Trinkwassereinzugsgebieteverordnung – Neue Anforderungen für Betreiber von Wassergewinnungsanlagen 

21. Juni 2023

Unser Trinkwasser ist ohne Frage eine der wichtigsten Lebensgrundlagen für uns Menschen. Gleichzeitig ist es jedoch auch eine der bedrohtesten Ressourcen. Obwohl die Erde zu 71 Prozent von Wasser bedeckt ist, kann nur ein Prozent dieser Wasservorräte als Trinkwasser genutzt werden.  

Auch im tendenziell als wasserreich geltenden Deutschland steht die Trinkwasserversorgung vor Herausforderungen. Ausgeprägte Hitze- und Dürreperioden sorgen auch hier dafür, dass Trinkwasser in einigen Regionen mitunter zum knappen Gut wird. Hinzu kommen Belastung mit Stoffen wie Nitrat, Pflanzenschutzmitteln, Bioziden und deren Metaboliten oder Mikroorganismen, die vielerorts die Trinkwasserqualität und damit auch die Gesundheit der Konsumenten gefährden. Die Ressource Wasser muss somit geschützt werden, um eine nachhaltige Entwicklung auch für nachfolgende Generationen zu ermöglichen. 

Mit einem Anschlussgrad von über 99 Prozent wird fast die gesamte Bevölkerung Deutschlands durch die öffentliche Wasserversorgung mit Trinkwasser versorgt. Über 5.800 Wasserversorgungsunternehmen betreiben hierfür in rund 16.000 deutschen Trinkwassereinzugsgebieten komplexe Infrastrukturen mit Entnahmebrunnen, Wasserwerken und Trinkwasserleitungen. Zur Gewährleistung einer hohen Wasserqualität und -verfügbarkeit sind die Wasserversorger an Schutzvorschriften für Trinkwasser gebunden, die in der deutschen Trinkwasserverordnung geregelt sind. 

Gesetzesentwurf zur Trinkwassereinzugsgebieteverordnung (TrinkwEzgV) 

Am 16. Dezember 2020 ist die Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Neufassung der Trinkwasserrichtlinie, im Folgenden TW-RL) in Kraft getreten und musste bis zum 12. Januar 2023 in deutsches Recht umgesetzt werden. Ziel der Novellierung war u. a. die Implementierung eines risikobasierten Ansatzes für die Sicherheit der Trinkwasserversorgung. Brüssel hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. 

Zur Umsetzung der Richtlinie in Deutschland sind neben Änderungen der Trinkwasserverordnung auch Anpassungen im Infektionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz erforderlich. Darüber hinaus soll zur Implementierung des in Artikel 7 und 8 der TW-RL genannten Risikomanagements eine Verordnung über Einzugsgebiete von Entnahmestellen für die Trinkwassergewinnung (Trinkwassereinzugsgebieteverordnung – TrinkwEzgV) erlassen werden. Hierfür wurde vom BMUV im April 2023 ein Referentenentwurf vorgelegt, welcher noch nicht innerhalb der Ampel-Koalition und mit anderen Ministerien abgestimmt ist. Änderungen sind also noch möglich. 

Risikobasierter Ansatz und umfassende Wasseruntersuchungen

Wichtigste Neuerung im Entwurf der TrinkwEzgV ist die verpflichtende Einführung eines risikobasierten Ansatzes für die Gewährleistung einer sicheren Trinkwasserversorgung und zur Verringerung des erforderlichen Aufbereitungsaufwands. Dieser soll die gesamte Versorgungskette, von der Wassergewinnung an Entnahmestellen im Einzugsgebiet über die Aufbereitung und Speicherung bis hin zur Verteilung des Wassers umfassen. 

Der risikobasierte Ansatz umfasst sowohl die Risikobewertung als auch das Risikomanagement in den Einzugsgebieten von Entnahmestellen für die Trinkwassergewinnung. Betreiber von Wassergewinnungsanlagen sollen dem Entwurf entsprechend erstmalig bis zum 12. Januar 2024 eine Risikobewertung durchführen. Anschließend müssen sie alle sechs Jahre eine Risikobewertung für die Einzugsgebiete von allen Trinkwasserentnahmestellen durchführen, an denen mehr als 10 m3 Wasser pro Tag entnommen oder aber mehr als 50 Menschen versorgt werden. Dies umfasst die Bestimmung und Darstellung des einzelnen Einzugsgebietes durch umfangreiche Beschreibungen zur geologischen, hydrogeologischen und hydrochemischen Situation. Auf Grundlage der Abgrenzung und Kartierung der einzelnen Einzugsgebiete ist eine Gefährdungsanalyse und Risikoabschätzung zu wassergefährdenden Stoffen und Flächennutzungen durchzuführen. 

Bis zum 1. Januar 2026 und danach alle sechs Jahre haben Betreiber von Wassergewinnungsanlagen zudem eine umfassende Wasseruntersuchung vorzunehmen, wobei die zu untersuchenden Parameter von der zuständigen Wasserbehörde jeweils ein Jahr im Voraus festgelegt werden. Bei Bedarf können Untersuchungsumfang und -intervall durch die Behörden angepasst werden. Untersuchungen und Probennahmen, dürfen dabei nur von akkreditierten (nach Norm EN ISO/IEC 17025 oder einer anderen, gleichwertigen, international anerkannten Norm) Untersuchungsstellen durchgeführt werden. 

Aufbauend auf den Daten der Bewertung und den Untersuchungen ist ein behördenseitig ein Risikomanagement zu entwickeln, welches Risiken durch Verunreinigungen oder Belastungen des Wassers rechtzeitig vorgebeugt oder ihnen entgegengewirkt bzw. diese minimiert.  Dabei ist es Aufgabe die zuständige Behörde sicherzustellen, dass die erforderlichen Risikomanagementmaßnahmen von zuständigen Instanzen (Wasserversorger, Grundstückseigentümern, Verursachern der Belastung) ergriffen werden. 

Relevanz für kommunale Versorgungsunternehmen 

Die erforderlichen geologischen, hydrogeologischen, hydrochemischen Untersuchungen und Analysen werden perspektivisch für die Betreiber von Wassergewinnungsanlagen mit erheblichen Mehraufwänden verbunden sein. Nach Berechnungen des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) drohen zusätzliche Belastungen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags für die Erstbewertung der rund 16000 Trinkwassereinzugsgebiete in Deutschland. Kosten, die wohl an die Verbraucher weitergeben werden könnten. Hinzu kämen die Folgekosten durch Revisionen und Folgebewertungen. Zudem gibt es auf Seiten von Verbänden und Vertretern der kommunalen Wasserwirtschaft (u. a. VKU, BDEW und DVGW) erhebliche Bedenken, was die Umsetzbarkeit und juristische Tragfähigkeit des Entwurfs anbelangt, weshalb der vorliegende Entwurf des Bundesumweltministeriums weitgehend auf Ablehnung stößt.  

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass gemäß dem aktuellen Entwurf nur Wasserversorgungsunternehmen verpflichtet werden, die mit dem risikobasierten Ansatz verbundenen zusätzlichen Aufgaben (Gefährdungsanalysen, Risikoabschätzungen, Überwachung und Auswahl geeigneter Maßnahmen zur Risikominderung) zu übernehmen, um die Auswirkungen von Umweltschäden zu minimieren. Dies stellt im Grunde eine Umkehrung des Prinzips der Verursacherhaftung im Umweltrecht dar, bei dem die Kosten für die Vermeidung, Beseitigung und den Ausgleich von Umweltverschmutzungen dem Verursacher zugerechnet werden.

Zusätzlich bestehen seitens der Verbände Zweifel, ob die nahezu vollständige Übertragung der Verantwortung für die Umsetzung des risikobasierten Ansatzes auf die Betreiber von Wassergewinnungsanlagen im Einklang mit den Absichten der EU-Trinkwasserrichtlinie steht. In der Richtlinie wird gefordert, dass die Mitgliedstaaten eine klare und angemessene Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Interessenträgern bei der Umsetzung des risikobasierten Ansatzes sicherstellen. Weitere Zweifel beziehen sich u. a. auf die fehlende bzw. uneindeutige Abgrenzung der im Entwurf vorgeschlagenen Untersuchungspflichten von staatlichen Umweltüberwachungsaufgaben sowie auf eine vermeintlich mangelnde Vereinbarkeit des Verordnungsentwurfs mit bestehenden Landesvorschriften und der verfassungsrechtlich festgeschriebenen konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit. 

Die Verordnung soll voraussichtlich im Herbst im Bundesrat beraten werden. Angesichts harscher Kritik ist fraglich, ob der Verordnungsentwurf in der jetzigen Form den Gesetzgebungsprozess passiert.  

Anna-Lena Meiners

Projektleitung Digitale Kommune - Civitas Connect
Bereits während ihres Studiums der Stadt- und Regionalentwicklung hat Anna-Lena Meiners ihr besonderes Faible für transformative Prozesse in großen und kleinen Raumkulissen entwickelt. Neben und nach der Hochschulausbildung sammelte sie interdisziplinäre Erfahrungen im breiten Feld der räumlichen Planung sowie als wissenschaftliche Hochschulmitarbeiterin. Dies hilft ihr heute dabei, stets die vielfältigen planerischen, sozialen, technischen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen an unsere Lebensräume zusammenzudenken. Vor ihrer Tätigkeit bei items war sie in leitender Position in der Kommunalverwaltung tätig und verantwortete hier die Initiierung und Umsetzung verschiedenster "Smart City"-Projekte. Moderne Technologien als Vehikel für eine nachhaltige, integrierte Entwicklung von Kommunen und Regionen nutzbar zu machen, fasst Anna-Lena Meiners als wesentliche Zukunftsaufgabe auf und freut sich daher umso mehr diese aktiv begleiten zu dürfen. Seit August 2022 ergänzt sie als Projektleitung das Team des Vereins Civitas Connect mit kommunalen Themen und unterstützt die Mitglieder bei der Entwicklung innovativer Lösungen für lebenswerte Kommunen.