Praxisbericht – Wertstoffhof ohne Warten

23. November 2021

Eben mal kurz die Gartenabfälle und den Stuhl, auf den sich Tante Erna bei Ihrem letzten Besuch gesetzt hat und der daraufhin zusammengebrochen ist, zum Wertstoffhof bringen und dann weiter zum Familientreffen. Die Öffnungszeiten sind bekannt, also ab ins Auto und auf in Richtung Wertstoffhof. Und wie immer, wenn man gerade keine Zeit hat, tritt Murphys Gesetz in Kraft. Vor der Einfahrt zum Wertstoffhof stauen sich die Autos der Einwohner, bis auf die angrenzende Bundesstraße. Dabei möchte man doch direkt auf den Wertstoffhof, ohne Warten zu müssen.

Was sich wie ein Einzelschicksal anfühlen mag, ist ein weitverbreiteter Fall. Sucht man bei Google nach „Stau vor dem Wertstoffhof“ kommen seitenweise Einträge von Lokalzeitungen zu den Stau-Situationen auf den Zufahrtsstraßen der Wertstoffhöfe. Die Stadtwerke München riefen am 02. November 2020 sogar dazu auf, nur bei unaufschiebbarem, dringenden Entsorgungsbedarf vorbeizukommen.  

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Monitoring des Staus vor dem Wertstoffhof

Auf der Suche nach einer Lösung, um den Rückstau vor Wertstoffhöfen zu reduzieren, haben wir gemeinsam mit den Technischen Betrieben Rheine und der RheiNet GmbH eine Lösung entwickelt, die das Warten vorhersehbar und vermeidbar macht. Seit Anfang Juni findet sich auf der Website der Technischen Betriebe Rheine eine Warteschlangenanzeige, die grafisch den Stau vor der Einfahrt des Wertstoffhofes anzeigt und eine geschätzte Wartezeit angibt.  

Für den Wertstoffhof in Rheine besteht, wie für viele andere Höfe auch, die besondere Herausforderung darin, dass der Wertstoffhof in Rheine nicht über eine gesonderte Zufahrt verfügt, sondern die angrenzende Straße gleichzeitig die Zufahrt zum Wertstoffhof bildet. Da somit nicht ausschließlich Besucher des Wertstoffhofs den betrachteten Bereich passieren, sondern ebenfalls alle anderen Verkehrsteilnehmer, gestaltete sich das Vorhaben deutlich schwieriger als bei Betrachtung einer separaten Spur. Einerseits durfte die eingesetzte Technologie kein Hindernis für Verkehrsteilnehmer, wozu natürlich auch Motorrad und Fahrradfahrer gehören, darstellen und andererseits musste unterschieden werden, ob ein Fahrzeug wartet oder nur die Straße entlangfährt. Auch der Kosten-Nutzen-Faktor sollte natürlich beachtet werden.  

Intelligente Warteschlangenanzeige mit LoRaWAN

Nachdem die Rahmenbedingen definiert wurden, sollte im folgenden Schritt die passende Sensorik ermittelt werden. Für den ersten Test sollte ein Parksensor verbaut werden, der in seiner eigentlichen Bestimmung dafür konzipiert ist, die Belegung von Parkplätzen aus der Ferne zu monitoren. Der Sensor erfasst durch eine Veränderung des Erdmagnetfeldes eine Statusänderung und so, ob ein Fahrzeug über dem Sensor steht oder nicht. Der Testdurchlauf mit zunächst einem verbauten Sensor hat ergeben, dass darüberfahrende Fahrzeuge mit einer innerörtlichen Regelgeschwindigkeit nicht vom Sensor erfasst werden. Fahrzeuge, die nicht für den Wertstoffhof anstehen, werden nicht von der Sensorik gemessen und fließen schlussendlich nicht mit in die Warteschlangenanzeige ein. Die Sensoren wurden durch die Technischen Betriebe Rheine in die Straße eingelassen, um keine Gefahr für Zweiradfahrer darzustellen. Bei der Montage bestand die Herausforderung die richtige Einbautiefe sicherzustellen, um die Messfähigkeit der Sensoren zu erhalten.  

Die Parksensoren übermitteln ihren Status per LoRaWAN an einen für die Anwendung notwendigen LoRaWAN-Netzwerk-Server. Das benötigte LoRaWAN-Netz wurde durch die RheiNet GmbH errichtet und betrieben. Die in der untenstehenden Abbildung dargestellte Warteschlange wird aus den Sensordaten mittels eines dafür programmierten Algorithmus errechnet und visuell auf der Homepage der TBR dargestellt. Die angewendete Logik berücksichtigt dabei unter anderem, den Fall parkender Fahrzeuge, die nicht zur Warteschlange des Wertstoffhofs gehören, sondern beispielsweise nur zufällig auf einem Sensor abgestellt wurden oder einen Parkvorgang in der Nähe eines Sensors durchführen. 

Warteschlangenanzeige des Wertstoffhofs ins Rheine. Aktuell ca. 20 Meter also ca. 6,5 Minuten Wartezeit.
Digitale Warteschlangenanzeige auf dem Wertstoffhof in Rheine

Die Hoffnung ist es, den Stau vor dem Wertstoffhof zu verringern. „Dieser konnte an stark frequentierten Tagen zu einem Problem werden, unter anderem da sich die wartenden Fahrzeuge teilweise bis auf die Bundesstraße stauten“.  Diesem Problem erhofft man durch die neu geschaffene Möglichkeit Herr zu werden. „Auch zukünftig möchten wir in Rheine neue Technologien einsetzen, um die Stadt mit ihren angrenzenden Gebieten noch lebenswerter zu machen“ so Herr Ventker, Geschäftsführer der RheiNet GmbH. 

Ausblick

Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass die erhobenen Daten auch über die Stau-Analyse hinaus ihren Mehrwert liefern können. In Rheine werden die Sensordaten mittlerweile auch genutzt, um Rückschlüsse auf die generelle Nutzung des Wertstoffhofs zu ziehen.  

Für die Zukunft sind in Rheine schon weitere Digitalisierungsprojekte geplant, welche auf der LoRaWAN‑Technologie aufbauen. So befindet sich aktuell ein Projekt zur Umsetzung der Fernauslesbarkeit der Grundwassermessstellen per LoRaWAN statt, um eine bessere Datenbasis über die Entwicklung der Grundwasserstände zu erhalten. Die neugewonnen Informationen sollen zur Weiterentwicklung des Wassernetzes vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen des Klimawandels und zunehmender Hitzeperioden beitragen. Ein weiteres Projekt, welches sich derzeit in der Umsetzung befindet, ist die bedarfsorientierte Bewässerung von Blumenbeeten durch den Einsatz von Feuchtigkeitssensoren. Dies spart zukünftig Wege und Wasser durch eine effizientere Bewässerung. 

Wenn ihr Fragen oder Anmerkungen zu diesem LoRaWAN-Anwendungsfall habt, meldet euch gerne bei uns und folgt unserem Blog, wenn euch der Beitrag gefallen hat. 

Kevin Woszczyna

SAP Berater und Consultant Digitale Netze
Kevin Woszczyna ist SAP Berater und Consultant Digitale Netze bei der items GmbH. Die Beratung unserer Kunden im SAP EAM Umfeld gehört genauso zu seinem Tagesgeschäft, wie die Beratung und Umsetzung von Projekten im IoT-Umfeld. Wenn er also nicht auf der Hamburger Alster im Drachenboot unterwegs ist, Kanu-Polo spielt oder beim Reisen und Fotografieren Entspannung findet, befasst er sich mit den Trends der Digitalisierung in der Versorgungswirtschaft.