Ladesäulenverordnung 2.0 – Einheitliche Bezahlsysteme für Ladesäulen werden Pflicht

Payment: Wirrwarr an der Ladesäule

Das Fahren mit dem Elektroauto wird in Deutschland immer populärer. Zulassungszahlen und der Ausbau der Ladeinfrastruktur erreichen in Deutschland immer neue Rekorde. Bedingt durch die Coronaförderung handelte es sich bei mehr als jeder zehnten Neuzulassung im ersten Quartal 2021 um ein vollelektrisches Fahrzeug. Parallel dazu erreichte auch die Anzahl öffentlicher Ladepunkte im März 2021 mit ca. 40.000 Ladepunkten einen neuen Rekordwert. Die Elektromobilität tritt somit in die Expansionsphase ein. Was aber noch fehlt ist eine einheitliche Regelung zur Abrechnung von Fahrstrom. Aus diesem Grund hat das BMWi Ende 2020 den neuen Entwurf der Ladesäulenverordnung 2.0 (LSV) veröffentlicht, der neue verpflichtende Regeln für Ladesäulenbetreiber vorsieht.

Das Thema Abrechnung ist ebenso alt wie das Thema Elektromobilität selbst. In den Anfängen war es für den Fahrer von Elektrofahrzeugen nicht möglich, an allen Ladepunkten in Deutschland zu tanken. Vielmehr hatte jeder Ladesäulenbetreiber ein eigenes Bezahlsystem. Mal war eine Kundenkarte, dann eine Kreditkarte erforderlich und am nächsten Ladepunkt konnte der Fahrstrom gratis bezogen werden. Der Nutzerkomfort war somit maximal gering. Durch die Einbindung von Roaminganbietern für Ladepunkte stieg für den Ladesäulennutzer in den letzten Jahren zwar die Auswahlmöglichkeit, jedoch muss die Ladesäule an das Backend des E-Roamingdienstleisters angeschlossen sein. Ansonsten ist ein Laden nicht möglich. Ein Ad-hoc-Laden ist zwar mittlerweile bei vielen Ladepunkten möglich, allerdings variieren die Zahlungsmöglichkeiten. Um das Ad-hoc-Laden einfacher zu machen, sieht der Entwurf der Ladesäulenverordnung 2.0 eine Vereinheitlichung der Abrechnung vor.

Vereinheitlichung und Erweiterung der Abrechnung in der Ladesäulenverordnung 2.0

Um ein einheitliches Ad-hoc-Laden zu ermöglichen, wird in der Ladesäulenverordnung 2.0 der §4 Abs.2 geändert, der bislang das Auswahlrecht zwischen vier verschiedenen Bezahlmethoden für den Ladesäulenbetreiber vorsah. Da das BMWi nach Rücksprache mit den Verbänden eine zu große Auswahlmöglichkeit sieht, die keine Standardisierung für das Ad-hoc-Laden vorantreibt, soll nun die Auswahl auf eine Möglichkeit begrenzt werden. Zu diesem Zweck sieht die Änderung vor, dass der Betreiber eines öffentlich zugänglichen Ladepunkts an dem jeweiligen Ladepunkt oder in dessen unmittelbarer Nähe die für den bargeldlosen Zahlungsvorgang erforderliche Authentifizierung und den Zahlungsvorgang mindestens mittels eines gängigen Kreditkartensystems anbieten muss. Als gängige Kreditkartensysteme zählen Mastercard und VISA. So soll auch für Ladesäulennutzer aus dem Ausland ein einheitliches, europäisches Ad-hoc-Laden möglich sein.

Für die Umsetzung des Kreditkartensystems sieht die Ladesäulenverordnung 2.0 mehrere Möglichkeiten vor:

  1. Bereitstellung eines stationären Kartenterminals mit einem Chip- und Magnetstreifenleser, bei dem die jeweilige Karte physisch eingeführt wird.
  2. Kontaktloses Bezahlen über ein NFC-Lesegerät. Die Zahlung wird mit einem optischen oder akustischen Signal bestätigt.
  3. Bezahlung über eine mobile Webseite. Der Aufruf der Website erfolgt z. B. über einen QR-Code am Ladepunkt.

Optional hat der Ladesäulenbetreiber die Möglichkeit, dem Ladesäulennutzer weitere webbasierte Zahlungsmethoden wie z. B. PayPal anzubieten. Die Menüführung muss mindestens in den Sprachen Deutsch und Englisch angeboten werden. Von der Regelung zur Einführung einer Kreditkartensystems sollen die Ladepunkte ausgenommen werden, die den Strom gratis bereitstellen oder bei denen eine Möglichkeit zur Barzahlung vor Ort geben ist. Die Verpflichtung der Einführung eines Kreditkartensystems stellt lediglich eine Mindestanforderung der Ladesäulenverordnung 2.0 dar. Dem Ladesäulenbetreiber steht es frei, weitere Zahlungsmöglichkeiten wie z. B. die Debitkarte anzubieten. Die Umsetzung eines einheitlichen Bezahlsystems hat bis zum 31. Dezember 2022 zu erfolgen. Die Datenschnittstelle ist bis zum 30. Juni 2021 bereitzustellen. Da die Ladesäulenverordnung 2.0 noch nicht final beschlossen wurde, ist von einer Verschiebung der Fristen auszugehen. Für Ladepunkte, die vor dem 14. Dezember 2017 installiert wurden, ist keine Nachrüstung erforderlich.

Neuregelung private und öffentliche Ladepunkte in der Ladesäulenverordnung 2.0

Die verpflichtende Einführung von Kreditsystemen als Bezahlsystem für Ladepunkte gilt ausschließlich für Ladepunkte im öffentlichen Bereich. Im Rahmen der Novellierung der Ladesäulenverordnung erfolgt eine Änderung der Definition öffentlicher Ladepunkte. Demnach ist nicht mehr ausschließlich die Befahrbarkeit das entscheidende Kriterium, sondern es wird auch unterschieden, ob der Ladepunkt einem generellen oder individuellen Nutzerkreis zur Verfügung steht.

Unter einem individuell bestimmten Personenkreis sind Personen zu verstehen, „[…] die dem Betreiber regelmäßig namentlich bekannt sind oder die der Betreiber auf diese Weise bei Bedarf individuell identifizieren kann. Dies ist typischerweise bei einer Mitgliedschaft, einer Anmeldung oder Registrierung, die aufgrund eines von dem Betrieb des Ladepunktes eindeutig abgrenzbaren, primären Geschäftsbetriebs erforderlich ist (z. B. bei Hotels, (stations- basiertem) Car-Sharing und Arztpraxen) sowie bei einem Arbeitsverhältnis der Fall. Parkflächen auf einem Firmengelände, die nur mit konkreter Berechtigung (z. B. als Mitarbeiter oder berechtigte Gäste) befahren werden können, sind daher nicht als öffentlich zugänglich einzustufen. Da das Gelände grundsätzlich nicht öffentlich zugänglich ist, sind auch darauf befindliche Ladepunkte ohne weitere zusätzliche physische Beschränkungen oder Beschilderungen ebenfalls nicht öffentlich zugänglich“ §2 Nr.9 LSV 2.0.

Anders sieht es jedoch für Ladepunkte in Parkhäusern und auf Parkplätzen vor Supermärkten aus, da diese grundsätzlich für einen allgemeinen Personenkreis zugänglich sind. Ebenfalls nicht zu den öffentlichen Ladepunkten gehören Ladepunkte, die als privat gekennzeichnet wurden. Die Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis ist in diesem Fall durch den Ladesäulenbetreiber sichtbar zu machen. Dies kann durch eine Bodenmarkierung oder eine Beschilderung erfolgen.

standardisierte IT-Architektur & Kommunikation

Neben der Bereitstellung einer standardisierten Datenschnittstelle sieht die Ladesäulenverordnung 2.0 für alle öffentliche Ladepunkte die Anbindung an ein zentrales Managementsystem vor. Unter einem zentralen Managementsystem ist ein System zu verstehen, über das die Verwaltung der Ladepunkte erfolgt und das Betriebsprozesse unterstützt. Hierzu zählen u. a. Funktionen wie Verwaltung, Überwachung, Service, Wartung, Monitoring, Steuerung der Ladeinfrastruktur sowie Abrechnung und E-Roaming von Ladevorgängen. Ebenso sind die Abfrage von Backend-Status oder die Durchführung von Remote-Diensten (Lastmanagement) möglich. Welche Funktion durch das zentrale Managementsystem genutzt werden muss, regelt die Ladesäulenverordnung 2.0 hingegen nicht. Als Kommunikationsprotokoll zwischen dem Ladepunkt und dem Backendsystem ist das Open Charge Point Protocol (OCPP) vorgesehen. Eine Überführung in die zukünftige Norm DIN EN 63110 bzw. IEC 63110 ist vorgesehen.

SMGW-Pflichten für den Ladepunkt

Ergänzend zur Umsetzung einer einheitlichen Abrechnung für öffentliche Ladepunkte sieht die Ladesäulenverordnung 2.0 den Einsatz von Smart-Meter-Gateways (SMGW) zur Sicherstellung der Netz- und Marktintegration vor; §3 Abs.6 LSV 2.0. Im Fokus stehen hierbei vor allem energiewirtschaftlich relevante Lade- und Steuerungsvorgänge. Solange keine abrechnungs- oder netzrelevanten Lade- und Steuerungsvorgänge bestehen, ist eine direkte Verbindung und Authentifizierung mit einem SMGW nicht erforderlich. In solchen Fällen ist der Einsatz von SMGWs am Netzanschlusspunkt ausreichend.

Durch die Novellierung der Ladesäulenverordnung schafft der Gesetzgeber eine einheitliche Regelung zum Umgang mit der Abrechnung von Ad-hoc-Ladevorgängen. Durch die Neudefinition des Begriffs öffentlicher Ladepunkte besteht außerdem eine größere Rechtssicherheit, welche Ladepunkte von den neuen Regelungen betroffen sind. Der Einsatz von SMGWs und der Aufbau einer zentralen, einheitlichen Backendinfrastruktur schaffen außerdem die Voraussetzung dafür, die Elektromobilität auch langfristig in die Netzsteuerung zu integrieren. Somit stellt die Ladesäulenverordnung 2.0 eine sinnvolle Ergänzung zu parallel verlaufenden Gesetzgebungsverfahren, wie zum Beispiel der Regelung für steuerbare Verbrauchseinrichtungen oder dem neuen Netznutzungsvertrag E-Mob, dar.

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THG-Quotenhandel: Ladesäulen wirtschaftlich betreiben

Das Grundproblem: fehlender wirtschaftlicher Betrieb von Ladepunkten

Das Thema Elektromobilität ist bei Stadtwerken längst kein neues Thema mehr. Schon seit gefühlt 10 Jahren beschäftigt die Branche die große Frage, wann das Geschäftsfeld endlich zum Durchbruch kommt und sich von einer Marketingmaßnahme zu einem wirtschaftlichen Geschäftsmodell entwickelt.

Gründe, warum es bislang noch nicht zu einem Durchbruch gekommen ist, gibt es sicherlich viele, wobei das bekannteste Argument das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität die Frage ist, was zuerst erforderlich ist: Was kommt zuerst, die Ladeinfrastruktur oder das Elektromobil? Viele Stadtwerke haben in den vergangenen Jahren bereits mit dem Aufbau der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum begonnen oder spezielle Ladestromtarife für Privatkunden entwickelt. Doch gerade beim Betrieb von öffentlichen Ladepunkten fehlt vielen Ladesäulenbetreibern die Auslastung, um langfristig einen wirtschaftlichen Betrieb gewährleisten zu können. Daher stellt sich für viele Stadtwerke die Frage, wie ein Wandel zu einem wirtschaftlichen Geschäftsmodell Elektromobilität vollzogen werden kann. Eine mögliche Lösung könnte der THG-Quotenhandel aus dem Biokraftstoffgesetz sein, dessen Inhalt und Potenziale kurz in diesem Blogbeitrag vorgestellt werden.

Hintergrund: Das Biokraftstoffgesetz & Elektromobilität

Der deutsche Gesetzgeber hat 2007 das sog. Biokraftstoffgesetz beschlossen. Demnach sind Unternehmen, die Diesel- oder Ottokraftstoffe in Verkehr bringen, verpflichtet, bestimmte Emissionsgrenzwerte einzuhalten. In der Vergangenheit geschah dies oft über das Beimischen von Biokraftstoffen (E5/E10). Seit dem Jahr 2020 müssen betroffene Unternehmen ihre Emissionen um 6%, bezogen auf den Referenzwert, senken, wobei aktuell ein neuer Referentenentwurf mit neuen Auflagen in Abstimmung ist. Die Einhaltung der Ziele ist mit der Beimischung von Biokraftstoffen allein nicht mehr möglich. Daher können Unternehmen Dritten sog. THG-Quoten abzukaufen, wenn Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen angetrieben werden. Hierzu zählt u. a. auch seit 2018 die Elektromobilität, §38 BImSchG. Das Biokraftstoffgesetz soll einen Beitrag zur Umsetzung der CO2-Einsparungsziele im Sektor Verkehr leisten und dient zur Umsetzung der 98/70 EG.

An dem THG-Quotenhandel müssen alle Unternehmen teilnehmen, die mehr als 5.000 l Diesel- oder Ottokraftstoffe (§2 Abs.1 EnergieStG) pro Jahr in den Verkehr bringen, §37a Abs.1 BImSchG. Ein Kraftstoff wird dann in den Verkehr gebracht, wenn dies den Kriterien des Energiesteuergesetzes entspricht.

THG-Quotenhandel: Grundvoraussetzung zur Teilnahme

Nach der aktuellen Rechtslage dürfen ausschließlich Stromlieferanten, die Strom an den Letztverbraucher liefern, THG-Quoten beantragen und weiterverkaufen. Letztverbraucher sind in diesem Fall rein elektrische Fahrzeuge nach §2 Nr.2 LSV. Hybridfahrzeuge sind somit ausgeschlossen. Privatpersonen oder Unternehmen dürfen nicht an dem System teilnehmen.

Der Stromlieferant kann sowohl Letztverbraucher einbinden, die ihre private Ladeinfrastruktur nutzen, als auch öffentliche Ladeinfrastruktur, die einem unbegrenzten Personenkreis zur Verfügung steht. Der Stromlieferant benötigt ein betroffenes Unternehmen als Vertragspartner, das ihm die Quotenmenge abkauft. Grundlage ist ein Kaufvertrag nach §433 BGB.

THG-Quotenhandel Vertragsbeziehung

THG-Zertifikate: Das Beantragungsverfahren

Damit ein Stromlieferant seine gelieferte Strommenge an Elektromobilen zertifizieren kann, sind 4 verschiedene Schritte durchzuführen:

Schritt 1: Datenerfassung

Grundlage zur Zertifizierung ist eine Datenerfassung der gelieferten Strommenge. Hierbei ist zwischen öffentlicher und privater Ladeinfrastruktur zu differenzieren. Bei öffentlichen Ladepunkten sind der Standort, die entnommene Menge elektrischer Energie in MWh sowie der Entnahmezeitraum anzugeben, sofern der Zeitraum nicht das gesamte Verpflichtungsjahr umfasst. Zugelassene Fahrzeuge sind in diesem Kontext reine Elektromobile und Hybridfahrzeuge im Sinne der Ladesäulenverordnung (LSV).

Bei privaten Ladepunkten dient hingegen nicht die gelieferte Menge elektrischer Energie in MWh als Grundwert, stattdessen muss der Lieferant eine Kopie des Fahrzeugscheins und einen Nachweis erbringen, dass der Halter am Standort der privaten Ladeinfrastruktur als Privatperson lebt. Auf Basis dieser Information vergibt das Umweltbundesministerium einen Schätzwert der gelieferten Energie. Eine verbrauchsbezogene Messung ist nicht zugelassen. Zugelassen sind ausschließlich reine Elektromobile im Sinne der LSV.

THG-Quotenhandel: Datenbasis zur Beantragung der Quoten

Schritt 2 Datenübermittlung

Nach der Erfassung sämtlicher Informationen der belieferten Ladepunkte (privat und öffentlich), sind die Daten dem Umweltbundesamt zu melden. Die Beschreibung des Meldeverfahrens kann auf der Homepage des Umweltbundesamtes oder Zolls nachgelesen werden.

Schritt 3 Bescheinigung beantragen

Das Umweltbundesamt erteilt dem Stromlieferanten eine Bescheinigung über die Strommenge und die verbundene Emission. (Zum Hintergrund: Das Amt schätzt für private LIS den Verbrauch mit einem Schätzwert; derzeit wird keine verbrauchsbezogene Messung akzeptiert. Für öffentliche LIS gilt die verbrauchsbezogene Messung).

Schritt 4 Bescheinigung einreichen

Der Stromlieferant legt die Bescheinigung zusammen mit der Kopie des Übertragungsvertrags mit dem Formular 1199 der Biokraftstoffquotenstelle (Zollamt) vor.

Geschäftsidee: THG-Quotenhandel zur Finanzierung der Ladeinfrastruktur

Durch die Teilnahme am Quotenhandel besteht an der öffentlichen Ladesäule in Zukunft nicht nur eine Einnahmequelle durch die Abgabe elektrischer Energie, sondern auch durch den Verkauf von Quoten. Durch die steigende Anzahl von Elektrofahrzeugen sowie den verschärften Anforderungen des Biokraftstoffgesetzes ist von einer zweiten stabilen Erlösquelle auszugehen. Unwirtschaftliche Ladepunkte werden so attraktiv.

Daneben gewinnen Flotten von Geschäftskunden auf Grund des hohen Verbrauchsvolumens an zusätzlicher Attraktivität. Eine Umsatzbeteiligung für Geschäftskunden zur Steigerung der Kundenbindung ist ebenfalls möglich.

Die zusätzlichen Einnahmen aus dem Privatkundengeschäft können zur Steigerung der Marge führen. Gleichzeitig können Teile der zusätzlichen Einnahmen zur Subventionierung von Autostromtarifen verwendet werden, um am Markt preislich bestehen zu können.

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Quotenhandel nach dem Biokraftstoffgesetz durch die zunehmende Menge an elektrischer Energie, die Stromlieferanten verwalten, und die zunehmende Verschärfung der Umweltziele an Attraktivität für Energieversorger gewinnt. Die zusätzlichen Erlöse können wesentlich dazu beitragen, ein wirtschaftliches Geschäftsfeld Elektromobilität aufzubauen. Es liegt nun an jedem Stadtwerk selbst, den geheimen Schatz der THG-Zertifikate zu heben und wirkungsvoll für sich zu nutzen.

Update (Dez 2021):

Im Jahr 2022 wird sich das Eigentumsverhältnis wer die THG Quote erhält ändern. Demnach wird die Quote nicht mehr im Besitz des Energieleiferanten sein, sondern beim Betreiber des Ladepunktes liegen. Aktuell existieren schon erste Modelle, wo Energielieferanten ihren Kunden spezielle, vergünstigte Ladesäulentarife anbieten, wenn diese ihrem Versorger dafür die THG Quote überlassen.

Die OPEX-Lücke bei der Finanzierung der Elektromobilität: Netzbetreibern drohen finanzielle Einbußen

Herausforderung Netzintegration der Elektromobilität

Der Durchbruch der Elektromobilität in der Gesellschaft steht unmittelbar bevor. Bedingt durch neue Förderprogramme und den Gesetzgeber als primären Förderer der Elektromobilität steht der Verkehrssektor vor einem zentralen Umbruch. Die neusten Zulassungszahlen und die Ankündigungen großer Automobilhersteller sollten auch den konservativsten Analytiker davon überzeugen, dass sich die Elektromobilität zu einem Grundpfeiler der alternativen Antriebstechnologien in Deutschland entwickelt.

Dabei stellt die Netzintegration der Elektromobilität eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre in der Versorgungswirtschaft dar. Verantwortlich hierfür sind vor allem die mehr als 900 Verteilnetzbetreiber in Deutschland. Diese haben sowohl die Integration als auch den Aufbau der Ladeinfrastruktur sicherzustellen und tragen einen Teil der Investitionskosten durch ihre Tätigkeit mit. Doch unter Berücksichtigung der geltenden Anreizregulierung steuern Netzbetreiber auf ein Kostendefizit im Bereich der Finanzierung der Elektromobilität zu. Dabei steht ein hoher Ausfall der OPEX-Kosten im Fokus. Daher möchten wir im Rahmen dieses Blogbeitrags erläutern, wie die Finanzierung der Kosten im Bereich Elektromobilität erfolgt, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können und wo die Probleme in der internen Unternehmensstrategie liegen.

Einflussfaktoren der Anreizregulierung auf die Elektromobilität

Grundsätzlich erwirtschaftet ein Netzbetreiber seine Einnahmen über seine betriebsnotwendigen Kosten, die durch den Letztverbraucher über die Netznutzungsentgelte (NNE) zu tragen sind. Im Kontext der Netzintegration der Elektromobilität ist jedoch zwischen verschiedenen Sachverhalten zu differenzieren.

Zum einen zwischen den kapitalgebundenen CAPEX-Kosten und den betriebsbedingten OPEX-Kosten. Aus diesem Grund ist zu betrachten, welche Auswirkungen die CAPEX- und OPEX-Kosten der Netzintegration auf den Verteilnetzbetreiber haben. Daneben ist zu untersuchen, wie und in welcher Form Baukostenzuschüsse (BKZ) für die Elektromobilität erhoben werden können. Ebenso sind die Auswirkungen hinsichtlich des Effizienzwertes zu betrachten. Eine historische Vorgehensweise von Netzbetreibern ist die Verstärkung des Netzes. Diese könnte sich jedoch langfristig auf den Effizienzwert auswirken, da das BMWi das Instrument der Spitzenlastglättung eingeführt hat, um die Kosten des Netzausbaus zu begrenzen.

Finanzierung der Elektromobilität über Baukostenzuschüsse

Die Finanzierung der Netzintegration der Elektromobilität ist über die Anschlusskosten und ggf. zusätzliche BKZ durch den Anschlussnehmer möglich. Die verbleibenden Kosten wären in diesem Fall über die NNE umzulegen. Dabei bilden die Anschlusskosten ein Lenkungsinstrument, um die Nachfrage des Anschlussnehmers nach zusätzlicher Leistung zu begrenzen. Die Erhebung von BKZ ist dem Netzbetreiber jedoch freigestellt.

Gemäß der Netzanschlussverordnung (NAV) sind dem Anschlussnehmer maximal 50 % der Kosten im Verteilnetz, die für die Durchführung einer Netzverstärkungsmaßnahme notwendig sind, in Rechnung zu stellen. Ein BKZ ist nur ab einer Leistung von 30 kW zulässig. Der Sockelfreibetrag von 30 kW bezieht sich hierbei auf das jeweilige Grundstück. Im Fall eines zweiten Netzanschlusses ist dieser dem bestehenden Anschluss des Grundstücks hinzuzurechnen, weswegen in der Regel auf einen zweiten Anschluss verzichtet wird.

Eine Finanzierung von Netzverstärkungsmaßnahmen über eine zusätzliche BKZ ist aus monetärer Sicht für einen Verteilnetzbetreiber unattraktiv, da diese als netzmindernde Erlöse gelten. Gemäß § 9 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) erfolgt die Abschreibung über 20 Jahre. Somit stellen BKZ eine kurzfristige Maßnahme zur Herstellung der Liquidität des Netzbetreibers da, sind jedoch nicht geeignet, um Wiederanschaffungsmaßnahmen zu finanzieren.

Finanzierung der Elektromobilität über die CAPEX-Kosten

Die regulatorischen Kapitalkosten stellen für einen Netzbetreiber das Herzstück der Finanzierung des eigenen Netzbetriebs dar. Da die Kapitalkosten nach der Anreizregulierung verzinst werden, sichern diese die langfristige Finanzierung des Netzbetriebs. Die CAPEX-Kosten, die zusätzlich durch die Netzintegration der Elektromobilität entstehen, fließen mit in die individuelle Erlösobergrenze (EOG) ein. Zusätzliche Investitionen nach dem Basisjahr fließen über den Kapitalaufschlag auch während der Regulierungsperiode mit ein. Eine Finanzierung der CAPEX-Kosten stellt für den Netzbetreiber somit kein Problem dar. Die Anerkennung der kalkulatorischen Kapitalkosten im Zusammenhang mit der Finanzierung der Elektromobilität sind somit ohne Zeitverzug anerkennungsfähig.

Finanzierung der Elektromobilität über die OPEX-Kosten

Die Betriebskosten des Netzbetreibers im Zusammenhang der Netzintegration für die Elektromobilität ist ebenfalls Teil der individuellen Erlösobergrenze. Allerdings können zusätzliche Betriebskosten, die nach dem Basisjahr anfallen, nicht im Laufe der Regulierungsperiode geltend gemacht werden.

Konkret bedeutet dies, dass die OPEX-Kosten im Gegensatz zu den CAPEX-Kosten nicht ohne Zeitverzug anerkennungsfähig sind. Steigende Betriebsausgaben sind erst zur nächsten Regulierungsperiode im nächsten Basisjahr anerkennungsfähig. Es gilt das Budgetprinzip für den Netzbetreiber im Zusammenhang mit der Planung der OPEX-Kosten. Somit gehen steigende OPEX-Ausgaben innerhalb einer Regulierungsperiode zu Lasten des Netzbetreibers.

Unter Berücksichtigung, dass in 2021 das nächste Basisjahr ansteht, drohen vielen Netzbetreibern für die kommenden Jahre finanzielle Einbußen. Viele Studien gehen von einer Hochlaufphase der Elektromobilität ab dem Jahr 2024 aus. Dies würde für den Netzbetreiber steigende Betriebsausgaben zur Integration der Elektromobilität bedeuten. Zusätzliche Ausgaben für den Steuerungs-, Planungs- und Monitoringbedarf sind somit nicht finanziert. Da das übernächste Basisjahr erst 2026 stattfindet und die darauffolgende 5. Regulierungsperiode erst 2029 beginnt, droht den Netzbetreibern eine OPEX-Lücke von mehreren Jahren!

Kostenanerkennung Netzintegration Elektromobilität Finanzierung
Kostenanerkennung Netzintegration Elektromobilität

Auswirkungen der Netzintegration auf den Effizienzwert

Zur Festlegung der individuellen EOG hat sich jeder Netzbetreiber, der sich nicht im vereinfachten Verfahren befindet, einem Effizienzvergleich nach §§12 bis 16 ARegV zu unterziehen. Auswirkungen auf den Effizienzfaktor und somit die EOG haben unterschiedliche Aufwands- und Strukturparameter, deren Festlegung zu jedem Effizienzvergleich von der Regulierungsbehörde neu erfolgt.

Bezüglich der Elektromobilität ist derzeit noch unklar, inwiefern sich die Netzintegration auf den Effizienzwert auswirkt. Daher ist zu prüfen, inwieweit der vorgezogene Aufbau eines nicht ausgelasteten Ladepunktes im Basisjahr Strom 2021 zu steigenden Werten auf Seiten der Aufwandsparameter führen kann, ohne dass dies auf Seiten der Vergleichsparameter (z. B. wenn die Jahresarbeit ein Parameter des Effizienzvergleiches wäre) seinen Niederschlag findet. Insbesondere bei öffentlicher Schnellladeinfrastruktur, die Leistungsanforderungen über 10 MW hat, kann dies der Fall sein und damit ein Lastmanagement erforderlich machen. Grundsätzlich sind Auswirkungen der Elektromobilität auf den Effizienzwert allerdings noch nicht absehbar. 

Maßnahmen gegen die OPEX-Lücke

Auf Grund der gerade erläuterten OPEX-Lücke sollten Netzbetreiber bereits ab dem Jahr 2021 mit der präventiven Planung bzgl. der Elektromobilität beginnen, um erste Aufwände in der 4. Regulierungsperiode anerkannt zu bekommen.

Ein erster wichtiger Meilenstein ist die Erhebung zusätzlicher Daten im Verteilnetz, um die langfristigen Auswirkungen der Elektromobilität abschätzen zu können. An welchen Stellen sind Schwerpunkte zu erwarten? Reicht die Kapazität heute aus? Dies sind nur zwei der vielen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Ausbau und der Finanzierung der Elektromobilität zu beantworten sind. Erste Projekte zur Erhebung zusätzlicher Informationen im Verteilnetz, wie z. B. die Überwachung von Trafostationen mittels LoRaWAN, sind somit aus Sicht des Regulierungsmanagements zu begrüßen. Neben der Erhebung der Daten sollten aber auch eigene Netzentwicklungsszenarien durchgeführt werden, um die Auswirkungen besser abschätzen zu können. Daneben bietet die Datengrundlage eine Basis, um gegenüber dem Anschlussnehmer dahingehend auskunftsfähig zu sein, ob die Umsetzung des von ihm gewünschten Ladepunktes möglich ist. Netzbetreiber sind nach § 19 NAV verpflichtet, hierüber binnen zwei Monaten Auskunft zu erteilen.

Neben der Datenerhebung und Analyse sollte es einen engen Austausch mit den jeweiligen Vertrieben geben, um vor allem den Vertrieb von Ladeinfrastruktur ohne Steuerungsmöglichkeiten zu verhindern. Da mittel- bis langfristig von einer hohen Ladepunktdichte auf einzelnen Verteilnetzsträngen auszugehen ist, ist von einer Erforderlichkeit von Steuerungstechnik zur Umsetzung eines netzweiten Lademanagements auszugehen. Die TAB eines Netzbetreibers ist umgehend anzupassen, sofern dies noch nicht erfolgt ist.

Darüber hinaus ist eine Digitalisierung der Prozesse des Netzbetreibers im zusammenhang mit der Elektromobilität zu empfehlen. So findet die verpflichtende Anmeldung von Ladepunkten oft manuell über ein händisch ausgefülltes Formular statt. Elektronisch gestützte Formulare, welche die Kommunikationseingangskanäle standardisieren, die internen Aufwände des Netzbetreibers und somit de OPEX-Kosten senken, sind zu empfehlen. Hier hat die items bereits ein Tool entwickelt, das Netzbetreiber im Mitteilungsprozess für Ladepunkte unterstützt.

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass Netzbetreiber in Bezug auf das Basisjahr 2021 schnellstmöglich tätig werden sollten. Das Ziel sollte sein einen Teil der OPEX-Kosten im Zusammenhang mit der Netzintegration der Elektromobilität anerkannt zu bekommen. Maßnahmen sollten zum einen eine Netzentwicklungsstudie zur frühzeitigen Erkennung von Schwerpunkten sein.

Ebenso sollte die Datenerhebung im Verteilnetz für die Argumentation der Auswirkungen der Elektromobilität gegenüber der Regulierungsbehörde angegangen werden, um Aussagen über die Auslastung des eigenen Netzes treffen zu können. items unterstützt hier bereits die ersten Kunden mit dem Monitoring von Trafostationen und KVS-Schränken, um eine erste Aussage bezüglich der Auslastung einzelner Netzstränge treffen zu können. Die Erzielung von Synergieffekten hinsichtlich des Projektes Redispatch 2.0 ist hier sicherlich möglich, was aber ebenfalls eine bessere Datenbasis zur Prognose der Netzkapazitäten benötigt.  

Die Standardisierung von Prozessen rund um das Thema Elektromobilität sollte ebenfalls jetzt angegangen werden, um die zusätzlichen OPEX-Kosten im Basisjahr 2021 ansetzen zu können. items bietet hier ein erstes Tool zur Registrierung von Ladepunkten und unterstützt Stadtwerke mit einer ganzheitlichen Beratung zur Ausarbeitung einer Elektromobilitätsstrategie. Denn diese sollte am Ende das Ziel eines jeden Stadtwerks sein:

Die Umsetzung einer eigenen Strategie, welche die Tätigkeiten des Vertriebs und des Netzbetreibers berücksichtigt, um mittelfristig auch finanziell vom Thema Elektromobilität profitieren zu können. Ein kurzfristiges Vorpreschen des Vertriebs z. B. in Form des Vertriebs nichtsteuerbarer Ladepunkteinrichtungen kann sich, wie in diesem Beitrag dargestellt, negativ auf das Finanzergebnis des Netzbetreibers und somit des gesamten Konzerns auswirken. Somit heißt es frühzeitig in die Umsetzung gehen, um die eigenen Kosten des Netzbetreibers anerkannt zu bekommen.