriften sind im Detail im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelt und können dort im Detail nachgeschlagen werden. Die Regeln beruhen im Kern auf drei Kernzielen der EU zur Einhaltung der Trennung zwischen dem Netz und dem Vertrieb, um einen Wettbewerb innerhalb des Energiemarktes zu ermöglichen. 

Daher ist eines der wichtigsten Ziele der EU die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Netzzuganges bei der jeder Lieferant zu gleichen Bedingungen das öffentliche Stromnetz nutzen kann und über dieselben Informationen verfügt wie jeder andere Lieferant auch. Zusätzlich soll eine Quersubventionierung des Netzbetreibers innerhalb des Konzernverbundes an den eigenen Lieferanten verhindert werden. Eine Besserstellung des eigenen Lieferanten ist so ausgeschlossen. Darüber hinaus dient das Unbundling zur Einhaltung der Transparenzvorschriften der EU, um die notwendige neutrale Rolle des Netzbetreibers prüfen zu können.

1. Unbundlingstufe: die buchhalterische Entflechtung

Die erste Unbundlingstufe stellt die buchhalterische Entflechtung dar. Sie ist geregelt in §6b des Energiewirtschaftsgesetzes. Das buchhalterische Unbundling sieht die Pflicht eines jeden Netzbetreibers zur Führung einer eigenen Buchführung in Form einer eigenen Bilanz und GuV vor. Diese sind jährlich vom Netzbetreiber zu veröffentlichen. Die Maßnahme dient der Überprüfung des Ziels der Quersubventionierung, da so Geldflüsse an den eigenen Lieferanten im Konzern nachvollzogen werden könnten. Auch benötigt der Netzbetreiber eine eigene Bilanz, da sich um sein Vermögen sowie Kosten die Höhe der jährlich zu erhebenden Netzentgelte berechnet.

2. Unbundlingstufe: die informatorische Entflechtung

Die Informatorische Entflechtung sieht eine vollständige Informationstrennung des Netzbetreibers von anderen Marktrollen wie dem Lieferanten vor. Die detaillierte Regelung ist in §6a EnWG zu finden. Die strikte Informationstrennung soll verhindern, dass der eigene Lieferant innerhalb des Konzernverbundes über Informationen verfügt, welche dem eigenen Lieferanten zum Vorteil gereichen. Da der Netzbetreiber über sämtliche Informationen im Netz verfügt, könnte dieser zum Beispiel den Lastgang eines Großkunden dem eigenen Lieferanten bereitstellen, damit dieser ihm ein besseres Angebot als die konkurrierenden Lieferanten machen kann. Um diesen Vorgang zu verhindern erfolgt das informatorische Unbundling.  

3. Unbundlingstufe: die operationelle Entflechtung

verstanden. So hat der Netzbetreiber z. B. seine Räumlichkeiten von anderen Teilen des Unternehmens zu trennen. Auch ist es nicht erlaubt, dass Führungspersonal des Netzbetreibers andere Leitungsaufgaben innerhalb anderer Marktrollen des Energieversorgungsunternehmens ausübt. Zur Sicherstellung dieser Regelung hat der Netzbetreiber ein Gleichbehandlungsprogramm zu entwickeln und regelmäßig zu aktualisieren. Die Regelung im Detail findet sich in §7a EnWG.

4. Unbundlingstufe: die rechtliche Entflechtung

Die letzte Unbundlingstufe stellt die rechtliche Entflechtung des Netzbetriebs innerhalb des Energieunternehmens dar. Hierfür ist letzte Unbundlingstufe stellt die rechtliche Entflechtung des Netzbetriebs innerhalb des Energieunternehmens dar. Hierfür ist der Netzbetrieb in eine eigene juristische Rechtsform wie z. B. eine eigene GmbH zu überführen. Die Regelung findet sich in §7 des EnWGs.

Die Unbundling-Regeln der Energiewirtschaft nach dem EnWG (Copyright: Springer Vieweg Verlag)

Wichtige Zusatzinformationen zum Unbundling

Bei der Umsetzung des Unbundling sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. So ist zum Beispiel nicht jeder Netzbetreiber verpflichtet alle vier Stufen des Unbundlings umzusetzen. Grundsätzlich gilt, dass die buchhalterische und informatorische Entflechtung immer anzuwenden ist. Für die operationelle und rechtliche Entflechtung gilt dies jedoch nicht. Eine Entflechtung ist erst verpflichtend, wenn der Netzbetreiber in seiner Strom- oder Gassparte mehr als 100.000 Kunden angeschlossen hat. Die Schwelle von 100.000 Kunden wird als De-Minimis-Regel bezeichnet. Liegt die Zahl der angeschlossenen Kunden an das öffentliche Energieversorgungsnetz darunter, ist die operationelle und rechtliche Entflechtung für den Netzbetreiber freiwillig.

Die Vorschriften des Unbundlings gelten nur für die Sparten Strom und Gas. Eine Entflechtung in den Sparten Wasser und Fernwärme ist rechtlich nicht vorgesehen. Für die Sparte Wasserstoff werden aktuell angepasste Unbundlingvorschriften entwickelt. Für die Überwachung des Unbundlings ist die Bundesnetzagentur (BNetzA) und die zuständigen Landesregulierungsbehörden der einzelnen Bundesländer verantwortlich. Die Regeln des Unbundlings sind die Ursache, dass in der Praxis das Stadtwerk oft in Vertrieb und Netz unterteilt sind. Dem Netzbetrieb sind meist noch der konventionelle Messstellenbetrieb und die Aufgabe des Messdienstleisters zugeordnet. Wenn die Fragen zu diesem Blogbeitrag hast melde dich gerne.

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Wenn du mehr über die Grundlagen der Energiewirtschaft erfahren möchtest findest mehr Informationen im Buch Energiewirtschaft für (Quer-)Einsteiger – das 1×1 der Stromwirtschaft

Die OPEX-Lücke bei der Finanzierung der Elektromobilität: Netzbetreibern drohen finanzielle Einbußen

Herausforderung Netzintegration der Elektromobilität

Der Durchbruch der Elektromobilität in der Gesellschaft steht unmittelbar bevor. Bedingt durch neue Förderprogramme und den Gesetzgeber als primären Förderer der Elektromobilität steht der Verkehrssektor vor einem zentralen Umbruch. Die neusten Zulassungszahlen und die Ankündigungen großer Automobilhersteller sollten auch den konservativsten Analytiker davon überzeugen, dass sich die Elektromobilität zu einem Grundpfeiler der alternativen Antriebstechnologien in Deutschland entwickelt.

Dabei stellt die Netzintegration der Elektromobilität eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre in der Versorgungswirtschaft dar. Verantwortlich hierfür sind vor allem die mehr als 900 Verteilnetzbetreiber in Deutschland. Diese haben sowohl die Integration als auch den Aufbau der Ladeinfrastruktur sicherzustellen und tragen einen Teil der Investitionskosten durch ihre Tätigkeit mit. Doch unter Berücksichtigung der geltenden Anreizregulierung steuern Netzbetreiber auf ein Kostendefizit im Bereich der Finanzierung der Elektromobilität zu. Dabei steht ein hoher Ausfall der OPEX-Kosten im Fokus. Daher möchten wir im Rahmen dieses Blogbeitrags erläutern, wie die Finanzierung der Kosten im Bereich Elektromobilität erfolgt, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können und wo die Probleme in der internen Unternehmensstrategie liegen.

Einflussfaktoren der Anreizregulierung auf die Elektromobilität

Grundsätzlich erwirtschaftet ein Netzbetreiber seine Einnahmen über seine betriebsnotwendigen Kosten, die durch den Letztverbraucher über die Netznutzungsentgelte (NNE) zu tragen sind. Im Kontext der Netzintegration der Elektromobilität ist jedoch zwischen verschiedenen Sachverhalten zu differenzieren.

Zum einen zwischen den kapitalgebundenen CAPEX-Kosten und den betriebsbedingten OPEX-Kosten. Aus diesem Grund ist zu betrachten, welche Auswirkungen die CAPEX- und OPEX-Kosten der Netzintegration auf den Verteilnetzbetreiber haben. Daneben ist zu untersuchen, wie und in welcher Form Baukostenzuschüsse (BKZ) für die Elektromobilität erhoben werden können. Ebenso sind die Auswirkungen hinsichtlich des Effizienzwertes zu betrachten. Eine historische Vorgehensweise von Netzbetreibern ist die Verstärkung des Netzes. Diese könnte sich jedoch langfristig auf den Effizienzwert auswirken, da das BMWi das Instrument der Spitzenlastglättung eingeführt hat, um die Kosten des Netzausbaus zu begrenzen.

Finanzierung der Elektromobilität über Baukostenzuschüsse

Die Finanzierung der Netzintegration der Elektromobilität ist über die Anschlusskosten und ggf. zusätzliche BKZ durch den Anschlussnehmer möglich. Die verbleibenden Kosten wären in diesem Fall über die NNE umzulegen. Dabei bilden die Anschlusskosten ein Lenkungsinstrument, um die Nachfrage des Anschlussnehmers nach zusätzlicher Leistung zu begrenzen. Die Erhebung von BKZ ist dem Netzbetreiber jedoch freigestellt.

Gemäß der Netzanschlussverordnung (NAV) sind dem Anschlussnehmer maximal 50 % der Kosten im Verteilnetz, die für die Durchführung einer Netzverstärkungsmaßnahme notwendig sind, in Rechnung zu stellen. Ein BKZ ist nur ab einer Leistung von 30 kW zulässig. Der Sockelfreibetrag von 30 kW bezieht sich hierbei auf das jeweilige Grundstück. Im Fall eines zweiten Netzanschlusses ist dieser dem bestehenden Anschluss des Grundstücks hinzuzurechnen, weswegen in der Regel auf einen zweiten Anschluss verzichtet wird.

Eine Finanzierung von Netzverstärkungsmaßnahmen über eine zusätzliche BKZ ist aus monetärer Sicht für einen Verteilnetzbetreiber unattraktiv, da diese als netzmindernde Erlöse gelten. Gemäß § 9 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) erfolgt die Abschreibung über 20 Jahre. Somit stellen BKZ eine kurzfristige Maßnahme zur Herstellung der Liquidität des Netzbetreibers da, sind jedoch nicht geeignet, um Wiederanschaffungsmaßnahmen zu finanzieren.

Finanzierung der Elektromobilität über die CAPEX-Kosten

Die regulatorischen Kapitalkosten stellen für einen Netzbetreiber das Herzstück der Finanzierung des eigenen Netzbetriebs dar. Da die Kapitalkosten nach der Anreizregulierung verzinst werden, sichern diese die langfristige Finanzierung des Netzbetriebs. Die CAPEX-Kosten, die zusätzlich durch die Netzintegration der Elektromobilität entstehen, fließen mit in die individuelle Erlösobergrenze (EOG) ein. Zusätzliche Investitionen nach dem Basisjahr fließen über den Kapitalaufschlag auch während der Regulierungsperiode mit ein. Eine Finanzierung der CAPEX-Kosten stellt für den Netzbetreiber somit kein Problem dar. Die Anerkennung der kalkulatorischen Kapitalkosten im Zusammenhang mit der Finanzierung der Elektromobilität sind somit ohne Zeitverzug anerkennungsfähig.

Finanzierung der Elektromobilität über die OPEX-Kosten

Die Betriebskosten des Netzbetreibers im Zusammenhang der Netzintegration für die Elektromobilität ist ebenfalls Teil der individuellen Erlösobergrenze. Allerdings können zusätzliche Betriebskosten, die nach dem Basisjahr anfallen, nicht im Laufe der Regulierungsperiode geltend gemacht werden.

Konkret bedeutet dies, dass die OPEX-Kosten im Gegensatz zu den CAPEX-Kosten nicht ohne Zeitverzug anerkennungsfähig sind. Steigende Betriebsausgaben sind erst zur nächsten Regulierungsperiode im nächsten Basisjahr anerkennungsfähig. Es gilt das Budgetprinzip für den Netzbetreiber im Zusammenhang mit der Planung der OPEX-Kosten. Somit gehen steigende OPEX-Ausgaben innerhalb einer Regulierungsperiode zu Lasten des Netzbetreibers.

Unter Berücksichtigung, dass in 2021 das nächste Basisjahr ansteht, drohen vielen Netzbetreibern für die kommenden Jahre finanzielle Einbußen. Viele Studien gehen von einer Hochlaufphase der Elektromobilität ab dem Jahr 2024 aus. Dies würde für den Netzbetreiber steigende Betriebsausgaben zur Integration der Elektromobilität bedeuten. Zusätzliche Ausgaben für den Steuerungs-, Planungs- und Monitoringbedarf sind somit nicht finanziert. Da das übernächste Basisjahr erst 2026 stattfindet und die darauffolgende 5. Regulierungsperiode erst 2029 beginnt, droht den Netzbetreibern eine OPEX-Lücke von mehreren Jahren!

Kostenanerkennung Netzintegration Elektromobilität Finanzierung
Kostenanerkennung Netzintegration Elektromobilität

Auswirkungen der Netzintegration auf den Effizienzwert

Zur Festlegung der individuellen EOG hat sich jeder Netzbetreiber, der sich nicht im vereinfachten Verfahren befindet, einem Effizienzvergleich nach §§12 bis 16 ARegV zu unterziehen. Auswirkungen auf den Effizienzfaktor und somit die EOG haben unterschiedliche Aufwands- und Strukturparameter, deren Festlegung zu jedem Effizienzvergleich von der Regulierungsbehörde neu erfolgt.

Bezüglich der Elektromobilität ist derzeit noch unklar, inwiefern sich die Netzintegration auf den Effizienzwert auswirkt. Daher ist zu prüfen, inwieweit der vorgezogene Aufbau eines nicht ausgelasteten Ladepunktes im Basisjahr Strom 2021 zu steigenden Werten auf Seiten der Aufwandsparameter führen kann, ohne dass dies auf Seiten der Vergleichsparameter (z. B. wenn die Jahresarbeit ein Parameter des Effizienzvergleiches wäre) seinen Niederschlag findet. Insbesondere bei öffentlicher Schnellladeinfrastruktur, die Leistungsanforderungen über 10 MW hat, kann dies der Fall sein und damit ein Lastmanagement erforderlich machen. Grundsätzlich sind Auswirkungen der Elektromobilität auf den Effizienzwert allerdings noch nicht absehbar. 

Maßnahmen gegen die OPEX-Lücke

Auf Grund der gerade erläuterten OPEX-Lücke sollten Netzbetreiber bereits ab dem Jahr 2021 mit der präventiven Planung bzgl. der Elektromobilität beginnen, um erste Aufwände in der 4. Regulierungsperiode anerkannt zu bekommen.

Ein erster wichtiger Meilenstein ist die Erhebung zusätzlicher Daten im Verteilnetz, um die langfristigen Auswirkungen der Elektromobilität abschätzen zu können. An welchen Stellen sind Schwerpunkte zu erwarten? Reicht die Kapazität heute aus? Dies sind nur zwei der vielen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Ausbau und der Finanzierung der Elektromobilität zu beantworten sind. Erste Projekte zur Erhebung zusätzlicher Informationen im Verteilnetz, wie z. B. die Überwachung von Trafostationen mittels LoRaWAN, sind somit aus Sicht des Regulierungsmanagements zu begrüßen. Neben der Erhebung der Daten sollten aber auch eigene Netzentwicklungsszenarien durchgeführt werden, um die Auswirkungen besser abschätzen zu können. Daneben bietet die Datengrundlage eine Basis, um gegenüber dem Anschlussnehmer dahingehend auskunftsfähig zu sein, ob die Umsetzung des von ihm gewünschten Ladepunktes möglich ist. Netzbetreiber sind nach § 19 NAV verpflichtet, hierüber binnen zwei Monaten Auskunft zu erteilen.

Neben der Datenerhebung und Analyse sollte es einen engen Austausch mit den jeweiligen Vertrieben geben, um vor allem den Vertrieb von Ladeinfrastruktur ohne Steuerungsmöglichkeiten zu verhindern. Da mittel- bis langfristig von einer hohen Ladepunktdichte auf einzelnen Verteilnetzsträngen auszugehen ist, ist von einer Erforderlichkeit von Steuerungstechnik zur Umsetzung eines netzweiten Lademanagements auszugehen. Die TAB eines Netzbetreibers ist umgehend anzupassen, sofern dies noch nicht erfolgt ist.

Darüber hinaus ist eine Digitalisierung der Prozesse des Netzbetreibers im zusammenhang mit der Elektromobilität zu empfehlen. So findet die verpflichtende Anmeldung von Ladepunkten oft manuell über ein händisch ausgefülltes Formular statt. Elektronisch gestützte Formulare, welche die Kommunikationseingangskanäle standardisieren, die internen Aufwände des Netzbetreibers und somit de OPEX-Kosten senken, sind zu empfehlen. Hier hat die items bereits ein Tool entwickelt, das Netzbetreiber im Mitteilungsprozess für Ladepunkte unterstützt.

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass Netzbetreiber in Bezug auf das Basisjahr 2021 schnellstmöglich tätig werden sollten. Das Ziel sollte sein einen Teil der OPEX-Kosten im Zusammenhang mit der Netzintegration der Elektromobilität anerkannt zu bekommen. Maßnahmen sollten zum einen eine Netzentwicklungsstudie zur frühzeitigen Erkennung von Schwerpunkten sein.

Ebenso sollte die Datenerhebung im Verteilnetz für die Argumentation der Auswirkungen der Elektromobilität gegenüber der Regulierungsbehörde angegangen werden, um Aussagen über die Auslastung des eigenen Netzes treffen zu können. items unterstützt hier bereits die ersten Kunden mit dem Monitoring von Trafostationen und KVS-Schränken, um eine erste Aussage bezüglich der Auslastung einzelner Netzstränge treffen zu können. Die Erzielung von Synergieffekten hinsichtlich des Projektes Redispatch 2.0 ist hier sicherlich möglich, was aber ebenfalls eine bessere Datenbasis zur Prognose der Netzkapazitäten benötigt.  

Die Standardisierung von Prozessen rund um das Thema Elektromobilität sollte ebenfalls jetzt angegangen werden, um die zusätzlichen OPEX-Kosten im Basisjahr 2021 ansetzen zu können. items bietet hier ein erstes Tool zur Registrierung von Ladepunkten und unterstützt Stadtwerke mit einer ganzheitlichen Beratung zur Ausarbeitung einer Elektromobilitätsstrategie. Denn diese sollte am Ende das Ziel eines jeden Stadtwerks sein:

Die Umsetzung einer eigenen Strategie, welche die Tätigkeiten des Vertriebs und des Netzbetreibers berücksichtigt, um mittelfristig auch finanziell vom Thema Elektromobilität profitieren zu können. Ein kurzfristiges Vorpreschen des Vertriebs z. B. in Form des Vertriebs nichtsteuerbarer Ladepunkteinrichtungen kann sich, wie in diesem Beitrag dargestellt, negativ auf das Finanzergebnis des Netzbetreibers und somit des gesamten Konzerns auswirken. Somit heißt es frühzeitig in die Umsetzung gehen, um die eigenen Kosten des Netzbetreibers anerkannt zu bekommen.