Das Grundproblem: fehlender wirtschaftlicher Betrieb von Ladepunkten
Das Thema Elektromobilität ist bei Stadtwerken längst kein neues Thema mehr. Schon seit gefühlt 10 Jahren beschäftigt die Branche die große Frage, wann das Geschäftsfeld endlich zum Durchbruch kommt und sich von einer Marketingmaßnahme zu einem wirtschaftlichen Geschäftsmodell entwickelt.
Gründe, warum es bislang noch nicht zu einem Durchbruch gekommen ist, gibt es sicherlich viele, wobei das bekannteste Argument das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität die Frage ist, was zuerst erforderlich ist: Was kommt zuerst, die Ladeinfrastruktur oder das Elektromobil? Viele Stadtwerke haben in den vergangenen Jahren bereits mit dem Aufbau der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum begonnen oder spezielle Ladestromtarife für Privatkunden entwickelt. Doch gerade beim Betrieb von öffentlichen Ladepunkten fehlt vielen Ladesäulenbetreibern die Auslastung, um langfristig einen wirtschaftlichen Betrieb gewährleisten zu können. Daher stellt sich für viele Stadtwerke die Frage, wie ein Wandel zu einem wirtschaftlichen Geschäftsmodell Elektromobilität vollzogen werden kann. Eine mögliche Lösung könnte der THG-Quotenhandel aus dem Biokraftstoffgesetz sein, dessen Inhalt und Potenziale kurz in diesem Blogbeitrag vorgestellt werden.
Hintergrund: Das Biokraftstoffgesetz & Elektromobilität
Der deutsche Gesetzgeber hat 2007 das sog. Biokraftstoffgesetz beschlossen. Demnach sind Unternehmen, die Diesel- oder Ottokraftstoffe in Verkehr bringen, verpflichtet, bestimmte Emissionsgrenzwerte einzuhalten. In der Vergangenheit geschah dies oft über das Beimischen von Biokraftstoffen (E5/E10). Seit dem Jahr 2020 müssen betroffene Unternehmen ihre Emissionen um 6%, bezogen auf den Referenzwert, senken, wobei aktuell ein neuer Referentenentwurf mit neuen Auflagen in Abstimmung ist. Die Einhaltung der Ziele ist mit der Beimischung von Biokraftstoffen allein nicht mehr möglich. Daher können Unternehmen Dritten sog. THG-Quoten abzukaufen, wenn Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen angetrieben werden. Hierzu zählt u. a. auch seit 2018 die Elektromobilität, §38 BImSchG. Das Biokraftstoffgesetz soll einen Beitrag zur Umsetzung der CO2-Einsparungsziele im Sektor Verkehr leisten und dient zur Umsetzung der 98/70 EG.
An dem THG-Quotenhandel müssen alle Unternehmen teilnehmen, die mehr als 5.000 l Diesel- oder Ottokraftstoffe (§2 Abs.1 EnergieStG) pro Jahr in den Verkehr bringen, §37a Abs.1 BImSchG. Ein Kraftstoff wird dann in den Verkehr gebracht, wenn dies den Kriterien des Energiesteuergesetzes entspricht.
THG-Quotenhandel: Grundvoraussetzung zur Teilnahme
Nach der aktuellen Rechtslage dürfen ausschließlich Stromlieferanten, die Strom an den Letztverbraucher liefern, THG-Quoten beantragen und weiterverkaufen. Letztverbraucher sind in diesem Fall rein elektrische Fahrzeuge nach §2 Nr.2 LSV. Hybridfahrzeuge sind somit ausgeschlossen. Privatpersonen oder Unternehmen dürfen nicht an dem System teilnehmen.
Der Stromlieferant kann sowohl Letztverbraucher einbinden, die ihre private Ladeinfrastruktur nutzen, als auch öffentliche Ladeinfrastruktur, die einem unbegrenzten Personenkreis zur Verfügung steht. Der Stromlieferant benötigt ein betroffenes Unternehmen als Vertragspartner, das ihm die Quotenmenge abkauft. Grundlage ist ein Kaufvertrag nach §433 BGB.
THG-Zertifikate: Das Beantragungsverfahren
Damit ein Stromlieferant seine gelieferte Strommenge an Elektromobilen zertifizieren kann, sind 4 verschiedene Schritte durchzuführen:
Schritt 1: Datenerfassung
Grundlage zur Zertifizierung ist eine Datenerfassung der gelieferten Strommenge. Hierbei ist zwischen öffentlicher und privater Ladeinfrastruktur zu differenzieren. Bei öffentlichen Ladepunkten sind der Standort, die entnommene Menge elektrischer Energie in MWh sowie der Entnahmezeitraum anzugeben, sofern der Zeitraum nicht das gesamte Verpflichtungsjahr umfasst. Zugelassene Fahrzeuge sind in diesem Kontext reine Elektromobile und Hybridfahrzeuge im Sinne der Ladesäulenverordnung (LSV).
Bei privaten Ladepunkten dient hingegen nicht die gelieferte Menge elektrischer Energie in MWh als Grundwert, stattdessen muss der Lieferant eine Kopie des Fahrzeugscheins und einen Nachweis erbringen, dass der Halter am Standort der privaten Ladeinfrastruktur als Privatperson lebt. Auf Basis dieser Information vergibt das Umweltbundesministerium einen Schätzwert der gelieferten Energie. Eine verbrauchsbezogene Messung ist nicht zugelassen. Zugelassen sind ausschließlich reine Elektromobile im Sinne der LSV.
Schritt 2 Datenübermittlung
Nach der Erfassung sämtlicher Informationen der belieferten Ladepunkte (privat und öffentlich), sind die Daten dem Umweltbundesamt zu melden. Die Beschreibung des Meldeverfahrens kann auf der Homepage des Umweltbundesamtes oder Zolls nachgelesen werden.
Schritt 3 Bescheinigung beantragen
Das Umweltbundesamt erteilt dem Stromlieferanten eine Bescheinigung über die Strommenge und die verbundene Emission. (Zum Hintergrund: Das Amt schätzt für private LIS den Verbrauch mit einem Schätzwert; derzeit wird keine verbrauchsbezogene Messung akzeptiert. Für öffentliche LIS gilt die verbrauchsbezogene Messung).
Schritt 4 Bescheinigung einreichen
Der Stromlieferant legt die Bescheinigung zusammen mit der Kopie des Übertragungsvertrags mit dem Formular 1199 der Biokraftstoffquotenstelle (Zollamt) vor.
Geschäftsidee: THG-Quotenhandel zur Finanzierung der Ladeinfrastruktur
Durch die Teilnahme am Quotenhandel besteht an der öffentlichen Ladesäule in Zukunft nicht nur eine Einnahmequelle durch die Abgabe elektrischer Energie, sondern auch durch den Verkauf von Quoten. Durch die steigende Anzahl von Elektrofahrzeugen sowie den verschärften Anforderungen des Biokraftstoffgesetzes ist von einer zweiten stabilen Erlösquelle auszugehen. Unwirtschaftliche Ladepunkte werden so attraktiv.
Daneben gewinnen Flotten von Geschäftskunden auf Grund des hohen Verbrauchsvolumens an zusätzlicher Attraktivität. Eine Umsatzbeteiligung für Geschäftskunden zur Steigerung der Kundenbindung ist ebenfalls möglich.
Die zusätzlichen Einnahmen aus dem Privatkundengeschäft können zur Steigerung der Marge führen. Gleichzeitig können Teile der zusätzlichen Einnahmen zur Subventionierung von Autostromtarifen verwendet werden, um am Markt preislich bestehen zu können.
Insgesamt ist festzuhalten, dass der Quotenhandel nach dem Biokraftstoffgesetz durch die zunehmende Menge an elektrischer Energie, die Stromlieferanten verwalten, und die zunehmende Verschärfung der Umweltziele an Attraktivität für Energieversorger gewinnt. Die zusätzlichen Erlöse können wesentlich dazu beitragen, ein wirtschaftliches Geschäftsfeld Elektromobilität aufzubauen. Es liegt nun an jedem Stadtwerk selbst, den geheimen Schatz der THG-Zertifikate zu heben und wirkungsvoll für sich zu nutzen.
Update (Dez 2021):
Im Jahr 2022 wird sich das Eigentumsverhältnis wer die THG Quote erhält ändern. Demnach wird die Quote nicht mehr im Besitz des Energieleiferanten sein, sondern beim Betreiber des Ladepunktes liegen. Aktuell existieren schon erste Modelle, wo Energielieferanten ihren Kunden spezielle, vergünstigte Ladesäulentarife anbieten, wenn diese ihrem Versorger dafür die THG Quote überlassen.