Kompass mit Richtungsanzeige auf Erfolg

Erfolgsfaktoren für LoRa-Projekte

3. Juni 2020

LoRaWAN-Projekte sind in der Energiewirtschaft angekommen

In den letzten zwei Jahren hat sich das Thema IoT und speziell LoRaWAN in immer mehr Stadtwerken durchgesetzt. Meldungen von mehreren großen Versorgern, ihre IoT-Netze in den nächsten Jahren mit mehreren 1.000 Gateways auszustatten, haben dem Thema LoRaWAN einen Schub in der Branche gegeben. Genauso hat die Anzahl der Anwendungsfälle stetig zugenommen. Ob Use-Cases im Bereich der Stadt, in öffentlichen Einrichtungen oder Energienetzen (Strom, Wasser, Gas, Fernwärme) – die Vielfalt ist enorm. Jedoch hat sich in den letzten Monaten gezeigt, dass die Geschwindigkeit, in der Stadtwerke dieses Thema umsetzen, höchst unterschiedlich ist. Da wir als items schon mehrere LoRaWAN-Projekte begleiten durften, möchten wir in diesem Blogbeitrag einmal vorstellen, welche Methoden sich als Best-Practices etabliert haben und welche Schritte für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig sind.

Was ist unser Fokus?

Gerade wenn das Thema LoRaWAN und IoT für ein EVU neu ist, stellt sich schnell die Frage nach dem Fokus. Soll die Erprobung der Technologie oder die Pilotierung bestimmter Anwendungsfälle im Fokus stehen oder gar ein kompletter Use-Case direkt im Rollout als Massenprozess umgesetzt werden? Die Festlegung auf den Fokus hilft in der Regel, die Art des LoRaWAN-Projektes zu bestimmen und Verzögerungen im laufenden Projekt zu verhindern, um die eigene Meilensteinplanung im späteren Verlauf halten zu können.

Bauen wir internes Know-how auf?

Ebenfalls wichtig vorab zu klären ist die Frage, ob perspektivisch internes Know-how aufgebaut werden soll und welche Abteilung dies übernehmen wird. In der Praxis scheitert ein LoRaWAN-Projekt oft, wenn kein internes Know-how aufgebaut wird, da zum einen das technische Verständnis bei der Projektumsetzung fehlt, aber auch die Wertschöpfungstiefe beim Stadtwerk perspektivisch zu gering ist. Da gerade der Bereich Netzbetrieb und Sensorik eine Kernkompetenz eines Stadtwerks ist, sollte dieser Bereich zwingend durch ein Stadtwerk übernommen werden. Eine frühe Festlegung, wer innerhalb des EVUs auch nach dem Pilot für das Thema verantwortlich sein soll, hilft das Know-how bereits frühzeitig aufzubauen, da die Mitarbeiter sofort in das Projekt integriert werden können.

Braucht der Use-Case nur eine IoT-Plattform oder auch eine Applikation?

Gerade beim Aufbau von ersten LoRaWAN-Use-Cases werden viele Teilnehmer von dem Irrglauben gelenkt, dass für den späteren Betrieb des Use-Cases die IoT-Plattform und der LoRaWAN- Netzwerkserver ausreichen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die IoT-Plattform (hier Data-Hub genannt) dient primär zur Entschlüsselung, Persistierung, Aufbereitung und Weiterleitung der Daten an das erforderliche Fachsystem. Zwar können in der Regel auch einfache Dashboards erstellt werden, diese eignen sich jedoch nicht für einen Rollout, sondern eher für den Test von Anwendungsfällen. Gerade spätere Nutzer sind es gewohnt, in ihrer jeweiligen Fachanwendung zu arbeiten, weswegen ein Medienbruch durch einen Wechsel auf die IoT-Plattform eher hinderlich wäre und die Nutzerverwaltung auf zwei Plattformen im schlimmsten Fall verkomplizieren würde. Daher ist es viel einfacher, wenn beispielsweise ein Zählerwechsel weiterhin über das SAP-System (Fachapplikation) und nicht über die IoT-Plattform erfolgt. Auch könnte der Aufbau von Applikationen innerhalb der IoT-Plattform bei späteren Migrationen zu einem erhöhten Aufwand führen, weswegen eine Trennung der IoT-Plattform von der Applikation zu empfehlen ist. Die IoT-Plattform ist somit eher als eine Art Middleware zu betrachten, die Daten an die Fachsysteme über verschiedenste Schnittstellen bereitstellt. Für einen späteren Rollout ist somit immer eine Applikation erforderlich. Dabei kann es sich entweder um bestehende Systeme wie beispielsweise eine Integration von GIS- oder SAP-Systemen handeln oder es ist die Entwicklung von neuen Applikationen erforderlich. Ein Beispiel hierfür ist das Tool Grid Insight: Water, das von der items für die Wasserwirtschaft entwickelt wurde. Das Tool verarbeitet IoT-Daten und stellt diese dem Endanwender für eine optimierte Planung der Wassernetze zur Verfügung.

Welches LoRaWAN-Projekt brauchen wir?

Grundsätzlich haben sich in den letzten zwei Jahren drei Arten von Projekten entwickelt, wie ein Stadtwerk ein LoRaWAN-Projekt angeht: Ein Pilot mit dem Fokus Technologietest, ein Pilot mit dem Fokus auf einen Rollout oder einen sofortigen Rollout. Die Projekte unterscheiden sich vor allem in ihrer Herangehensweise und dem Projektziel.

Gerade in den Anfangszeiten haben viele Stadtwerke einen Piloten mit dem Fokus Technologietest durchgeführt, da die Technologie LoRaWAN sehr neu war. Der Fokus lag weniger auf dem wirtschaftlichen Business-Case als auf der Erprobung der Technologie. In diesem Zusammenhang wurden häufig Use-Case-Workshops mit den Stadtwerken zur Identifizierung technisch sinnvoller Anwendungsfälle durchgeführt. In der Praxis kam es oft zu ähnlichen Anwendungsfällen, für die 1-2 Sensoren beschafft und in ein LoRaWAN-Netz eingebunden wurden. Da die Projekte oft mit der Idee beginnen, LoRaWAN in möglichst vielen Bereichen einzusetzen. Dadurch wurden viele interne Projekte begonnen, obwohl die spätere Zielsetzung nicht klar war. Welchen Nutzen hat es, den Sensor auszurollen? Gibt es einen Business-Case? Welche regulatorischen Anforderungen müssen erfüllt werden und welche Applikation ist notwendig? Die Folge ist ein hoher administrativer Aufwand bei einem geringen Projekterfolg. Auch wurde durch den fehlenden Fokus die interne Zeitplanung regelmäßig nicht eingehalten, weswegen mehr Zeit und neues Kapital notwendig waren.

Da die Technologie LoRaWAN bereits in vielen Fällen technologisch erprobt wurde und erste Informationen vorliegen, empfiehlt es sich vielmehr, ein Pilot mit Fokus auf einen Rollout zu starten. In diesem Fall werden parallel zum Aufbau des LoRaWAN-Netzes 1-2 Use-Cases identifiziert, die später in Masse ausgerollt werden. Dabei sollte es sich um Anwendungsfälle handeln, bei denen der Nutzen, die technischen Anforderungen sowie der wirtschaftliche Mehrwert geklärt sind. Da diese Use-Cases spätestens bei einem Rollout über eine eigene Applikation verfügen müssen, da eine IoT-Plattform nicht mehr ausreicht. In diesem Fall ist es sinnvoll, bereits die Applikation mit in den Piloten einzubinden. So kann bereits von Beginn an der Weg vom Sensor über die IoT-Plattform in die Fachapplikation getestet werden, wodurch spätere Anforderungen in einem Rollout direkt geklärt werden können.  Durch die komplette Abbildung des Use-Cases ist die Lernkurve innerhalb eines Stadtwerks deutlich höher, als bei einem Piloten mit dem Fokus Technologietest. Ebenfalls hilft der klare Fokus zur Sicherstellung der eigenen Timeline. Auch werden mögliche Ablenkungen, wie die Umsetzung eines neuen Anwendungsfalls, nicht aufgenommen. Der Fokus liegt klar auf dem zu pilotierenden Rollout. Das Vorgehen eignet sich besonders für Stadtwerke, die entweder noch über wenig LoRa-Know-how verfügen oder den Rollout eines neuen Anwendungsfalls planen.

Rolloutprojekte haben hingegen den Fokus, einen Anwendungsfall direkt produktiv in großer Masse auszurollen. Voraussetzung hierfür ist ein bestehendes LoRa-Know-how im Stadtwerk und eine Anbindung an die Fachapplikation.

LoRaWAN Projekt – Wie lang darf die Dauer eines Piloten sein?

Ein LoRaWAN-Projekt Pilot sollte in der Regel nicht länger als 6 bis 12 Monate betragen. Piloten mit dem Fokus des Technologietests sollten auf maximal 6 Monate begrenzt werden. Verzögerungen im Zusammenhang mit einem LoRaWAN-Projekt treten vor allem bei fehlendem Fokus und einer Nichtklärung der Verantwortlichkeiten innerhalb des EVUs auf. Auch das Thema Standorte und Aufbau von LoRaWAN-Netzen kann zu einem erheblichen Hindernis werden. Da Standorte für LoRaWAN-Gateways über eine beträchtliche Höhe verfügen sollten (je nach Geographie mindestens 15m) sind einige EVUs auf Standorte von Dritten angewiesen. Der Verhandlungsprozess kann oft mehrere Monate dauern, weswegen es zu erheblichen Projektverzögerungen kommt. Zusätzliche Fragen wie Blitzschutz und die Notwendigkeit eines separaten Zählers für das Gateway können den Aufbau weiter erschweren. Wenn bereits vorher klar ist, dass die Standortsuche schwierig werden könnte, empfiehlt es sich, das LoRa-Netz bereits frühzeitig aufzubauen, parallel zur Use-Case-Identifizierung und der Festlegung der verantwortlichen Abteilung.

Was sind die wesentlichen Faktoren für ein Use-Case?

Jeder Use-Case in einem LoRaWAN-Projekt steht im Prinzip vor drei zentralen Herausforderungen. Zum einen ist die für die Erhebung von IoT-Messdaten geeignete Sensorik erforderlich. Diese muss in einer für den Use-Case benötigten Genauigkeit messen und sich zudem in dem geforderten Kostenrahmen bewegen. Gerade bei Use-Cases, die über einen geringen finanziellen Spielraum verfügen, kann dies zu einer Verhinderung eines Anwendungsfalls führen. Denn grundsätzlich gilt die Faustregel, dass die Errichtung eines LoRaWAN-Netzes relativ kostengünstig ist, Messtechnik aber weiterhin erforderlich ist und bezahlt werden muss. So kann es sein, dass spezielle Sensorik für einzelne Use-Cases das Budget deutlich überschreiten kann. Dabei ist es unabhängig von der Frage, ob der Sensor die Daten über LoRaWAN oder eine alternative Funktechnik überträgt.

Ist eine entsprechende Sensorik vorhanden, kann die Umsetzung eines Anwendungsfalls ggf. an regulatorischen Hemmnissen scheitern. Beispielsweise kann bereits heute ein Stromzähler mittels LoRaWAN ausgelesen werden, allerdings ist dies nach dem Messstellenbetriebsgesetz verboten, da LoRaWAN nicht über die notwendige gesetzlich geforderte Bandbreite verfügt, um die Daten über das WAN zu übermitteln. In bestimmten Bereichen kann ein Use-Case auch durch den Gesetzgeber initiiert werden, wenn dieser z. B. wie in der Fernwärme die Fernauslesbarkeit von Fernwärmenetzen fordert.

Stehen dem Anwendungsfall keine regulatorischen Hemmnisse im Weg, ist die Wirtschaftlichkeit des Anwendungsfalls zu prüfen. Grundsätzlich sollten die Use-Cases priorisiert werden, die einen Mehrwert für das EVU erzeugen oder wenigstens eine regulatorische Herausforderung lösen. Gerade Use-Cases, die eher einen Fokus auf einen Spiel- und Bastelbetrieb haben, sollten nicht vorangetrieben werden. In der Praxis haben sich oft die Use-Cases als wirtschaftlich erwiesen, die sich im Bereich der Energienetze (Strom, Gas, Wasser, Fernwärme) befinden. Aber auch Anwendungsfälle, die gezielt für eine Kommune zugeschnitten sind, wie z. B. das Monitoren von Schulen, wobei die Daten den Nutzern des Gebäudes aber auch dem EVU zum Verbessern des eigenen Contractings der Heizungsanlage verwendet werden.

LoRaWAN Projekt – Was ist das Fazit?

Grundsätzlich sollten vor dem Beginn eines LoRaWAN-Projekts der Fokus und die Verantwortlichkeiten definiert werden. Das festgelegte Ziel hilft bei der Umsetzung und Auswahl der richtigen Projektvorgehensweise. Sollten noch keine Use-Cases klar sein, hilft erst die Identifizierung der Use-Cases, bevor mit dem eigentlichen Projekt begonnen wird. Ein Pilot sollte in der Regel nicht länger als 6 bis 12 Monate dauern, wobei vor allem der Aufbau des LoRa-Netzes zu Projektverzögerungen führen kann. Generell ist als Projekt ein Pilot mit Fokus auf einen Rollout zu empfehlen, bei dem auch eine geeignete Applikation für einen späteren Rollout bereits im Piloten vorhanden ist. Die Einbindung der späteren Verantwortlichen sollte so früh wie möglich erfolgen, um die Mitarbeiter schnell zu befähigen, selbstständig zu arbeiten.

Marcel Linnemann

Leitung Innovation & Grundsatzfragen Energiewirtschaft
Marcel Linnemann, Wirt. Ing. Energiewirtschaft, Netzingenieur, ist Leiter Innovation und regulatorische Grundsatzfragen bei items und Autor diverser Fachbücher und -artikel rund um die Thematiken der Energiewirtschaft und der Transformation