Solarpflicht in Deutschland: Vom Überblick bis zu den regionalen Unterschieden

31. Januar 2024

Was ist die Solarpflicht und welchen Beitrag sollen die Solaranlagen leisten?

Der Ausbau von Solar- und Windenergieanlagen gilt aus Sicht der Politik als die beiden tragenden Säulen für den Umbau des Energiesektors hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft. Bereits im Jahr 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus regenerativen Erzeugungsanlagen stammen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die installierte elektrische Leistung von Solar- und Windenergieanlagen in Deutschland weiter deutlich ausgebaut werden. Um dies zu erreichen, haben in den letzten zwei Jahren mehrere Bundesländer eine so genannte Solarpflicht beschlossen.

Der Begriff Solarpflicht bezeichnet eine gesetzliche Verpflichtung oder Regelung, die den Einsatz von Solaranlagen oder anderen erneuerbaren Energiequellen in bestimmten Zusammenhängen oder für bestimmte Zwecke vorschreibt. Diese Verpflichtung kann auf verschiedenen Ebenen bestehen, von nationalen Gesetzen bis hin zu lokalen Bauvorschriften

Mit der Einführung einer Solarpflicht werden verschiedene übergeordnete umwelt- und energiepolitische Ziele verfolgt. Ein zentrales Motiv besteht darin, die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern und damit den Anteil umweltfreundlicher Energie an der Gesamtversorgung zu erhöhen. Dies wiederum dient der Reduktion von Treibhausgasemissionen und unterstützt die globalen Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel.

Die Förderung der Solarenergie zielt auch darauf ab, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Durch den verstärkten Einsatz von Solartechnologien soll die Energieversorgung nachhaltiger gestaltet und langfristig die Energieversorgungssicherheit erhöht werden. Diese Maßnahme trägt nicht nur zur Erreichung ökologischer Ziele bei, sondern kann auch wirtschaftliche Impulse setzen, indem sie den technologischen Fortschritt in der Solarbranche fördert, Arbeitsplätze schafft und lokale Industrien unterstützt.

Die Solarpflicht hat auch positive Auswirkungen auf die Energieeffizienz von Gebäuden und fördert nachhaltiges Bauen. Durch die Installation von Solaranlagen wird nicht nur saubere Energie erzeugt, sondern es können auch langfristig Energiekosten eingespart werden. Ein weiterer Aspekt ist das bürgerschaftliche Engagement, denn die Pflicht zur Nutzung von Solarenergie fördert die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende. Dies trägt dazu bei, das Bewusstsein für erneuerbare Energien zu stärken und die Akzeptanz für nachhaltiges Energieverhalten zu erhöhen. Insgesamt ist die Solarpflicht somit Teil einer umfassenden Strategie zur Förderung nachhaltiger Energiequellen und zur Verringerung der Umweltauswirkungen.

Wie sehen die Regelungen in den Bundesländern aus?

In einigen Bundesländern gilt die Solarpflicht bereits seit 2022, so in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Viele weitere Bundesländer haben 2023 nachgezogen und ebenfalls eine Solarpflicht beschlossen. Dazu gehören Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Bayern und Hessen. In Bremen, Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern wird eine Solarpflicht hingegen noch diskutiert. In Sachsen-Anhalt, Brandenburg und im Saarland ist eine Solarpflicht derzeit nicht geplant.

Die Solarpflicht ist jedoch nicht in allen Bundesländern identisch, daher soll im Folgenden ein kurzer Blick auf die einzelnen Regelungen in den jeweiligen Bundesländern geworfen werden:

Nordrhein-Westfalen

Hier ist die Solarpflicht zunächst auf geeignete Parkflächen mit mehr als 35 überdachten Stellplätzen bei Nichtwohngebäuden beschränkt. Ausnahmen kann es auf kommunaler Ebene geben, wenn eine Kommune eine eigene weitergehende Solarpflicht beschlossen hat, wie z.B. in Bonn, wo die Solarpflicht ab September 2021 gilt. Allerdings gilt die Pflicht dort nicht nur für große Parkplätze, sondern für alle städtebaulichen Projekte. Außerdem gibt es eine zusätzliche städtische Förderung für die Errichtung privater Solaranlagen. Die Solarpflicht für Gewerbebauten soll ab 2024 gelten, für Neubauten von Wohngebäuden erst ab 2025.

Berlin

In der Landeshauptstadt gilt seit 2023 eine Solarpflicht, die sich auf Neubauten und im Bestand auf grundlegende Dachsanierungen konzentriert. Die Solarpflicht gilt auch als erfüllt, wenn keine PV-Anlage, sondern alternativ eine Solarthermieanlage installiert wird.

Hamburg

Hier wurde eine ähnliche Regelung wie in Berlin beschlossen und ebenfalls eine Solarpflicht bis 2023 festgelegt. Allerdings ist die Pflicht zunächst auf Neubauten beschränkt. Für Bestandsgebäude gilt sie erst ab 2025.

Bayern

Hier gilt die Solarpflicht erst ab Mitte 2023 und umfasst die Installationspflicht für Gewerbe- und Nichtwohngebäude. Neubauten von Wohngebäuden sind erst ab 2025 von der Pflicht betroffen. Ebenso Bestandsgebäude bei größeren Dachsanierungen.

Niedersachsen

Hat seit Anfang 2023 eine Solarpflicht eingeführt. Diese konzentriert sich jedoch ausschließlich auf Nichtwohngebäude. Wohngebäude müssen aber PV ready gebaut werden.

Schleswig-Holstein

Hat ebenfalls 2023 eine Solarpflicht eingeführt. Eine Solaranlagenpflicht besteht bei Neubauten und bei der Sanierung von mehr als zehn Prozent der Dachfläche aller Nichtwohngebäude. Darüber hinaus ist eine generelle Installationspflicht für alle Gewerbeimmobilien geplant.

Hessen

Hier wurde die Solarpflicht erst im November beschlossen und konzentriert sich auf neu errichtete, überdachte Parkplätze mit mehr als 50 Stellplätzen.

Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz gilt die Solarpflicht ab Januar 2023 für Gewerbeimmobilien und überdachte Parkplätze mit mehr als 50 Stellplätzen.

Bundesweite Solarpflicht – wann kommt sie?

Nach derzeitiger Rechtslage gibt es in Deutschland keine bundesweite Solarpflicht. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wurde jedoch die Einführung einer Solardachpflicht festgeschrieben. Laut Koalitionsvertrag und Aussagen des BMWK soll eine mögliche bundesweite Solardachpflicht zwei Ziele erfüllen: die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien, aber auch als mittelständisches Konjunkturprogramm für das Handwerk.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch nicht klar, ob und in welchem Umfang eine Solardachpflicht kommen wird. Auch im so genannten Solarpaket der Bundesregierung ist bisher nichts von einer Solardachpflicht zu lesen, so dass die Einführung in dieser Legislaturperiode fraglich ist. Da jedoch viele Kommunen mit eigenen Regelungen und Verordnungen voranschreiten, wie dies auch bereits in vielen Bundesländern der Fall ist, kann davon ausgegangen werden, dass es in den nächsten Jahren bundesweit zu einer Solardachpflicht kommen wird, auch wenn die Regelungen nicht bundeseinheitlich sein werden.

Was bedeutet eine Solarpflicht für die Energiewirtschaft?

Die Einführung einer Solarpflicht hat nicht nur Auswirkungen auf die Gebäudeeigentümer, die zur Errichtung einer Solaranlage verpflichtet werden, sondern auch auf die Energiewirtschaft, die einerseits die neuen Anlagen in die Infrastruktur integrieren muss, andererseits aber auch neue Geschäftsmodelle auf Basis von Solaranlagen entwickeln kann. Die Einführung einer Solarpflicht kann erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell, die Netze und die kommunale Wärmeplanung haben. Einige der möglichen Auswirkungen sind:

1. Geschäftsmodell der Energieversorger

Für Energieversorger können sich durch die verstärkte Integration der Solarenergie in die Energieversorgung neue Geschäftsmodelle ergeben. Dies betrifft zum einen die Projektierung, Errichtung und Erschließung der Dachfläche für eine Photovoltaikanlage, für die auch der Betrieb und die Wartung übernommen werden kann. Durch die Erhöhung des Autarkiegrades sinken die Absatzmengen der Energieversorger, was die Margen der klassischen Energieversorger weiter schmälert. Gleichzeitig können auf Basis einer PV-Anlage neue Geschäftsmodelle wie Mieter- oder Gebäudestrom entwickelt werden, die vom Stadtwerk selbst oder von Dritten angeboten werden können.

2. Netzinfrastruktur

Der verstärkte Einsatz von Solaranlagen, insbesondere von dezentralen Anlagen auf Gebäuden, könnte zu Veränderungen in der Netzinfrastruktur führen. Die Netze müssten möglicherweise für eine bidirektionale Energieübertragung ausgelegt werden, um überschüssige Solarenergie in das Netz einspeisen zu können. Die Netzstabilität und -flexibilität müsste verbessert werden, um die schwankende Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen besser bewältigen zu können. Mögliche Auswirkungen einer erhöhten PV-Einspeisung können eine Erhöhung des Spannungsbandes oder Probleme mit Oberschwingungen im Netz sein.

3. Energieeffizienz und kommunale Wärmeplanung

Die Solarpflicht kann einen Schub für Energieeffizienzmaßnahmen in Kommunen bedeuten. Dies könnte zu verstärkten Bemühungen bei der Integration von Solartechnologien in städtische Wärmeplanungen führen, einschließlich Solarthermieanlagen für die Warmwasserbereitung oder Heizungsunterstützung. Kommunen könnten vermehrt Anreize für energieeffiziente Gebäude schaffen und langfristige Wärmeplanungsstrategien entwickeln.

4. Investitionen in erneuerbare Energien:

Die Solarpflicht kann zu vermehrten Investitionen in erneuerbare Energien führen, insbesondere in Solaranlagen. Dies könnte zu einer Vielzahl von Geschäftsmöglichkeiten, welche über den reinen Bau von Solaranlagen hinaus gehen. Mit Blick auf die Wärmewende könnte die Installation einer Solaranlage oft mit der Frage der eigenen Heizungstechnologie einhergehen, die wiederum den Bedarf nach Energieberatung verbunden mit weiteren Sanierungsmaßnahmen steigern kann.

Fazit

Die Einführung der Solarpflicht ist in Deutschland weiter auf dem Vormarsch, wird aber weniger auf Bundesebene als auf Landesebene vorangetrieben, sofern die einzelnen Kommunen nicht bereits strengere Regelungen erlassen haben. Mittlerweile haben wir jedoch einen Flickenteppich an Regelungen, da die politischen Akteure je nach Ebene eine Solarpflicht unterschiedlich interpretieren.

Aufgrund der tendenziell steigenden Energiepreise in Deutschland und der sinkenden Kosten für Solaranlagen und Speichertechnologien ist unabhängig von einer Solarpflicht mit einem stetigen Ausbau der Solarenergie zu rechnen.

Hinzu kommt, dass der urbane Raum in der Regel noch wenig mit Solaranlagen erschlossen ist, so dass neue Geschäftsmodelle wie Mieter- und Gebäudestrom den Trend zur Nutzung der Solarenergie beschleunigen dürften. Gleichzeitig sind die kommunale Wärmewende und das Gebäudeenergiegesetz ein weiterer Treiber für die Solarenergie, um eine Wärmewende auf kommunaler Ebene zu unterstützen und das mittelfristige Ziel von 65% erneuerbarer Wärme zu erreichen.

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Marcel Linnemann

Leitung Innovation & Grundsatzfragen Energiewirtschaft
Marcel Linnemann, Wirt. Ing. Energiewirtschaft, Netzingenieur, ist Leiter Innovation und regulatorische Grundsatzfragen bei items und Autor diverser Fachbücher und -artikel rund um die Thematiken der Energiewirtschaft und der Transformation